TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Freitag, 11. Juni 2010

Im Schatten

„Wer sich an das Absurde gewöhnt hat,
findet sich in unserer Zeit gut zurecht.“
(Eugène Ionesco)

Ist politisch irgendwas los? War das was, um das sich jemand in der Regierung kümmern müßte, sollte, könnte?
Ich glaube nicht.
Da kann sich ein Wulff garantiert inhaltsfrei profilieren.

Statt der politischen Auseinandersetzung suchte Wulff auffällig die Nähe zu Wirtschaftsbossen, Schauspielerinnen wie Veronika Ferres und - erst am vergangenen Wochenende - zur Sängerin Lena. Weil Kanzlerin Angela Merkel zudem keine politische Verwendung für ihn in Berlin hatte, gab Wulff beleidigte Interviews, in denen er behauptete, ihm fehle der Wille zur Macht.
[…] "Wird Christian Wulff der nächste Bundespräsident?", fragte daraufhin überschwänglich schon im April die "Bild"-Zeitung. Dem Boulevardblatt wird eine besondere Nähe zu Wulff nachgesagt, seit es exklusiv Wulffs Eheende und den fliegenden Wechsel zu einer neuen Freundin (und jetzigen Ehefrau) melden durfte.
(Michael Fröhlingsdorf)

Angie, ohnehin erschöpft, nachdem sie im Alleingang Deutschlands Ansehen in Europa ruinierte und das Verhältnis zu Frankreich zerstörte, mag sich nicht mehr mit Weltwirtschaft beschäftigen.

Ihre Chaostruppe des Kabinettstisches ist ihr inzwischen völlig entglitten.
Merkel verliert Kontrolle über die Koalition. Die Krise der schwarz-gelben Koalition nimmt verheerende Ausmaße an“ schreiben Peter Blechschmidt und Nico Fried soeben.

Vermutlich macht die Kanzlerin drei Kreuze, daß wenigstens die Polit-Vuvuzela Roland Koch ohnehin schon hingeworfen hat und nicht noch Öl in den K.O.alitionären Großbrand gießt.

Von Glück kann die CDU-Chefin auch reden, weil der Fokus der gesamten Presse voller Faszination auf die Top-Stümper in ihrer Partei gerichtet ist und niemand mitbekommt, welche skandalösen Dinge sich an der Basis der Christen-Union tun.

Wer „Angst“ hatte, daß sich nach der Abschiebung des bräunlichen Oettingers nach Brüssel und des angekündigten Rückzugs Hessen-Hitlers das ganz rechte Spektrum nicht mehr in der CDU findet, kann „beruhigt“ sein - das braune Gestrüpp wächst an der Basis nach - ohne daß irgendjemand aus der Parteiführung einschreitet.

Sönke Rix, 35, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Rendsburg-Eckernförde macht wiederholt auf die "Eislinger Erklärung" aus der baden-württembergischen CDU aufmerksam:

Es ist ein Skandal, dass dies noch nicht passiert ist. Schließlich kursiert dieses Papier bereits seit März in Unions-Kreisen. In dem 34-seitigen Papier zeichnet die Junge Union ein Bild von einem Staat, der nur als ausländerfeindlich, homophob, nationalistisch, frauenfeindlich und reaktionär beschrieben werden kann, sollten alle Forderungen umgesetzt werden. Wenn hier keine Klarstellung erfolgt, muss man davon ausgehen, dass diese Meinung in der CDU Baden-Württemberg geteilt wird und mehrheitsfähig ist. Ein verheerendes Bild. In Zeile 657 wird die Junge Union konkret: "Die Folgen der Überfremdung sind inzwischen stark spürbar. Sie kosten die Gesellschaft nicht nur Milliarden sondern sie gefährden auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Miteinander, die Sicherheit und letztendlich auch den Wohlstand sowie unsere Werteordnung." Angespornt von der Führungslosigkeit in der CDU versuchen hier erste Untergliederungen sich Gehör zu verschaffen. Dem muss die gesamte CDU-Spitze einen Riegel vorschieben.

Die sogenannte „Eislinger Erklärung“ ist kein Schnellschuß aus dubiosen Quellen, sondern wohlgeplant.
Eine Projektgruppe der Jungen Union hat rund 18 Monate daran gefeilt und gearbeitet.

CDU-Kreis-Chefin Nicole Razavi und JU-Kreisvorsitzender Kai Steffen Meier erklären ungerührt in der Südwestpresse, hinter der rechtslastigen xenophoben Erklärung zu stehen:

Razavi:
Die Junge Union hat etwas ausgelöst, was wichtig war und hat etwas formuliert, was die Mutterpartei in dieser Form nicht tut. Das hat meine höchste Anerkennung.

Daß sich die CDU-Jugend dabei das Vokabular (Stichwort Überfremdung, Ablehnung der Homoehe oder die Ablehnung muslimischer Elemente) von rechtsextremen Parteien ausleiht, stört in der CDU offensichtlich niemanden.

CDU-Nachwuchs-Mann Meier sieht seine Partei, die eben mal wieder fast alle Lasten der Sparbemühungen auf die Schultern der Ärmsten gepackt hat, als „zu links“ an:

Es war nicht unsere Absicht, am rechtsextremen Rand zu fischen. Unser Ziel ist vielmehr, die CDU wieder auf klaren Kurs zu kriegen. Zurzeit befindet sich die Partei in der Mitte oder vielleicht etwas links der Mitte. Wir wollen sie in der Mitte oder etwas rechts davon sehen. Die CDU soll konservativ sein.

Entsprechend wirbt die JU-Webseite Göppingen auch für die „Aktion Linkstrend stoppen - für eine geistige Wende“

Das extrem konservative Strategiepapier des CDU-Nachwuchses dürfte für Freude bei den neonazistischen Ultrakatholiken von Kreuznet sorgen - wird doch auch ihr Lieblingsprojekt vom Kampf gegen das „Gender-Mainstreaming“ der geistig völlig umnachteten Gabriele Kuby aufgegriffen:

122 Die radikal geübte Kritik an den christlichen Kirchen gehört 123 zum vermeintlich guten Ton in Medien und Öffentlichkeit, ohne Rücksicht auf die 124 Anschauung und Befindlichkeit der Mehrheit der Gesellschaft. Gender 125 Mainstreaming etwa, hat seine Ursprünge im Marxismus, ist totalitären Charakters 126 und schränkt die Freiheit radikal ein, auch wenn sie vorgeblich ein mehr an 127 Gerechtigkeit verspricht. Und sie widerspricht christlichen Grundsätzen zutiefst. 129 Die Tötung ungeborenen Lebens im Mutterleib sowie die Euthanasie am Ende des 130 Lebens sind menschen- und lebensverachtend und widersprechen christlichen 131 Grundsätzen zutiefst.

Schwulenfeindlichkeit darf nicht fehlen, wenn man sich an den Hetzern von Kreuznet orientiert - so auch das CDU-Papier:

136 Die eingetragene Partnerschaft, die so genannte Homo-Ehe ist 137 im Interesse des 138 Staates und seiner Zukunft falsch und unsinnig. Und sie widerspricht christlichen 139 Grundsätzen zutiefst.

Geradezu wortgetreu schließt sich die Süd-West-CDU hier den völlig falschen und perfiden Thesen eines Mixas an.
Sie geben die Schuld an Weltkriegen und Holocaust dem Atheismus, obwohl jeder weiß, daß Hitler Katholik war, die Deutschen in den 1940er Jahren zu 98 % Christen waren und gerade die Kirchen eine große Stütze für die Nazis waren:

167 Die Katastrophen des letzten Jahrhunderts gründeten auf gottlosen Ideologien, sei 168 es der braune oder der rote Sozialismus. Dagegen gelang der Aufbau der 169 Bundesrepublik durch die Rahmenbedingungen der CDU-Politik, die sich unter 170 anderem auf die protestantische Arbeitsethik und die katholische Soziallehre gründeten und in den rheinischen Kapitalismus, unsere soziale 171 Marktwirtschaft 172 mündeten.

Die Hauptgefahren sehen die CDU-Rechten in der islamischen Zuwanderung - auch hier also Kongruenz zu Kreuznet:

179 Zunehmend wichtig wird die Betonung des „C” auch angesichts der 180 Herausforderungen durch Zuwanderung, Überfremdung und die Gefahren des Islam.

Die Lektüre der „Eislinger Erklärung“ ist eine einzige Geisterbahnfahrt - beinahe jede verworrene Lüge wird aufgegriffen.

Da wird Atomenergie for ever gefordert, Multi-Kulti sei gescheitert.
Armin Laschet (CDU) und Maria Böhmer (CDU) stünden für den falschen - viel zu linken - Weg.

Das „Deutsch-Türkische Forums innerhalb der CDU“ müsse verboten werden.

Die Bildung könne nur mit dem Christentum verbessert werden:

Dabei vertreten wir eine 374 Bildungsauffassung, die junge Menschen dazu anleitet, die auf dem christlichen 375 Glauben fußende Menschenwürde und die durch die christlichen Werte 376 geschaffenen und an ihnen orientierten Menschen- und Grundrechte als elementar 377 für unsere Gesellschaft zu verinnerlichen. Christlicher Glaube und Vernunft bilden die 378 Grundlage der Substanz der deutschen Kultur.

Die linke Leyen habe die Familien auf dem Gewissen:

629 Mit dem Leitbild einer vorgeblich modernen Familienpolitik 630 steht der Name Ursula von der Leyen beispielhaft für die Zerstörung einer 631 wesentlichen Grundlage der Gesellschaft und der Grundlage der Union als 632 Volkspartei.

Den Ausweg sehen die Jung-CDU’ler im Nationalismus, der aber sehr viel christlicher gestaltet werden müsse:

815 Das Christentum ist und bleibt ein prägendes Element der deutschen Gesellschaft, 816 es ist bei der großen Mehrheit der Bevölkerung verankert und Maxime deren 817 persönlichen Handelns. Es muss in allen hoheitlichen Maßnahmen, im öffentlichen 818 Raum, Städtebild, und damit im Bewusstsein der Bevölkerung entsprechende 819 Würdigung und Ausdruck finden.

Na fein, bei der CDU braucht man hierzulande keinen Wilders und LePen mehr.

12 Kommentare:

gerdos hat gesagt…

Tammox:"Na fein, bei der CDU braucht man hierzulande keinen Wilders und LePen mehr." Stimmt, weil es in Deutschland bei der SPD einen Thilo Sarrazin gibt.

Siehe FEYSINN-Blog:
Nach dem überzeugenden Wahlsieg von Geert Wilders in Holland stellt sich die Frage, wer angesichts der desaströsen Politshow in Berlin dergleichen hierzulande ausnutzt. Koalieren will eigentlich keiner mehr, regieren können sie nicht. Sie erzählen uns, wir müßten uns einschränken und hätten über unsere Verhältnisse gelebt, weil Vermögenszuwächse über acht Prozenz als ‘krisenhaft gering’ gelten.

Da wartet man eigentlich nur auf den rechten Hetzer, der Kanaken und Asoziale beschuldigt, unser Unglück zu sein und dessen alleinige Ursache. Für gewöhnlich ist das in diesen Zeiten der Job ausgerechnet sogenannter “Liberaler”, die aus dem Schwung ihres zynischen Armenhasses heraus gegen die vermeintlich Schwächsten keilen. Das haben sie schon beim Mobbing auf dem Schulhof gelernt, das sitzt tief und ist antrainiert.

Bei den Westergewellten und Föngescheitelten muß man sich allerdings noch keine Sorgen machen. Sie haben sich derart auf die Vorwärtsverteidigung des anstrengungslosen Einkommens ihrer Klientel verlegt, daß ihnen das Rechtsauslegen viel zu stressig wäre. Außerdem lockt die Nazigülle Leute an, die sich noch nie eine Krawatte gebunden haben.

Nein, die rassistischen Hetzer haben derzeit in der SPD eine Heimat und die besten Chancen. Auch wenn Wolfgang Clement nicht mehr dabei ist, weil er die Genossen nicht auf den Kurs seiner Kernkraftspezis trimmen konnte, ist die Ansicht an sich noch hochwillkommen bei den neurechten Exlinken. Denn solange noch eine einzige Minderheit nicht als Geschmeiß und Abschaum gilt, so weiß der Sozi, ist das völlig in Ordnung. Wahltaktisch kann dieser tolerante Umgang mit abweichenden Meinungen der SPD möglicherweise nützen. Er paßt jedenfalls besser zu Tonfall und Inhalt der Agenda-Ideologie als weichgespültes Gutmenschentum.

Das tut weh, wenn man selber Sozl ist oder?

altautonomer hat gesagt…

Daher passen auch diese Schröders, Münteferings, Clements, Buschkowskis, Tiefenbachs, Kars und wie sie alle heissen zu dieser Partei wie jeder Deckel zu seinen Topf.
Und was die nur noch wenigen innerparteilichen “Kritiker” angeht, diese können wir getrost entweder als Heuchler, Beliebigkeits-Schwätzer oder aber als alte senile Schwachköpfe ansehen, deren Zeit zwar schon längst vorbei ist, die aber zumindest als Pausen-Clowns noch immer Dummen-Wählerfang betreiben und so und deswegen noch die Gnade ihrer SPD-Mitgliedschaft und VERÖFFENTLICHUNG ihres Dummgeschwätzes “genießen” dürfen.Nochmals für alle SPD-Nostalgiker hier: Eure “gute alte Tante SPD” ist nur noch eine politisch ätzend stinkende Polit-Leiche, Politisch nur noch künstlich am Leben gehalten durch Staatsposten aller Art, STAATSFINANZIERUNG und diskreten Unternehmer-Spenden.

jakebaby hat gesagt…

Wenn man bei diesem gesamtdeutschpolitischen Desaster anfaengt zu polarisieren und sich gegenseitig Farben und Richtungen um die Ohren haut, kommt man, wie erwuenscht, keinen Schritt weiter.

Hier jetzt exclusiv auf die linken Fluegel der verrottet deutschen Parteienflotte einzuschlagen kommt ja schon fast der typischen PI&Konsorte-Propaganda nahe.

"Da wartet man eigentlich nur auf den rechten Hetzer, der Kanaken und Asoziale beschuldigt, unser Unglück zu sein und dessen alleinige Ursache."
Genau dass wird doch spaetestens seit Schwarz/Rot propagiert, und jetzt mit Schwarz/Gelb zementiert.

Natuerlich ist SPD als auch Linke von Brauenlingen infiltriert, aber so richtig kackbraun ist es sicherlich bei Schwarz/Gelb.

Persoenlich krieg ich das Ganze ehh ueberhaupt nicht gebacken.
Wenn auch zunehmend verblassend, funktioniere ich immer noch unter der Vorgabe, dass man aus Hitler doch irgendwas gelernt haben sollte/wollte.
Dem ist ganz und gar nicht so, ... je nachdem, wie man das mit dem lernen interpretiert.
Und da scheint Hitler fuer Deutschland als auch einen stetig wachsenden Teil Europas eher eine Inspiration denn eine Warnung!

Gruss
Jake

jakebaby hat gesagt…

@ Tammox

„Wer sich an das Absurde gewöhnt hat,
findet sich in unserer Zeit gut zurecht.“

Auf Deutschland bezogen, sollte man dann realisieren, dass das Nachkriegs'Deutschland von vornherein in Absurditaet geboren ward.
Lassen wir eine naehere Betrachtung des Pfades der letzten 65 Jahre schlichtweg ausser Acht und schauen einfach auf Heute, naehern wir uns umfassend Dessen, welches wir so vehement als 'Nie mehr wieder' nie mehr wieder passieren lassen durften, sollten, wollten ... vollkommen unmoeglich, undenkbar, ... 'verboten .... expandierend.

Es geht seit Langem Alles schon wesentlich zu weit und dass es unbeirrt so weitergehen soll erfahren wir ja auf taeglicher Basis.
Brachial erzwungen'provozierter gesamtwestlicher Rechtsruck mit ueberwiegend gewaltsamen, inter/nationalen Folgeerscheinungen.

War noch nie Anders
Aber diesmal ist es so richtig Extra'Gross und GUUUUUUT!

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Danke Gerdos für den Fysinn-Text.

Wenig überraschenderweise teile ich aber nicht die Analyse und schon gar nicht den Schlußabsatz.

Zunächst einmal ist Westerwelle mit der rechten Anbiederung schon ganz schön weit gegangen. Die Hetze gegen alle „Almosenempfänger“ betreibt er ja schon lange und sein Spielen auf der antisemitischen Klaviatur habe ich genauso wenig vergessen, wie sein elendes Geplapper zur „deutsche Leitkultur“-Diskussion, als er dauernd feststellte „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“.

Clement ist kein Sozi.

@ altautonomer

„Daher passen auch diese Schröders, Münteferings, Clements, Buschkowskis, Tiefenbachs, Kars und wie sie alle heissen zu dieser Partei wie jeder Deckel zu seinen Topf.“

Schröder und Müntefering finde ich immer noch gut. Ohne die wäre der Staat schon pleite.
Es ging nicht ohne die Agenda 2010 und es bleibt auch immer noch die Frage unbeantwortet „Was ist denn die Alternative zu Hartz IV?“
Immerhin gibt es jetzt MEHR Geld als vorher bei der Sozialhilfe (nur weniger zusätzliche Leistungen). Es ist außerdem HOCHSINNVOLL die ganzen Gelder endlich aus einem Topf zu zahlen - oder willst Du etwa dahin zurück, daß Arbeitslose zu x verschiedenen Ämtern laufen müssen (Sozialamt, Arbeitsamt, Wohnungsamt,..)
Den Grundgedanken finde ich absolut richtig. So wie ich es auch absolut richtig finde finanzielle Sanktionen auszusprechen, wenn arbeitslose Jugendliche wiederholt noch nicht mal schaffen sich aus dem Bett zu schälen, um überhaupt mal einen Termin wahrzunehmen.
Ich kenne jemanden, der in einer ARGE mit Jugendlichen arbeitet: Der rechnet grundsätzlich damit, daß 50% der Betroffenen unentschuldigt einfach nicht kommen, wenn man was von denen will.
Da soll der Staat verdammtnochmal auch die Daumenschrauben anziehen dürfen. Schließlich gibt es dann immer noch die Grundsicherung - FÜR JEDEN.

Eine Bekannte von mir war neulich bei der Jugendgerichtshilfe - ein freiwilliger Termin für 12 Jugendliche aus Hartz-Familien, denen allen wegen Körperverletzung eine Verhandlung bevorstand. Sie kam etwas zu spät und dachte im falschen Raum zu sein - aber nein, sie war nur die einzige. Die Richterin fand es toll, daß überhaupt jemand kam und sich beraten ließ. Einer von 12!

Die Ursachen für diese weit verbreitete Nullbock-Haltung sind vielschichtig und ich bin extrem vorsichtig mit Schuldzuweisungen. Aber ab irgendeinem Punkt muß der Staat auch mal sagen, daß er sich nicht auf der Nase rumtrampeln läßt.

Zu Hartz noch mal: Buschkowsky sieht das ganz und gar richtig:

http://tammox.blogspot.com/2009/09/hartz-iv.html

Auf einem ganz anderen Blatt steht, daß man natürlich nicht in gegenden, wo 5000 Leute einen Job suchen und es nur 30 offene Stellen gibt einfach weiter Druck auf die Arbeitslosen macht. Das ist ungerecht und führt zu nichts. Wenn die Kanzlerin das auch noch als „Anreize schaffen“ euphemisiert, ist das perfide.

Ja und na klar war nicht alles was Schröder gemacht hat toll - Spekulationsgewinne nicht zu besteuern und einige andere Geschenke an die Reichen waren unnütz.

Daß unter Rot/Grün die „soziale Schere“ weiter aufging, ist natürlich nicht zu verzeihen.

Kahrs ist übrigens MEIN Abgeordneter; der wohnt hier um die Ecke. Also da gibt es weit Schlimmere. Den habe ich schon persönlich oft erlebt.
LGT

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Jake - Dir stimme ich (wie so oft) schon eher zu.

Du weißt ja wie das bei mir ist:
Es ist leicht auf alle zu beschimpfen und bei „meiner Partei“, der SPD, kriege ich oft genug Magenschmerzen.
Ich war schon 2005 strikt dagegen Merkel mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten zur Kanzlerin zu machen und ich bin stets für rot/rot/grün eingetreten.
Wenn wie im Saarland (durch die GRÜNEN!) oder in Thüringen (durch die SPD) trotz „linker Mehrheit“ der CDU-Mann zum MP gemacht wird, kriege ich das KOTZEN!
Ich kann nur versuchen das nachzuvollziehen - aber ich finde die Entscheidungen absolut falsch!

Aber ich denke doch, daß es mir bisher ganz gut gelingt zu zeigen, daß es bei Schwarz/Gelb noch ganz anders aussieht.
Ich finde es geradezu perfide einfach alle Parteien (außer der Linken?) in einen Topf zu werfen. Da war nun mal das rotgrüne Nein zum Irakkrieg, das neue Staatsbürgerschaftsrecht, die Ökosteuer, die Entkriminalisierung von Huren, das Zwangsarbeiterentschädigungsgesetz, das nicht „so wahr mir Gott helfe!“ Schwören beim Amtseid, der Atom-Ausstieg, die samesexmarriage-Sache, etc pp.
Das ist alles schon mal SEHR VIEL besser als das was FDP und CDU wollen.
Pauschal gegen alle, „die da oben“ zu wettern ist immer das Leichteste.
Es ist auch sehr leicht sich nicht mit Politik zu beschäftigen.
Aber so leicht will ich es mir eben nicht machen.
Ich will nicht nur postulieren was ich alles für wünschenswert halte, sondern auch das skizzieren, was realistisch machbar ist.
Realistisch ist zum Beispiel NICHT, daß die Linke demnächst in Bundesrat und Bundestag die absolute Mehrheit haben wird und dann solche Sozial- und Finanzgesetze durchsetzen kann, wie sie Sarah Wagenknecht vorschlägt.
Wagenknecht mag ja sogar recht haben - aber das WIRD NIE WAS WERDEN - die Diskussion kann man sich also sparen.
Die einzig MÖGLICHE Alternative zur CDU/FDP/CSU ist irgendwann in absehbarer Zukunft irgendein Koalitionskonglumerat mit der SPD und noch ein oder zwei anderen Parteien.
Und dann werde ich WIEDER unzufrieden sein.
Aber ich bin dennoch sicher, daß es besser als Westerwelle/Merkel pur ist. Und das ist ja schon was!

LGT

altautonomer hat gesagt…

Also dazu Tammox, kann ich die Klappe nicht halten. Es ist höchst erstaunlich, dass ein ansonsten aufgeklärter und antiklerikaler Typ wie Sie/Du von den realen Folgen anscheinend unberührt Hartz IV verteidigt und es auch noch alternativlos nennt. Es sind die Antidemokraten, die immer gern behaupten, "dazu gibt es keine Alternative!".

Aber ich kenne die Argumente aus dem ständigen Nachbeten der SPD-Gründe für Hartz IV. Ich dachte immer, hier meldet sich ein Kritker innerhalb der SPD zu Wort. Aber soviel Konformismus, wie im letzten Kommetar hatte nicht nicht erwartet. Für mich alles indiskutabel, einschließich des positiven Bezuges auf Buschkowsky.

Zitat Münte: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!" Fundstelle wird auf Wunsch nachgereicht. Das müßte reichen.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Altautonomer.

Also „alternativlos“ habe ich natürlich so nicht gesagt!
Das wäre in der Tat undemokratisch.

Ich habe gefragt, wie sich denn die Hartz-Kritiker eine Alternative vorstellen.

Du drückst Dich auch um eine Antwort.

Bisher habe ich dazu nämlich nie irgendetwas anderes als pauschal „mehr Geld“ gehört.

Das würde ich auch gar nicht ablehnen - über die Hartz-Regelsätze sollte man ruhig diskutieren und Buschkowsky hat ja in dem Artikel, den ich verlinkt habe, auch ausdrücklich gesagt, daß beispielswiese die alleinerziehenden Mütter, die von HartzIV leben müssen, total benachteiligt und unterfinanziert sind.

Also wo ist das Problem?

Buschkowsky kritisiert ja gerade die Ungerechtigkeiten bei Hartz.

Dennoch ist doch aber die generelle SYSTEMUMSTELLUNG, daß nämlich die ganzen Gelder und Leistungen von einer Stelle ausbezahlt werden absolut richtig!

Das war doch vorher absolut idiotisch, daß man als Betroffener dauernd von einem Amt zum Anderen geschickt wurde.

Du kannst doch nicht im Ernst die ganzen alten Stellen wiederbeleben wollen?

Außerdem ist es doch das Selbstverständlichste der Welt, daß diejenigen (gesunden!) Menschen, die sich einfach JEDER Arbeit verweigern und demonstrativ eine Null-Bock-Haltung an den Tag legen irgendwie sanktioniert werden können müssen.

Das ist ja das was Schröder immer sagte: Sie verhalten sich nämlich total unsozial gegenüber der Krankenschwester und dem Kellner, die ihre Lohnnebenkosten und Steuern einfach abgezogen bekommen.

Ist daran IRGENDWAS falsch?

Daß die Mehrheit der Hartzler unfreiwillig in der Lage ist und nichts dafür kann, daß sie nichts finden, steht doch auf einem anderen Blatt!

Das habe ich auch zuvor ausdrücklich gesagt, daß es total mies ist auf die den Druck (durch Mittelentzug) zu erhöhen, wenn nun mal keine Jobs da sind, die sie nehmen könnten.

Klar bin ich meistens kritisch gegenüber der SPD. Ich stehe auch innerhalb der SPD links - aber daß Ex-Arbeitsminister Müntefering im Ernst sagt Arbeitslose sollten nicht essen, habe ich noch nie gehört und glaube ich auch nicht.

So eine Meinung vertritt meiner Kenntnis nach niemand in der SPD und das würde auch noch höhere Wellen schlagen als Sarrazin.
Und Sarrazin ist schon das totale Entfant Terrible, der immer wieder mit Parteiausschluß-Drohungen zu tun hat.

Und selbst der sagt nicht, daß jemand kein Essen bekommen sollte.

Also gemach, gemach!

LGT

jakebaby hat gesagt…

Ich dachte, dass es hier eigentlich um Brauenlinge geht.
Dann eben meinen humble Stand zur un/sozialen Grundsatzdebatte.

Bei mir gaebs keinen Arbeitszwang, oder Neusprech: 'Motivation, 'Anregung, .. 'Sanktionen .....

Die demotivierend'verrotteten Zustaende wurden nicht von den heutig abermillionen Arbeitslosen, Mindestloehnern und anderen, in demuetigendes Hilfsbeduernis Gezwungene, geschaffen.

Die krasse und vortschreitende Umverteilung von Unten nach Oben der letzten 30/40 Jahre,
zB. http://jakester-express.blogspot.com/2010/06/jetzt-wird-die-handschrift-der.html
macht Einschnitte/'Sparen immer nur nach Unten moeglich, da das 80%tige Kapital der Oberen 20% unter 'Artenschutz steht.

Grobe Alternativen: Eat/Tax the Rich, schmeiss keine 1000te Milliarden in hungrig marode Spekulanten aus Wirtschaft/Industrien, Banken/Finanzen, ..., existenzfaehige Mindestloehne(12+), ...... Das waere schon ein Anreiz fuer all Jene auf dem semi'komfortablen, bedingungslosen Grundeinkommen.
Verstaatlichung von Lebensadern wie Elektrik, Wasser, ..... natuerlich nur moeglich, wenn der Staat weniger korrupt den die Privaten ist.

Hanfzwang, wodurch eine allgemeine Geschwindigkeitbegrenzung ueberfluessig wird.
Lobbyismus unter Strafverfolgung.
Abschaffung der Bundeswehr.
Arbeitsbeschaffung durch Umstrukturierung der Infrastruktur in Bezug auf Energie, Transport, Nahrung, Bildung, Freizeit, ......
........... Keinen beschissenen Apfel mehr vom Baum der Schlange pfluecken, ..... Abschaffung der Kirchensteuer und sonstig unnoetige Zahlungen an Voodoo, ...
Schliessung des Bundestages inklusive Entlassung all seiner korrumpierten Angestellten und Replacement durch kompetent'unabhaengig'ueberwacht'austauschbare Sachverstaendige, ...
......
Jakesterstate:-) and I'm open for other Good Ideas.

Gruss
Jake

jakebaby hat gesagt…

Ganz vergessen:
http://www.google.com/search?sourceid=ie7&q=Muentefering%2C++wer+nicht+arbeitet+soll+auch+nicht+essen&rls=com.microsoft:en-us:IE-SearchBox&ie=UTF-8&oe=UTF-8&rlz=1I7ASUS

gerdos hat gesagt…

Zu Münte hie der Link:http://www.futuristen.de/freiheit_buchstabieren.htm

Alternative zu Hartz IV ist für mich das vieldiskutierte bedingungslose Grundeinkommen. Arbeit macht krank und tötet massenhaft, ist Raub an der Lebenszeit und soziale Kontrolle. Eine reiche Gesellschaft wie D. muss auch die paar (nicht wie Clement meint 20 %) Arbeitsunwilligen verkraften. Seien wir doch froh, dass sie nicht als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt auftreten.

Zu Deiner Info eine kleine Statistik:
Jährlich kommen weltweit schätzungsweise 360000 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalls ums Leben. Zudem sterben jedes Jahr knapp zwei Millionen Menschen an Berufskrankheiten, insbesondere an den Folgen der Arbeit mit Asbest und anderen Giftstoffen. Durch Verletzungen werden etwa 337 Millionen Beschäftigte vorübergehend arbeitsunfähig, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation der UNO, die ILO. In Deutschland ereigneten sich der Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zufolge, im Jahr 2008 genau 765 tödliche Arbeits- und 478 tödliche Wegeunfälle. Außerdem erlagen 2430 Lohnabhängige einer Berufskrankheit. Die amtliche Unfallstatistik verzeichnet für 2008 zudem 1,25 Millionen Arbeits- und Wegeunfälle, die eine drei- oder mehrtägige Krankschreibung nach sich zogen. Das heißt: Im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit sterben hierzulande zehn Beschäftigte und mehr als 3400 werden verletzt – tagtäglich.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Jake.

JU, das mit „der Schere“ ist ja MAL WIEDER heute groß in den Medien. Selbst schuld Dummdeutschland - was wählt Ihr auch schwarz-gelb mit dicken Mehrheiten. Da muß man sich ja nicht wundern.

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/die-mittelschicht-schrumpft/1860302.html


Zum Sparen:
Schöne Ideen. Ich bin nur nicht hundertprozentig sicher, ob sich das bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat umsetzen ließe.


Münte - ach so war das - der Zweite Paulusbrief an die Tessalonicher.
Das ist nun aber etwas ganz anderes, wenn einer einen Satz aus der Bibel zitiert. Das war dann selbstverständlich metaphorisch gemeint und genauso wenig wörtlich zu verstehen, wie Münteferings Beschreibung der Finanzspekulanten als „Heuschrecken“. Er hat eben eine biblische Metaphorik.
Das regt mich nun wirklich NULL auf.
Zu keinem, Zeitpunkt war es jemals SPD-Politik, daß irgendjemand hungern sollte. Das zu unterstellen ist absurd.

@ Gerdos.

Daß irgendjemand unter Bedingungen arbeiten soll, die ihn krank machen, unterstütze ich selbstverständlich nicht!
Über einige Aspekte dieses Themas habe ich auch in diesem Blog schon geschrieben - nämlich das massenhafte Auftreten von Angststörungen, Phobien, Burn-Out, Depressionen und Ähnlichen, die aufgrund äußerer Belastungen und Arbeitsstress zu millionenfachen Konsum von Psychopharmaka führen.

Grundsätzlich werden natürlich einige Arbeitsunwillige verkraftet - keine Frage. Daß man die Entscheidung arbeiten wollen - ja oder nein - je nach Laune - freigeben könnte, nehme ich nicht an.
Prinzipiell geht es meiner Meinung nach nicht, daß Sozialtransferleistungen nicht signifikant niedriger als Arbeitseinkommen sind.
Es ist unhaltbar, daß es - ganz im Gegenteil - zwei Millionen „Aufstocker“ gibt, die weniger als Hartz verdienen und sich am Ende des Monats den Rest bei der ARGE abholen. Absurd! Hier muß dringend was bei der Lohnpolitik getan werden.

Mit der Idee Grundeinkommen sympathisiere ich ebenfalls und es gab dazu auch in der SPD - wie auch bei der Bürgerversicherung - große Sympathien.
Indes war das NIE durchsetzbar, weil gerade durch das beleidigte Stimmenthalten auf der ganz linken Seite sofort zu einer CDU-Mehrheit im Bundesrat kam, nachdem Schröder gerade ein paar Wochen im Amt war.
Gesundheits - und Hartz-Gesetze konnten fortan nur gemacht werden, wenn Angela Merkel vorher ins Boot geholt wurde.

Das ist aber die Schuld des total verblödeten Wählers und nicht die der SPD.
Kopfpauschale oder Gesundheitsfonds wollte überhaupt niemand bei SPD oder Grünen.
Das hat nun eindeutig die ständige CDU-Wählerei des Urnenpöbels erzwungen.


LGT