(?) Ich verstehe auch nicht, wie der Eindruck entstehen konnte.
Heute soll also mal jemand im Fokus stehen, den ich durchaus schätze:
Jürgen Trittin.
Der grüne Ex-Minister strafte vor zwei Monaten eine ganze Reihe Herz-Mythen Lügen.
Ihn erwischte ein schwerer Infarkt, obwohl Trittin in so gar keine Risikogruppe gehört.
Er ist schlank, sportlich, Nichtraucher, Nichttrinker, kam soeben ausgeruht aus einem zweiwöchigen Urlaub zurück und war nach einigen Angaben außerordentlich entspannt.
Glücklicherweise konnte er sehr schnell und richtig behandelt werden, so daß er nun wieder politisch aktiv ist.
Willkommen zurück - ich habe ihn vermißt!
Wieso mag ich Jürgen Trittin?
Da ist in erster Linie natürlich seine politische Arbeit zu nennen.
Ich glaube, daß er einer der meistunterschätzten Politiker überhaupt ist.
Die ökologische Wirtschaft holte er im Alleingang aus einer Nische und schaffte im Sektor „erneuerbare Energien“ mehr Arbeitsplätze als in der gesamten deutschen Automobilindustrie zusammen.
Während frühere Bundesumweltminister sich lediglich als Grüßauguste (Wallmann, Töpfer) verstanden, oder ungeniert mit gefälschten Gutachten Atomlobbyismus betrieben (Merkel), schlug Jürgen Trittin ab 1998 Pflöcke ein.
Er schuf völlig neue Technologiefelder und verhalf der deutschen Wirtschaft wenigstens auf diesem Gebiet international zu Weltrang.
Unglücklicherweise macht sich nun schwarz-gelb daran diesen Wettbewerbsvorteil in echten Zukunftsindustrien komplett zu zerdeppern, indem die Lobby-Huren von Union und FDP auf die unverantwortliche Uralt-Technologie Atom setzen, die schon seit 70 Jahren erforscht ist, unbeherrschbar bleibt, keine Endlagerlösung hat, dafür aber zuverlässig Milliarden-Gewinne in die Kassen von E.on, RWE, EnBW und Vattenfall spült.
"Nuklearer Leichtsinn" nennt das Michael Bauchmüller:
Material ermüdet und Technologien ändern sich: Deshalb ist es fahrlässig, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern. Es gibt energiepolitisch Wichtigeres zu tun.
Brüderle und Co setzen darauf alle Vorteile, die Deutschland in der „grünen Technologie“ noch hat, nachhaltig abzuwürgen, indem der Fokus komplett davon abgezogen wird.
Innerhalb kürzester Zeit gelang es den Volksverdummungs-orientierten bürgerlichen Parteien deutsches Knowhow international zu dezimieren.
China hat uns nicht nur im Export überholt, sondern uns vor allem beim Thema Ideen längst den Rang abgelaufen.
Patentanmeldungen aus Deutschland gehen massiv zurück, deutschen Ingenieuren fällt nichts mehr ein, ihre Ausbildung ist erbärmlich und die deutsche Wirtschaftspolitik zwingt sie geradezu in die andere Richtung - nach vorvorgestern.
Die Zahlen sind vor allem im weltweiten Vergleich dramatisch: Im Jahr 2007 meldeten 160.000 chinesische Ingenieure global ihre Patente an, 30.000 mehr als aus Deutschland.
Im Wettbewerb der Köpfe ist Deutschland im Jahr Fünf der Volksverdummungsministerin Schavan entschlummert, während China das Tempo vorgibt: Mehr als 750 Universitäten bilden heute in China Studenten aus.
1,5 Millionen Forscher arbeiten in dem Land - im Schnitt kommen auf 1000 Beschäftigte 1,9 Wissenschaftler, zeigen die jüngsten Zahlen von 2007. Noch vor zehn Jahren übertrumpften die Deutschen die chinesische Konkurrenz bei den Patentanmeldungen um das Sechsfache. Für bedenklich hält das IW auch, dass die Patentanmeldungen hierzulande im Verhältnis zu den Forschungs- und Entwicklungsausgaben sinken - dass also zu viel Geld ineffizient eingesetzt wird.
Ins Bild passt, daß Menschen aus den wirtschaftlich total abgehängten Regionen Mecklenburg Vorpommern und Brandenburg (Arbeitslosigkeit ~ 20%) verstärkt in die Boom-Regionen östlich der Grenze pendeln.
Polen prosperiert.
Tausende deutsche Pendler verdienen in Stettin und anderen grenznahen Orten ihr Geld.
Dort wird gebaut und investiert, die Arbeitslosigkeit liegt unter 5 %.
Wer in Deutschland überhaupt noch Energie hat, flüchtet dorthin und verdient in Polen gutes Geld.
Zurück zu Trittin; seine segensreiche Zeit als Europaminister (Umweltminister Niedersachsen 1990 - 1994) und Umweltminister (Bund 1998-2005) ist unglücklicherweise vorbei.
Daher sei an dieser Stelle noch auf ein paar persönliche Aspekte verwiesen.
Ich schätze es außerordentlich, daß Trittin es schafft sein Privatleben komplett aus der Presse rauszuhalten.
Obwohl er schon lange in der ersten Politliga spielt, erlag er nie der Versuchung sich durch Homestories und Bilder mit Kindern oder Ehepartner sympathisch zu machen.
Er ist diesbezüglich das diametrale Gegenteil des selbstverliebten Guido Westerwelle, der seit vielen Jahren UNUNTERBROCHEN jede Woche in der BUNTEn mit PR-Terminen aufwartet und keine Gala, keinen Empfang, keine Party, keinen Ball, keine Preisverleihung ausläßt.
Guido ist dermaßen kamerafixiert, daß er sogar bei roten Ampeln auf Knopfdruck breit grinst, weil er es immer für das Kamerarotlicht hält.
Dabei ist Trittin durchaus kein Mensch, dem die Sympathien zufliegen - er ist regelmäßig in den hinteren Reihen der Beliebtheitslisten zu finden.
Eitlere Politiker wären längst der Versuchung erlegen ihr Image durch Yellow-press-Geschichten aufzuwärmen.
Nicht so Trittin - von ihm ist so gut wie nichts Privates bekannt.
Daß Trittin über echten menschlichen Anstand verfügt, konnte ich eindrucksvoll im Mai 1999 bestätigt sehen.
Auf dem Bielefelder Grünen-Parteitag flogen plötzlich Geschosse auf Joschka Fischer.
Man hatte noch gut die Attentate auf Schäuble und Lafontaine in Erinnerung und konnte zunächst überhaupt nicht einschätzen wie gefährlich die Lage war.
Reflexartig sprang Trittin von seinem Platz auf und schützte Fischer mit seinem eigenen Körper.
(Was jetzt immer so locker als „Farbbeutelwurf“ bezeichnet wird, war so harmlos nicht. Das Geschoss war mit Buttersäure versetzt und verletzte den Außenminister, Er erlitt einen Trommelfellriss).
Nun ist Trittin also zurück und gab im Hamburger Abendblatt gleich eine Kostprobe seines Humors.
Auf die Frage, ob er sich schon wieder eingearbeitet hätte nach zwei Monaten Politabstinenz, antwortete er locker:
Als ich diese Woche wieder anfing, habe ich gefragt: Was muss ich mir jetzt alles aneignen? Die Einweisung dauerte fünf Minuten, weil in den vergangenen acht Wochen fast nichts passiert ist. Ich habe absurde Debatten über Hartz IV und Schneeschippen gehört, aber Politik hat die Regierung nicht gemacht.
Besser kann man nichts ausdrücken, daß Merkel und Westerwelle seit Monaten im Streik sind und die Regierungstätigkeit verweigern.
Er verurteilt Merkels (populistische und damit auch populäre) Griechenland-Strategie und spricht sich gegen Schwarz-Grün aus.
Lobenswert, daß Trittin klar Westerwelles Außenpolitik attackiert, statt sich auf dessen hanebüchenen Reise-, Spenden- und Lobbytätigkeiten zu stürzen:
Schwarz-Gelb ist handlungsunfähig. Mehr als Steuersenkungen für Hoteliers bekommt diese Koalition nicht hin. Fast noch schlimmer sind die Weichenstellungen in der Außenpolitik. Die deutschen Außenminister von Genscher über Fischer bis Steinmeier haben sich als Lobby für Europa verstanden. Herr Westerwelle ist als Lobby für Europa ein Totalausfall. Man kann es auch so sagen: Er hat sich diesen europapolitischen Schneid abkaufen lassen. Seine ganze Agenda ist eine nationalstaatlich-innenpolitische.
Schön, daß Sie wieder da sind, Herr Trittin.
4 Kommentare:
Die Qualität eines Politikers beurteile ich nicht nach dem medialen Umgang mit seinem Privatleben, sondern mehr nach seinen politisch verantwortbaren Handlungen. Um nun nicht die poltischen Entscheidungen eines niedersächsischen und Bundesumweltministers Trittin, die mit öklogisch oder links aber auch rein gar nichts zu tun haben, im einzelnen aufzählen zu müssen, erlaube ich mir, auf die entsprechenden Passagen des Buches "Das waren die Grünen" von Jutta Ditfurth hinzuweisen. Ein Blick auf die Seiten unter dem Namensanhang "Trittin" und Dir wird schlecht.
Ein anderes Beispiel aus seiner Bundes-Ministerzeit: Umweltminister Trittin und Dienstwagen - Trittins 17 Liter-Auto: Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und seine drei Staatssekretäre nutzen keine besonders umweltfreundlichen Dienstwagen. Trittin lässt sich nach Angaben seines Ministeriums in einem Audi A8, 4.2 quattro L chauffieren, die Staatssekretäre sind in einem Mercedes S 430 und zwei BMW 735 i unterwegs. Die Dienstwagen verbrauchten innerorts zwischen 15 und 17,5 Liter Super auf 100 Kilometer, kritisiert der CDU-Haushaltsexperte Albrecht Feibel. "Die Grünen werben für umweltfreundliche Motoren mit Erdgas- oder Biodieselbetrieb. Geht es aber um den eigenen Komfort, ist das egal." Aus FOCUS Nr. 30, 19. Juli 2004, Seite 16.
Der Steigflug von Trittins Karriere begann, als sich eine Gruppe linker Grüner mit der Aussicht auf Regierungspöstchen im Verlauf einer Bundesversammlung hat ködern lassen, die Gruppe um Ebermann, Trampert, Ditfurth und Co. aus den Grünen heraus zu mobben. Bis dahin stand er nur in der zweiten Reihe.
Mit dem vom Autor des Blogs beschriebenen, angeblich so aufrichtigen Charakter und der vermeintlichen Authentizität wäre ein Linker nicht mehr bei den Grünen.
Von den Medien immer wieder gern halluzinierte Fundamentalisten und Fundamentalistinnen gibt es seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr bei den Grünen.
Ich stimme mit Jutta Ditfurth in der Einschätzung überein, dass die Partei Die Linke sich in ihrer Anpassung an das System von den Grünen nur dadurch unterscheidet, dass sie dafür nicht soviel Zeit benötigt.
Nein, natürlich ist der Medienumgang NICHT das entscheidende Kriterium.
Ich richte mich durchaus in 99% der Fälle an der Sachpolitik aus.
Aber angesichts der Anbiederung vieler Politiker an die Yellow-press - Merkel mußte ja auch vor der Wahl verkünden, daß sie Johannesbeer-Kuchen backt und Freitags für ihren Mann Einkaufslisten schreibt - empfinde ich es einfach als angenehm, wenn mal ein Politiker auf diese Form der plumpen Einschmeichelei verzichtet.
Trittin läßt es erst gar nicht menscheln.
Wie Trittin so privat ist, weiß ich natürlich auch nicht und gerade DAS finde ich gut, daß er den Wähler nicht damit versucht abzulenken.
Jutta Ditfurth ist für mich leider so gar keine seriöse Quelle. Zum einen ist sie als Renegatin die klassische Grünenhasserin, die längst die Pfade der Objektivität verlassen hat.
Es gibt überhaupt kein einziges Mitgleid der Grünen, das sie nicht verabscheut.
Zum zweiten weiß ich aus einer Insiderquelle wie janusköpfig sie sich verhält.
Wenn man mal sieht, wie die Frau heutzutage in Pelzmantel in Frankfurter Luxushotels auftritt, dort nur nach dem teuersten Champagner und Kaviar verlangt, extrem arrogant zu den Kellnern ist und sich dann schnell wieder in den selbstgestrickten Schmuddelpullover hüllt, bevor sie im TV auftritt, weiß man wie es um Ditfurths Ehrlichkeit bestellt ist.
Sorry, auf ihr Trittin-Bild gebe ich rein gar nichts.
LGT
Nun denn mal Klartext. Mit den Namen Trittin verbuinden Insider ganz großes Kino: In Talkshows ist er der langsam sprechende, nachdenklich bedächtig formulierende coole Politiker. Ohne viel von Psychologie zu verstehen, erkennt man hinter dieser zur Schau getragenen Fassade den Choleriker, deshalb der Infarkt.
Seine ehemalign Ministeriumsmitarbeiter wissen von einem Chef, der wütend schriend durch die Flure rannte.
Auch ich habe ein genetisch assoziiertes Infarktrisiko, verlasse mich aber nicht allein auf regelmäßige Langstreckenläufe und Nomalgewicht sonder gehe alle 2 Jahre zum kompletten Herzcheck. Ein großer Irrtum ist es in diesem Zusammenhang auf "LaufexpertenW" zu hören, die älteren Laufanfängern ein Belastungs-EKG empfehlen, das jedoch nur auf submaximale Belastung ausgerichet ist.
In meinen Augen ist und bleibt J. Trittin ein Systemapologet. Basta.
Mit Ihrem letzten Satz sind Ihnen wohl die Emotionen in die feder geflossen? Ich dachte immer, wir wären hier untr Linken und Systemkritikern (die Kirchenbeiträge von Ihnen sind doch erste Sahne). Sollte ich mich irren?
OB Trittin ein Choleriker ist und ob daher der Infarkt kommt, kann ich natürlich absolut nicht beurteilen.
Da er sich aber in der Öffentlichkeit offensichtlich bestens im Griff hat - und er ist immerhin schon zwei Dekaden in führenden Positionen - spräche das sogar eher für ihn. Ich wünsche mir Politiker, die sich selbst unter Kontrolle haben.
„Man“ weiß ja auch von Joschka Fischer, daß er hinter den Kulissen ordentlich rumgebrüllt hat und kein angenehmer Chef war. ABER seinen Job hat er meiner Ansicht nach gut gemacht.
Schlimm sind Choleriker doch nur, wenn sie auch öffentlich, also unmittelbar während der politischen Handlungen, ausflippen.
Dazu gehören beispielsweise John McCain oder Klaus Kinkel, die auch mal auf Konferenzen den Nikita Chruschtschow geben.
Thema „Links“:
Na sicher verortet sich TAMMOXSCHE GEDANKEN links im politischen Spektrum.
Es ist doch gerade typisch links, daß man sich vorzugsweise untereinander streitet. Daher beklage ich auch seit eh und je, daß sich SPD und LINKE und Grüne gegenseitig mit „Ausschließeritis“ überziehen.
Am Ende profitiert dann immer bloß die CDU.
So ist Merkel 2005 trotz linker Mehrheit Bundeskanzlerin geworden.
So haben die Saarland-Grünen Schwarz-Gelb an die Macht gebracht (nachdem sie vorher ordentlich FDP-Spendengelder kassiert haben) und so hat die Thüringer SPD auch eine CDU-MP gewählt.
Zum Kotzen ist das.
Und je weiter man nach links geht, desto verbissener werden andere Linke attackiert. Dittfurth ist das klassische Beispiel; sie verbeißt sich heutzutage sogar ausschließlich an den Grünen, statt mal ihre Energie gegen Westerwelle und Merkel einzusetzen.
Linke sind eben aufmüpfig.
Die Alternative, daß man streng obrigkeitshörig wie das FDP- und CDU-Parteivolk alle Entscheidungen der Oberen devot abnickt, ist natürlich NOCH unsympathischer.
Mein Hauptinteresse liegt darin Schwarz-Gelb loszuwerden und dazu muß man auf der linken Seite mal ein bißchen zusammenrücken.
Deswegen versuche ich auch regelmäßig (trotz erheblicher Bauchschmerzen!!!!) Politiker von SPD und Grünen zu loben.
Das ist viel schwerer als zu kritisieren.
LGT
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