TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Samstag, 26. Juni 2010

Staatliche Regeln

In diesem schönen Land haben wir Bürger allerlei Freiheiten.
Das ist nett.
Alle Freiheiten gibt es natürlich nicht.
Keine Freiheit darf so weit gehen, daß sie beliebig andere Wesen oder die Umwelt beeinträchtigt.

Wo genau die Trennlinie zwischen akzeptablen Freiheiten und gefährlichen Freiheiten liegt, bestimmt der Staat. Das ist zunächst einmal zu begrüßen - welche übergeordnete Instanz käme sonst dafür in Frage?
Der Verlauf der Trennline ist in einigen Bereichen unumstritten.

Ich darf mir zuhause mit dem Hammer auf den Fuß hauen, kann aber nicht raus gehen und einem beliebigen Passanten auf den Kopf schlagen.

Ich darf Kastenweise häßliche Geranien in den Garten stellen; ich darf aber kein Faß mit Giftmüll auskippen.

Das Prinzip klingt einfach und notwendig.

Unglücklicherweise ist die notwendige Neutralität, auf die der Staat beim Setzen der Grenzen fußt, nicht immer gegeben.

Manchmal mäandert der Grat zwischen Legal und Illegal im Nebel umher.

Ich darf unbehelligt eine Stange Zigaretten und ein Fass Rum konsumieren. Bei anderen Genußmitteln, die womöglich sogar harmloser sind, sieht das schon anders aus.
Nehme ich statt Rum einen Joint, gibt es Ärger mit der Polizei.
Dabei hängt der Umfang des Ärgers auch noch davon ab, wo ich mich zufällig befinde.
Berlin hat eine Haschisch-Eigenkonsum-Grenze von 15 g - so viel kann man dabei haben, ohne in den Knast zu müssen. In Bayern werden 15 g schon streng verfolgt.

Besonders eigenartig wird die Differenzierung zwischen Erlaubten und Unerlaubten, wenn es ausschließlich um die Gefährdung der eigenen Person geht.

Das Leben ist eine ausschließlich auf sexuellem Wege
übertragene Krankheit, die in 100% der Fälle tödlich endet.


So viel steht unverrückbar fest. In grotesker Weise setzt nun der Staat Standards, ob und wie man dieses tödliche Ende vorverlegen darf.

Viele todbringende, oder zumindest stark gesundheitsschädigende Aktivitäten sind völlig akzeptiert und werden massenhaft praktiziert.

Dazu zählen Reiten, Boxen, Wein trinken, Zigarre rauchen, Extrembergsteigen, Sonnen, Schlaftabletten nehmen, Fastfood-Ernährung, Skiurlaub, Motorradfahren oder Haare-färben (steigert das Blasenkrebsrisiko).

Andere Methoden sind streng verboten, wie zum Beispiel: Magensonde verweigern, Beatmungsmaschine abstellen, Kokain schnupfen oder Zyankali essen.

Was für den einen objektiv die Gesundheit beeinträchtigt, kann darüber hinaus für den anderen gerade "die Rettung" sein:

Man darf sich nicht ein gesundes Bein abhacken lassen. Basta. Auch nicht in dem Fall, daß man MIT dem Bein so unglücklich ist, daß einem nur der Suizid als Ausweg bleibt.

Unter dem Begriff „Apotemnophilie“ machte spätestens die berühmte BBC-Doku von 2000 dieses Leiden bekannt.
Zwei Fälle in Schottland haben eine Diskussion darüber ausgelöst, wie weit Selbstbestimmung gehen darf. Der Arzt Robert Smith aus Filkirk hatte 1997 und 1999 zwei Männern ihre gesunden Beine amputiert, einer der beiden war Deutscher.

Inzwischen wird statt des Begriffs „Apotemnophilie“, Body Integrity Identity Disorder, Kurzform BIID gesagt.
Menschen mit BIID haben den überwältigenden Wunsch sich Gliedmaßen zu amputieren, oder einen der Sinne, bzw die Beweglichkeit (Durchtrennung der Rückgrats) zu verlieren.
Offensichtlich empfinden sie sich selbst als so deutlich erblindet, querschnittsgelähmt, oder einbeinig, daß sie den tatsächlichen (vollständigen) Körper nicht ertragen können.


Einige gar nicht gesundheitsgefährdende Praktiken sind willkürlich verboten.

So dürfen zum Beispiel zwei (über 18-Jährige) Brüder, genauso wie zwei Schwestern miteinander Sex haben.
Nicht erlaubt ist aber Sex zwischen Schwester und Bruder.

Dahinter steckt neben altmodischen Moralvorstellungen die Sorge um den Nachwuchs, der ein höheres Erbkrankheitsrisiko hat.
Aber was ist mit einem Geschwisterpaar jenseits der Menopause? Oder mit einer sterilisierten Person, oder einem Hetero-Geschwisterpaar, das ausschließlich Analverkehr betreiben möchte?

Sie sind tatsächlich in ihren Freiheiten in Relation zu den homosexuellen Geschwistern benachteiligt.

Bei den offensichtlich willkürlichen genehmigten Methoden und Praktiken verwirrt darüber hinaus, daß sich diese Grenzen gelegentlich verschieben.

Sex zwischen zwei Männern ist jetzt straffrei; wurde einst schwer bestraft.

Bis gestern war passive Sterbehilfe nicht erlaubt.
Die Patientenverfügung hat nicht die juristische Durchschlagskraft, daß ein sterbewilliger Komapateint an der Beatmungsmaschine erlöst werden konnte.
Kein Arzt durfte das legal tun.
(Natürlich „tut man“ das dennoch im Krankenhaus - es gibt genügend verschleiernde Methoden. Ein „aus Versehen“ in einer kalten Nacht offen gelassenes Fenster neben einem Intensivpatienten kann schnell eine Lungenentzündung auslösen, die dann den letzten Rest gibt.)

Das BGH ist gestern bei seiner Grundsatzentscheidung weiter gegangen als man dachte - hat sich aber natürlich nicht getraut Sterbehilfe einfach zu erlauben.
„Aktiv“ ist gar nichts möglich und „passiv“ gibt es auch Grauzonen.

Wer nur noch von der Magensonde ernährt wird und dies aber vorher schriftlich ausdrücklich abgelehnt hatte, darf darauf hoffen, daß man ihm die Sonde entfernt.
Der Tod kommt dann durch Verhungern und ist erlaubt.
Nicht erlaubt ist der humanere Weg - beispielsweise Morphium letal zu dosieren.
Ein bißchen Quälerei hätten die Richter schon gerne noch.

Wenn man eine sehr schwere Krankheit hat; das eigene Leben nur noch an lebenserhaltenen Maßnahmen hängt, dürfen diese nur aufgrund einer Patientenverfügung eingestellt werden, wenn die Krankheit irreversibel ist.
Wenn man also ohnehin sterben würde, kann das Leiden verkürzt werden.
Bei nicht tödlichen Krankheiten muß man sich allerdings gefallen lassen gegen den eigenen Willen an der Beatmungsmaschine zu hängen.

Die BGH-Richter setzen also voraus, daß eine medizinische Unterscheidung zwischen irreversibel tödlich verlaufender Krankheit und möglicherweise reversibel verlaufender Krankheit zu treffen ist.

In der Praxis mit all den multimorbiden Patienten ist das natürlich großer Unfug, wie ich leider aus eigener bitterer Erfahrung weiß.


„Staatlich erlaubt“ bedeutet nicht - um das Chaos perfekt zu machen - „für jeden erlaubt“.

Ich darf beispielsweise nicht aus niederen Motiven ein Wirbeltier töten.
Hühnerzüchter dürfen das aber schon.
Es lohnt sich für sie aus rein finanziellen Erwägungen nicht männliche Küken groß zu ziehen; es ist sogar zu teuer frühzeitig das Geschlecht zu bestimmen.
Also werden jedes Jahr Millionen Hahn-Küken „geschreddert“.
Unfassbare 40 Millionen Hahn-Küken werden pro Jahr in Deutschland „vernichtet“ – insgesamt sind es in Europa jährlich sogar 300 Millionen.
Und weil es so häßlich klingt, haben wir dafür einen ganz besonders perfiden Euphemismus; Hähne kommen lebendig in den »Homogenisator«, einer Maschine mit rotierenden Messern, die sie zu Brei zermatscht. Die Hahnenküken sind für die Brütereien schlicht Abfall – diejenigen, die dem „Homogenisator“ entgehen, werden mit Kohlendioxid vergast.

Nach dem Tierschutzgesetz ist das illegal - aber da alle so gerne billiges Huhn fressen, werden alle Hühneraugen zugedrückt.

Ähnliche Grauzonen gibt es bei der Bewertung von tierischem Leben in der Pharma- und Kosmetikforschung.

Wie eingangs gesagt, darf ich keine Eimer mit Giftmüll rauswerfen.
Ich darf auch nicht runter zum Fleet gehen und da Chemikalien einleiten.

Andere dürfen das schon.
Die RWE, EnBW, E.on und Vattenfall-Herren beispielsweise haben nicht den geringsten Schimmer wo sie mit ihrem Myriaden Jahre tödlich strahlendem Müll abbleiben sollen.
Aber ihre Freundin Merkel läßt sie dennoch machen.

Atomkraftwerke dürfen auch Flüsse mit ihrem Kühlwasser soweit aufheizen, daß die Fauna abstirbt, während ich keinesfalls die Alster aufkochen darf, um zu sehen, wie die Schwäne verenden.

Die besten Sonderregelungen haben aber die sogenannten „Tendenzbetriebe“ wie die CDU, oder die Römisch-Katholische Kirche.
Sie unterliegen nicht normalem Arbeitsrecht und können sich allerlei rausnehmen.

Verkündungsnah arbeiten, menschenfeindlich bezahlen.

Das ist die Zauberregel. Wenn ein Kindergarten katholisch ist, kann man die Kindergärtnerin untertariflich bezahlen und sogar feuern, weil sie sich scheiden läßt, konvertiert, oder womöglich lesbisch wird.

Diese kirchlichen Extrawürste zuungunsten der Beschäftigten sind keineswegs nur gewohnheitsmäßig akzeptiert sondern immer wieder juristisch determiniert:

Kindergärtner und Sozialarbeiter im Dienst der Kirche haben außerdem weitreichende Loyalitätspflichten: Sie müssen die christlichen Glaubensgrundsätze auch in ihrem Privatleben beachten. Andernfalls droht ihnen die Entlassung. "Ein Kirchenaustritt zum Beispiel ist ein Kündigungsgrund", sagt Prof. Ulrich Hammer, Arbeitsrechtler aus Hildesheim. Er verweist auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz (Az.: 7 Sa 250/08).
Darin erklärten die Richter es für zulässig, dass ein kirchliches Altenheim eine Pflegerin entlassen darf, wenn sie aus der Kirche austritt. Dies stehe weder im Widerspruch zur Glaubensfreiheit, noch verstoße es gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Kirchen hätten vielmehr das Recht, von Mitarbeitern "ein loyales und aufrichtiges Verhalten" im Sinne ihres eigenen Selbstverständnisses zu verlangen. Ärzte in einem Krankenhaus der Caritas oder der Diakonie riskierten außerdem ihren Job, wenn sie sich öffentlich für Abtreibungen aussprechen, ergänzt Kirchenrechtsexperte Hammer. Im Streit um dieses Thema hatte das Bundesverfassungsgericht 1985 im Sinne der Kirche entschieden (Az.: 2 BvR 1703/83).
Seitdem folgen auch die Arbeitsgerichte dieser Linie. "Das wäre also auch heute noch ein Grund für eine Entlassung", sagt Hammer. Denn Ärzte seien als Autoritätspersonen zu den "verkündungsnahen" Personen zu zählen. Letztlich müsse sich aber selbst der Pförtner oder Archivar einer kirchlichen Einrichtung mit solchen Äußerungen vorsehen. "Er kann sich zumindest nicht sicher sein, dass es ihm keinen Ärger bringt." Auch erneut zu heiraten, kann kirchlich Beschäftigten den Job kosten, wie das Bundesarbeitsgericht 2004 entschieden hat. In dem Fall war die zweite Ehe eines katholischen Kirchenmusikers erst nach seiner Einstellung bekanntgeworden. Prompt wurde ihm gekündigt - zu Recht, wie die Richter urteilten. Denn nach den Regeln der Kirche sei es ein schwerwiegender Verstoß, eine Ehe einzugehen, die nach dem Verständnis der Kirche ungültig ist (Az.: 2 AZR 447/03).
(SZ)

Es gibt also kein gleiches Recht für alle und es gibt auch kein vernünftiges Recht.

Keine Kommentare: