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Montag, 27. September 2010

Deutsche Geschäftsmodelle - Teil VIII

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.
(Bundeskanzlerin Angela Merkel)

Wenn CDU-Größen von Sicherheit sprechen, sind wir alle sofort beruhigt.
Wer erinnert sich nicht gerne an die Mantra-artig vorgebrachte Aussage „Die Rente ist siche!“ des ewigen Sozialministers Blüm?
16 Jahre, und damit länger als jeder andere Kohl-Minister, amtierte der kleine Comedy-Minister. Und die Rente war ja schließlich auch immer sicher. Bis sie eben nicht mehr sicher war und Rot/Grün das ganz große Finanzdesaster in der Rentenkasse erbte.

So ist das auch mit den deutschen Atomkraftwerken.
Die sind auch unglaublich sicher.
Solange eben bis es mal kracht.
Wenn man so wie ich in Hamburg lebt, ist man daran gewöhnt, daß plötzlich das Stromnetz zusammenbricht, weil die Vattenfall-Schlauberger mal wieder einen ihrer Rumpelreaktoren kollabieren lassen haben.

Erneut sind nach Schwankungen im Stromnetz mehrere Hundert Ampeln im gesamten Stadtgebiet ausgefallen. Grund war ein defekter Transformator, erklärte ein Sprecher des Energiekonzerns Vattenfall. Kurz nach 17.40 Uhr gingen am Sonnabend die Ampellichter an etwa jeder zweiten Kreuzung aus. Insgesamt waren genau 812 Ampelanlagen betroffen, wie die Verkehrsleitzentrale mitteilte. Während der Großteil der Ampeln automatisch nach zwei Minuten neu gestartet wurde und keine weiteren Probleme zeigte, blieben 23 Ampeln aus und mussten von Vattenfall-Mitarbeitern repariert werden. Offenbar kam es trotz der Panne nicht zu Unfällen. Es ist das bereits dritte Mal innerhalb von nur vier Monaten, dass Ampelanlagen in diesem Umfang kurzfristig ihren Dienst versagten. Schon am 19. Dezember ging an vielen Kreuzungen nichts mehr, nachdem knapp 1000 Ampeln der insgesamt fast 1700 Ampelanlagen ausgefallen waren. Fast genau einen Monat zuvor waren durch eine Stromstörung an 900 Kreuzungen die Ampeln ausgefallen. Vattenfall bestätigte die Störungen gestern. Nach dem Defekt haben die Vattenfall-Techniker auf einen anderen Transformator umschalten müssen, erklärte Stefan Kleimeier, der Sprecher des Energiekonzerns.
(HH Abendblatt Feb 2010)

Für den Verbraucher ist das lästig, weil durch den Spannungsausfall so viele Uhren, Stereoanlagen und ähnliches hektisch anfangen zu blinken und man dann umständlich überall die Daten neu programmieren muß. Derzeit herrscht himmlische Ruhe und gleichmäßiger Strom, weil sowohl das AKW Brunsbüttel, als auch das AKW Krümmel vom Netz sind.

Das ist eins der unumstößlichen Gesetze der Atomwirtschaft - angenehm ist es immer dann, wenn die Dinger gerade abgeschaltet sind.

Mittlerweile sind schon sieben Reaktoren abgeschaltet - und es zeigt sich: Die Lichter gehen dadurch noch lange nicht aus. Die Anti-Atom-Bewegung frohlockt schon einmal.
Nie war die Anti-Atom-Bewegung den deutschen Stromkonzernen so dankbar wie heute. "Wenn die in dem Tempo weitermachen", frohlockt Jochen Stay von der Anti-Castor-Gruppe "x-tausendmal quer", "dann sind bis zur Bundestagswahl sämtliche Atomkraftwerke abgeschaltet." Erst war es nur der Geesthachter Reaktor Krümmel, abgeschaltet nach einem Kurzschluss im Transformator. Der gibt den Strom ans Netz weiter, versorgt aber auch den Reaktor selbst. Jetzt sind noch die Kernkraftwerke Emsland (Problem am Transformator) und Philippsburg 2 (dito) vom Netz. Und das ist lange nicht alles. Biblis A, der älteste deutsche Reaktor, steht schon seit Monaten für eine Revision still - anfahren will Betreiber RWE ihn vorsichtshalber erst ein paar Tage nach der Bundestagswahl, am 30. September. Der Nachbarreaktor Biblis B, der ursprünglich am vorvergangenen Wochenende wieder angeworfen werden sollte, wird kurzfristig nachgerüstet, um möglicher Kritik der Atomaufseher im Bundesumweltministerium zu entgehen. Das kann Monate dauern. Das Vattenfall-Kraftwerk Brunsbüttel steht seit einer Panne im Sommer 2007 still, auf unbestimmte Zeit, die Arbeiten laufen noch. Damit nicht genug; Eon hat vor gut einer Woche seinen bayerischen Reaktor Isar 2 vom Netz getrennt, zur planmäßigen Revision. Mehr als 9000 Megawatt Kapazität liegen brach, fast die Hälfte der Leistung aller deutschen Atomkraftwerke. Sieben von 17 deutschen Reaktoren liefern keinen Strom. So viel Stillstand war selten.

(Michael Bauchmüller, 27.07.2009)

In den letzten Jahren hatten wir oft wegen Revisionen, Notabschaltungen und Sicherheitsprobleme beinahe die Hälfte der AKWs abgeklemmt.

Im Gegensatz zu den Gruselmärchen der Schwarzgelben, gibt es dann keine „Stromlücke“.
Die Stromlücke entpuppt sich spätestens bei sieben gleichzeitig abgeschalteten Atomreaktoren als das was sie ist: Ein moderner Mythos ohne Wahrheitsgehalt.

Nach dem Atombückling der Bundesregierung werden nun auch die schlimmsten Pannenmeiler rund um Hamburg hochgefahren.
Dann geht es wieder los mit dem Rumpelstrom der Atomdilettanten.

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Dieser Satz wird schon stimmen - aber er gilt offensichtlich nur für den abgeschalteten Zustand.
Wenn die Rostlauben mit der 70er-Jahre Technik tatsächlich Strom produzieren, ist das mit der Sicherheit relativ.

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Dieser Satz sollte für einige der neueren Reaktoren gelten.
Bei den Alten müßte dafür enorm nachgerüstet werden, aber das hat Rot/Grün dem Atom-Molochopol freundlicherweise erlassen, da die Methusalemreaktoren ohnehin jetzt vom Netz gehen sollten. Aber gerade mal ein AKW; Stade; Baubeginn 1967, ist bisher im Rückbau. Es läuft seit September 2005 im sogenannten Restbetrieb.

Das EnBW- Kernkraftwerk in Neckarwestheim mit zwei Druckwasserreaktoren, Baubeginn 1971, hätte den älteren Block eigentlich Anfang 2009 abschalten müssen.
Eine Übertragung von Reststrommengen auf den Gerontenblock scheiterte an Umweltminister Gabriel.
Also trickste EnBW und reduzierte die Leistung des Pannenreaktors so weit, daß ein Betrieb bis über die Bundestagswahl im September 2009 möglich wurde.

Die Hoffnung auf eine korruptere, neue Bundesregierung erfüllte sich inzwischen.

Nun kann das 40 Jahre alte Unfall-Ungetüm, das in den letzten zehn Jahren deswegen nicht nachgerüstet wurde, weil es ja ohnehin 2009 vom Netz sollte, weiterlaufen.

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Mit ein paar Ausnahmen eben.
Neckarwestheim, einen der Problemreaktoren des Branchenprimus EnBW (Reingewinn 2009: 8,5 Milliarden Euro), kann die Kanzlerin mit ihrem Sicherheitsmantra offenbar nicht gemeint haben.
Im Juli 2004 wurden mit zwei Megabecquerel kontaminiertes Wasser in den Neckar geleitet. Angeblich unbemerkt.
Man fragt sich was schlimmer ist: Daß sowas unbemerkt geschehen kann, oder daß die Betreiber solche Vorfälle vertuschen.
EnBW mußte damals - erstmalig in der BRD - für das Vertuschen der Panne eine empfindliche Strafe zahlen: 25.000 Euro!
Na ,das wird bei einem TAGESGEWINN VON EINER MILLION EURO PRO KRAFTWERK enorm weh getan haben.

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Wenn man davon ausgeht, daß alle anderen AKWs des Planeten in Schilda betrieben werden.

Noch einmal Neckarwestheim:

· Am 14. Juni 2005 kommt es aufgrund von Kondensathochdruck zu einer Schnellabschaltung der Bahnstrommaschine.[15]
· Am 16. November 2005 kommt es zu einer Turbinenschnellabschaltung (TUSA) nach einer Schutzauslösung der Schaltanlage Neckarwestheim.
(Wikipedia)

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Solange niemand auf die Idee kommt einen Terroranschlag zu verüben - gegen Flugzeugaufprall sind nur die Hälfte der deutschen Atomkraftwerke gesichert.
Man könnte die anderen theoretisch auch nachrüsten und mit dickeren Betonmänteln umgeben. Aber das wäre natürlich teuer und bei den mickerigen Gewinnspannen der vier Atomgiganten (8,5 Mrd Euro EnBW in 2009) muß das erst mal warten.

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Das war zumindest mal zum Zeitpunkt der Genehmigung so. In den 1970er Jahren.
Heute wäre kein einziges der 17 deutschen AKWs genehmigungsfähig und da Nachrüstungen so teuer sind, hat der freundliche Herr vom Bundesumweltministerium die Kosten für die Betreiber auf 500 Mio Euro gedeckelt.
Man muß ja nun auch nicht übertreiben mit der Sicherheit!

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.

Zu diesen sicheren AKWs gehört aber offensichtlich Biblis nicht, wie ein bisher unveröffentlichtes Gutachten des Umweltministeriums beweist, welches nun der SZ vorliegt.

Die Ärzteorganisation IPPNW hatte Biblis 210 schwere Sicherheitsmängel vorgeworfen.
In der IPPNW ("International Physicians for the Prevention of Nuclear War". In Deutschland "IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.") sind über 7000 Mediziner organisiert, die Röttgen und Co derartig nerven, daß sie klammheimlich extra einen „Vertuschungsparagraphen“ in das neue Atomgesetz einarbeiten ließen.

Entgegen ihrer Ankündigung, die Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke zu erhöhen, plant die Bundesregierung nach Informationen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW klammheimlich, diese Anforderungen gegenüber der aktuellen Rechtslage zu reduzieren. Ein neuer Sonderparagraph im Atomgesetz (§ 7d AtG) soll rückgängig machen, was ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 ermöglicht hat: Kläger können derzeit einen Schutz gegen Flugzeugabstürze, gegen Ereignisse mit Ausfall des Schnellabschaltsystems (ATWS) oder beispielsweise auch Schutzmaßnahmen gegen eine Kernschmelze vor Gericht einklagen. Außerdem können die Behörden entsprechende Nachrüstungen verlangen, da es sich bei diesen „auslegungsüberschreitenden“ Ereignissen nicht um ein zu akzeptierendes „Restrisiko“ handelt.
„Mit dem neuen § 7d soll die derzeit bestehende Klagemöglichkeit, der so genannte Drittschutz, aufgehoben werden. Doch selbst die Aufsichtsbehörden könnten künftig Probleme bekommen, wenn sie gegenüber den Betreibern sicherheitstechnische Nachrüstungen durchsetzen wollen. So bezeichnet der vorgesehene § 7d ein sehr weites Spektrum möglicher Nachrüstungen mit selbst für Juristen absonderlichen Formulierungen faktisch als nicht erforderlich“, so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. „Das bedeutet in der Konsequenz nichts anderes, als dass die Bundesregierung die seit langem diskutierte Heranführung der Atomkraftwerke an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik unterlassen möchte. Auch die Schutzmaßnahmen gegen Flugzeugabstürze sind vom Tisch, wenn das Atomgesetz in dieser skandalösen Form novelliert wird,“ erklärt Paulitz.
(www.ippnw.de 09.09.2010)

Diese IPPNW’ler machen Schwarzgelb das Leben schwer, da sie meistens richtig liegen.
Da bleibt den CDU- und FDP-Ministern nur das massive Vertuschen der Sicherheitsmängel. Ärgerlich, daß jetzt etwas an die Presse durchgesickert ist.

Das Ergebnis des Darmstädter Öko-Instituts ist beunruhigend: Demnach sind zwar nicht alle 210 Vorwürfe haltbar. Mindestens 80 dieser Defizite seien jedoch "sicherheitstechnisch relevant". Biblis B, am Netz seit 1976, zählt zu den ältesten deutschen Kernkraftwerken. Ursprünglich hätte es Anfang 2012 abgeschaltet werden sollen. Durch die Verlängerung der Atom-Laufzeiten kann es nun bis 2020 laufen. An diesem Dienstag will das Bundeskabinett die längeren Laufzeiten beschließen.
Das Gutachten listet nun Mängel auf, zum Beispiel im Notstandssystem oder beim Schutz gegen Erdbeben und Überflutungen. Auch seien mittlerweile viele Materialien veraltet, die beim Bau verwendet wurden, wie Kabel aus PVC oder Rohrleitungen mit anfälligen Schweißnähten. Der Tenor der 336 Seiten dicken Studie: In zahlreichen Punkten entspricht der Atommeiler nicht mehr dem heutigen Stand der Technik. Um dies zu erreichen, müsste er aufwendig nachgerüstet werden. So könnte in dem Atomkraftwerk laut den Ergebnissen der Studie eine "anlageninterne Überflutung", etwa durch ein geplatztes Rohr, dazu führen, dass "alle vier Aggregate des nuklearen Zwischenkühlsystems ausfallen".
(Michael Bauchmüller und Marc Widmann 27.09.2010)

In der Sprache der Betreibergesellschaft RWE heißt das:

"Biblis ist sicher."
Ganz anders sieht das der Verein IPPNW, der sich bestätigt fühlt. "Die Anlage muss jetzt nach geltendem Recht stillgelegt werden", sagte Mitarbeiter Henrik Paulitz.
(Michael Bauchmüller und Marc Widmann 27.09.2010)

Zum Glück für RWE sind Gutachten und der Verein IPPNW irrelevant.
Entscheidend ist was Merkel und Brüderle wollen und denen ist die Sicherheit der Deutschen Bürger offensichtlich vollkommen egal.

Die Meinung der deutschen Regierungschefin zu den Pannenmeilern kennen wir ja:

Deutschland hat die sichersten Atomkraftwerke der Welt.


Nachtrag:

Zur Weigerung der schwarz-gelben Koalition, einzelne Anhoerungen fuer die Novellen des Atomgesetzes und der anderen Gesetze einzuraeumen, erklaert der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Ulrich Kelber:

Dagegen ist Durchpeitschen ein purer Kuschelkurs: Gerade einmal 40 Minuten Minuten will die schwarz-gelbe Koalition der gesamten Opposition fuer Nachfragen zum Atomgesetz einraeumen. Vier Gesetze in sieben Stunden oeffentlicher Anhoerung des Bundestags, darunter kritische Sicherheitsgesetze. Mindestens die Haelfte der Zeit sichert sich die Koalition selbst. Damit bleiben fuer Fragen und Antworten der Opposition pro Gesetz gerade einmal 40 Minuten. Und wie lange hat Schwarz-Gelb ueber das Gesetz mit den Atomkonzernen verhandelt?
(SPD-Pressemitteilung Nr 1277 vom 29. September 2010)

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