Donnerstag, 23. September 2010
Ja, es geht noch schlimmer
Sie jammern ja alle ganz gern in dieser Republik.
An allen Ecken wird Ungerechtigkeit gewittert und lautstark befürchtet zu kurz zu kommen.
Natürlich ist die Kritik über himmelschreiende Ungerechtigkeiten oft gerechtfertigt.
Zum Beispiel Ärzte!
Unter ihnen gibt es echte Verelendungstendenzen. Vereinzelt mußten pauperisierende Mediziner schon zu Mundraub übergehen.
Bundesweite Proteste gegen die ungenügenden Einkommenssteigerungen der niedergelassenen Ärzte sind nur zu verständlich.
Zwischen 2007 und 2009 stiegen die Honorare der mehr als 150.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten von gut 27,7 auf knapp 30,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von elf Prozent. Und macht im Schnitt Mehreinahmen von rund 20.000 Euro pro Mediziner. Die Kassen gaben damit im vergangenen Jahr fast jeden fünften Euro für die ambulante Versorgung aus.
[…] Zusätzlich zu den 31 Milliarden Euro von den gesetzlichen Kassen erhielten die Mediziner auch noch rund fünf Milliarden Euro von den fast neun Millionen Privatversicherten. Außerdem verdienten sie mit den sogenannten Igel-Leistungen Geld. Darunter fallen etwa Vorsorgeuntersuchungen, für die Patienten selbst zahlen müssen.
(Sven Böll 15.09.10)
Besonders übel mitgespielt hat das Schicksal auch der Pharmaindustrie.
Gerade mal doppelt so teuer, wie im Rest der Welt, können die Oligopolisten hierzulande ihre Pillen und Salben an den Patienten bringen.
Für Pharmakonzerne ist Deutschland ein Paradies: Sie können den Preis für neue Medikamente selbst festlegen - und die Krankenkassen müssen ihn zahlen. Laut "Arzneiverordnungsreport 2010" hat das üble Folgen. Die Kosten seien 50 bis 100 Prozent höher als im Vergleichsland Schweden.
[…] Bereits 2008 hatten italienische Autoren in einer Studie gezeigt, dass Deutschland die höchsten Arzneimittelpreise von sieben EU-Staaten hat. Die Erkenntnis wird nun durch eine detaillierte Überprüfung der umsatzstärksten Arzneimittel eindrucksvoll belegt. Jeweils am 2. Juni 2010 wurden dazu die Apothekenverkaufspreise in Schweden und Deutschland verglichen.
Einige Ergebnisse im Überblick:
Das Rheumamittel Humira kostete in Schweden 1149 Euro, in Deutschland waren es 1919 Euro. Das entspricht einem Aufschlag von 67 Prozent.
[…] Für 30 Tabletten des Krebsmittels Glivec verlangten schwedische Apotheker 2439 Euro, in Deutschland dagegen 3448 Euro - ein Plus von 41 Prozent.
[…] Eine Hunderter-Packung des beliebten Magenschutzmittels Omeprazol kostete in Schweden 9,36 Euro, in Deutschland dagegen 60,46 Euro (plus 546 Prozent). Am 1. September wurde der Preis für Omeprazol hierzulande auf 43,29 Euro abgesenkt, womit der Preis "nur" noch 363 Prozent höher liegt als im Königreich Schweden.
[…] Während zum Beispiel Ratiopharm in Schweden sein Omeprazol (20 Milligramm) für 7,11 Euro anbietet, kostete es in Deutschland am gleichen Tag 33,24 Euro (plus 424 Prozent). MetoHexal kostete in Schweden 6,06 Euro, in Deutschland 19,44 Euro (plus 271 Prozent).
(Markus Grill 14.09.10)
Ein anderes Beispiel aus eigener Erfahrung.
Wer in Hamburg bei einer der größten gesetzlichen Krankenkassen, der Barmer, versichert ist und medizinische Hilfsmittel wie Rollatoren oder Pflegebetten benötigt, wird an die Firma „Stolle“ verwiesen.
Man benötigt nur ein ärztliches Rezept, welches an Stolle geschickt wird und bekommt das gewünschte Produkt umgehend geliefert - Barmer und Stolle rechnen intern ab; der Patient zahlt nichts. Ich habe nur positive Erfahrungen mit "Stolle" gemacht.
Das klingt zunächst einmal wundervoll - der Patient ist König.
Wundervoll ist dieser Zustand allerdings nur solange man annimmt, daß die Barmer Ersatzkasse ihr Geld selbst druckt und unendlich viel davon hat.
In der wirklichen Realität bekommen die Kassen aber ihre Mittel von den Versicherten und vom Steuerzahler. Das ist aber so ähnlich wie die Lizenz zum Gelddrucken; da kann man auch mal großzügig sein.
Wundervoll ist dieser Zustand allerdings nur solange man nicht die Preise für medizinische Hilfsmittel kennt.
Ein simpler Bewegungstrainer, also quasi ein Fahrrad ohne Räder, Sattel und Lenker - gewissermaßen nur die Pedale - kann ordentlich ins Geld gehen:
Das Bewegungs-Therapie-Gerät Motomed viva2 kostet 2.912,00 EUR und das Bewegungs-Therapie-Gerät Motomed viva1 ist mit 2.197,00 EUR nur unwesentlich billiger.
Motomed Viva1:
Der Preis wird aber erst richtig eindrucksvoll, nachdem man entdeckt hat, wie viel ein Selbstzahler, der nicht über die Kasse abrechnen kann, für ein entsprechendes Trainingsgerät bei üblichen Versandhäusern wie Otto oder Neckermann berappen muß!
Da gibt es zum Beispiel den gleichwertigen „Alex Bewegungstrainer“ bei Karstadt.de für 39.95 Euro.
Alex:
Die mechanische Variante von Kettler gibt es schon für 34.99 Euro.
Offensichtlich herrscht bei der Preisgestaltung der Medizintechnik eine Menge Luft nach oben.
Kein Wunder, daß es zahlreiche Unternehmer gibt, die im Pharma-Medizin-Sektor zu Milliardären geworden sind.
Ein Blick in die Liste der 100 reichsten Deutschen (Manager Magazin) ist aufschlussreich - allein 12 Milliardäre verdanken ihr Vermögen (u.a.) dem Gesundheitssektor:
Susanne Klatten (Altana-Pharmaka) 7 Milliarden
Familie Braun (Braun-Medizintechnik) 5,1 Milliarden
Ingeborg Herz (Beiersdorf) 3,9 Milliarden
Curt Engelhorn (vorm. Boehringer Mannheim) 2 Milliarden
Familie Schwarz-Schütte (Schwarz-Pharma Monheim) 2 Milliarden
Andreas Strüngmann (Hexal) 1,9 Milliarden
Thomas Strüngmann (Hexal) 1,9 Milliarden
Bernhard Broerman (Asklepios Kliniken) 1,8 Milliarden
Julia & Philipp Engelhorn (vorm. Boehringer Mannheim) 1,75 Milliarden
Lutz Mario Helmig (Helios-Kliniken, Medizintechnik) 1,4 Milliarden
Familie Schnabel (Chemiehandel) 1,35 Milliarden
Familie Stoll (Festo Medizintechnik) 0,9 Milliarden
Wer meint, daß die Profiteure des deutschen Medizinsektors nun endlich mal ein bißchen mehr verdienen sollten, kann auf Minister Rösler zählen.
Seine sogenannte Gesundheitsreform ließ er sich direkt von den Lobbyisten diktieren.
Die Zeche zahlt allein der Patient.
Auch die geplante Gesundheitsreform ein "weiteres Geschenk an die eigene Klientel", sagte Elke Ferner am 22.9. in Berlin. Die Versicherten, vor allem Geringverdiener, Familien und Rentner, würden "geschröpft", die Arbeitgeber und die privaten Krankenversicherer dagegen geschont. Dies sei ein "Angriff auf unser solidarisches Gesundheitswesen".
(SPD-Bundestagsfraktion 23.09.10)
Die Schwarzgelbe Lobbyhörigkeit ist derartig dreist, daß sogar konservative Kommentatoren der Springerblätter leicht angewidert die Daumen senken.
So einfallslos wie diesmal ist eine Gesundheitsreform jedoch selten ausgefallen. Ihr Kern: Die Beiträge werden erhöht. Versicherte und Arbeitgeber zahlen drauf. Und das alles geht nur, weil die Reformschritte der letzten Regierung trickreich ausgenutzt werden. Der Gesundheitsfonds lässt grüßen. Er bleibt. Den eigenen Koalitionsvertrag hat Schwarz-Gelb mit dieser Reform ohnehin gebrochen. Von Systemwechsel keine Spur. Es ist aber ebenso ein Armutszeugnis für einen Gesundheitsminister Philipp Rösler, dessen Partei die Freiheit im Namen trägt, dass die unselige Verstaatlichung, der Einheitsbeitrag, fortbestehen darf.
(Christoph Rybarczyk 22. September 2010)
Die stets gediegen und möglichst neutral auftretende Tagesschau sieht es ähnlich.
Philipp Rösler fällt tief, und auch der Aufprall am Ende ist knallhart.
Der FDP-Minister am Boden, noch nicht mal ein Jahr, nachdem er das Gesundheitsressort übernommen hat. Oder um das - zugegeben ein wenig abgedroschene - Bild zu bemühen: Laut gebrüllt als kräftiger Löwe für die Liberalen bei Regierungsantritt, aber zahnlos geendet - als plüschiger Bettvorleger, auf dem jetzt wirklich alle herumtrampeln.
Und das zu Recht. Denn gescheitert ist der Gesundheitsminister vor allem an sich selbst und seinem viel zu hoch gesteckten Anspruch: Hatte er doch frisch im Amt vollmundig versprochen - unverbraucht, noch dazu als gelernter Mediziner - das System wird umgebaut, komplett und total - ohne dass es teurer wird.
Vor allem die Versicherten zahlen die Zeche
Ein Minister für alle wollte er sein, natürlich in erster Linie im Interesse der Patienten. Doch dann ließ Rösler sich in das Netz der Einzelinteressen locken und blieb stecken. Die Folge: Ein Kabinettsbeschluss, der kleinteiliger und armseliger nicht sein könnte. So einfallslos ist bisher noch kein Gesundheitsminister in Deutschland ans Werk gegangen.
(Silke Engel, RBB, ARD-Hauptstadtstudio)
Gewerkschaften, Opposition, Presse und sogar die Arbeitgeber sind entsetzt über so viel Unfähigkeit - obwohl ohnehin nichts Gutes mehr von der Merkel-Regierung zu erwarten war.
Als massivsten Eingriff in die Architektur des Sozialstaats seit Gründung der Bundesrepublik kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Zusatzbeiträge. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem Affront für 70 Millionen Versicherte. "Die schwarz-gelbe Regierung betreibt aktive Sterbehilfe am solidarischen Gesundheitswesen", polterte ver.di-Vorstandsmitglied Ellen Paschke. Die Vorsitzende des Kassen-Verbands, Doris Pfeiffer, sagte: "Die Bundesregierung will den Krankenkassenbeitrag (...) erhöhen, damit die Einnahmen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser weiter kräftig steigen können."
(SPON)
Die Hauptstadtjournalisten tun sich inzwischen schwer damit überhaupt noch Worte für das Desaster zu finden, welches unsere bürgerliche Regierung aufführt:
Es ist eine Reform, die er so nicht wollte, das Manifest einer ersten großen politischen Niederlage in seiner steilen Karriere. In den zehn Monaten, die es brauchte, das Gesetzeswerk auszuarbeiten, wandelte sich Rösler vom strahlenden jugendlichen Helden in einen ramponierten Ritter mit reichlich Schrammen und Beulen an der Rüstung.
(Guido Bohsem 23.09.10)
Sven Böll nennt des Ministers Wurf („ich bin sehr zufrieden“ - Rösler) „Der große Gesundheitsschwindel“:
Es ist immer wieder beachtlich, wie sehr Politiker die Realität verklären: Das Kabinett hat am Mittwoch die schwarz-gelbe Gesundheitsreform verabschiedet.
Bald können Gutverdiener leichter zur privaten Konkurrenz wechseln, die Beiträge der gesetzlichen Kassen werden deutlich steigen, und Versicherte müssen das jährliche Kostenplus allein tragen, während die Arbeitgeber fein raus sind.
Und was fällt dem zuständigen Minister zu dieser Tristesse-Trilogie ein, der er den verdächtig komplexen Namen "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung" verpasst hat? Philipp Rösler sagt: "Die Gesundheitsreform ist gut für alle." Ohne ironischen Unterton.
[…] Rösler gehört nun zum Kreis derer, die munter den großen Gesundheitsschwindel verbreiten. Sein Werk ist immerhin die fünfte Reform seit 1999. Trotzdem suggeriert der Minister, das System sei aus dem Gröbsten raus. Schön wär's. Allein zwischen 1999 und 2009 stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen jährlich um rund drei Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren es sogar vier Prozent. Unterstellt man für die Zukunft eine Steigerung von 3,5 Prozent pro Jahr, würden sich die Kosten von AOK und Co. von derzeit gut 173 Milliarden Euro bis 2020 auf 245 Milliarden Euro erhöhen. Bislang nur wenige Rationierungen Nach Röslers "Für alle gut"-Plänen sollen allein die Versicherten diese gigantische Finanzlücke schließen. Rein rechnerisch wird in zehn Jahren jeder der 50 Millionen Beitragszahler einen vom Einkommen unabhängigen Zusatzbeitrag von deutlich über 100 Euro zahlen müssen. Pro Monat wohlgemerkt.
Wortwörtlich haben die Schwarzgelben die Formulierungen der Pharmalobby in ein Gesetz zu Lasten der Bürger umgesetzt.
Nirgendwo sind die Interessen so gut organisiert wie in dieser Branche. Und so erfolgreich: Zuletzt wurde bekannt, dass sich in einem Koalitionsantrag für die Bewertung neuer Medikamente fast wortwörtliche Formulierungen des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) wiederfanden. Hilfen für eine Rechtsverordnung, die bald vom Bundesgesundheitsministerium kommen soll.
(Spon)
Der Wähler in Deutschland reagiert wirr.
Während die FDP im Keller verharrt, hat sich die CDU zuletzt wieder berappelt und liegt nun erneut deutlich vor der SPD-Konkurrenz.
Merkel überzeugt den Urnenpöbel deutlich mehr als vor drei Wochen.
Offensichtlich versteht der Wähler die Bundesregierung jezt als das was sie ist - EINEN WITZ:
An allen Ecken wird Ungerechtigkeit gewittert und lautstark befürchtet zu kurz zu kommen.
Natürlich ist die Kritik über himmelschreiende Ungerechtigkeiten oft gerechtfertigt.
Zum Beispiel Ärzte!
Unter ihnen gibt es echte Verelendungstendenzen. Vereinzelt mußten pauperisierende Mediziner schon zu Mundraub übergehen.
Bundesweite Proteste gegen die ungenügenden Einkommenssteigerungen der niedergelassenen Ärzte sind nur zu verständlich.
Zwischen 2007 und 2009 stiegen die Honorare der mehr als 150.000 Kassenärzte und Psychotherapeuten von gut 27,7 auf knapp 30,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von elf Prozent. Und macht im Schnitt Mehreinahmen von rund 20.000 Euro pro Mediziner. Die Kassen gaben damit im vergangenen Jahr fast jeden fünften Euro für die ambulante Versorgung aus.
[…] Zusätzlich zu den 31 Milliarden Euro von den gesetzlichen Kassen erhielten die Mediziner auch noch rund fünf Milliarden Euro von den fast neun Millionen Privatversicherten. Außerdem verdienten sie mit den sogenannten Igel-Leistungen Geld. Darunter fallen etwa Vorsorgeuntersuchungen, für die Patienten selbst zahlen müssen.
(Sven Böll 15.09.10)
Besonders übel mitgespielt hat das Schicksal auch der Pharmaindustrie.
Gerade mal doppelt so teuer, wie im Rest der Welt, können die Oligopolisten hierzulande ihre Pillen und Salben an den Patienten bringen.
Für Pharmakonzerne ist Deutschland ein Paradies: Sie können den Preis für neue Medikamente selbst festlegen - und die Krankenkassen müssen ihn zahlen. Laut "Arzneiverordnungsreport 2010" hat das üble Folgen. Die Kosten seien 50 bis 100 Prozent höher als im Vergleichsland Schweden.
[…] Bereits 2008 hatten italienische Autoren in einer Studie gezeigt, dass Deutschland die höchsten Arzneimittelpreise von sieben EU-Staaten hat. Die Erkenntnis wird nun durch eine detaillierte Überprüfung der umsatzstärksten Arzneimittel eindrucksvoll belegt. Jeweils am 2. Juni 2010 wurden dazu die Apothekenverkaufspreise in Schweden und Deutschland verglichen.
Einige Ergebnisse im Überblick:
Das Rheumamittel Humira kostete in Schweden 1149 Euro, in Deutschland waren es 1919 Euro. Das entspricht einem Aufschlag von 67 Prozent.
[…] Für 30 Tabletten des Krebsmittels Glivec verlangten schwedische Apotheker 2439 Euro, in Deutschland dagegen 3448 Euro - ein Plus von 41 Prozent.
[…] Eine Hunderter-Packung des beliebten Magenschutzmittels Omeprazol kostete in Schweden 9,36 Euro, in Deutschland dagegen 60,46 Euro (plus 546 Prozent). Am 1. September wurde der Preis für Omeprazol hierzulande auf 43,29 Euro abgesenkt, womit der Preis "nur" noch 363 Prozent höher liegt als im Königreich Schweden.
[…] Während zum Beispiel Ratiopharm in Schweden sein Omeprazol (20 Milligramm) für 7,11 Euro anbietet, kostete es in Deutschland am gleichen Tag 33,24 Euro (plus 424 Prozent). MetoHexal kostete in Schweden 6,06 Euro, in Deutschland 19,44 Euro (plus 271 Prozent).
(Markus Grill 14.09.10)
Ein anderes Beispiel aus eigener Erfahrung.
Wer in Hamburg bei einer der größten gesetzlichen Krankenkassen, der Barmer, versichert ist und medizinische Hilfsmittel wie Rollatoren oder Pflegebetten benötigt, wird an die Firma „Stolle“ verwiesen.
Man benötigt nur ein ärztliches Rezept, welches an Stolle geschickt wird und bekommt das gewünschte Produkt umgehend geliefert - Barmer und Stolle rechnen intern ab; der Patient zahlt nichts. Ich habe nur positive Erfahrungen mit "Stolle" gemacht.
Das klingt zunächst einmal wundervoll - der Patient ist König.
Wundervoll ist dieser Zustand allerdings nur solange man annimmt, daß die Barmer Ersatzkasse ihr Geld selbst druckt und unendlich viel davon hat.
In der wirklichen Realität bekommen die Kassen aber ihre Mittel von den Versicherten und vom Steuerzahler. Das ist aber so ähnlich wie die Lizenz zum Gelddrucken; da kann man auch mal großzügig sein.
Wundervoll ist dieser Zustand allerdings nur solange man nicht die Preise für medizinische Hilfsmittel kennt.
Ein simpler Bewegungstrainer, also quasi ein Fahrrad ohne Räder, Sattel und Lenker - gewissermaßen nur die Pedale - kann ordentlich ins Geld gehen:
Das Bewegungs-Therapie-Gerät Motomed viva2 kostet 2.912,00 EUR und das Bewegungs-Therapie-Gerät Motomed viva1 ist mit 2.197,00 EUR nur unwesentlich billiger.
Motomed Viva1:
Der Preis wird aber erst richtig eindrucksvoll, nachdem man entdeckt hat, wie viel ein Selbstzahler, der nicht über die Kasse abrechnen kann, für ein entsprechendes Trainingsgerät bei üblichen Versandhäusern wie Otto oder Neckermann berappen muß!
Da gibt es zum Beispiel den gleichwertigen „Alex Bewegungstrainer“ bei Karstadt.de für 39.95 Euro.
Alex:
Die mechanische Variante von Kettler gibt es schon für 34.99 Euro.
Offensichtlich herrscht bei der Preisgestaltung der Medizintechnik eine Menge Luft nach oben.
Kein Wunder, daß es zahlreiche Unternehmer gibt, die im Pharma-Medizin-Sektor zu Milliardären geworden sind.
Ein Blick in die Liste der 100 reichsten Deutschen (Manager Magazin) ist aufschlussreich - allein 12 Milliardäre verdanken ihr Vermögen (u.a.) dem Gesundheitssektor:
Susanne Klatten (Altana-Pharmaka) 7 Milliarden
Familie Braun (Braun-Medizintechnik) 5,1 Milliarden
Ingeborg Herz (Beiersdorf) 3,9 Milliarden
Curt Engelhorn (vorm. Boehringer Mannheim) 2 Milliarden
Familie Schwarz-Schütte (Schwarz-Pharma Monheim) 2 Milliarden
Andreas Strüngmann (Hexal) 1,9 Milliarden
Thomas Strüngmann (Hexal) 1,9 Milliarden
Bernhard Broerman (Asklepios Kliniken) 1,8 Milliarden
Julia & Philipp Engelhorn (vorm. Boehringer Mannheim) 1,75 Milliarden
Lutz Mario Helmig (Helios-Kliniken, Medizintechnik) 1,4 Milliarden
Familie Schnabel (Chemiehandel) 1,35 Milliarden
Familie Stoll (Festo Medizintechnik) 0,9 Milliarden
Wer meint, daß die Profiteure des deutschen Medizinsektors nun endlich mal ein bißchen mehr verdienen sollten, kann auf Minister Rösler zählen.
Seine sogenannte Gesundheitsreform ließ er sich direkt von den Lobbyisten diktieren.
Die Zeche zahlt allein der Patient.
Auch die geplante Gesundheitsreform ein "weiteres Geschenk an die eigene Klientel", sagte Elke Ferner am 22.9. in Berlin. Die Versicherten, vor allem Geringverdiener, Familien und Rentner, würden "geschröpft", die Arbeitgeber und die privaten Krankenversicherer dagegen geschont. Dies sei ein "Angriff auf unser solidarisches Gesundheitswesen".
(SPD-Bundestagsfraktion 23.09.10)
Die Schwarzgelbe Lobbyhörigkeit ist derartig dreist, daß sogar konservative Kommentatoren der Springerblätter leicht angewidert die Daumen senken.
So einfallslos wie diesmal ist eine Gesundheitsreform jedoch selten ausgefallen. Ihr Kern: Die Beiträge werden erhöht. Versicherte und Arbeitgeber zahlen drauf. Und das alles geht nur, weil die Reformschritte der letzten Regierung trickreich ausgenutzt werden. Der Gesundheitsfonds lässt grüßen. Er bleibt. Den eigenen Koalitionsvertrag hat Schwarz-Gelb mit dieser Reform ohnehin gebrochen. Von Systemwechsel keine Spur. Es ist aber ebenso ein Armutszeugnis für einen Gesundheitsminister Philipp Rösler, dessen Partei die Freiheit im Namen trägt, dass die unselige Verstaatlichung, der Einheitsbeitrag, fortbestehen darf.
(Christoph Rybarczyk 22. September 2010)
Die stets gediegen und möglichst neutral auftretende Tagesschau sieht es ähnlich.
Philipp Rösler fällt tief, und auch der Aufprall am Ende ist knallhart.
Der FDP-Minister am Boden, noch nicht mal ein Jahr, nachdem er das Gesundheitsressort übernommen hat. Oder um das - zugegeben ein wenig abgedroschene - Bild zu bemühen: Laut gebrüllt als kräftiger Löwe für die Liberalen bei Regierungsantritt, aber zahnlos geendet - als plüschiger Bettvorleger, auf dem jetzt wirklich alle herumtrampeln.
Und das zu Recht. Denn gescheitert ist der Gesundheitsminister vor allem an sich selbst und seinem viel zu hoch gesteckten Anspruch: Hatte er doch frisch im Amt vollmundig versprochen - unverbraucht, noch dazu als gelernter Mediziner - das System wird umgebaut, komplett und total - ohne dass es teurer wird.
Vor allem die Versicherten zahlen die Zeche
Ein Minister für alle wollte er sein, natürlich in erster Linie im Interesse der Patienten. Doch dann ließ Rösler sich in das Netz der Einzelinteressen locken und blieb stecken. Die Folge: Ein Kabinettsbeschluss, der kleinteiliger und armseliger nicht sein könnte. So einfallslos ist bisher noch kein Gesundheitsminister in Deutschland ans Werk gegangen.
(Silke Engel, RBB, ARD-Hauptstadtstudio)
Gewerkschaften, Opposition, Presse und sogar die Arbeitgeber sind entsetzt über so viel Unfähigkeit - obwohl ohnehin nichts Gutes mehr von der Merkel-Regierung zu erwarten war.
Als massivsten Eingriff in die Architektur des Sozialstaats seit Gründung der Bundesrepublik kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Zusatzbeiträge. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem Affront für 70 Millionen Versicherte. "Die schwarz-gelbe Regierung betreibt aktive Sterbehilfe am solidarischen Gesundheitswesen", polterte ver.di-Vorstandsmitglied Ellen Paschke. Die Vorsitzende des Kassen-Verbands, Doris Pfeiffer, sagte: "Die Bundesregierung will den Krankenkassenbeitrag (...) erhöhen, damit die Einnahmen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser weiter kräftig steigen können."
(SPON)
Die Hauptstadtjournalisten tun sich inzwischen schwer damit überhaupt noch Worte für das Desaster zu finden, welches unsere bürgerliche Regierung aufführt:
Es ist eine Reform, die er so nicht wollte, das Manifest einer ersten großen politischen Niederlage in seiner steilen Karriere. In den zehn Monaten, die es brauchte, das Gesetzeswerk auszuarbeiten, wandelte sich Rösler vom strahlenden jugendlichen Helden in einen ramponierten Ritter mit reichlich Schrammen und Beulen an der Rüstung.
(Guido Bohsem 23.09.10)
Sven Böll nennt des Ministers Wurf („ich bin sehr zufrieden“ - Rösler) „Der große Gesundheitsschwindel“:
Es ist immer wieder beachtlich, wie sehr Politiker die Realität verklären: Das Kabinett hat am Mittwoch die schwarz-gelbe Gesundheitsreform verabschiedet.
Bald können Gutverdiener leichter zur privaten Konkurrenz wechseln, die Beiträge der gesetzlichen Kassen werden deutlich steigen, und Versicherte müssen das jährliche Kostenplus allein tragen, während die Arbeitgeber fein raus sind.
Und was fällt dem zuständigen Minister zu dieser Tristesse-Trilogie ein, der er den verdächtig komplexen Namen "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung" verpasst hat? Philipp Rösler sagt: "Die Gesundheitsreform ist gut für alle." Ohne ironischen Unterton.
[…] Rösler gehört nun zum Kreis derer, die munter den großen Gesundheitsschwindel verbreiten. Sein Werk ist immerhin die fünfte Reform seit 1999. Trotzdem suggeriert der Minister, das System sei aus dem Gröbsten raus. Schön wär's. Allein zwischen 1999 und 2009 stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen jährlich um rund drei Prozent. In den vergangenen fünf Jahren waren es sogar vier Prozent. Unterstellt man für die Zukunft eine Steigerung von 3,5 Prozent pro Jahr, würden sich die Kosten von AOK und Co. von derzeit gut 173 Milliarden Euro bis 2020 auf 245 Milliarden Euro erhöhen. Bislang nur wenige Rationierungen Nach Röslers "Für alle gut"-Plänen sollen allein die Versicherten diese gigantische Finanzlücke schließen. Rein rechnerisch wird in zehn Jahren jeder der 50 Millionen Beitragszahler einen vom Einkommen unabhängigen Zusatzbeitrag von deutlich über 100 Euro zahlen müssen. Pro Monat wohlgemerkt.
Wortwörtlich haben die Schwarzgelben die Formulierungen der Pharmalobby in ein Gesetz zu Lasten der Bürger umgesetzt.
Nirgendwo sind die Interessen so gut organisiert wie in dieser Branche. Und so erfolgreich: Zuletzt wurde bekannt, dass sich in einem Koalitionsantrag für die Bewertung neuer Medikamente fast wortwörtliche Formulierungen des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) wiederfanden. Hilfen für eine Rechtsverordnung, die bald vom Bundesgesundheitsministerium kommen soll.
(Spon)
Der Wähler in Deutschland reagiert wirr.
Während die FDP im Keller verharrt, hat sich die CDU zuletzt wieder berappelt und liegt nun erneut deutlich vor der SPD-Konkurrenz.
Merkel überzeugt den Urnenpöbel deutlich mehr als vor drei Wochen.
Offensichtlich versteht der Wähler die Bundesregierung jezt als das was sie ist - EINEN WITZ:
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Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Hab heute mal wieder Deine Seiten besucht und finde den aktuellen Text zur Gesundheitsreform sehr gut und gut recherchiert.
Die FDP hält allerdings, was sie vor der Wahl versprochen hat: Mehr Nutto vom Bretto (Volker Pispers). Oder anders ausgedrückt: Mehr Netto für die Reichen vom Brutto der Arbeitnehmer.
Danke gerdos.
Das ist ja immer so eigenartig, daß die Leute es eigenartig finden wie sich die FDP benimmt, dabei bedienen sie ausschließlich ihr Klientel.
Wie es zu erwarten war.
LGT
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