TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Dienstag, 31. August 2010

Weichen stellen.

(oder: Deutsche Geschäftsmodelle Teil VI)

Es gibt vieles, das wir in Deutschland einfach nicht hinbekommen.
Umweltfreundliche Autos zu bauen, Erdbeeren und Spargel selbst zu ernten, Mobiltelephone herzustellen, Ingenieure und IT-Techniker auszubilden oder international akzeptable Fernsehserien zu drehen sind Beispiele dafür.
Aber wozu gibt es denn die Globalisierung?
Da kann man sich die Arbeit aufteilen. So wird in Deutschland seit mindestens einer Dekade gejammert, daß wir viel zu wenig Ingenieure und IT-Fachkräfte haben, während Polen und Indien genau diese Hochqualifizierten im Übermaß produzieren, so daß wir sie importieren können. Die Idee selbst Fachkäfte auszubilden, lehnen CDU-Bildungspolitiker strikt ab.

Bildungsfeindlichkeit ist eine der neuen Kernkompetenzen
des 82-Millionenvolks in der Mitte Europas.
Frau Merkel fuhr gleich drei Bildungsgipfel gegen die Wand, die deutschen Schulen sind mit die schlechtesten und miserabelsten der OECD-Zone, Bürgerinitiativen, wie der Hamburger Gucci-Protest verhindern, daß Schulformen verbessert werden und eine neu n ins Amt gewählte schwarz-gelbe Landesregierung (die von Carstensen) beschließt als erste Amtshandlung gleich mal eine Universität abzuschaffen.

Dieser allgemein-edukative Antagonismus hat seinen Ausdruck darin, daß der Bundesbildungsminister nicht nur von Merkel im Jahr 2005 komplett entmachtet („Föderalismusreform“) wurde, sondern daß die Stelle auch noch faktisch vakant ist.

Oder kann sich etwa irgendjemand erinnern, daß Anette Schavan jemals aktiv geworden wäre?


An dieser Stelle sei eingeflochten, daß sich der Autor dieser Zeilen auch in englischsprachigen Plattformen mit Amerikanern streitet. Eine Meinungsverschiedenheit wurde zuletzt recht effektiv beendet:

First of all, the German people have about another 200 years before they can have an opinion about how the world should work. The German's have been responsible for so much horror in this world! To be safe in this world, is to destroy our enemies, just like we destroyed the Nazis, had to be done.

Frei übersetzt heißt das:
Die Scheiß Deutschen sollen gefälligst noch 200 Jahre die Klappen halten, bevor sie es wagen dürfen uns Amerikanern reinzureden.
In so einer Situation kann ich auch anders von Deutschland sprechen, das soziale System loben, betonen, daß man weitgehend kostenlos studieren kann, daß das Zusammenleben friedlicher und weniger fanatisch als in den USA funktioniert, daß die Kriminalität niedriger ist und daß die Deutschen offensichtlich so viele technische Fertigkeiten haben, daß sie der zweitgrößte Exporteur der Welt sind.

In Deutschland gibt es immerhin überhaupt ein ökologisches Bewußtsein und ein dementsprechend großes Knowhow in den grünen Zukunftsindustrien.

Angestoßen von der zukunftsweisenden Politik eines Jürgen Trittin haben wir mittlerweile 1,2 Millionen Jobs in der Öko-Industrie.

Anders als Herr Brüderle denkt, ist damit die „Greentech“ bezogen auf die Arbeitsplätze inzwischen der wichtigste Wirtschaftszweig.
Hier arbeiten mehr Menschen als im Maschinenbau oder der Automobilindustrie. Man kann von einem dreifachen Glückfall sprechen.
Hier ist 1.) ein starker ökonomischer Motor im Gange, der 2.) die Ökologie fördert und der 3.) weltweit zukunftsweisend ist.
Energieeffizienz und Energiegewinnung werden mit Sicherheit die Top-Themen der Zukunft sein.
Rund um den Globus hängt man derzeit noch weitgehend an extrem umweltschädlichen auf Kohlenwasserstoff-Verbrennung basierenden und nuklearen Methoden.

Beides ist wegen der Gefahren nicht zu rechtfertigen.
Ob der Doofheit der Menschen ist es möglicherweise ein Glück, daß die Ressourcen dieser tödlichen Techniken allesamt zu Ende gehen.
Nicht nur Erdgas, Kohle und Öl sind knapp - auch der Kernbrennstoff Uran wird maximal noch ein paar Dekaden reichen.

Es gibt gar keinen anderen Weg, als den in Richtung Greentech.

Und gerade da hat Deutschland einen Vorsprung!

Bevor man deswegen Luftsprünge macht, sei an die Merkel-Regierung erinnert, die genau hier auf die Bremse tritt und mit aller Macht die Energiekonzerne daran hindert in Ökotechniken zu investieren, die den regenerativen Energien den Markt zerstört, die die Netze mit Atomstrom vollstopft.

Brüderle, der Wirtschaftsminister drängt mit Gewalt Deutsche Unternehmen von zukunftsträchtigen Technologien des 21. Jahrhundert zurück auf eine gescheiterte Uraltechnik aus den 1940er Jahren, die brandgefährlich ist und auch in einem halben Jahrhundert noch nicht mal ansatzweise ihre Hauptprobleme lösen konnte.


Die Endlagerfrage wird in Deutschland mit jedem Jahr drängender. Mehr als 40 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Kernkraftwerks fehlt noch immer ein geeignetes Lager für die ständig wachsende Menge an Nuklearmüll. Fast 14000 Tonnen stark strahlenden Abfalls haben Deutschlands Reaktoren bislang produziert. Kommen zehn bis 15 Jahre dazu, dürften es mehr als 20000 Tonnen werden. Dabei wissen die Betreiber schon heute kaum noch, wohin mit den Brennstäben. An den bayerischen Kernkraftwerken Ohu, Gundremmingen und Grafenrheinfeld lagern schon jetzt große Mengen abgebrannter Brennstäbe.
(Markus Balser, SZ, 31.08.10)

Klar ist nur eins; die Haupt-Atomlobbyisten Mappus und Seehofer, in dessen Bundesländern die meisten AKWs stehen, setzten massiv auf St Florian:
Atomkraft unbedingt ja - aber der Müll darf unter keinen Umständen in Baden Württemberg oder Bayern gelagert werden.

Auch in der Atomfrage ist die CDU keineswegs mehr geschlossen. Greentech bringt auch Geld in die Steuerkassen.
Böhmer, Carstensen und McAllister wissen, daß Merkels und Brüderles Atom-Kotau ihren Bundesländern ökonomisch schadet:

Insbesondere Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister hat sich auf die Seite von Röttgen geschlagen. Der Grund ist einfach: Niedersachsen mit seinen vielen fertigen und geplanten Windparks fürchtet bei großen Laufzeitverlängerungen ein weiteres Hinauszögern nötiger Investitionen.
(Stefan Braun, SZ, 31.08.10)

Merkel ist eben nicht die Kanzlerin aller Deutschen, sondern die devote Atom-Beglückerin, die dem öligen Oligopol Milliarden zuschustern will.

Milliarden, die nicht etwa Herr Schäuble selbst druckt, sondern die aus den Taschen der Verbraucher in die Vorstandsetagen der Millionäre von E.on und Co fließen.

Heute gehörten E.ON und RWE zu den größten Gewinnern am Frankfurter Parkett. Das ist verständlich, lassen die angedachten 10 bis 15 Jahre Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke die Kassen der Strommonopolisten doch klingeln. Eine 15jährige Laufzeitverlängerung würde den Betreibern nach Berechnungen des DIW Zusatzeinkünfte von mehr als 96 Milliarden Euro bescheren. Selbst wenn die Regierung ihre Drohung wahrmachen und einen Teil der Mehreinnahmen über eine „Brennelementesteuer“ abschöpfen würde, blieben den Stromkonzernen noch rund 62 Milliarden Euro Mehreinnahmen
(Spiegelfechter 30.08.10)

Um diesen völligen Irrsinn zu rechtfertigen setzt die Lobby-Kanzlerin nun auf ein Gefälligkeitsgutachten, das von glühenden Atomenergiefreunden erstellt, mit so vagen Annahmen rechnet, daß man darüber nur lachen kann.
Jedes Jahr erleben wir, wie sich Wirtschaftsweise extrem korrigieren müssen, weil sie noch nicht einmal die ökonomischen Kerndaten in den nächsten 12 Monaten vorhersagen können. Großdesaster wie die Banken- und Wirtschaftskrise 2008 hat überhaupt keiner der zertifizierten Schlauköpfe erahnt.

Aber Merkel und Brüderle stützen sich jetzt auch ein Gutachten, das genau wissen will, wie es im Jahr 2050 aussieht. Eine Scheinexpertise strotzend vor „unsicherer Annahmen: Ölpreis, Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftswachstum fließen ein. Nur: Liegt der Ölpreis im Jahr 2050 tatsächlich nur bei 130 Dollar je Barrel? Gibt es wirklich nur noch 73 Millionen Menschen in Deutschland? Wird es gelingen, den Energieverbrauch pro Kopf zu halbieren? 'Das rechnerische Ergebnis', so führen auch die Gutachter aus, 'sagt noch nichts darüber aus, wie realistisch die Zielerreichung in der Praxis ist.' Vor allem sei unsicher, ob es ein neues, anspruchsvolles Abkommen im Klimaschutz gibt. Gäbe es keines, wären auch die deutschen Klimaziele in Gefahr. 'Dahinter steht aus heutiger Sicht das größte Fragezeichen', räumen die Gutachter ein.“
(Michael Bauchmüller, SZ, 31.08.10)

Warum Angela Merkel sich ohne Not aus dem Fenster lehnt und eine Laufzeitverlängerung von zehn bis fünfzehn Jahren als „fachlich vernünftig“ bezeichnet, entzieht sich nicht nur der fachlichen, sondern auch der politischen Logik. Noch nicht einmal das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gefälligkeitsgutachten des von E.ON und RWE finanzierten Kölner EWI konnte sich dazu durchringen, eine solche Laufzeitverlängerung in Hinblick auf die Punkte Strompreis, Versorgungssicherheit und CO2-Bilanz als „fachlich vernünftig“ darzustellen. Der einzige Grund, warum die EWI-Studie überhaupt marginale volkswirtschaftliche Vorzüge bei einer Laufzeitverlängerung sieht, ist der Umstand, dass Alternativinvestitionen und ungeklärte Probleme, wie beispielsweise die Zwischen- und Endlagerfrage, gar nicht betrachtet werden.
(Jens Berger 30.08.10)

Diese Bundesregierung ist nicht nur ein Witz und die Inkarnation der Lobbyhörigkeit, nein, sie ruiniert auch Deutschlands Zukunft.


Die Opposition ist in Rage und will parlamentarisch nachbohren.
Aber viel Erfolg werden sie nicht haben - denn FDP, CSU und CDU haben eine satte Mehrheit. Danke lieber Urnenpöbel!

Das gestern der Öffentlichkeit vorgestellte Gutachten von EWI, GWS und Prognos muss ein parlamentarisches Nachspiel haben. Viele Annahmen im Gutachten sind ebenso willkürlich wie politisch gesetzt. Hier sollte ein bestimmtes Ergebnis von vornherein sichergestellt sein.
In einem wirtschaftlich so wichtigen Feld wie der Energiepolitik und einem für das Leben und die Sicherheit der Bevölkerung so entscheidenden Politikbereich darf nicht der Eindruck entstehen, dass politische Entscheidungen vor dem Hintergrund von Gefälligkeitsgutachten getroffen werden. Die Öffentlichkeit und das Parlament haben ein Recht darauf zu erfahren, wer wie bestimmte Annahmen vorgegeben hat.
Deswegen werden wir in der nächsten Sitzungswoche eine Sondersitzung der zuständigen Ausschüsse beantragen, um uns von den Gutachtern erklären zu lassen, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind.
Völlig unklar ist – um nur zwei Beispiele zu nennen - warum im Referenzszenario der Energieendverbrauch nur um 25 Prozent zurückgeht, in den Szenarien mit Laufzeitverlängerung aber mal um 45 Prozent, mal um 49 Prozent. Kauft die Bevölkerung zum Dank für Laufzeitverlängerung effizientere Elektrogeräte? Oder: Mit Laufzeitverlängerung sinkt der Energieverbrauch in der Industrie um 37 bis 38 Prozent bis 2050. Im Referenzszenario ohne Laufzeitverlängerung sind es nur 18 Prozent. Gemauschel und Getrickse bei den Annahmen zugunsten der Atomenergie wo man hinschaut – vom Stromverbrauch bis zur Energieeffizienz.
Gleichzeitig dementiert die Regierung eigene Zusagen. Hatte sie sich Mitte August 2010 gegenüber der EU noch verpflichtet, bis 2020 über 111.000 MW erneuerbarer Energiekapazität bereit zu stellen, sollen es mit Laufzeitverlängerung nur noch 88.000 MW sein - ein Minus von 21 Prozent. Die vorhandenen Biogasanlagen sollen gegenüber dem heutigen Stand sogar zurückgebaut werden. Offensichtlich sollen Laufzeitverlängerungen keine Brücke ins Solarzeitalter bilden, sondern den Ausbau erneuerbarer Energien im Inland ausbremsen. Nach dem Willen von Röttgen und Brüderle soll Deutschland durch Laufzeitverlängerungen zu einem Stromimportland werden, das dann 2050 – so das Gutachten – bis zu einem Drittel seines Stroms aus dem Ausland importiert. Heute exportiert Deutschland Strom.
Im Ergebnis bestätigt das Gutachten die Geschäftsstrategien von RWE, E.ON und Co. Die Verlängerung von Laufzeiten für AKW soll durch jede Menge willkürlich gesetzter Sonderannahmen untermauert werden.
(Pressemitteilung NR. 1020 vom 31. August 2010. Jürgen Trittin, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Montag, 30. August 2010

Nummer Sieben.

Die CDU-Abgänge innerhalb eines Jahres, Althaus, Rüttgers, Koch, Beust, Oettinger und Köhler, gingen aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Die ersten beiden wurden gegangen. Koch, Beust und Köhler hatten keinen Bock mehr und Oettinger zog die Reißleine, um nach einer Kette von bräunlichen Skandalen noch sanft auf einem Brüsseler Ruhekissen zu landen, bevor er hart auf der Oppositionsbank aufgeschlagen wäre.

Bei Peter-Harry aus dem hohen Norden liegt die Sache insofern anders, als er schon noch ganz gern ein bißchen weiter machen würde und gewählt wurde auch erst im Herbst 2009.
Die Regentschaft des gemütlichen Landwirts in Kiel krankt sattdessen daran, daß er es einfach nicht kann.
Und wer sollte dem Flunkerer von der Förde im Alltagsgeschäft helfen?
Die Schulden stehen bis zum Hals und der Finanzminister hat noch nicht mal Abitur.
Noch schlimmer sieht es beim Koalitionspartner Kubicki aus, der selbst innerhalb der FDP offiziell als quartalsirre und weitgehend nicht zurechnungsfähig gilt.
Zu allem Übel ist die schwarzgelbe Mehrheit inzwischen auf eine Stimme geschrumpft.
Carstensens Aussichten eine einigermaßen solide Landespolitik zu gestalten sind ungefähr vergleichbar mit einer Marsmission, die mit Alzheimerpatienten besetzt ist und statt eines Raumschiffs in einem rostigen Fass reist.

Carstensen, 63, gilt bereits im fünften Jahr als amtsmüde. Immer häufiger wurde in letzter Zeit sogar über seinen vorzeitigen Abgang spekuliert - vor allem, nachdem die CDU-Politiker Roland Koch und Ole von Beust in Hessen und Hamburg den Rückzug von ihren Spitzenämter bekanntgaben.
(Severin Weiland 30.08.10)

Der einzige echte Erfolg des bräsigen Bartträgers war die Suche nach einer neuen Ehefrau, die er über die BILD-Zeitung abwickelte.

Und wenn man denkt es geht nicht mehr, kommt vom Landesverfassungsgericht noch ein Tiefschlag her. Das letzte Wahlergebnis sei nicht verfassungsgemäß zustande gekommen, bestätigten die Richter eine entsprechende Klage von SSW und Grünen. Der aktuelle Schleswig-Holsteinische Landtag ist illegal. "Verfassungswidrig".
Halb zog es ihn, halb sank er dahin. So gab Carstensen heute schon mal den CDU-Landesvorsitz ab.
Daß er bei vorgezogenen Neuwahlen noch einmal als Spitzenkandidat anträte, gilt als ausgeschlossen.
Zu miserabel war seine bisherige Performance.
Zu offensichtlich ist seine Lustlosigkeit.
Zu schlecht sehen die Chancen für Schwarz/gelb aus, die im Sog der Bundestagswahl mit Hilfe eines Rekordwahlergebnisses der FDP (14,9 %!) nur auf eine Mehrheit von einem mickrigen Mandat kamen.
Seit dem hat sich der Wind allerdings dramatisch gedreht.
Einzige Hoffnung der CDU ist nun der Oppositionskandidat Stegner, der zwar als hochkompetent und intelligent gilt, aber der irgendwie unsympathisch rüberkommt.
In Schleswig-Holstein hat man eher mit der umgekehrten Mischung Erfolg; so wie Carstensen. Geistig leicht unterbelichtet und vom Job ganz offensichtlich überfordert, aber dafür kommt er als jovialer vergnüglicher Li, La, Launebär daher, mit dem sich jeder gut vorstellen kann mal in der Kniep einen zu heben.

Unter Stegner musste die SPD nach 21 Jahren in die Opposition. Seitdem attackiert er munter die schwarz-gelbe Koalition, die von Carstensen und dem FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zusammengehalten wird. "Tunix und Tunichtgut" hat er das Paar getauft - ein typischer Rempler des rauflustigen Norddeutschen.
(Severin Weiland 30.08.10)

Das Poltern wird nun wieder anschwellen, das Regieren wird wieder gänzlich aufgegeben.
Ab sofort ist mal wieder Wahlkampf. So lange hat die Sachpolitik zu ruhen.
Der Bürger hat also mal wieder das Vachsehen, weil die Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte.

Die Peinlichkeit für die Kieler Politik besteht darin, dass sie aus purer Bequemlichkeit die Richter den Job hat machen lassen, den sie nicht hinbekommen hat. Es war schon lange klar, dass dieses Wahlgesetz mit seiner ungeheuren Zahl von 40 Wahlkreisen dem Datenfluss nicht mehr gewachsen sein würde, der durch eine Sechs-Parteien-Landschaft auf den Landeswahlleiter zukommt (in Schleswig-Holstein gibt es dank der dänischen Minderheit vom SSW noch eine Kraft mehr im Parlament als anderswo). Die Zahl der Wahlkreise stammt noch aus den Zeiten, als SPD und CDU das Land unter sich aufteilen konnten und hofften, das möge sich nie ändern. Für solch klare Verhältnisse ist das Wahlgesetz gemacht.
(Ralf Wiegand 30.08.10)

Eine Wahlrechtsreform hätte aber wohl die Abschaffung einiger netter Erbhöfe der Parteien, sichere Direktmandate und bequemere Mehrheiten erfordert.
Eine absurde Vorstellung, daß ausgerechnet Phlegma-Carstensen so ein Projekt angepackt hätte.
Die Uhren im Norden ticken aber glücklicherweise recht langsam.
Dieser illegale und verfassungswidrige Landtag darf noch bis 2012 amtieren - Zeit genug, daß die Bürger vergessen können, wie sehr schwarzgelb versagt hat.


Und Zeit genug auch für die Politik. Die vom Gericht gesetzte Frist bis September 2012 klingt allzu großzügig. Und Schleswig-Holsteins Politik hat bewiesen: Zeit nutzt sie gerne, um notwendige Dinge nicht zu tun.
(Ralf Wiegand 30.08.10)

Sonntag, 29. August 2010

Printpresse 2010.

Das Fachblatt für Seichtes, Sachfremdes und Verblödung, die BUNTE aus dem Hause Burda, ist das erfolgreichste Klatschmagazin Deutschlands.
Mit einer Reichweite von über vier Millionen Lesern kann Chefradakteurin und Markwort-Lebensgefährtin Patrizia Riekel mit ihren oftmals fernab der Wahrheit angesiedelten Berichten durchaus politisch relevant sein.

Nur mit ihrer maßgeblicher Hilfe konnte Lügenbaron von und zu Guttenberg (Kunduz!) zum beliebtesten Politiker Deutschlands aufsteigen.
Die stets perfekt in Szene gesetzten Brüste seiner Ehefrau Stefanie - eine geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen wie BUNTE nie vergisst demütig zu erwähnen - kompensieren die fehlenden politischen Erfolge ihres Mannes.

Eine endlose Folge von Hochglanzphotos des adeligen Promi-Paars dürfte auch den konservativen Verleger und CDU-Bundespräsidentenwahlmann Hubert Burda erfreut haben, der seinen Parteien stets eine große Hilfe ist.

Frau Riekel geht nicht unkreativ vor.
Eine ihrer besten Ideen war das vor einigen Jahren eingeführte „Promi-Register“, das in jeder Ausgabe des Yellowpress-Flaggschiffs alle erwähnten Möchtegern-Wichtigen alphabetisch aufzählt.
So muß ein Pressesüchtiger nicht erst umständlich das ganze Heft durchblättern, sondern kann auf einen Blick erkennen, ob er wieder „drinsteht“!

König dieser Disziplin ist zweifelllos Guido Westerwelle, der seit Jahren in keiner einzigen BUNTE-Ausgabe fehlt.
Mögen seine Kollegen auch noch so viel Akten studiert und Hintergrunddiskussionen geführt haben - Guido raste wie besessen von einem Ball zur nächsten Eröffnung.
Kein Boulevardevent, keine Friseursalon-Einweihung, keine Gala, die ohne den FDP-Chef stattfand.
Erst nachdem er Außenminister wurde, kam es einmal zu einem Register-Novum: unter dem Buchstaben „W“ kein Guido!
Es blieb aber bei einer Ausnahme.
Auch in der aktuellen Ausgabe ist wieder ein Westerwelle-Bild.

Guido wird dennoch unzufrieden sein - prangt doch auf dem Titel das Ehepaar Steinmeier - „Wie groß muß seine Liebe sein!

Diese Ausgabe besitze ich und muß an dieser Stelle zugeben, daß ich der BUNTEN bisher Unrecht getan habe.
Ich dachte immer es handele sich um ein konservatives Verblödungsorgan für alles, das irrelevant und unwichtig ist.

Aber weit gefehlt!
Riekels Jungs und Mädels; in diesem Fall BUNTE-Redakteur Tobias Lobe; haben große satirische Qualitäten.

Dies erfährt man durch eine fünfseitige (!) Hochglanzstory über Rainer Brüderle!

Der Problembär, der bisher wenig geistreich als „Brüderle Leichtfuß“ verspottet wurde, erlebt in der BUNTEn die volle Breitseite aus Ironie und Sarkasmus.

Überschrieben ist das Portrait wie folgt:

„RAINER BRÜDERLE!
Der Wirtschaftsminister ist plötzlich der neue Politstar.
Hier spricht er über die Früchte seines Erfolgs.
Und seine Frau verrät, wofür sie ihren Mann liebt.“


LOL - das könnte auch genauso in der Titanic erscheinen.
Da der Bunte-Leser weniger gerne liest, denn Bildchen anguckt, bekommt man über volle zwei Seiten erst einmal ein besonders subtil inszeniertes Photo präsentiert.

Brüderle, fesch in Bluejeans und aufgekrempeltem Hemd, erklimmt einige Stufen einer an einem Apfelbaum lehnenden Leiter und präsentiert dem Leser grinsend einen gepflückten Apfel.

Für diejenigen, die weniger als drei Hirnzellen haben und immer noch nicht die Absicht verstanden haben, lautet die Bildunterschrift in fetten Lettern:

„Mister Aufschwung fährt die ERNTE ein!“

Bevor sich der Minister, der neben seinem Parteichef maßgeblich dafür verantwortlich ist, daß sich die Bundesregierung in Lyse befindet und die FDP binnen ein paar Monate von 15% auf 4% weggesackt ist, im Interview selber loben darf, erklärt Redakteur Lobe (Nomen est omen!) dem bürgerlich-geneigten Leser erst einmal die Ausgangslage:

Er hat allen Grund, um im Urlaub die Sektkorken knallen zu lassen. Die Wirtschaft brummt wie seit 20 Jahren nicht mehr, immer weniger Arbeitslose, der Export explodiert.
(Bunte 35/2010)

Rainer Brüderle - der menschelnde Pluspunkt der Regierung! Der Fels in der Brandung. Konservative wissen das schon lange.

Die wichtigste Lektion dieser Koalitionsfindungsphase heißt: Man darf Rainer Brüderle nicht unterschätzen. Er mag mit seinem Dialekt daherkommen wie ein Landauer Landei. Keine Weinkönigin in Rheinland-Pfalz lässt er ungeküsst, die „Bunte“ darf ihn im Tai-Chi-Kurs auf Sylt fotografieren, er klopft Sprüche wie „erst grübeln, dann dübeln“.
In der „Bild“-Zeitung erklärt er die Brüderle-Diät (“Mit Wein und Fleisch 20 Kilo abgespeckt!“), und in Talkshows erläutert er, warum ein halber Liter Wein am Tag guttut, Frauen aber weniger vertragen: Schuld sei der „hohe Fettgehalt“ im weiblichen Körper. „Dabei macht der den Reiz der Frau aus!“
(FAZ 29.10.09)

Ordentlich einen zu heben ist in der Tat eine gute Methode für ein Mitglied dieser Bundesregierung.
Die traurige Realität schön saufen kann der Wirtschaftsminister wie kein Zweiter.



Hicks.

Die Füchse von der BUNTEn hatten schon vor der letzten Wahl das Potential des Pfälzischen Weinfreundes entdeckt.
Seine Qualitäten liegen vielleicht nicht in geistiger oder politischer Beweglichkeit - aber immerhin ist er körperlich gelenkig!

Rainer Brüderle, wirtschaftspolitischer Kopf der FDP, verriet BUNTE sein Faible: Asiatische Heilkunst. Bei einem Schnupperkurs in der Kampfkunst des Tai Chi zeigte der Politiker, wie gelenkig er ist.
(Bunte 31.07.2008)

Aber keine BUNTE-Lobpreisung, ohne daß die Politprofiredakteure nicht noch ein paar intime Geheimnisse („10 GANZ PERSÖNLICHE Fragen an den R.B.“) entlocken.

Hier erfahre ich, daß er als sein eigener Dackel Anton wiedergeboren wollen würde, daß er in der BUNTEn zuerst das Inhaltsverzeichnis lese und sogar seinen Lieblingsprominenten gibt der Wunderminister bekannt: Guido Westerwelle!

Samstag, 28. August 2010

Durchgerutscht.

Wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht.

So gesehen ist der Hamburger Wirtschaftssenator Kiru Karan, der vor ein paar Tagen mit einem triumphal gewählten Christoph Ahlhaus ins Amt kam, weit außerhalb der Glaubwürdigkeit.
Der Schill-Spender ist offensichtlich ein so gewohnheitsmäßiger Lügner, daß Dekaden zurückliegende biographische Angaben des Selfmade-Millionärs oft genauso unwahr sind, wie aktuelle Karan-Angaben nachdem schon sicher war, daß er Hamburger Wirtschaftssenator werden würde.



Ganz offensichtlich leidet Karan an Pseudologie (v. griech.: ψεῦδος pseudos „falsch“; λόγος logos „Rede“. Das krankhafte Verlangen unablässig zu lügen.)

Wer Karans Selbstdarstellungsdrang kennt, wie er sich manisch in immer noch protzigeren Autos mit noch blonderen Freundinnen mit noch größeren Brüsten in die angebliche Hamburger Gesellschaft schob, wundert sich nicht.
Das kleine psychologische Einmaleins reicht aus, um die Ursachen für Pseudologie-Erkrankungen in einem durch Minderwertigkeitskomplexe befeuerten Bedürfnis nach Geltung und Anerkennung zu sehen.

Ein Glück für den neuen Star des GALCDU-Senats, daß wir inzwischen eine tolerantere Gesellschaft sind, in der Schwule, Behinderte, Migranten und sogar Frauen Regierungsämter übernehmen können, ohne daß es noch viel Geschrei in der veröffentlichten Meinung gibt.

Karan sollte insbesondere Roland Koch dankbar sein, der durch hartnäckiges Ausharren das öffentliche und permanente Lügen im Amt salonfähig gemacht hat.
Vor zehn Jahren geriet der Hessische Pinocchio noch in schweres Fahrwasser, als dem Ministerpräsidenten fortlaufend Unwahrheiten nachgewiesen wurden.
Der narbige Wiesbadener schlug dabei geschickt gleich zu Beginn die größten Pflöcke ein.
Wer einmal die als „jüdische Vermächtnisse“ getarnten CDU-Schwarzgeld Millionen in Liechtenstein ausgesessen hat, der kann fortan locker flunkern.
Sein Wahlvolk hatte der Hessenhitler ab 2000 erfolgreich hyposensibilisiert.

CDU-Kollege Carstensen, MP von Schleswig-Holstein, war unmittelbar vor der Landtagswahl 2009 noch mit einem halben Dutzend dreister Lügen aufgeflogen und wurde doch wiedergewählt.

Es macht eben alles nichts mehr.

Ein winziges Verschweigen hatte einst noch dem Saubermann Björn Engholm sein Amt gekostet.
Soviel wie Engholm in seiner gesamten Amtszeit, lügt Carstensen jeden Tag und bleibt schön auf seinem Stuhl kleben.

Der Hamburger Wirtschaftssenator Karan ist ein Lügner mit der Gnade der späten Amtszeit.

Drei knackige Lügen unmittelbar vor Amtsantritt schadeten ihm kein bißchen und die nur Stunden später aufgedeckten weiteren Wahrheitsantagonismen schaffen es überhaupt nur noch in die ganz hinteren Seiten der Lokalpresse.

Voilà, die nächsten Lügen: Im Zusammenhang mit dem MOPO-Bericht über seine Beteiligung am Lokal "Insel am Alsterufer" hat Wirtschaftssenator Ian Karan (parteilos) erneut die Unwahrheit gesagt.
[…] Ian Karan war am Freitag für die MOPO nicht zu sprechen. Er hat Star-Anwalt Matthias Prinz engagiert und geht mit seiner Hilfe gegen Zeitungen vor. Doch was will er erreichen? Nach seinen Lügen darüber, dass Kanzlerin Merkel ihn aufgefordert hätte, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, und seinem mehrfach geschönten Lebenslauf dürfte die Glaubwürdigkeit des Wirtschaftssenators schon jetzt unter null gesunken sein ...
(Thomas Hirschbiegel 28.08.10)

Starkoch Michael Wollenberg bezichtigt den parteilosen Politiker gleich mehrfach, die Unwahrheit gesagt zu haben. Die deutschen Reeder wehren sich gegen Karans Vorwurf, sie würden mit dem Bau immer größerer Schiffe zu "Größenwahn" neigen. Die Vorwürfe Wollenbergs betreffen alle das legendäre Restaurant Insel am Alsterufer, das Michael Wollenberg einst zu einem ungewöhnlich erfolgreichen Promi-Treff machte.
...Es geht um einen Kredit in Höhe von 160 000 Euro, der noch aus der Zeit stammt, bevor Wollenberg das Lokal an eine Firma verkaufte, zu deren Eigentümern auch Karan gehört. Der Starkoch hatte für den Kredit gebürgt und soll diesen nun bedienen. Nach seiner Auffassung müssten aber die neuen Eigentümer des Restaurants dafür aufkommen. Karan hatte im Abendblatt-Interview behauptet, ihm sei von einem Kredit in Höhe von 160 000 Euro "nichts bekannt". Dem widersprechen die Anwälte und führen dazu ihre "umfangreiche Korrespondenz" mit Karan zu dem Thema an. Zudem hatte der Senator behauptet, die betreffende Firma "Insel am Alsterufer GmbH & Co KG" verkauft zu haben. Das entspricht laut Wollenberg ebenfalls nicht der Wahrheit. "Sie sind immer noch Gesellschafter", schreiben die Anwälte des Starkochs an Karan und belegen dies mit Akten aus dem Handelsregister. Außerdem sei es bei dem angeblichen Verkauf nicht um das Restaurantgebäude selbst, sondern um Firmenanteile gegangen.

(HH Abla 28. August 2010, irgendwo hinten unter „Kommunales“)

Wer dreimal lügt, mag ein Glaubwürdigkeitsproblem haben - aber wer immer lügt wird immun.

Freitag, 27. August 2010

Die Sex-Keule

Religiöse Systeme funktionieren dann gut, wenn sie von den Menschen Unmögliches erwarten und sie ob der nicht erfüllten Ansprüche so sehr in Ängste versetzen, daß sie sich noch mehr in mentale Anhängigkeit der Geistlichen begeben.

Kaum ein Trieb ist so ausgeprägt wie der Reproduktionsdrang.
Sich zu vermehren ist sogar ein Definitions-Kriterium eines Lebewesens.
Überleben und Kinder machen ist das genetische menschliche Kern-Programm.

Evolutionär betrachtet scheint sogar Homosexualität nur ein Unteraspekt dieser beiden Triebfedern zu sein. Beispielsweise wissen wir, daß die Wahrscheinlichkeit homosexuell zu sein mit der Anzahl der älteren Brüder steigt.
Mit der Zahl älterer Brüder nimmt für einen Mann die Wahrscheinlichkeit zu, schwul zu sein. Sie steigt um etwa 33 Prozent mit jedem älteren Bruder. Das hat die Auswertung umfangreicher Daten ergeben.
Der evolutionäre Grund ist möglicherweise der, daß bei immer höherer Kinderzahl die Ressourcen für die Enkel so knapp werden, daß es für das Fortbestehen der Familiengene effektiver ist, wenn einige Kinder als Onkel und Tanten nur indirekt für die Weitergabe ihrer Gene sorgen.
Höher entwickelte soziale Tiere wie Primaten oder Elefanten oder Orcas können das Überleben ihrer Kinder besonders effektiv sichern, wenn sich nicht nur die leiblichen Eltern, sondern auch Tanten und Onkel bei der Aufzucht des Nachwuchses engagieren.
Ausdruck des biologischen Urtriebs bleibt aber stets die Sexualität, die im beschriebenen Fall lediglich auf Geschlechtsgenossen (um)gerichtet ist.
Sexualität ist dementsprechend auch ohne das direkte Entstehen von Nachwuchs evolutionär sinnvoll, weil sie Bindungen stärkt, das soziale Zusammenleben verbessert und Aggressionen abbaut.
Kleine Schimpansen wie Bonobos können durch permanent praktizierte Multisexualität nahezu alle Streitereien verhindern und eine Gruppe von Tieren so sehr miteinander verbinden, daß sie nach Außen überproportional stark wird und eine hohe Überlebenschance hat.

Dieser Sexualtrieb ist derrat mit der Existenz verwoben, daß beim Sexualakt das biochemische Belohnungssystem im Hirn maximal aktiviert wird.
Eine Kaskade von Endorphinen und Neurotransmittern wird in so überwältigendem Maße ausgeschüttet, daß kopulierende Viecher typischerweise alles um sich rum vergessen - und mögen sie sonst auch noch so aufmerksam sein.

Die Perfidie des real existierenden Kirchismus ausgerechnet hier das moralische „STOPP“ zu installieren ist brillant.
Jeder ist demnach ein verdorbener Sünder und somit an die Kirche gebunden, um Vergebung zu erlangen - es sei denn, daß man die Ewigkeit in der Hölle verbringen möchte und wer würde das riskieren?

Dumm für den real existierenden Kirchismus ist allerdings, daß viele Menschen in Europa nicht mehr an die Hölle glauben. In Südamerika ist das noch ganz anders.

Und noch viel ungünstiger ist die Tatsache, daß es in unserer offenen Gesellschaft immer weniger gelingt die Bigotterie des Kirchenpersonals geheim zu halten.
Sie sind schließlich auch Menschen mit Trieben.

Menschen, die es auch schon immer heftig trieben.

Lange Zeit ging das unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Das klappt aber schlecht im Zeitalter von aufmüpfigen Jugendlichen, die nicht mehr jede Vergewaltigung durch einen Priester verschweigen, nur weil der Peiniger ihnen die Hölle androht.
Inzwischen gibt es TÄGLICH weltweit Dutzende Berichte von katholischen Geistlichen, die Kinder missbrauchen.
Sexuelle Priester als asexuelle Überwesen zu inszenieren, funktioniert im Zeitalter von Handycameras, Twitter und Blogs immer weniger gut.

Mehr und mehr wird der Masse der Gläubigen klar, daß die Hirten, die sie einst bewunderten für ihre Enthaltsamkeit, also ihre Stärke den Trieben zu widerstehen, ihnen nur etwas vorgemacht hatten.

Worüber über Jahrhunderte nur getuschelt wurde, ist nun an die Oberfläche des Boulevards gedrungen.
Die keuschen Homo-Verurteiler im Vatikan sind offenbar zum größten Teil selbst nicht nur schwul, sondern auch reichlich sexuell aktiv.

Der Zölibatäre vor Ort hat es weitgehend aufgegeben seinen Schafen noch etwas vorzumachen.

Im Gegenteil - ein offensichtlich sexuell aktiver „Enthaltsamer“ steht wenigstens nicht im Verdacht die Messdiener zu befummeln, wenn keiner hinsieht.

‘James', ein katholischer Priester in Sydney macht dies in der September-Ausgabe des DNA-Magazins klar.
Die meisten Priester halten sich nicht an den Zölibat und frönen einem gesunden Sexualleben.
Man praktiziert sein Sexualleben noch nicht mal mehr extrem heimlich - Kollegen und Bischöfe wissen Bescheid und solange man es nicht an die ganz große Glocke hängt, stört sich niemand daran.

"I have not been able to keep my vow of celibacy," the priest says, speaking exclusively to DNA Magazine's Nick Cook in the current issue. "Sometimes I need to be held and cared for - and I enjoy the sex. "I know that for a large part of the world it means I'm not a good priest, but without it I'd be a worse one."
[…] "I suspect that anywhere up to, if not more than, 50 percent of Catholic priests are not, or have not always been, celibate. "I know of priests who have had long-term relationships with women. "Celibacy is for some people but it's not everybody. That's why I think celibacy imposed is wrong whether you're gay or heterosexual." James is out to a number of other priests and his bishop knows that he is both gay and sexually active. "My bishop is a good man. He himself would have issues with the Church teaching on this."
(Seekingmedia)

Das ist schön für James.
Das ist aber schlecht für die Kirche - denn der Nimbus der priesterlichen Übermenschen, die allen Trieben widerstehen können, ist dahin.

Donnerstag, 26. August 2010

Oppositionserfolg.

Vom großen SPD-Aphoristiker F. Müntefering kennen wir den weisen Satz „Opposition ist Mist“.
Jeder versteht was damit gemeint ist: Eine Partei will gestalten, ihr Programm umsetzen, die Welt verbessern und ist dementsprechend frustriert, wenn sie zur Untätigkeit verdammt ist.
Ein anderer Aphoristiker, Helmut Kohl, ist aber aktueller:
„Die Wirklichkeit ist anders als die Realität“ lautete einst sein Credo.

Alle Vorzeichen des Müntefering-Koordinatensystems haben sich nämlich gewechselt.
Jetzt ist regieren Mist und Opposition eine Frischzellenkur.

Wo auch immer FDP oder CDU Regierungspartei sind - sei es in Bund, Land oder Kommune - scheitern sie an der Wirklichkeit und bieten ein Bild des Jammerns.

Während das Zusammenwirken der CDU-Minister als „Balkanisierung“ (SPIEGEL) beschrieben wird, werden die Führer der kleineren K.O.alitionspartner allgemein als Witzfigur oder Psychopathen angesehen.

Der Thüringer FDP-Vorsitzende Uwe Barth hat CSU-Chef Horst Seehofer scharf angegriffen.
Seehofer sei ein "Quartalsirrer" und ein "Wahnsinniger", der alle paar Tage seine Meinung ändere, sagte Barth in einem Beitrag der Thüringer Allgemeinen am Donnerstag.

(SZ)
Westerwelle „hat die Liberalen zu einer regierungsunfähigen Oppositions- und Protestpartei gemacht.“
[…] Gehalten haben die Liberalen bis jetzt nicht eines ihrer Versprechen. Naja, eines doch. Als erste Amtshandlung haben sie die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen gesenkt. Westerwelle ist längst zu einer Karikatur seiner selbst geworden. Kaum einer, der ihn noch ernst nimmt im politischen Berlin.
[…] Die Wähler laufen ihm davon und werden wohl auch so schnell nicht wiederkommen. Zumindest nicht, solange Westerwelle in der Partei das Sagen hat.
(Thorsten Denkler)

Für die Opposition sind das behagliche Zeiten, in denen man sich sogar einen Totalausfall als Generalsekretärin (Nahles), einen doppelt kassierenden und mit Mitgliederlisten mauschelnden Parteichef (Ernst), einen Amok-Plauderer (Sarrazin) und fragwürdiges Rentenwirrwarr (Gabriel) leisten kann.

Im Vergleich zur „Worst of-Combo“ der Regierung geht das alles unter.

Die Umfragewerte auf der linken Seite des Spektrums steigen mit jedem Tag, den die Bürgerlichen regieren und ihren Amtsmalus pflegen.

Hamburg hat seit gestern einen neuen Regierungschef.
Der rechte CDU-Hardliner gibt in der Hansestadt die Apotheose des Regierungsscheiterns, die Spitze der Stümperei.
Kein einziger Senator ist in seiner neuen Mannschaft, der noch nicht mit krimineller Energie, dreisten Lügen oder überragender Unfähigkeit aufgefallen wäre.
In der Geschichte der Hamburger Bürgermeister, ist der älteste 40-Jährige Deutschlands mit Sicherheit die peinlichste und groteskeste Gestalt an der Spitze des Senats.

Die Bilanz ist eindeutig negativ. Die Ziele, die sich beide Seiten gemeinsam gesetzt haben, wurden nicht erreicht. Das zentrale Vorhaben einer Schulreform ist in einem Volksentscheid gescheitert, und bei vielen anderen Themen sieht es auch nicht besser aus.
(Prof. Christine Landfried. Sie lehrt Politische Wissenschaften an der Universität Hamburg.)

Bürgermeister Ahlhaus bekam gestern bei seiner Wahl mindestens zwei Stimmen von der Linken oder der SPD - was bei der CDU zu frenetischem Jubel führte.

Glücklicherweise haben die Unionsabgeordneten offensichtlich nicht verstanden, was da passiert war.
Statt eines Vertrauensvorschusses für den Regierungschefs des Bundeslandes Hamburg, hat sich die Opposition einen taktischen Vorteil für die nächste Wahl verschafft.
Mit Ahlhaus im Amt steigen ihre Chancen.

Das stellte unlängst sogar das unbelehrbar CDU-freundliche Hamburger Abendblatt angesichts der unfassbar provinziellen Optik des Beust-Nachfolgers fest.


Ringelleibchen in die Hose gepfropft, schwarze Anzugschuhe zur hellen Freizeitbüx (man wundert sich fast über die fehlenden Sandalen), die Arme rudern neben dem Körper. Querstreifen! Vor dem geistigen Auge schummelt sich Helmut Kohl ins Bild. Rehkitze streicheln am Wolfgangsee, plötzlich ist das nur einen Gedanken weit weg.
Man fragt sich, wo Frau Ahlhaus an diesem Morgen war, und ob sie ihm nichts Passenderes hätte herauslegen können. Und erschrickt schon einen Wimpernschlag später: Man traut diesem Mann zu, dass er sich von seiner Frau die Klamotten heraussuchen lässt?! Schatz, zieh doch heute mal das flotte Geringelte an. Auweia!
[…] Verwegener Gedanke: Sollte es Neuwahlen geben, könnte die Opposition glatt auf die Idee kommen, diesmal den politischen Gegner zu plakatieren.
(Maike Schiller 20.07.2010)

Die GAL ist gemessen an ihren eigenen Ansprüchen ohnehin schon auf ganzer Linie gescheitert.
Nicht von ungefähr liegt in ihrer Hochburg Hamburg, bei Umfragen nur noch auf der Hälfte des Bundes-Wertes.

Es mag sein, dass die Grünen an der Macht bleiben wollen, aber möglicherweise haben sie vor allem Angst vor Neuwahlen. Die Partei ist sich bewusst, dass ihre Bilanz nicht toll ist - was soll sie dem Wähler sagen? Sie muss befürchten, dass sie der nächsten Regierung nicht angehören wird. Das dürfte der Grund für diese Entscheidung sein.
Beide Parteien versinken in Beliebigkeit. Die Hamburger Grünen-Politikerin Krista Sager hat unlängst in einer Diskussion von Beweglichkeit gesprochen. Ich finde aber, dass es eine Beweglichkeit gibt, die Beliebigkeit ist. Die CDU ist in Hamburg 2001 durch eine Koalition mit der rechten und unseriösen Partei von Roland Schill an die Regierung gekommen. Von dort zu den Grünen zu gelangen, ist eine Flexibilität, die beliebig ist.

(Prof. Christine Landfried)

In der SPD-Zentrale dürften die Sektkorken geknallt haben - dieser Senat ist der beste sozialdemokratische Wahlhelfer aller Zeiten.
Fröhliches Dilettieren.
Da brechen jetzt gute anderthalb Jahre an.

Es gibt nur einen Wermutstropfen - die Hamburger Bürger müssen es ausbaden von einem Ahlhaus geführt zu werden - einem Mann, der nie gewählt wurde.

Mittwoch, 25. August 2010

Merkels Planungen und Fehlplanungen

Da mühte sich Angela Merkel ab 1999 mit einer am Boden liegenden und völlig demotivierten CDU ab, um dann 2002 von den Westmännern an die Wand gedrückt zu werden.
Das waren noch Zeiten, als sie die Dreifachquotierte war - Ost, Frau, Protestantin - die devot nach Wolfratshausen zum Frühstück bei Stoiber eilte, um sich dem stammelnden Zauder-Bayern demütig zu beugen.

En Segen für Deutschland allerdings - so blieb uns Rot/Grün noch drei Jahre erhalten und der Irak-Krieg erspart.
Merkel wurde erst einmal wieder auf die Warteposition geschoben und übte sich als „Mrs Njet“, die grundsätzlich alles ablehnte und blockierte.
Sogar von der Opposition aus schaffte sie es die Regierung zu zermürben, indem sie jedes Fortkommen des Landes sabotierte.
Ihre Strategie mutwillig Deutschland soweit in die Krise zu treiben, daß sich der Frust auf der Regierung entlädt, ging auf.

Eine wartende Merkel ist wie Godzilla auf dem Atomkraftwerk: Er rührt sich erst einmal nicht, saugt aber alle Energie auf und wird dabei immer stärker.

Spätestens 2005 hatte Merkel dann endgültig begriffen: Konstruktives arbeiten bringt keinen Vorteil. Aktivität und Reformen werden abgestraft. Destruktivität und Aussitzen wird belohnt.

So kam es, daß spätestens seit ihrem Einzug ins Kanzleramt unbeirrt an ihrer entwickelten „Strategie des wabernden Phlegmas“ festgehalten wurde.
Man sagt mal dies, mal das, lobt vorsichtig, kritisiert auch mal ein wenig, legt sich aber nie fest und vermeidet Entscheidungen, wie der Teufel das Weihwasser.
Bei Schröder hat sie sich abgeguckt, ein Verfahren, das sich nach Trial and Error-Methode als erfolgreich erwiesen hat, a posteriori zur intelligenten Planung umzudeuten.
So hat auch Merkels „ich sitz‘ alles aus!“-Methode inzwischen beeindruckende politologische Dekorationsadjektive erworben.

Merkels persönlicher Demoskopie-Guru und Neologismen-Experte Matthias Jung, der Geschäftsführer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, findet schöne Etiketten.

Die CDU-Wahlkampf-Strategie nennt er „asymmetrisch Demobilisierung“
; vulgo:
Wenn man selber kein Programm hat, kann einen der Gegner auch nicht angreifen.
Die politischen Mitbewerber werden systematisch eingeschläfert, bis die Wahlbeteiligung so zurück geht, daß „relativ“ immer noch genügend Stimmen bei der allseits beliebten Amtsinhaberin bleiben.

Der ZDF-Mann spricht ebenso gern von "bewusster ideologischer Diffusität".
"Zum Wahlkampfkurs der CDU gab es unter den gegebenen Voraussetzungen keine realistische Alternative", sagt Jung und lobt, was die Kritiker als Profillosigkeit geißeln. "Eine Volkspartei kann heute nur erfolgreich sein, wenn sie sich nicht nur für eine Klientel stark macht, sondern unterschiedlichste Gruppen anspricht."

„Ihr Idioten“ mag die Kanzlerin insgeheim ihre parteiinternen Kritiker schimpfen, die nun von ihr das Undenkbare erwarten.
Die Frau mit der Richtlinienkompetenz soll Richtlinien vorgeben. Die penetrant Unentschiedene soll entscheiden.
Haben die alle nicht begriffen, daß Merkel mit Festlegungen und Verlässlichkeit nie zur CDU-Hydra aufgestiegen wäre?

Im letzten Wahlkampf leistete sich die Kanzlerin einen taktischen Fehler:
Die CDU pochte auf Atomkraft.
Die Chefin, die vermutlich ganz gerne den Atomkonzernen die Laufzeitverlängerung dargeboten hätte, wollte das eigentlich nicht öffentlich kundtun.
Daß es doch dazu kam, war den Parteihardlinern geschuldet.
Den einen Knochen gönnte Merkel ihnen.
Begierig kauten die unteren CDU-Chargen darauf rum und waren beschäftigt.

Und nicht wenige in der Partei waren wie elektrisiert, weil sie sich endlich wieder zu Hause fühlten. Es gab plötzlich etwas Profilbildendes in sehr profilarmen Zeiten. Wenigstens bei einem Thema stand man wieder in einer echten und traditionellen Frontstellung zum politischen Gegner, wo doch Merkels Wahlkampf ansonsten von Konfliktscheu geprägt war. Sicher, längere Laufzeiten wurden wirtschaftlich (geringere Stromkosten) und umweltpolitisch (weniger CO2-Ausstoß) begründet. Die emotionale Bedeutung der Atomkraft ist für viele Christdemokraten aber viel wichtiger gewesen. Sie hatten ein Thema, für das sie seit Jahrzehnten eintreten.
(Stefan Braun 23.08.10)

Diese eine Festlegung kommt nun als Bumerang zurück.
Hatte doch Merkel mit ihren beiden Quälgeistern Horst und Guido einen wolkigen überdimensionierten Koalitionsvertrag aus viel pathetischer Polit-Lyrik, ohne konkrete Absichten und dafür mit fast 100 Prüfaufträgen ausgeheckt.
Ein Wunderwerk, aus dem man alles und nichts lesen kann.

Die niederen Koalitionäre waren so verwirrt von dem vertraglichen Nichts, daß sie bis heute nicht sagen können, wofür schwarzgelb eigentlich steht.

Daß Lindner und Westerwelle immer noch ihre Steuersenkungensteuersenkungensteuersenkungen-Sprüche aufsagen hat ohnehin nur noch kabarettistischen Charakter, nachdem innerhalb von ein paar Monaten die massive Steuer- und Abgabenerhöhungen beschlossen wurden - also das diametrale Gegenteil des Versprochenen.

Schäuble schob mit voller Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Steuererhöhungen an. Das wird, ausgelöst durch die Regierung, demnächst direkt oder indirekt auf die Bürger einprasseln: ein höherer Krankenkassenbeitrag - bis zu sechs Milliarden Euro; ein höherer Beitrag zur Arbeitslosenversicherung - 1,6 Milliarden Euro; eine Luftverkehrsteuer - etwa eine Milliarde Euro; die Brennelementesteuer - 2,3 Milliarden Euro; eine Finanztransaktionssteuer - zwei Milliarden Euro; eine schärfere Ökosteuer - 1,5 Milliarden Euro. Und als wäre das nicht genug, fordert Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) obendrein, den Spitzensteuersatz anzuheben, weil "starke Schultern mehr tragen müssen als schwache Schultern".
[…] Nicht allein über Steuern, auch über höhere Beiträge langt der Staat den Bürgern in die Geldbörse. So soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 2,8 Prozent auf 3 Prozent steigen. Fachleute gehen allerdings davon aus, dass die Finanzen der Bundesagentur für Arbeit erst ab einem Beitragssatz von 4 Prozent dauerhaft gesichert sind. Der Beitrag zur Krankenversicherung, so viel steht schon fest, wird angehoben. Im Januar klettert er von 14,9 auf 15,5 Prozent des Bruttolohns. Arbeitnehmer müssen 8,2 Prozentpunkte davon schultern. Ab der Beitragsbemessungsgrenze von gegenwärtig 3750 Euro fallen Zusatzkosten von rund elf Euro im Monat an. Hinzu kommen die Zusatzbeiträge, die jede Kasse bei Bedarf erheben kann. Bislang dürfen sie ein Prozent des beitragspflichtigen Lohns nicht überschreiten. Künftig können die Kassen sogar deutlich mehr fordern. Für Gutverdiener können sich die Zusatzlasten daher auf einen zweistelligen Betrag pro Monat summieren. Damit aber nicht genug. Mehrbelastungen drohen auch von Städten und Gemeinden, die unter den Ausgaben, vor allem für die Kosten der Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern, ächzen. In einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young kündigten 84 Prozent der Kommunen an, Steuern und Gebühren zu erhöhen. Immerhin 60 Prozent wollen sich aus der Schuldenfalle befreien, indem sie Leistungen kürzen. Die Folge: Während weniger Straßenlaternen weniger lang leuchten und Jugendbetreuungseinrichtungen sowie Hallenbäder schließen, steigen Grund- und Gewerbesteuer und die Eintrittspreise für Museen. Frankfurt hat die Straßenreinigungsgebühren um knapp fünf Prozent erhöht, Saarbrücken die Abwassergebühren um zehn Prozent.
(DER SPIEGEL 34/2010)

Willkommen in der Steuersenkungsrealiät des Guido W.

Umso verbissener setzen die Frustrierten in den Regierungsparteien nun darauf den vier großen Energiekonzernen Liebesdienste zu erweisen.

Merkels Kettenhunde sind von der Leine gelassen und es passierte, was passieren muß, wenn unter alles losrennt, ohne das Gehirn einzuschalten: Die vermeidlich einfache Sache - Aufhebung des Atomausstiegsgesetzes und RWE, EnBW, Schäuble, Vattenfall und E.on sind glücklich - mutierte zu einer Kakophonie der Koalitionschaoten.

Als Gröhe am Montag zu den Zielen der CDU bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten Stellung nehmen wollte, verfranzte er sich dramatisch. Erst war er neben der geplanten Brennelementesteuer für einen zweiten Beitrag der Kraftwerksbetreiber. Kurz darauf korrigierte er sich mit den Worten, die CDU wolle keinen zweiten Beitrag, sondern Investitionen der Unternehmen zur Förderung von Solartechnik und Windkraft. Auf ein entschlossenes Ja folgte ein vorsichtiges Jein, das wie ein Nein klingen sollte. Das nennt man Chaos. Dieses Chaos ist das Produkt einer Debatte, in der sich die gesamte CDU durch widersprüchliche Ziele und innere Konflikte schon seit Monaten verheddert. Egal, was Ende September als Energiekonzept der Koalition präsentiert wird, die CDU wird wie eine Verliererin aussehen. Zu harsch sind die gegenseitigen Anfeindungen, zu sehr geht es um Sieg oder Niederlage. Nach der Vorstellung des Energiekonzepts wird allenfalls eine kleine Minderheit weiter glauben, dass die CDU mit der Atomkraft vertrauensvoll umgeht. Politisch kann so aus dem Chaos ein GAU werden. Im Herbst dräut nichts Gutes für die Partei Angela Merkels.
(Stefan Braun 23.08.10)

Mittlerweile haben sich die CDUler in dieser Frage schon allein so verheddert, daß die erratischen Ausfälle von FDP und CSU gar nicht mehr als Öl im Feuer auffallen.
Die Verfassungsexperten im Justizministerium haben regierungsintern gegutachtet und erklärten, daß ohne den Bundesrat allenfalls zwei Jahre und vier Monate Laufzeit draufschlagen werden könne, wenn man "moderat" bleiben und eine Niederlage vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe vermeiden wolle.

Das aber sieht FDP-Chef Guido Westerwelle ganz anders. Er will eine Vertragslösung.
Die Koalition hat sich in dieser Frage inzwischen balkanisiert. Es gibt viele kleine Fraktionen. Die einen sind für die Brennelementesteuer als Mittel der Haushaltssanierung, die anderen für die Brennelementesteuer als Einnahmequelle für die Förderung erneuerbarer Energien. Für Lobbyisten ist eine solche Zersplitterung immer eine gute Sache. Eine Lösung rückt damit in die Ferne. Auch Merkel hat schon die Verzweiflung gepackt. Bei einem Treffen, an dem auch Fraktionschef Volker Kauder und Kanzleramtschef Pofalla teilnahmen, wurde die Entscheidung bis Ende September vertagt. Für die Lobbyisten ist das eine Menge Zeit, weitere Geschütze aufzufahren.

(DER SPIEGEL 34/2010)

Unfreiwillig könnten die Milliardenschweren Atomlobbyisten der Kanzlerin aus der Klemme helfen.
Sie haben ihre Forderungen und ihr erpresserisches Auftreten derart überzogen, daß selbst die entscheidungsunwillige Atomfreundin Merkel genötigt sein könnte zu entscheiden - und zwar GEGEN die Interessen der Atommafia, wenn sie nicht den letzten Rest Reputation verlieren will.

Was hat die vier Großen eigentlich geritten sich in der Öffentlichkeit so offensichtlich als der Regierungs-übergeordnete Supermacht zu präsentieren?

Frau Merkel, bitte zum Diktat!
Wer trifft die politischen Entscheidungen in Wirklichkeit? Weil sie der Brennelementesteuer entgehen wollen, versuchen die Chefs der Atomwirtschaft, die Bundesregierung umzublasen. Dem Wind geben sogar einstige Atomgegner nach. […]Die Manager der Atomindustrie haben eine Anzeigenkampagne gegen die Einführung einer Brennelemente-Steuer und für die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke begonnen, die sich "Energiepolitischer Appell" nennt. Der Appell war noch nicht gedruckt, da trat die Regierung Merkel - Umweltminister Norbert Röttgen ausgenommen - schon zum Umfallen an. Volker Kauder, der Unionsfraktionschef, kann sich statt der Brennelemente-Steuer eine "vertragliche Einigung mit der Energiewirtschaft" vorstellen, in der sich die Konzerne zu Zahlungen für verlängerte Kraftwerkslaufzeiten verpflichten; Finanzminister Wolfgang Schäuble assistiert: "Wir haben immer gesagt, wenn es eine andere Rechtsgrundlage oder Vereinbarung geben sollte, sind wir dazu bereit."
(Heribert Prantl 23.08.2010)

RWE, EnBW, Vattenfall und E.on konnten der Versuchung nicht widerstehen die Schwarzgelben vorzuführen und allen zu demonstrieren wer nach wessen Pfeife tanzt.
Daß dies nun derart öffentlich geworden ist, könnte sich allerdings als gigantischer Rohrkrepierer erweisen.
Immerhin ist die Regierung spätestens seit des Hotelsteuergeschenks in Punkto Lobbyhörigkeit angezählt.
Heute würde ihr kaum noch einer glauben die Atomlaufzeiten zu verlängern, weil es dafür objektive Gründe gäbe.
Zu offensichtlich ist das Nachgeben gegenüber des Lobbydrucks.
Merkel und Westerwelle haben keinen Kredit mehr, den sie verspielen können. Noch ein Einknicken vor der Lobby und der letzte Rest Glaubwürdigkeit ist dahin.

Für den Kommunikationsexperten Klaus Kocks ist das Gebaren der vier Atomgiganten der absolute PR-Supergau.
Die GAK; die Giga-GAK.

Die Energiekonzerne hatten genug von Angela Merkels abwartender Haltung und wollten Druck ausüben. Die Kanzlerin mit dieser Kampagne aber zu beeinflussen, sie herumzuschubsen, ist eine fatale Fehleinschätzung von Frau Merkel. Das wird für die Atomlobby teuer werden.
[…] Denn die Kampagne hat aus einer Sach- eine Machtfrage gemacht. Diese wird die Kanzlerin auch als Machtfrage beantworten. Der einzig mögliche Ausgang ist nun ein Beschluss, der negativer ausfällt, als er noch vor einigen Wochen möglich gewesen wäre. Schließlich war der Gestus der Kampagne, das Gegenüber an den Ohren zu ziehen wie in der Kindererziehung.
[…] Diese Kampagne ist ein kommunikativer Putschversuch der Wirtschaftseliten, die nicht nur versuchen, Druck auf die Kanzlerin auszuüben, sondern auch den Umweltminister aus seinem Amt zu heben. Dafür haben sie aber kein Mandat. Die Konzerne zetteln mit ihrem Verhalten vielmehr einen ideologischen Bürgerkrieg an. Die Kampagne ist daher extrem kontraproduktiv.
[…] Die Kampagne hat die Basisstrukturen im Verhältnis von Wirtschaft und Politik beschädigt. Das ist wieder ein kleiner GAU der Atomlobby. Sie hat schon in der Vergangenheit zu ihrer schlechten Reputation in der Gesellschaft geführt. Nun hat sie die Akzeptanz der Atomindustrie bei Publizisten und in der Bevölkerung weiter verringert.
[…] Treibende Kraft ist ohnehin der RWE-Konzern mit seinem Chef Jürgen Großmann. Im Übrigen ist diese Kampagne keine Strategie, sondern wirkt wie der Wutausbruch eines Cholerikers, der eine Gruppe hinter sich versammelt hat.
(tagesschau.de)

Dienstag, 24. August 2010

Ein netter Sozi?

Beinahe hätte ich heute „Deutsche Geschäftsmodelle - Teil VI“ hier hingeknallt.
Einfach nicht zu fassen, wie devot sich Brüderle und Westerwelle bei den großen vier Atomkonzernen mit der Lizenz zum Gelddrucken einschleimen.

Ich kann das aber selbst nicht mehr hören und schreibe daher lieber etwas über meine Partei.
SPD-Politiker sind doch im Allgemeinen viel netter.
Es ist doch rührend, wie selbst Personen an der allerobersten Spitze - zum Beispiel die ehemaligen Vizekanzler Müntefering und Steinmeier sich lieber um ihre erkrankten Ehefrauen kümmer(te)n, statt sich im Licht der Medien zu sonnen.
Selbstverständlich ist das nicht - man denke nur an Hannelore Kohl, die sich im Sommer 2001 mutterseelenallein und zermürbt von ihrer Krankheit in ihrem Haus umbrachte.
Ehegatte Helmut, seit fast drei Jahren nicht mehr Kanzler, hielt es aber nicht für nötig deshalb sein Berliner Politikerdasein zu unterbrechen.

Im Zuge der Diskussion um Münteferings Rücktritt 2007 (um sich seiner sterbenden Frau Ankepetra zu widmen) gab es einige giftige Töne.
Das sei eine Flucht vor der Verantwortung.
Wolfgang Thierse giftete gegen seinen Intimfeind* Kohl, daß es schließlich auch „nicht ideal“ sei, seine Frau „allein im Dunkeln sitzen zu lassen.“
Da war aber die Empörung groß und Thierse mußte richtig zu Kreuze kriechen.
Nun, man sagt das vielleicht nicht, aber sprachlich war das schon sehr zutreffend.

Das mag ich an Wolfgang Thierse.
Er ist studierter Germanist und heutzutage einer der wenigen Politiker, die sich wirklich sehr gut ausdrücken können.
Ich empfehle jedem sich mal bewußt ein Interview mit ihm anzuhören und auf Thierses Sprache zu achten. Das ist ein geschliffenes, korrektes und wohlformuliertes Deutsch.
Fast immer druckreif. Eine echte Wohltat für empfindliche Ohren, wenn man schlimme Sprachpanscher und schlampig formulierende Plapperer wie Kohl oder Merkel damit vergleicht.

Thierse ist dazu auch ein engagierter Bürgerrechtler, der sich für die Armen und Schwachen einsetzt. Unprätentiös ist er immer in seinem Kiez wohnen geblieben und hat sich nie abgehoben gegeben.
Wenn er doch bloß mal zum Friseur ginge und nicht immer wie der Yeti aussähe. Das macht es den CDU’lern scheinbar einfacher ihren Aggressionen gegen den populären Sozi freien Lauf zu lassen.
Das konnte man erleben, als der Bundestagsvizepräsident am 1. Mai 2010 an einer Sitzblockade gegen eine Neonazi-Demonstration teilnahm.
Der Nazi-Spuk wurde zwar erfolgreich verhindert - das hatte der Staat nicht geschafft - aber die Unions-Granden gerieten in Rage.

„Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft, ob es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat gibt, wie ein Sprecher der Behörde am Montag sagte. Nicht nur juristisch, auch politisch ist der Fall nicht abgehakt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warf dem SPD-Politiker "Arroganz gegenüber dem Staat" vor.“
(STERN 3. Mai 2010)

"Der Herr Thierse wollte, glaube ich, erneut mal wieder öffentliche Beachtung haben.“ Dies gehe aber nicht auf Kosten der Polizei. "Niemand steht über dem Gesetz." Ein Bundestagsvizepräsident müsse sich im Gegenteil vorbildlich verhalten.
(Soweit De Maizière, der bisher noch nie mir irgendwelchen Erfolgen gegen den Rechtsextremismus von sich reden machte.)

Der vorbildliche Redner und Bürgerrechtlicher Thierse hat leider auch eine dunkle Seite - und damit meine ich nicht den grotesken Zottelbart.

Er ist überzeugter Katholik und auf Männer von der Pädo-Fraktion in den roten Kleidern läßt er nichts kommen.
Thierse unterstützte das berüchtigte „Pro-Reli“-Volksbegehren in Berlin, obwohl die Initiatoren reichlich logen und falsche, diffamierende Behauptungen ausstreuten.
Die Initiative ging so hanebüchen vor, daß sogar eine Gruppe „Christen pro Ethik“ entstand, weil sie die dreisten Lügen der „Pro-Reli“ -Bande, die Schüler separieren und ausgrenzen wollte, nicht unterstützen mochten.

Das ist eben immer dasselbe mit Christen - auch wenn die noch so sympathisch erscheinen mögen- irgendwann kommt doch ihre hässliche Fratze zum Vorscheinen.

Thierse zeigte sein wahres Bürgerrechtsgesicht spätestens als sich die lobenswerte Initiative „Laizisten in der SPD“ zusammenfand.
Einige hundert Sozis wollen im Oktober 2010 einen offiziellen innerparteilichen Arbeitskreis gründen.

Die neue Gruppe hat die Unterstützung mehrerer Bundestagsabgeordneter, darunter sind Carsten Schneider aus Erfurt, der frühere Staatsminister Rolf Schwanitz und die rheinland-pfälzische Abgeordnete Doris Barnett. Auch der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorstandssprecherin der KfW-Bankengruppe, Ingrid Matthäus-Maier, haben sich angeschlossen.

Gründer Nils Opitz-Leifheit begann vor einem Jahr Interessierte zu sammeln:

Hallo
wir möchten diejenigen vertreten, denen der Einfluss der Kirchen im Staat zu weit geht, die eine wirkliche Trennung von Staat und Kirchen wollen und wir möchten mit unserer Gruppe darauf aufmerksam machen, dass mittlerweile der deutlich größte Teil unserer Gesellschaft konfessionsfrei ist (34% Konfessionsfrei, je knapp 30% Protestanten und Katholiken).

Diese Gruppe hat und findet in der SPD zunehmend weniger Resonanz und Ansprechpartner, was aber schon deshalb fatal ist, weil den beiden Großkirchen alljährlich über 200.000 Menschen durch Austritt den Rücken kehren, hinzu kommt der natürlich Schwund durch Überalterung. Deshalb sollte man die Konfessionsfreien (schon unabhängig von politischen Inhalten) nicht "links" liegen lassen. […] Angesichts der wachsenden Zahl konfessionsloser Menschen in Deutschland sollte in einer Partei wie der SPD, die maßgeblich in den Ideen der Aufklärung und des Sozialismus wurzelt, sich eine Interessengruppe zusammenfinden und artikulieren, die als Gegengewicht zu den verstärkten christlichen Einflussbemühungen für eine klarere Trennung von Staat und Kirche eintritt.
Religiosität in jedweder Form ist in ihrem Bestand und in ihren Ausdrucksformen als selbstverständliches Menschenrecht zu achten und zu respektieren. Ihrem Einfluss auf staatliches Handeln und ihren Versuchen, auch Nichtgläubige und Konfessionslose nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen, muss aber in dem Maße entgegengetreten werden, wie diese Versuche in jüngerer Zeit zunehmen.
Ob es sich um eine Aufnahme der biblischen Schöpfungslehre in den Biologieunterricht handelt, die Privilegierung des christlichen Religionsunterrichtes gegenüber dem Fach Ethik, die Aufnahme von christlichen Bekenntnissen und Gottesformeln in staatliche Gesetze, oder auch den Einfluss der Religionsgemeinschaften und ihrer Mitglieder in der SPD: Ein klares Bekenntnis zur Trennung von Staat und Kirche aus den Reihen der SPD bleibt meist aus, ist halbherzig oder wird gar durch christlich engagierte Sozialdemokraten konterkariert.

Die Positionen des künftigen Arbeitskreises sind allesamt lobenswert.

Ich hoffe, daß ich die Umsetzung noch erleben werde.
Dabei werden bloße Selbstverständlichkeiten angemahnt, die ohnehin laut Grundgesetz geboten sind.
Gesetze und öffentlicher Raum müssen neutral bleiben. Neutrales öffentliches Bildungswesen. Abschaffung von Rechtsprivilegien, Steuerprivilegien und Finanzprivilegien der Kirchen. Gleiche Mitarbeiterrechte. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist kein Kirchenfunk, etc.

Das ist zu viel für Thierse.
Er, der Sprecher des Arbeitskreises "Christinnen und Christen in der SPD" möchte offenbar lieber einen Kirchenstaat à la Vatikan - auch wenn das mit dem Grundgesetz nicht zu machen ist.
Und mit der germanistischen Contenance ist es auch vorbei.
Nicht nur, daß er die Positionen der Laizisten inhaltlich ablehnt; nein, ginge es nach Thierse dürften die sich noich nicht mal zum diskutieren treffen.
Rede - und Gedankenfreiheit auf Wiedersehen!

"Das Programm der Laizisten ist das Programm eines kämpferischen Atheismus", sagte er dem Abendblatt. "Ich warne die SPD davor, zu einer atheistischen und antireligiösen Partei zu werden."
Thierse […] sieht die Gefahr einer "künstlichen Distanz" durch das Laizisten-Programm. "Die SPD hat mit den beiden großen Kirchen immer in einem freundlich-sachlichen Verhältnis zusammengearbeitet. Dieses Verhältnis sollte unbedingt beibehalten werden."
(Nina Paulsen. 17.08.10)


Da biegen sich mir die Fußnägel hoch!
Wie kann man nur so einen Unsinn reden?
Aber so ist das in einer pluralistischen Partei - da gibt es viele Meinungen und viel Diskussionsbedarf. Das muß man aushalten.
Vielleicht begreift das ja auch irgendwann ein Herr Thierse.


* (Kohl zuvor über Thierse: „Der schlimmste Parlamentspräsident seit Göring“)

Montag, 23. August 2010

Passendes Personal

Über Tote soll man ja nichts Schlechtes schreiben.
Daher sei hier nur ganz sachlich daran erinnert, daß wir mit Heino Vahldieck einen CDU-Innensenator bekommen, der zwar fachlich nicht geeignet sein mag - weswegen er schon mehrfach für Posten in der Hamburger Landesregierung abgelehnt wurde - aber als oberster Polizeiaufseher der Hansestadt weiß er wenigstens um die Gefahren des Saufens.
Sowohl er, als auch seine vor zwei Jahren verstorbene Frau, die CDU-Bundestagsabgeordnete Susanne Rahardt-Vahldieck waren in unserer Gegend bekannt dafür mal ordentlich einen zu heben.

"Das war so einer von diesen Höllentagen, Sie kennen das ja sicher", erläuterte Rechtsanwältin Susanne Rahardt-Vahldieck (44) gestern vor dem Amtsgericht. Beim Ausparken rammte die angetrunkene Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete ein Auto. Sie fuhr weg, schenkte sich kräftig nach - und wurde erwischt. Der Bluttest ergab 1,74 Promille. Schon morgens hatte die 44jährige in ihrer Wohnung zum Streßtrinken angesetzt. "Ich suchte im Kühlschrank nach Essen, da lachte mich die Weinflasche vom Vorabend an", gesteht die CDU-Dame. Die Buddel wurde geleert ("etwa eineinhalb Senfgläser"), um 14 Uhr fuhr Frau Rahardt-Vahldieck mit ihrem Fiat in ihre Kanzlei am Großneumarkt - mit einem kleinen Abstecher gegen Tür und Seitenspiegel eines geparkten Wagens. "Ich bin wohl zu schnell zurückgestoßen", so die Erklärung der 44jährigen. Kurzerhand stopfte sie einen Notizzettel unter den Scheibenwischer des Geschädigten und setzte die Fahrt gen Großneumarkt fort. Direkt unter ihrer Anwaltskanzlei liegt die Kneipe "Saitensprung". "Mein Stammlokal", sagt Frau Rahardt-Vahldieck. "Ich dachte, ich gönne mir erstmal ein Schnäpschen." Bei ihrem Stammkellner Volkmar B. (25) bestellte sie "einen Ordentlichen". Nach drei "sehr, sehr gut eingeschenkten" Calvados ging sie arbeiten. In der Kanzlei hatte sich inzwischen die Polizei gemeldet. Frau Rahardt-Vahldieck möge sich in die Wache begeben. Der Weg dorthin führte wieder über das "Saitensprung". Wieder ließ Volkmar B. sich nicht lumpen. Insgesamt trank die Anwältin einen guten viertel Liter des Apfelbrandes.
(MoPo, Januar 1997)

Als der damalige SPD-Senat einige Monate später damit vorpreschte die 0,8 ‰-Grenze auf 0,5 ‰ abzusenken und gar ins Spiel brachte, daß man eigentlich gar keinen Alkohol trinken solle, wenn man noch ans Steuer wolle, reagierte die Hamburger CDU-Opposition über alle Maßen empört.
Na, so ein Zufall, daß der zuständige innenpolitische Sprecher der CDU damals Heino Vahldieck hieß.
Ja genau, der Ehemann, der bekannten Hamburger Schnapsdrossel.

"0,0 Promille, das hieße ja, jede Weinbrandbohne und jedes Bier zum Abendbrot wäre schon zu viel", reagiert der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Heino Vahldieck, auf Wrocklages Vorstoß. Auch er äußert Bedenken wegen einer unzulässigen Kriminalisierung von Autofahrern, die geringe Mengen Alkohol konsumiert hätten. "Es kann nicht darum gehen, die Gesetze zu verschärfen, sondern die Einhaltung der bestehenden Gesetze besser zu überwachen. Stattdessen würde in Hamburg seit Jahren bei der Verkehrsüberwachung gespart und Personal abgebaut. "
(Die WELT März 1997)

Nun ja, inzwischen sind neun Jahre CDU-Regierung in Hamburg ins Land gegangen.
Die Stellen bei der Verkehrspolizei wurden kräftig abgebaut.

Nicht gespart wurde hingegen an der Bürokratie - davon kann es den „Schlanker Staat“-Apologeten von der Union ja nie genug geben!

Trotz großer Haushaltsprobleme hat Hamburg seinen Verwaltungsapparat in den vergangenen Jahren enorm ausgebaut. Von Ende 2007 bis Ende 2009 stieg der Personalbestand um rund 2000 auf gut 65 000 Mitarbeiter.
[…] Der kräftige Personalzuwachs geht vor allem auf die Einstellung von Bürokräften (plus 808 in zwei Jahren) und leitenden Verwaltungsfachleuten (plus 572) zurück. Die Zahl der Polizeivollzugsbeamten sank hingegen im gleichen Zeitraum um 198. Auch die Zahl der Hochschullehrer ging in den Jahren 2008 und 2009 um 90 zurück.
(Abla 04.08.10)

Die Hamburger Personalkosten lagen 2007 noch bei 3,18 Milliarden Euro; für 2010 sind schon 3,60 Milliarden veranschlagt.

Das Saufen übernehmen die verbliebenen Polizisten gleich selbst.
So geschehen vor gut drei Wochen im Nobelhotel "Steigenberger Treudelberg" (vier Sterne) in Hamburg-Lemsahl:
Polizei-Party im Luxus-Hotel: Saufen, pöbeln, kotzen! (MoPo)

Die Beamten hämmerten sich so dermaßen zu, daß sie am Ende das ganze Hotel in in ein Trinker-Asyl verwandelten. Sie zogen grölend und aggressiv durch die Flure und mischten die anderen Hotelgäste auf.

Eine Augenzeugin zur MOPO: "Es waren etwa 15 Beamte. Die stark angetrunkenen Männer haben die Gäste, darunter auch eine Hochzeitsgesellschaft, bepöbelt. Selbst die Angestellten wurden verbal angegriffen. Das ging bis in die Morgenstunden." Einer der uniformierten Ordnungshüter soll sich nach der "Polizei-Party" sogar sturzbetrunken auf dem Flur erbrochen haben.
(Mopo)

Da passt es doch, daß nun Heino Vahldieck gleich selbst Innensenator werden wird.

Er will den Job schon seit sechs Jahren - nur traute ihm seine eigene Partei den Posten nicht zu:

Lange hat es gedauert, bis Heino Vahldieck endlich Innensenator wurde. Schon 2004 soll der Chef des Verfassungsschutzes Ambitionen auf das Amt gehabt haben – doch Ole von Beust entschied sich für den beliebten Udo Nagel aus Bayern. 2008 stieg dann Staatsrat Christoph Ahlhaus an Vahldieck vorbei zum Senator auf.
(Mopo 20.08.2010)

Sich so richtig fachlich blamieren und offensichtlich der Materie nicht gewachsen zu sein, scheint für den grünschwarzen Senat Hamburgs geradezu ein Einstellungskriterium zu sein.

Erst vor einem Jahr wurde Reinhard Stuth als Staatsrat der Kulturbehörde von Ole von Beust gefeuert.
Totale Unfähigkeit des CDU-Juristen hatte dazu geführt, daß sich die Mitarbeiter der Behörde unisono weigerten mit dem Dilettant weiter zu arbeiten.
Seine extrem rüden Umgangsformen machten den CDU-Choleriker innerhalb von 12 Monaten zum bestgehassten Mann der Kulturszene.

Eben jener Stuth wird nun sogar Chef der Kulturbehörde.

Viele mehr oder weniger wahrscheinliche Kandidaten hatte man in den vergangenen Tagen genannt und wieder verworfen, aber dass nun ausgerechnet jener CDU-Politiker Präses der Kulturbehörde werden soll, der im März 2009 nach nur einem Jahr als Kulturstaatsrat gefeuert worden war, dafür reichte die Fantasie der allermeisten Kulturschaffenden nicht aus. Obwohl Stuth bis zur nächsten Bürgerschaftswahl nur anderthalb Jahre bleiben, wird er sich nicht darauf beschränken können, sein Amt einfach nur zu verwalten. Zu prekär ist die Situation, die ihm seine Vorgängerin und frühere Chefin hinterlassen wird: vor allem das Dauerproblem der aus dem Ruder laufenden Kosten der Elbphilharmonie, die womöglich in seiner Zuständigkeit bleibt, und die gescheiterte Museumsreform. Und es sind nicht nur ungelöste Sachfragen vor dem Hintergrund demnächst drohender Kürzungen im Kulturhaushalt, sondern ein in der Kulturszene weitverbreiteter Unmut über den Stil der scheidenden Senatorin, der zunehmend als herrisch und selbstherrlich empfunden wurde. Ob ausgerechnet Stuth der richtige Mann ist, die atmosphärischen Störungen zu beheben und für einen Neuanfang im Umgang mit der Kulturszene zu sorgen, ist allerdings fraglich. Spricht man in diesen Tagen Hamburger Kulturschaffende an, wollen sie mit ihren Meinungsäußerungen partout nicht zitiert werden.
(Matthias Gretzschel 23.08.10)

Die Finanzbehörde braucht glücklicherweise keinen neuen Chef.
Der Amtsinhaber Carsten Frigge wird derzeit von der Staatsanwaltschaft der Untreue bezichtigt. Man ermittelt offiziell gegen ihn.
Für die CDU offenbar der richtige Mann, um ihm die Hamburger Finanzen anzuvertrauen.

Paradoxe Qualifikationen bringen aber auch die grünen Senatoren - hier wächst durchaus zusammen, was zusammen gehört.

Die GAL stellt den Justizsenator und Hamburg schiebt brachial ab.
In den Gefängnissen gibt es eine Serie von Suiziden bei Abschiebehäftlingen.

Die grüne Schulsenatorin hatte so viel Erfolg mit ihrer Reform, daß die Bevölkerung das zentrale schwarzgrüne Projekt in einem Volksentscheid glatt beerdigte.
Finanzielle Unterstützung hielt der „Gucci-Protest“ der Hamburger Reichen unter anderem von einem gewissen Ian Kiru Karan. (s.u.)

Dritte und wichtigste grüne Senatorin ist die Chefin von Umwelt und Stadtplanungsbehörde - Anja Hajduk, die in noch nie dagewesener Weise Hamburgs Straßenbäume abzuholt.
Das Kraftwerk Moorburg, die Inkarnation der Klimapest, wurde gleich zu Anfang von der Grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk genehmigt.
Es erzeugt allein so viel CO2, wie das ganze Land Bolivien. Moorburg, das 2012 für 1,7 Milliarden Euro fertig gestellt werden soll, wird so viel Kohle verbrennen, dass jährlich 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft gepustet werden.
Das entspricht den jährlichen Abgasen von mehr als 1,4 Millionen PKW - mehr als das Doppelte des gesamten Straßenverkehrs in Hamburg.

Der neue Wirtschaftssenator mußte natürlich irgendwie in das Bild der hanseatischen Dilettanten passen.

Der designierte Mann, Kiru Karan, ist mit 71 Jahren ein Politneuling und kann daher noch keine politischen Pleiten vorweisen.
Als Quereinsteiger tat er aber sein möglichstes, um sich einzufügen und gab drei Tage vor Amtsantritt en passant zu, mehrfach wie gedruckt die Öffentlichkeit belogen zu haben.

Die Geschichten seiner Vita, mit denen er in den letzten Jahren berühmt wurde, stimmen alle nicht.
So hatte er stets behauptet, dass Angela Merkel ihn persönlich dazu aufgefordert habe, endlich deutscher Staatsbürger zu werden.

Das war aber frei erfunden.

Seinen vorzeitigen Abgang von der Eliteschule „London School of Economics“ erklärte Karan bisher auf rühmlichste Art - man habe ihn vor dem Abschluß herausgeworfen, da er gegen den Vietnamkrieg protestiert hätte.

Das war aber frei erfunden.
Er flog, weil er faul war und sich zu viele Fehlstunden geleistet hatte.

Und dann die Sache mit der Schill-Unterstützung, die den Grünen sauer aufstieß.
Dafür schämte er sich schon mal ein bißchen vorab - um seine Wahl übermorgen nicht zu gefährden.

Nach der grauenvollen Hetzrede Schills vor dem deutschen Bundestag habe er entsetzt eingesehen, daß Schill eine Unperson sei und sich von ihm distanziert.

Das war aber frei erfunden.
Schills denkwürdiger Auftritt, der damit endete, daß die Präsidentin ihm das Mikrophon abstellen mußte, weil der irre Kokser am Rednerpult nicht von seinen Hetzattacken abließ, fand im Jahr 2002 statt. Aber noch 2004 spendete Karan 44.500 Euro an die Schill-Partei.

Die Grünen Abgeordneten, die übermorgen für die CDU stimmen wollen, sehen das cool:

Jenny Weggen: "Die CDU entscheidet über ihr eigenes Personal selbst."

Andreas Waldowsky: "Ich bin menschlich enttäuscht, dass Herr Karan auch 2004 für die Schill-Partei gespendet hat, glaube aber trotzdem, dass er der Richtige für die Hamburger Wirtschaft ist."

Michael Gwosdz: "Ich denke, das sagt nichts über seine möglichen Qualitäten als Wirtschaftssenator aus. Er hat sich von Schill distanziert."

Martina Gregersen: "Die CDU hat ihre eigenen Personalvorschläge gemacht - was für mich zählt, sind die Inhalte."

Jens Kerstan: "Gerade bei uns Grünen hat es viele Persönlichkeiten mit bewegter Vita gegeben. Es steht uns nicht an, über andere jetzt den Stab zu brechen."

Christiane Blömeke: "Im Vordergrund stehen für mich die Fortsetzung eines liberalen Kurses und unsere Inhalte. Über einzelne Personen stimmen wir nicht ab."


Ein gewohnheitsmäßiger Lügner als Behörden-Chef?

„Ian Karan taugt nicht als Senator!“ empört sich Mopo-Mann Mathis Neuburger:

„Na, das wird ja immer besser. Jetzt soll im Senat auch noch ein notorischer Lügner sitzen. Hier geht es nicht um kleine Alltagsflunkereien oder Jugendsünden: Der neue Wirtschaftssenator in spe. Ian Karan, hat die Wahrheit mehrfach und absichtlich verdreht. Zuletzt am Dienstag.“

Liebe Mopo - was regt Ihr Euch so auf?

Ein bißchen kriminell ist doch DAS Markenzeichen der Hamburger CDU - so geht es hier schon lange Jahre.


Reihenweise mussten CDU-Abgeordnete ihre Sessel räumen, weil sie mit dem Gesetz in Konflikt kamen.
Im April 2005 mußte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Clemens Nieting wegen einer Kindersex-Geschichte schnell aus der Bürgerschaft geworfen werden.
Clemens Nieting legte sein Mandat im März 2005 nieder, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Besitzes und des Verbreitens kinderpornographischen Materials gegen ihn einleitete. Im Juli 2005 erließ das Amtsgericht Hamburg einen Strafbefehl wegen des Besitzes und des Verbreitens kinderpornographischer Schriften, den Nieting akzeptierte. In dem Strafbefehl ist er zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten zur Bewährung und zusätzlich zu einer Geldbuße von 2.500 € verurteilt worden. Nieting ist somit wegen dieser Straftat rechtskräftig verurteilt und gilt aufgrund der Höhe als vorbestraft.

Der Abgeordnete Andreas Wankum, der sich juristisch heftig mit der Jüdischen Gemeinde streitet, hat schon so viele Prozesse und halbseidene Finanzaffären hinter sich hat, daß man als Wähler glatt den Überblick verliert. Ob es etwas damit zu tun hat, daß er zwei Jahre CDU-Schatzmeister war und über Insiderwissen verfügt, so daß die CDU ihn nicht rausschmeißen kann? Im Dezember 2000 hatte Andreas C. Wankum für seine Firma, die Wankum- Deuteron-Gruppe, Insolvenz angemeldet. Ein Gläubiger wollte Geld sehen - regelrecht genötigt gefühlt habe er sich, so Wankum. Der Mann erstattete Anzeige, als Wankum der Forderung nicht nachkam Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelte in zwei Fällen gegen Wankum. Die Verfahren wurden im Jahr 2007 gemäß §170 II StPO (mangels hinreichenden Tatverdachts) endgültig eingestellt.

2005 liefen also Verfahren gegen die CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz und Bruno Claußen wegen Abgeordnetenbestechung beziehungsweise falscher Verdächtigung, gegen den CDU-Abgeordneten Jörn Frommann wegen Erschleichung von Erziehungsgeld und gegen den Ex-Abgeordneten der CDU Volker Okun wegen Wahlbetrugs.
Er hatte sich zur Bürgerschaftswahl gestellt, obwohl er gar nicht in Hamburg lebte.

Das nenne ich Politpersonal aus einem Guss.

Die GAL ist entzückt und sieht nicht den geringsten Grund diese CDU-Leute NICHT zu Senatoren zu machen.

„Wahre Liebe“ nennt das heute Birgit Gärtner:

Dass dies anscheinend die wirklich wahre Liebe ist, stellte die GAL am vergangenen Sonntag unter Beweis: Nachdem Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust am 18. Juli 2010 seinen Rücktritt für den kommenden Mittwoch ankündigte, votierte die GAL-Landesmitgliederversammlung für die Fortsetzung der Koalition mit einem innenpolitischen Hardliner als Ersten Bürgermeister, einem Finanzsenator, der unter dem Verdacht der Veruntreuung von Fraktionsgeldern der CDU Rheinland-Pfalz steht, einem Sozialsenator, der die Vermieter-Abzocke eines Parteikollegen deckte, einem Innensenator, der wie der designierte Bürgermeister gute Kontakte zu schlagenden Verbindungen gepflegt haben soll, und einem Wirtschaftssenator, der seinerzeit die Schill-Partei großzügig finanziell unterstützte.
(Telepolis 23.08.2010)

Daß die Hamburger GAL geschlossen in Guidos Mövenpick-FDP übertritt ist bisher aber nur ein Gerücht.

Sonntag, 22. August 2010

Schimpfen.

In letzter Zeit wurde ich dafür angegriffen die Kritik an Merkel und Westerwelle zu unfair zu gestalten.
Persönliche Angriffe wären nicht zu rechtfertigen. Man müsse doch auch anerkennen, daß die Spitzenpolitiker hart arbeiteten und sicherlich versuchten das Beste zu tun.
Im Kommentarbereich hatte ich gleichzeitig immer das Gefühl noch zu freundlich zu sein, es wäre naiv überhaupt Rudimente von Anstand zu erwarten.
Vielleicht ist es gut von beiden Seiten angegriffen zu werden.

Tatsächlich gerate ich aber in troubled water.
Ist denn nicht alles zu Schwarzgelb gesagt? Und wird es nicht langweilig immer nur massiv über die Regierung zu schimpfen; immer einseitig von links zu kritisieren?

Nach gründlichem Nachdenken bin ich aber zu dem Schluß gekommen, daß es tatsächlich nicht übertrieben ist zu sagen „ich verachte diese Regierung“.
Wenn ich die letzten Dekaden zurück blicke, fällt mir auch bei größtmöglicher Objektivität keine annähernd so schlechte und destruktive Truppe ein, wie dieses Kabinett.
Bei Kohl gab es immerhin noch irgend so etwas wie einen Europa-Kurs und selbst die bleiernen Kiesiger-Jahre, als ein Ex-NSdAP-Mann der Bundeskanzler war, warteten wenigstens mit ein paar wirklich fähigen Ministern, wie Karl Schiller und Willy Brandt auf.

In der 2010er Truppe kann ich aber auch nach zehn Monaten absolut nichts finden, das nicht falsch wäre.
Reihenweise ließ Merkel ihre selbst gesteckten Ziele - Gesundheitsreform, Klimaschutz, oder Bildungsgipfel sang- und klanglos scheitern.

Nach dem zweiten Weltkrieg schlug Deutschland berechtigterweise enormes Misstrauen entgegen Aber alle Kanzler mit ihren jeweiligen Außenministern; die Mitglieder der CDU, der FDP, der Grünen und der SPD waren; einte ein konstruktiver Europa-Kurs, so daß Deutschland international in wirklich erstaunlichem Maße Anerkennung gewann.

Selbst diesen grundsätzlichsten aller Grundkonsense der letzten 60 Jahre haben Merkel und Westerwelle in atemberaubendem Tempo zerschlagen.

Der diesen Monat verstorbene Tony Judt schrieb unmittelbar vor seinem Tod noch einen im Spiegel veröffentlichten Essay.

Für die aktuelle Krise der EU ist dagegen Deutschland verantwortlich. In der Kurzsichtigkeit der gegenwärtigen deutschen Politiker und ihrer Beschränkung auf innenpolitische Fragen kommt eine verblüffende Provinzialität zum Ausdruck. Vor zehn Jahren wurde vielerorts noch befürchtet, die von den Hemmungen der Nachkriegszeit befreiten Deutschen würden unverhältnismäßigen Einfluss auf ihre europäischen Partner ausüben. Mittlerweile sind diese Befürchtungen der begründeten Nervosität gewichen, die Berlins zwanghafte und zu Lasten des Auslands gehende Fixierung auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen hervorruft.
[…] Dass sich die EU bislang geweigert hat, die Türkei aufzunehmen, nehmen die USA dem Staatenbündnis besonders übel. Tatsächlich handelt es sich dabei womöglich um das kurzsichtigste und bezeichnendste Versäumnis von allen. Indem die EU der Türkei die kalte Schulter zeigte und damit einer französisch-deutschen Strategie folgte, die von vielen anderen Mitgliedstaaten stillschweigend gefördert wird, hat die EU eine historisch einzigartige Gelegenheit verspielt, Einfluss auf Nordafrika, den Nahen Osten und weite Teile Asiens auszuüben - dort wird sie als potentiell christlicher Club wahrgenommen. Noch schwerwiegendere Folgen hat das faktische Veto gegen den türkischen EU-Beitritt für Europas eigene Muslime: Brüssel hat Nationalpopulisten eine Vorlage geliefert, um muslimische Bürger als Dauerausländer zu behandeln - wobei der eigentliche Impuls dazu nicht aus Brüssel, sondern aus Berlin und Paris kam.
(Der Spiegel 16.08.10)

Anders als bei Gesundheit und Atomenergie, bei denen klar die Lobbymacht für den Deutschland schwer schadenden Kurs Merkels verantwortlich ist, fragt man sich wieso sie nicht selbst ein Interesse am Erfolg Europas hat.
Ist das Dummheit, Kalkül oder Unfähigkeit?

Das peinliche Bild, das Europa 2009 auf der Uno-Klimakonferenz in Kopenhagen abgegeben hat, als das Staatenbündnis von Chinesen und Amerikanern gleichermaßen ignoriert und gedemütigt wurde, könnte sich als Vorbote der Zukunft erweisen.
(Noch einmal Prof Judt)

Merkels Absichten sind mir vollkommen unklar - wieso leitet sie diese fatalen Entwicklungen ein? Wenn man ihr nicht fehlende Intelligenz unterstellen möchte, bleibt nur die Annahme, daß sie eine verantwortungslose „nach mir die Sintflut“-Frau ist, die den Ruin der Zukunft in Kauf nimmt, um selbst im Sattel sitzen zu bleiben. Bloß nichts riskieren.

Von wirklich INTERNATIONALEN Anstößen, wie sie frühere Bundeskanzler, wie Brandt, Schmidt und Schröder, gegeben haben, will ich erst gar nicht reden.
Zu den ganz großen Weltpolitikthemen - Irak, Iran, Nahost, Hunger, Dritte Welt,.. schweigt Merkel sich sowieso aus. Gar nicht dran zu denken, daß Deutschland, als immerhin dritt- oder viertgrößte Wirtschaftsmacht des Planeten in irgendeiner Weise Anstöße gäbe.


Bei Guido Westerwelle und Horst Seehofer ist der Fall etwas einfacher.

Inzwischen bin ich davon überzeugt, daß beide eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung haben und als Psychopathen besser auf die Couch als in Regierungsämter gehörten.
Gestandenen seriösen Journalisten der großen und wichtigen Printorgane wird insbesondere der Vizekanzler zunehmend unheimlich.

Dennoch geht es um die beunruhigende psychische Verfassung der beiden Männer, um die Auswirkungen ihres irrationalen Verhaltens auf die Regierung.
Ein echtes Gespräch mit Westerwelle scheint kaum mehr möglich zu sein.
Guido Westerwelle befindet sich seit einiger Zeit in einem bedenklichen Zustand. Wann immer man ihn trifft, wirkt er überspannt; selbst wenn er Seriosität zeigen will, übertreibt er. Sein Verhältnis zu vielen Medien ist weitgehend ruiniert, zu Beginn des Jahres hat er der ganzen Medienschar den Kampf angesagt: »Ihr kauft mir den Schneid nicht ab!« Kein regierender Politiker verhält sich in so vielen Interviews derart aggressiv wie er, ein echtes Gespräch scheint kaum mehr möglich zu sein. Das jedoch gilt nicht nur für jene, die er offenbar als seine Feinde ansieht, auch mit Parteifreunden, mit denen er eng zusammenarbeiten müsste, kommuniziert er kaum. Mindestens einmal in seiner kurzen Regierungszeit hat er die populistische Karte gezogen (»spätrömische Dekadenz«). Auch von seiner Fixierung auf Steuersenkungen vermag er sich bis heute nicht zu verabschieden. Erst hat er damit die ganze Regierung in eine Schieflage gebracht, dann hat er nach der Wahlniederlage in NRW für kurze Zeit davon abgelassen, nur um beim ersten Anzeichen eines Aufschwungs erneut damit zu kommen.
(Bernd Ulrich 20.8.2010)

Seehofers psychischer Zustand ist mindestens genauso bedenklich, läutet Ulrich mit Hinweis auf ein SPIEGEL-Portrait ein.
Der CSU-Chef erschiene als „wankelmütiger Willkürherrscher, als einer, der gern mit Menschen spielt, unberechenbar und verantwortungslos. […] Zigfach ist belegt, dass Horst Seehofer mit seinen häufig wechselnden Positionen die Politik der Bundesregierung, ja sogar die seiner eigenen CSU-Landesgruppe, immer wieder chaotisiert."
(Zeit 20.08.2010)

Das Psychogramm des Oberbayern erinnert in der Tat weniger an einen deutschen Politiker, als an eine neroeske Persönlichkeit aus der Feder eines Stephen King.
In Berlin regiert demnach ein Mensch als einer der großen Drei mit, dessen innere Antriebskräfte zutiefst von Bosheit und Destruktivität bestimmt sind.
Einem Psychopathen, der sich längst komplett von der Sachpolitik verabschiedet hat und seine einzige Befriedigung nur noch in Sadismus und Manipulation findet.

Wie eine finstere Gestalt aus einem Psychokrimi hat er sich seine Politwelt im heimischen Keller als Miniaturwelt nachgebaut und dirigiert dort kleine Voodoo-Modelle seiner Politik-Kollegen, als ob er Gott wäre.

Es gibt den Nachbau des Bahnhofs von Bonn, der Stadt, in der Seehofers Karriere begann. Nach dem Jahr 2004, als er wegen des Streits um die Gesundheitspolitik sein wichtigstes Amt verlor, baute er einen "Schattenbahnhof", so nennt er ihn, ein Gleis, das hinab ins Dunkel führt.
Seit neuestem hat auch Angela Merkel einen Platz in Seehofers Keller. Er hat lange überlegt, wohin er die Kanzlerin stellen soll. Vor ein paar Monaten dann schnitt er ihr Porträtfoto aus und kopierte es klein, dann klebte er es auf eine Plastikfigur und setzte sie in eine Diesellok. Seither dreht auch die Kanzlerin auf Seehofers Eisenbahn ihre Runden.
(Spiegel 16.08.10)

Seehofer Wahn trug schon vor Jahren gar seltsame Blüten.
Während eines Karriereknicks im Jahr 2004 ging er mit einem selbstgeschriebenen Kabarettstück auf ein paar kleine Bühnen.
Er selbst spielte Walter Mixa (!!!), der die Beichte eines imaginären Seehofers anhört.
Sein alter ego Beichtvater Mixa fragt darin den Sünder Seehofer unter anderem, ob er unkeusche Gedanken habe, wenn er an Angela Merkel denke. Der antwortet: "Vater, ich habe schon vieles angestellt, aber Wunder kann ich nicht vollbringen."

Noch lieber als die CDU-Kollegen macht er allerdings seine eigenen CSU-Untertanen nieder.

Übel erging es beispielsweise seiner einstigen Politfreundin Christina Haderthauer, die wie er aus Ingolstadt kommt und die er einst als „größtes Talent der CSU“ lobte.

Dann entschied sie sich, Generalsekretärin unter Erwin Huber zu werden, Seehofers Erzfeind. Plötzlich fiel Seehofer nur Schlechtes zu Haderthauer ein. Die Christine könne das nicht, sagte er, wenn Journalisten um ihn herumstanden. Als Seehofer die Macht in der CSU übernahm, dachte Haderthauer, ihre letzte Stunde habe geschlagen. Die Ministerien wurden verteilt, und am Ende klingelte doch noch Haderthauers Handy. Seehofer bot ihr das Sozialministerium an, aber er fand kaum freundliche Worte. "Du warst schon unter der Erde, jetzt habe ich dich noch mal aus dem Sarg geholt", sagte er. Er lachte dabei, es war das Lachen eines Mannes, der weiß, dass er nun Karrieren mit einem Anruf beflügeln oder beenden kann.
(Spiegel 16.08.10)

Das Nachtreten und Rächen ist die Sache des Süd-Zampanos der Bundesregierung.

Das Interessante ist, wie Seehofer mit den Feinden von gestern umgeht. Er versucht nicht, sich mit ihnen zu versöhnen. Es wäre einfach, denn er hat jetzt die Macht, und sie liegen am Wegesrand. Aber Seehofer blickt auf sie wie ein siegreicher Feldherr, er nennt sie "mein Lazarett" und kichert. Man muss unwillkürlich an einen Saal mit Versehrten denken, die blutige Binden um den Kopf tragen.
(Spiegel 16.08.10)

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluß, daß von dieser Regierung keinerlei Besserung zu erwarten ist.
Selbst wenn sie es KÖNNTEN - und schon das spreche ich ihnen ab - gelänge es ob der seelischen Zerrüttung nicht das Steuer herum zu reißen.

Man kann das nur entgeistert beobachten und hoffen, daß die nächste Bundesregierung, die vermutlich SPD-geführt sein wird überhaupt noch etwas besser machen kann.
Hoffentlich ist dann der Karren Deutschland nicht so weit im schwarzgelben Dreck, daß nur noch der Gnadenschuß hilft.

Bis es soweit ist, stehen noch ein paar Landtagswahlen an, so daß eine kleine Chance auf Politkorrektur aus dem Bundesrat besteht.

Nur aus Hamburg darf man keine Hilfe erwarten - hier haben sich die Grünen soeben komplett selbst kastriert und verkünden den rechten Hardliner Ahlhaus zu wählen.

Die Grünen stimmten auf einer Landes-Mitgliederversammlung an diesem Sonntag mit überwältigender Mehrheit für die Wahl des CDU-Politikers Christoph Ahlhaus zum Bürgermeister.
(SPON 22.08.10)

Der designierte Bürgermeister („Er galt …als farbloser Parteisoldat, als konservativer Spießer.“ - Mathias Iken im Springerschen Abendblatt 21.08.10) steht für eine endlose Kette der Fehlleistungen.
Der neue Kultursenator wurde schon einmal wegen kompletter Unfähigkeit entlassen.
Reinhard Stuth ist als Staatsrat in der Kulturbehörde gescheitert und kehrt nun als Senator dorthin zurück - eine seltsame Karriere.
(Mathias Iken im Springerschen Abendblatt 21.08.10)

Der Finanzsenator Frigge steht unter Anklage wegen Untreue, der designierte Innensenator hat ein Problem mit rechten Studentenverbindungen und der neue Wirtschaftssenator Karan war einst ein glühender und finanzieller Unterstützer des kriminellen, rechtslastigen Drogensüchtigen Ronald Schill.

Die Grünen finden es prima und nicken den Senat ab!

Wie biegsam sind die Grünen geworden, wenn es um die Macht geht? Allen Bedenken zum Trotz haben sie sich jetzt in Hamburg für ein Weiter-so mit der CDU entschieden - für die Gegner der Beweis: Die einst rebellische Partei ist zum Club der Jasager verkommen. […]Für mich gibt es keinen objektiven Grund, die Koalition zu verlassen", sagt die grüne Landeschefin Katharina Fegebank. Begeisterung für den Bürgermeisterkandidaten hört sich anders an. Dennoch wirbt sie bei der Basis zum Weitermachen mit der CDU. Denn Ahlhaus habe sich zum Koalitionsvertrag bekannt. "
[…] Die Partei sei in einer richtigen Krisensituation, sagt Landeschefin Fegebank. Laut aktuellen Umfragen hat Schwarz-Grün in Hamburg deutlich bei den Wählern an Vertrauen verloren. Während die Grünen in bundesweiten Umfragen auf 15 bis 20 Prozent kommen, sind es in Hamburg nur gut zehn Prozent.
Zentrale Erfolge kann die Partei in der Hansestadt nicht vorweisen, im Gegenteil, wichtige Projekte sind gescheitert:
Das zentrale grüne Projekt, die von Senatorin Goetsch vorangetriebene Schulreform, fiel bei einem Volksentscheid im Juli durch. Bitter für die Grünen: Sie hatten der CDU Zugeständnisse in Umweltfragen gemacht, um im Gegenzug die Zustimmung zur Schulreform abzuringen.
Der Kampf um einen Baustopp für das Kohlekraftwerk Moorburg - verloren.
Ihr Nein zur seit Jahren geplanten Elbvertiefung mussten die Grünen mit der Unterschrift unter den schwarz-grünen Koalitionsvertrag aufgeben.
Dazu kommen die gemeinsamen Baustellen der Koalition:
Hamburg ist hochverschuldet.
Der Neubau des Prestige-Opernhauses Elbphilharmonie wird immer teurer.
Schwarz-Grün hat Eltern mit der Erhöhung der Kita-Gebühren aufgebracht.
[…] Ahlhaus' Wahl zum Bürgermeister am Mittwoch dürfte nun nichts im Wege stehen. In gewissem Sinne passen er und die Grünen gut zusammen. Der CDU-Politiker aus Heidelberg hat es mit Anpassungsfähigkeit in Hamburg weit gebracht. Auch die Grünen haben gelernt, dass man trotz Zumutungen weit kommen kann - gehässige Blogger sprechen schon von der "Birkenstock-FDP".
(Maria Marquart 22.08.10)

Ja, doch, ich bin immer noch ein Fan der Grünen. Generell jedenfalls.
In Hamburg würde mir allerdings eher die Hand verdorren, bevor ich bei der GAL ein Kreuz machte.
Zum Glück für meine Hand habe ich als Ausländer kein Wahlrecht.

Den Ausdruck "Birkenstock-FDP" finde ich noch zu nett für die Hamburger GAL unter Landeschefin Fegebank.

Ich würde zu harten Verfluchungen greifen und sie gleich als „Westerwelle 2.0“ bezeichnen.