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Mittwoch, 16. Juni 2010

Deutschland paradox

Daß ich kein großer Fan vom Hamburger Abendblatt bin, habe ich schon gesagt, oder?
Ich bin nur leider Zwangsabonnent des Springer-Blattes.
Was soll man auch anderes tun in Hamburg?
Irgendein Blatt mit etwas ausführlicheren regionalen Informationen braucht man nun einmal und da ist einfach nichts Besseres in der Pressestadt Hamburg.
Man schämt sich natürlich den ganzen Tag, wenn man sieht auf welchem Niveau überregionale Tageszeitungen aus anderen Städten schreiben.
Hier hat es nie zu mehr als dem biederen Springer-Abendblatt gereicht. Und so zahle ich nun täglich in die Taschen eines Konzerns, der sich die größte Mühe gibt CDU-Politiker hoch zu schreiben.
Das gibt mir jeden Tag einen imaginären Tritt in die Magengrube und JA - ich denke laufend darüber nach das Abo zu kündigen.
Wird aber vermutlich nie was.

Heute zum Beispiel ist im Abendblatt ein endlos langer Sonderteil über Heidi Kabel, die gestern gestorben ist.
Das sind die klassischen regionalen Informationen, die ich sonst nicht finde.

Anyway.
Seit 2008 ist der Bayer Claus Strunz, vormaliger Welt-Vize und BamS-Chef der neue Boss beim Abendblatt und krempelt so einiges um.
Konservativer Boulevard im kleinen Karo sollte wohl das neue Motto des altbackenen Blattes sein.
Mit den seichten Themen kennt sich Strunz offenbar aus. „Was erlauben Strunz?“ heißt seine Quasselsendung auf N24 und Strunz‘ Ehefrau ist Chefreporterin beim Intelligenzia-Blatt GALA.
Der arme Mann hat allerdings einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt erwischt.

Der CDU-Regierungschef auf Landesebene, Herr Beust, hat keinen Bock mehr und bereitet ganz offensichtlich seinen politischen Abgang vor.

Auf Bundesebene haben Merkel und Westerwelle womöglich schon noch Bock weiter zu regieren, aber eigentümlicherweise bereiten auch sie ihren Abgang vor.
Noch nie ist Deutschland nach 1945 schlechter regiert worden.

Selbst die natürlichen CDU/FDP-Anhänger, die Geld-Eliten, stellen ein absolut vernichtendes Zeugnis aus.
Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Wirtschaftsmagazins "Capital". Zeigten sich kurz nach dem Start der Koalition im vergangenen Herbst immerhin bereits 63 Prozent der Top-Entscheider enttäuscht von der Regierung, sind es nun sage und schreibe 92 Prozent. Zufrieden äußerten sich lediglich noch sechs Prozent.

Wie soll man da als konservativer Blattmacher noch schönfärben?
Leicht ist das nicht!

Claus Strunz war zu Gast im letzten Presseclub.

Als Thema gab die ARD vor:
Wirbelstürme in Berlin - streiten, sparen, Stimmen sammeln.
Schlimmer geht's nimmer - das dachte man zuletzt, wenn es um den Zustand der schwarz-gelben Koalition ging. Aber weit gefehlt. Am Montag dieser Woche präsentierten Kanzlerin Merkel und ihr Vize Westerwelle das größte Sparpaket aller Zeiten. Endlich sollte regiert werden, endlich Entschlossenheit und Geschlossenheit demonstriert werden. Doch kaum waren die Beschlüsse auf dem Tisch, hagelte es Kritik von allen Seiten. Selbst in der CDU werden drastische Korrekturen gefordert. Und damit nicht genug: Angela Merkel und Wirtschaftsminister Brüderle liefern sich einen offenen Kampf um Opel, in Bayern posaunt man munter gegen die Regierung. Das alles vor einer Bundespräsidentenwahl, in der es um nicht weniger als um die Zukunft von Schwarz-Gelb geht.


Wie nicht anders zu erwarten konnte keiner der Gäste und Gästinnen noch etwas Positives über die Megastümper des Bundeskabinetts sagen.
Bis auf Strunz! Und das will ich ihm hoch anrechnen.

Er sagte, er versuche „in Hamburg eine bürgerliche Zeitung zu machen“* und gab damit immerhin schon mal zu, daß er zu denjenigen gehörte, die sich vehement für eine Westerwelle-Merkel-Regierung stark gemacht hatten.
Noch besser wurde der Abendblatt-Chef als es um das sogenannte „Sparpaket“ ging, das alle anderen Journalisten als verlogen und höchst ungerecht bezeichneten.
Nur die Armen würden belastet, die Reichen wären kaum betroffen.
In das Gejammer warf Strunz ein, daß es schließlich die SCHWARZ-GELBEN wären, die regierten.
Von denen sei genau eben diese einseitige Lastenverteilung erwartet und gewünscht worden.
Wohl wahr!

Hat Westerwelle etwa jemals gesagt, daß er sich für die Ärmsten einsetzen wolle und den gedenke den Sozialstaat auszubauen?
Nein, im Gegenteil - schon lange vor der Wahl, im Juli 2009, hatten FDP-Politiker, zum Beispiel Martin Lindner (Anne Wills neuer Lieblingsgast, der schon einen Stammplatz in ihrer Sendung hat) orakelt, daß man die Hartz-IV-Sätze um 30 % kürzen wolle.

Na bitte.
Und nun bekommt das deutsche Volk genau das was es mit großer Mehrheit gewollt und gewählt hat.
Eingebrockt haben uns das nicht nur die direkten FDP-Wähler (immerhin über sechs Millionen), sondern auch all die SPD-enttäuschten Nichtwähler, die einfach beleidigt zu Hause blieben.
Jede Stimme, die nicht abgeben wurde, ist eine Stimme weniger, die FDP und CDU für die Mehrheit brauchten.

Auch jetzt noch, acht Monate nach den dramatischen Ereignissen vom 27.09.09 sind die Urnenpöbel-Plattköpfe offenbar noch nicht zur Vernunft gekommen.

So listet der aktuelle Deutschland-Trend große Ansehensgewinne (!) für viele Unions-Politiker auf.

Die beliebtesten drei Politiker der Deutschen sind aktuell: Von und zu Guttenberg, der sich gestern als George W. Bush-Fan outete und dessen Top-gun-Auftritt („Mission accomplished") imitierte, gewann sieben Prozentpunkte und kam auf 68 % Zufriedenheit. Ursula von der Leyen: Plus sechs Prozentpunkte auf 56% Zufriedenheit und auf Platz 3 Herr Schäuble mit 48 % Zufriedenheit (plus ein Prozentpunkt).

GWB 2003:

KTG 2010:


Realität:



Auch die CDU/CSU insgesamt konnte zulegen.

Was für ein überdimensionaler Witz, daß heute Claus Strunz‘ „bürgerliches“* Blatt mit dem „Niedergang der Mittelschicht“ aufmacht.

Zitiert wird die hinlänglich bekannte DIW-Studie, die das sagt, was schon so viele Studien immer und immer wieder dokumentieren:

Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland klafft zusehends auseinander: Auf der einen Seite gibt es immer mehr und immer ärmere Haushalte, auf der anderen "immer mehr Reiche, die auch immer reicher werden". Das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gestern veröffentlicht hat.

What else is new?

Klar ist, daß diese Entwicklung sogar noch beschleunigt wird durch das Handeln von Merkel und Co - dafür stehen die überaus beliebten und immer beliebter werdenden Minister von und zu Guttenberg, Schäuble und von der Leyen.

Im Abendblatt-Hauptkommentar klappert Matthias Iken gehörig mit den Zähnen:

Die jüngste Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aber sollten die Koalitionäre genau lesen, zumal das Wirtschaftsministerium das DIW zur Hälfte finanziert: In der deutschen Mittelschicht bilden sich Risse, die Gesellschaft driftet auseinander. Der Anteil der Armen hat sich im vergangenen Jahrzehnt von 18 auf fast 22 Prozent vergrößert, der der Wohlhabenden ist auf mehr als 16 Prozent gestiegen.
[…] Die Mittelschicht schrumpft beständig, seit 2000 um bis zu fünf Prozentpunkte. Dieser Prozess schürt in der Mitte der Gesellschaft die Angst vor dem sozialen Abstieg und kann das Land lähmen: Wer Angst hat, kauft kein Haus, gründet keine Firma, zeugt keine Kinder. Wer Angst hat, entfremdet sich von Staat und Gesellschaft. Wer Angst hat, wendet den Volksparteien den Rücken zu und fällt leichter auf Populisten herein. Diese Angst frisst die Seele des Landes auf.

Vielleicht sollte Herr Iken mal mit seinem Chef sprechen.
Ihr Springer-Jungs wolltet doch unbedingt Schwarz-Gelb.
Willkommen in der Realität.

Entweder Ihr habt den Mumm diese wirtschaftlich-sozialen Entwicklungen zu bejahen, oder ihr sprecht Euch für Rot/Grün aus und bekennt mit dem beständigen Werben für Merkel und Westerwelle auf dem Holzweg gewesen zu sein.

Aber jetzt populistisch an der Bundesregierung rumzumeckern, weil sie das absolut Erwartbare tut, ist lächerlich.





*Bürgerlich:
Offenbar gelten Anhänger der Linken, Grünen und SPD im Springerschen Weltbild noch nicht mal als Bürger.

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