Freitag, 3. September 2010
Aufstieg
Er war einst Merkels engster Vertrauter in der Fraktion, die künftige Hoffnung der NRW-CDU und erfreute darüber hinaus den konservativen Parteiflügel, da er als BDI-Lobbyist knallharte Arbeitgeberpolitik vertrat. Eine rosige Zukunft für Norbert Röttgen, 45.
Gute Vorrausetzungen also, um in einer regierenden CDU aufzusteigen.
Zuletzt erging es dem aufgehenden Stern der NRW-Union allerdings wie papabilen Kardinälen vor dem Konklave: Wer zu sehr favorisiert ist, wird es am Ende doch nicht.
Eine lästige Sache für den katholischen Rechtsanwalt ist insbesondere sein eigener Landesverband, der ihn nicht etwa einstimmig per Akklamation zum Chef kürt, sondern in eine demütigende Kampfabstimmung mit dem Rüttgers-Freund Laschet schickt - einem Mitglied der Regierung, die eben noch katastrophal gescheitert war.
Ambitionen und Ehrgeiz mögen für viele Menschen eine positive Sache sein, aber bei Politikern der Ministerebene kann man davon ausgehen, daß sie diesbezüglich nicht unterversorgt sind.
Röttgen, dem langjährigen Bundesvorsitzenden des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen, wird von seinen CDU-Anwaltskollegen allerdings hartnäckig nachgesagt, daß er das Amt des Bundeskanzlers lediglich als Sprungbrett für den UN-Generalsekretärsposten und die Weltherrschaft ansieht.
Offenbar mangelt es ihm intern also an Heuchel-Vermögen.
Wer besonders karrieregeil und ehrgeizig ist, muß umso bescheidener und demütiger auftreten.
Der Katholik Röttgen sollte sich ein Beispiel an seinem spirituellen Chef Ratzinger nehmen.
Der Panzerkardinal robbte sich zielstrebig durch die ganze Vatikanhierarchie nach oben.
Mit Mitte 30 setzte er sich schon nachhaltig beim Zweiten Vatikanischen Konzil international in Szene, mit 49 war er Erzbischof der wichtigsten Diözese Bayerns und erklomm schon mit 54 die Spitze der Inquisitionsbehörde.
Der Mann wollte Papst werden mit jeder Faser seines Seins und schaffte es dennoch sich als der demütige Überraschungssieger zu geben.
Der Bundesumweltminister versteht es bei Weitem nicht so gut seine Absichten zu tarnen und rief damit seine Neider auf den Plan.
Kaum ein CDU’ler hat so verbissene innerparteiliche Gegner wie er.
Seine Landesverbandkollegen Lammert und Pofalla hassen ihn wie die Pest und sind rund um die Uhr damit beschäftigt ihm Knüppel in den Weg zu werfen.
Sie dankten Gott, als Röttgen ankündigte ab dem 1. Januar 2007 Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu werden; konnten sich aber nicht verkneifen dem damaligen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch ein letztes Mal in den Weg zu grätschen: Nein, sein Bundestagsmandat könne er nicht behalten.
Ein Treppenwitz der Geschichte, daß der geborene Industrielobbyist sich dann doch für die mühsamerer Politkarriere entschied und ausgerechnet Umweltminister wurde.
Genauso gut könnte man Helmut Kohl als Unterwäschemodell vermarkten oder George W. Bush den Friedensnobelpreis verleihen.
Norbert Röttgen tut im Umweltministerium das, was man von ihm erwarten konnte - er holte einen weltbekannten Top-Atombefürworter ins Amt und plädierte für Laufzeitverlängerungen.
Mit Gerald Hennenhöfer ist nun ein fanatischer Atomlobbyist Chef der Reaktorsicherheit.
Hennenhöfer war schon 1994 bis 1998 der engste Mitarbeiter einer gewissen Ministerin namens Merkel, als die warnenden Gutachten zu Atommüllendlagern so gefälscht wurden, daß die vollkommen ungeeignete Anlagen zur Freude der Atomlobby in tickende Zeitbomben auf Milliardenkosten des Steuerzahlers verkamen.
Merkels Nachfolger Jürgen Trittin tat das einzig Richtige - er feuerte Hennenhöfer auf der Stelle.
Merkels persönlicher Atomwahrheitsmanipulator fiel allerdings weich und wurde Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik beim Münchner Energiekonzern Viag, der im Jahr 2000 mit der Veba zum Stromriesen Eon verschmolz.
Als Anwalt verteidigte der Atommafiosi das Helmholtz-Zentrum München (Betreiberin des umstrittenen Versuchsendlagers Asse II) gegen Bürgerinitiativen..
„Das ist fahrlässig und abenteuerlich”, giftete gestern Röttgens Vorgänger und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Durch die Ernennung des „Lobbyisten der Atomwirtschaft” sei die „freundliche Maske” Röttgens gefallen. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn schimpfte: „Mit der Ernennung eines Atomlobbyisten zum Verantwortlichen für Reaktorsicherheit macht Röttgen den Bock zum Gärtner.” Tobias Münchmeyer, Atom-Experte bei Greenpeace, bezeichnete Hennenhöfer als „altbekannten Atom-Hardliner”. Ihn zum obersten Strahlenschützer zu machen sei, als „hätte man Manfred Kanther zum Integrationsbeauftragten der Bundesregierung ernannt”.
(Der Westen 01.12.09)
Röttgen ist aber auch ein Raufbold, der die noch rückgratloseren Industrie-Bücklinge Brüderle, Mappus und Co geschickt nutzt, um im Vergleich mit ihnen noch liberal zu wirken.
Röttgen hat einen wichtigen Unterstützer, der ihm viel Kraft gibt - ihn selbst!
Klickt man seine Homepage an, strahlt ein den kompletten Bildschirm ausfüllender Röttgenkopf dem Surfer entgegen.
Der Mann, der schon als Schüler, zu Kohls Zeiten, in die CDU eingetreten war, gefällt sich selbst am besten.
Wie könnte man ihm verübeln, daß er diese Erkenntnis gelegentlich auch seinen minderbemittelten Ministerkollegen mitteilen muß?
Der Atomminister hat im Gegensatz zu vielen anderen Ministern begriffen, wie das schwarz-gelbe Kabinett einzuschätzen ist:
Steckt man alle in einen Sack und schlägt dann mit einem Knüppel drauf, trifft es zumindest keinen Falschen.
Im aktuellen STERN „schildert der Autor eine Begegnung Röttgens mit einem älteren Herrn auf einem CDU-Fest in Meckenheim bei Bonn. Der ältere Herr beschwert sich über Westerwelle und fordert, man müsse ihn mehr "an die Kandare nehmen". Röttgen antwortet: "Im Grunde haben Sie recht. Die FDP liegt ja nicht zufällig bei vier Prozent. Ich halte den Westerwelle für irreparabel beschädigt." Die Äußerung wird im Auswärtigen Amt zur Kenntnis genommen. Und im Kanzleramt. Dem Vernehmen nach telefonieren Angel Merkel und Guido Westerwelle darüber. Die Kanzlerin ist verärgert, der Außenminister sowieso. Beide wollen sich aber offiziell nicht äußern, um den Schaden für die Koalition nicht noch größer werden zu lassen. Erst am Montag war Röttgen schon am letzten unvorteilhaften Gerangel beteiligt gewesen, als er und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Experten-Gutachten zur Energiepolitik in einer gemeinsamen Pressekonferenz mehr oder weniger gegensätzlich interpretierten.“
(Nico Fried und Claus Hulverscheidt 03.09.10)
„Irreparabel beschädigt“ ist ein freundlicher Euphemismus im Zusammenhang mit Guido Westerwelle.
Wer wollte aber bestreiten, daß Röttgen mit der Aussage völlig Recht hat?
Da der Polter-Norbi gerade so in Fahrt war, knöpfte er sich nach dem Vizekanzler auch noch die Kanzlerin vor und nörgelte an dem Kanzlerischen Gefälligkeitsgutachten zur Atompolitik herum:
Die Szenarien der Forscher hätten klar und objektiv ergeben, dass längere Laufzeiten geringere Strompreise und mehr Versorgungssicherheit zur Folge hätten, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zeigte sich überzeugt, endlich den wissenschaftlichen Beweis dafür in der Hand zu haben, dass Deutschlands Atommeiler noch viele, viele Jahre Strom produzieren sollten. Doch in Teilen der Regierung wachsen mittlerweile die Zweifel, ob bei der Ausarbeitung des Gutachtens tatsächlich alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Eine interne Einschätzung des Bundesumweltministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wirft den Autoren haarsträubende Fehler und sogar Manipulation vor. So sollen die Kosten, die private Haushalte künftig jährlich für den Klimaschutz zahlen müssten, viel zu hoch angesetzt sein. Von fast 2000 Euro pro Jahr durch höhere Mieten und steigende Verkehrskosten berichten die Gutachter. Laut Umweltministerium handelt es sich bei den Berechnungen jedoch um Extremfälle, "die offensichtlich bewusst ausgewählt worden sind, um Klimaschutz und Umstrukturierung der Energieversorgung zu diskreditieren".
Zudem hätten die Gutachter "trotz anderslautendem Auftrag ausschließlich eine Kostenanalyse durchgeführt: Sie ignorieren damit den Nutzen einer ambitionierten Klimapolitik und der Entwicklung von zukunftsorientierten Energieversorgungsstrukturen", so die herbe Kritik aus dem Haus von Ressortchef Norbert Röttgen (CDU), Brüderles Gegenspieler im laufenden Atomkonflikt.
(Markus Balser und Claus Hulverscheidt 02.09.10)
Nun ist irgendwie die ohnehin nicht eben frohe Stimmung innerhalb der Koalition nicht gerade verbessert.
Westerwelle hat sich jetzt in die Schmollecke zurückgezogen. Solange Röttgen sich nicht öffentlich entschuldigt, werde er nicht mit ihm reden, heißt es. Den Umweltminister scheint die Erkenntnis noch nicht erreicht zu haben, dass die FDP Teil der Regierung ist und es wohl noch einige Zeit bleiben wird. Natürlich ist es ein offenes Geheimnis, dass so mancher Unionsminister im Kabinett Merkel auf die FDP gut und gerne verzichten könnte. Röttgen spricht nur aus, was viele im Unionslager denken.
(Thorsten Denkler 03.09.10)
Aber das ist ja nur Guido, der nur zwei Dinge beherrscht:
Beleidigen und beleidigt sein.
Sachpolitik oder gar Aktenstudium sind seine Sache nicht.
Dass Guido Westerwelle das kritisierte Energie-Gutachten gelesen hat, darf bezweifelt werden. Er hat es nicht so mit Details. In einem Video-Interview mit der Leipziger Volkszeitung verkündete er dennoch: "Wir haben jetzt das Gutachten. Und das gibt in vollem Umfange auch den Liberalen in der Bundesregierung recht." In demselben Interview sagt er übrigens noch andere spannende Sachen. Zu Beispiele diese: "Viele Bürger merken, dass ich inhaltlich etwas bewegen will. Ich brenne innerlich für das, was ich mache." Oder: "Es wird mir ja gelegentlich auch vorgeworfen, dass ich da vielleicht zu pointiert mich einbringe, aber das liegt daran, dass ich eben auch wirklich etwas verändern, etwas bewegen will. Ich bin eben auch sehr engagiert. Ich sehe das nicht so distanziert abgebrüht, was da vor sich geht, sondern mir ist es ein Herzensanliegen, Dinge zu verändern." Für Außenstehende ist das ein weiteres, deutliches Beispiel für die eklatanten Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Traumpartner Union und FDP. Wie hatte Röttgen Westerwelle noch gleich bezeichnet? Als "irreparabel beschädigt."
(Thorsten Denkler 03.09.10)
Gute Vorrausetzungen also, um in einer regierenden CDU aufzusteigen.
Zuletzt erging es dem aufgehenden Stern der NRW-Union allerdings wie papabilen Kardinälen vor dem Konklave: Wer zu sehr favorisiert ist, wird es am Ende doch nicht.
Eine lästige Sache für den katholischen Rechtsanwalt ist insbesondere sein eigener Landesverband, der ihn nicht etwa einstimmig per Akklamation zum Chef kürt, sondern in eine demütigende Kampfabstimmung mit dem Rüttgers-Freund Laschet schickt - einem Mitglied der Regierung, die eben noch katastrophal gescheitert war.
Ambitionen und Ehrgeiz mögen für viele Menschen eine positive Sache sein, aber bei Politikern der Ministerebene kann man davon ausgehen, daß sie diesbezüglich nicht unterversorgt sind.
Röttgen, dem langjährigen Bundesvorsitzenden des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen, wird von seinen CDU-Anwaltskollegen allerdings hartnäckig nachgesagt, daß er das Amt des Bundeskanzlers lediglich als Sprungbrett für den UN-Generalsekretärsposten und die Weltherrschaft ansieht.
Offenbar mangelt es ihm intern also an Heuchel-Vermögen.
Wer besonders karrieregeil und ehrgeizig ist, muß umso bescheidener und demütiger auftreten.
Der Katholik Röttgen sollte sich ein Beispiel an seinem spirituellen Chef Ratzinger nehmen.
Der Panzerkardinal robbte sich zielstrebig durch die ganze Vatikanhierarchie nach oben.
Mit Mitte 30 setzte er sich schon nachhaltig beim Zweiten Vatikanischen Konzil international in Szene, mit 49 war er Erzbischof der wichtigsten Diözese Bayerns und erklomm schon mit 54 die Spitze der Inquisitionsbehörde.
Der Mann wollte Papst werden mit jeder Faser seines Seins und schaffte es dennoch sich als der demütige Überraschungssieger zu geben.
Der Bundesumweltminister versteht es bei Weitem nicht so gut seine Absichten zu tarnen und rief damit seine Neider auf den Plan.
Kaum ein CDU’ler hat so verbissene innerparteiliche Gegner wie er.
Seine Landesverbandkollegen Lammert und Pofalla hassen ihn wie die Pest und sind rund um die Uhr damit beschäftigt ihm Knüppel in den Weg zu werfen.
Sie dankten Gott, als Röttgen ankündigte ab dem 1. Januar 2007 Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zu werden; konnten sich aber nicht verkneifen dem damaligen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch ein letztes Mal in den Weg zu grätschen: Nein, sein Bundestagsmandat könne er nicht behalten.
Ein Treppenwitz der Geschichte, daß der geborene Industrielobbyist sich dann doch für die mühsamerer Politkarriere entschied und ausgerechnet Umweltminister wurde.
Genauso gut könnte man Helmut Kohl als Unterwäschemodell vermarkten oder George W. Bush den Friedensnobelpreis verleihen.
Norbert Röttgen tut im Umweltministerium das, was man von ihm erwarten konnte - er holte einen weltbekannten Top-Atombefürworter ins Amt und plädierte für Laufzeitverlängerungen.
Mit Gerald Hennenhöfer ist nun ein fanatischer Atomlobbyist Chef der Reaktorsicherheit.
Hennenhöfer war schon 1994 bis 1998 der engste Mitarbeiter einer gewissen Ministerin namens Merkel, als die warnenden Gutachten zu Atommüllendlagern so gefälscht wurden, daß die vollkommen ungeeignete Anlagen zur Freude der Atomlobby in tickende Zeitbomben auf Milliardenkosten des Steuerzahlers verkamen.
Merkels Nachfolger Jürgen Trittin tat das einzig Richtige - er feuerte Hennenhöfer auf der Stelle.
Merkels persönlicher Atomwahrheitsmanipulator fiel allerdings weich und wurde Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik beim Münchner Energiekonzern Viag, der im Jahr 2000 mit der Veba zum Stromriesen Eon verschmolz.
Als Anwalt verteidigte der Atommafiosi das Helmholtz-Zentrum München (Betreiberin des umstrittenen Versuchsendlagers Asse II) gegen Bürgerinitiativen..
„Das ist fahrlässig und abenteuerlich”, giftete gestern Röttgens Vorgänger und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Durch die Ernennung des „Lobbyisten der Atomwirtschaft” sei die „freundliche Maske” Röttgens gefallen. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn schimpfte: „Mit der Ernennung eines Atomlobbyisten zum Verantwortlichen für Reaktorsicherheit macht Röttgen den Bock zum Gärtner.” Tobias Münchmeyer, Atom-Experte bei Greenpeace, bezeichnete Hennenhöfer als „altbekannten Atom-Hardliner”. Ihn zum obersten Strahlenschützer zu machen sei, als „hätte man Manfred Kanther zum Integrationsbeauftragten der Bundesregierung ernannt”.
(Der Westen 01.12.09)
Röttgen ist aber auch ein Raufbold, der die noch rückgratloseren Industrie-Bücklinge Brüderle, Mappus und Co geschickt nutzt, um im Vergleich mit ihnen noch liberal zu wirken.
Röttgen hat einen wichtigen Unterstützer, der ihm viel Kraft gibt - ihn selbst!
Klickt man seine Homepage an, strahlt ein den kompletten Bildschirm ausfüllender Röttgenkopf dem Surfer entgegen.
Der Mann, der schon als Schüler, zu Kohls Zeiten, in die CDU eingetreten war, gefällt sich selbst am besten.
Wie könnte man ihm verübeln, daß er diese Erkenntnis gelegentlich auch seinen minderbemittelten Ministerkollegen mitteilen muß?
Der Atomminister hat im Gegensatz zu vielen anderen Ministern begriffen, wie das schwarz-gelbe Kabinett einzuschätzen ist:
Steckt man alle in einen Sack und schlägt dann mit einem Knüppel drauf, trifft es zumindest keinen Falschen.
Im aktuellen STERN „schildert der Autor eine Begegnung Röttgens mit einem älteren Herrn auf einem CDU-Fest in Meckenheim bei Bonn. Der ältere Herr beschwert sich über Westerwelle und fordert, man müsse ihn mehr "an die Kandare nehmen". Röttgen antwortet: "Im Grunde haben Sie recht. Die FDP liegt ja nicht zufällig bei vier Prozent. Ich halte den Westerwelle für irreparabel beschädigt." Die Äußerung wird im Auswärtigen Amt zur Kenntnis genommen. Und im Kanzleramt. Dem Vernehmen nach telefonieren Angel Merkel und Guido Westerwelle darüber. Die Kanzlerin ist verärgert, der Außenminister sowieso. Beide wollen sich aber offiziell nicht äußern, um den Schaden für die Koalition nicht noch größer werden zu lassen. Erst am Montag war Röttgen schon am letzten unvorteilhaften Gerangel beteiligt gewesen, als er und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Experten-Gutachten zur Energiepolitik in einer gemeinsamen Pressekonferenz mehr oder weniger gegensätzlich interpretierten.“
(Nico Fried und Claus Hulverscheidt 03.09.10)
„Irreparabel beschädigt“ ist ein freundlicher Euphemismus im Zusammenhang mit Guido Westerwelle.
Wer wollte aber bestreiten, daß Röttgen mit der Aussage völlig Recht hat?
Da der Polter-Norbi gerade so in Fahrt war, knöpfte er sich nach dem Vizekanzler auch noch die Kanzlerin vor und nörgelte an dem Kanzlerischen Gefälligkeitsgutachten zur Atompolitik herum:
Die Szenarien der Forscher hätten klar und objektiv ergeben, dass längere Laufzeiten geringere Strompreise und mehr Versorgungssicherheit zur Folge hätten, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zeigte sich überzeugt, endlich den wissenschaftlichen Beweis dafür in der Hand zu haben, dass Deutschlands Atommeiler noch viele, viele Jahre Strom produzieren sollten. Doch in Teilen der Regierung wachsen mittlerweile die Zweifel, ob bei der Ausarbeitung des Gutachtens tatsächlich alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Eine interne Einschätzung des Bundesumweltministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wirft den Autoren haarsträubende Fehler und sogar Manipulation vor. So sollen die Kosten, die private Haushalte künftig jährlich für den Klimaschutz zahlen müssten, viel zu hoch angesetzt sein. Von fast 2000 Euro pro Jahr durch höhere Mieten und steigende Verkehrskosten berichten die Gutachter. Laut Umweltministerium handelt es sich bei den Berechnungen jedoch um Extremfälle, "die offensichtlich bewusst ausgewählt worden sind, um Klimaschutz und Umstrukturierung der Energieversorgung zu diskreditieren".
Zudem hätten die Gutachter "trotz anderslautendem Auftrag ausschließlich eine Kostenanalyse durchgeführt: Sie ignorieren damit den Nutzen einer ambitionierten Klimapolitik und der Entwicklung von zukunftsorientierten Energieversorgungsstrukturen", so die herbe Kritik aus dem Haus von Ressortchef Norbert Röttgen (CDU), Brüderles Gegenspieler im laufenden Atomkonflikt.
(Markus Balser und Claus Hulverscheidt 02.09.10)
Nun ist irgendwie die ohnehin nicht eben frohe Stimmung innerhalb der Koalition nicht gerade verbessert.
Westerwelle hat sich jetzt in die Schmollecke zurückgezogen. Solange Röttgen sich nicht öffentlich entschuldigt, werde er nicht mit ihm reden, heißt es. Den Umweltminister scheint die Erkenntnis noch nicht erreicht zu haben, dass die FDP Teil der Regierung ist und es wohl noch einige Zeit bleiben wird. Natürlich ist es ein offenes Geheimnis, dass so mancher Unionsminister im Kabinett Merkel auf die FDP gut und gerne verzichten könnte. Röttgen spricht nur aus, was viele im Unionslager denken.
(Thorsten Denkler 03.09.10)
Aber das ist ja nur Guido, der nur zwei Dinge beherrscht:
Beleidigen und beleidigt sein.
Sachpolitik oder gar Aktenstudium sind seine Sache nicht.
Dass Guido Westerwelle das kritisierte Energie-Gutachten gelesen hat, darf bezweifelt werden. Er hat es nicht so mit Details. In einem Video-Interview mit der Leipziger Volkszeitung verkündete er dennoch: "Wir haben jetzt das Gutachten. Und das gibt in vollem Umfange auch den Liberalen in der Bundesregierung recht." In demselben Interview sagt er übrigens noch andere spannende Sachen. Zu Beispiele diese: "Viele Bürger merken, dass ich inhaltlich etwas bewegen will. Ich brenne innerlich für das, was ich mache." Oder: "Es wird mir ja gelegentlich auch vorgeworfen, dass ich da vielleicht zu pointiert mich einbringe, aber das liegt daran, dass ich eben auch wirklich etwas verändern, etwas bewegen will. Ich bin eben auch sehr engagiert. Ich sehe das nicht so distanziert abgebrüht, was da vor sich geht, sondern mir ist es ein Herzensanliegen, Dinge zu verändern." Für Außenstehende ist das ein weiteres, deutliches Beispiel für die eklatanten Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Traumpartner Union und FDP. Wie hatte Röttgen Westerwelle noch gleich bezeichnet? Als "irreparabel beschädigt."
(Thorsten Denkler 03.09.10)
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