Eigentlich hatte ich etwas anderes geplant - aber angesichts der jüngsten Ereignisse, kann hier und heute nur ein Name stehen.
Horst Köhler.
Die Begründung dürfte offensichtlich sein.
Staatskrise - nun also auch das noch.
Eine Bundesregierung kann, wenn sie wirklich unfähig und unwillens ist, durchaus das Land in eine soziale Krise, eine ökonomische und natürlich in eine politische Krise führen.
Eine Politikerkrise ist dabei noch die leichteste Übung.
Aber eine Staatskrise haben bisher erst Westerwelle und Merkel hinbekommen.
Deutschland erlebt somit eine vierfache Einmaligkeit. Erstens: Nie ist eine Bundesregierung schlechter gestartet und auch nicht besser geworden über die Monate. Das Land wird unter seiner Bedeutung regiert. Zweitens: Nie war Deutschland, an der Spitze seine Kanzlerin, isolierter und schlechter angesehen, was seine Positionen und seine Stellung in Europa betrifft. Das gilt nicht zuletzt für den erklärten Freund Frankreich, den anderen Teil des europäischen Motors. Drittens: Nie war ein Außenminister und Vizekanzler einflussloser und zugleich unbeliebter. Dazu kommt nun viertens der so noch nie dagewesene Rücktritt eines Bundespräsidenten. Deutschland wirkt destabilisiert – ausgerechnet in der größten Krise seit 60 Jahren; die noch nicht überall angekommen und fühlbar ist, aber offenbar werden wird, wenn die Regierung ihren Haushalt vorlegen muss.
(Stephan-Andreas Casdorf im Tagesspiegel)
Deutschland in einer der größten internationalen finanziellen Krisen hat sich selbst amputiert.
Das Wirtschaftsministerium ist faktisch vakant; Merkel mochte Brüderle noch nicht mal für einen Tag als Vertretung Schäubles nach Brüssel entsenden - so offensichtlich ist es, daß der Mainzer Leichtfuß sinnintleert irrlichtert.
Der Außenminister hat seit Wochen freiwillig seine Regierungstätigkeit eingestellt.
Während in der EU die weitreichendsten Entscheidungen der letzten 60 Jahre getroffen werden, sitzt Deutschland de facto nicht mit am Tisch, weil der oberste Diplomat Berlins hoffnungslos überfordert ist.
Die Regierungschefin selbst ist entscheidungsunfähig; ihre Partei befindet sich in Lyse.
Die Person, die qua Amt dafür sorgen müßte, daß Stabilität und Vertrauen wieder hergestellt wird, der Bundespräsident, ist psychisch so angeschlagen, daß er genau zur Unzeit jämmerlich davon rennt.
Der konservative Banker im höchsten Staatsamt benimmt sich wie ein eingeschnappter Dreijähriger und läuft weinend davon.
Nach wiederholten cholerischen Anfällen im Präsidialamt bekam er seinen Willen nicht und schmollt jetzt.
Falls die Bundesregierung kollabieren sollte - und selbst konservative Blätter orakeln vom Ende von Schwarz/Gelb - wäre dann der brave Aushilfs-Präsident Bürgermeister Böhrnsen aus Bremen da, um das Chaos abzuwickeln.
Die ewige Taktiererin Merkel müsse nun aber wirklich einen überzeugenden Kandidaten aus dem Hut zaubern, er müsse ein brillanter Redner sein und einen unabhängigen Kopf haben.
Das fordern und erwarten heute alle Kommentatoren.
Allein, mir fehlt der Glaube.
Ein Kanzler hat viele Interessen abzuwägen; seine eigenen, die seiner Partei, die des Landes usw. Unglücklicherweise widersprechen sich diese Anforderungen gelegentlich.
So steht insbesondere bei der Besetzung von Ämtern nur selten die fachliche Eignung der Person im Vordergrund. Machtbalance, Proporz und Loyalität sind wichtiger. Schön ist das nicht - aber ein Kanzler muß tatsächlich auch diese Aspekte berücksichtigen, da der Regierung auch nicht geholfen wäre, wenn die Position des Kanzlers ins Wanken käme. Eine starke und unabhängige Persönlichkeit an der Spitze hält auch starke Mitspieler aus.
Wir sehen schon seit 20 Jahren eine zunehmende Hasenfüßigkeit der Politchefs. Sie wurden immer mehr zu empfindlichen Psychos, die keine unabhängigen Köpfe in ihrer Umgebung ertrugen.
Besonders deutlich sieht man das an der Position der Generalsekretäre. Lange Zeit waren diese Leute nicht nur Parteiorganisatoren, sondern intellektuelle Schwergewichte, die entscheidend den innerparteilichen Denkprozess förderten.
Flach, Verheugen, FJ Strauß, Bahr, Glotz, Biedenkopf, Geißler sind ein paar dieser Namen.
Gerade die unumstrittenen Parteichefs wie Kohl und Stoiber begannen aber mit der Unart devote Ja-Sager um sich zu scharen, die ihren nicht gefährlich wurden.
So kamen dann Bernd Protzner, Markus Söder, Peter Hintze, Ruprecht Polenz, Laurenz Meyer, Ronald Pofalla, Hermann Gröhe, Cornelia Pieper, Werner Hoyer oder Hubertus Heil zu ihren Pöstchen.
Merkel greift dabei zu besonders schwachen Figuren; ihr "Händchen" für personelle Fehlbesetzungen ist legendär.
Im Kabinett Merkel I gab es nur vier CDU-Minister: Schäuble, Jung, Leyen, Schavan (plus Kanzleramtschef Thomas de Maizière) - neben acht erfahrenen SPD-Schwergewichten.
So konnte die Arbeit recht gut und geräuschlos erledigt werden.
Im Kabinett Merkel II befinden sich neben den Unions-Irrlichtern aber nur noch die hilflosen FDP-Hilfsarbeiter. Kein Wunder, daß nichts mehr klappt.
Merkel sollte wissen, daß sie in dieser Megakrise gute Leute braucht. Sie weiß es auch.
Anders als alle ihre Vorgänger ist sie sich selbst aber die Nächste und gibt ihrem persönlichen Machtbewußtsein stets den Vorzug vor den Interessen des Landes.
Große Entscheidungen gegen die Mehrheit der Bevölkerung oder gegen die Parteiraison sind ihre Sache nicht - Euro, Ostpolitik, NATO-Doppelbeschluß, Irakkrieg-Nein oder Hartz hätte es unter einer Kanzlerin Merkel nie gegeben.
Die Ironie ist, daß sie diese Parteischonung damit soweit überzieht, daß am Ende ihre CDU kaputtgeschont ist.
Heute gibt Forsa ihr noch 30 %; 100.000 Mitglieder sind in Merkels Amtszeit davon gelaufen.
Was wäre wenn Merkel nicht Merkel wäre, sondern eine starke Führungsperson, die sich hauptsächlich danach richtete, was jetzt das Beste für das Land ist?
Wen würde sie dann als Bundespräsidenten installieren?
Es gibt jemanden, der in geradezu frappierender Weise jeden einzelnen Punkt des Anforderungsprofils übererfüllt.
Es ist als ob der liebe Gott persönlich auf dem Dach des Kanzleramtes gelandet wäre und mit einem riesigen Zaunpfeiler winkte.
Joschka Fischer.
Aus folgenden Gründen:
Fischer ist extrem beliebt.
Köhler war zwar auch sehr beliebt, aber aus genau den gegenteiligen Gründen. Er machte „billige Punkte“, biederte sich beim Volk an:
Ein Präsident baut Brücken, doch auch das tat Köhler nicht. Er stilisierte sich als "Bürgerpräsident", schimpfte über die Politiker - und verbreiterte so nur die Kluft zwischen dem Wahlvolk und den gewählten Repräsentanten. Er erkannte, dass dies seinen Umfragewerten half, weil Kritik "an denen da in Berlin" an den Stammtischen schon immer gut ankam. Da machte er billige Punkte. (Roland Nelles)
Fischer Beliebtheit beruht gerade auf seiner Kantigkeit; er traut sich was und vertritt auch unbequeme Positionen. Das wird im Volk honoriert.
Fischer ist kein Linker.
Das beweist schon der berühmte Farbbeutelwurf. Seine Kosovo-Politik und die Unterstützung der Hartzgesetze kappten die allzu festen Wurzeln im linken Lager.
Fischer ist ein Vollprofi, der über ein dickes Fell verfügt und sich sicherlich nicht beim ersten Jammern in den Feuilletons beleidigt schmollend zurück zieht.
Fischer ist extrem erfahren in der Außenpolitik und könnte damit zugleich den Totalausfall des jetzigen Außenministers kompensieren.
Fischer ist gerade auch im Ausland hoch anerkannt. Er kann überall Türen öffnen. Er ist eng mit Albright befreundet und kennt die Washingtoner Innereien wie kaum ein anderer Deutscher.
Fischer ist eine der wenigen Figuren, die im Nahostkonflikt etwas bewirken können, da er sowohl in Israel, als auch in der arabischen Welt hohes Renommee besitzt.
Die einen schätzen seinen unermüdlichen Einsatz gegen GWBs Irakpolitik, die anderen wissen, daß ihm Israels Sicherheit eine Herzensangelegenheit ist.
Fischer könnte die von Merkel sträflich vernachlässigten Beziehungen zu Osteuropa und Russland reaktivieren.
Fischer ist einer der ganz wenigen Menschen, die extrem staatstragend sein können, ohne daß es ins hohle Pathos à la Westerwelle abgleitet. Er könnte das Vertrauen in die deutschen Verfassungsorgane und Institutionen wieder herstellen und bei denen Gehör finden, die sich längst von der Politik abgewandt haben.
Fischer ist unbestritten der beste Redner der letzten beiden Dekaden. Er könnte endlich mal wieder ein Präsident sein, bei dem man tatsächlich zuhört und nicht mühsam das Gähnen unterdrücken muß.
Fischer ist parteipolitisch nach fünf Jahren Politabstinenz unabhängig geworden.
Fischer ist im richtigen Alter; mit 62 Jahren weise und seriös, ohne das Köhlersche Tattergreisstadium erreicht zu haben.
Eine Entscheidung für Fischer würde Merkels Tatkraft wiederherstellen.
Kaum etwas wird so vermißt wie ein mutiger Schritt der Kanzlerin. Bundesweit würde man ihr schlagartig wieder Respekt zollen.
Eine Entscheidung für Fischer würde Merkels parteistrategische Optionen erweitern.
Schon lange gilt sie als heimlicher schwarz-grün-Fan und könnte die nervige FDP damit schon mal in die Schranken weisen. Diesen Affront könnte sie aber wunderbar mit einer Art Staatsnotstand gegenüber dem Vizekanzler begründen.
Merkel hätte schlagartig in der Bundesversammlung das erreicht, was sie im Bundestag schon so lange vermißt - einen überparteilichen Großkonsens. SPD und Grüne würden garantiert für ihn stimmen.
Fischer wäre sofort einsatzbereit, müßte nicht im Amt fremdeln und sich mühsam einarbeiten.
Es wäre die richtige Entscheidung ihn zu inthronisieren.
Und genau deswegen wird Merkel es nicht tun.
Außer ihr soll niemand glänzen.
7 Kommentare:
Exzellente Analyse der Zustände (wie immer)!
Bei Fischer hast Du allerdings den wichtigsten Punkt vergessen, der seiner Wahl zum Bundespräservativ im Weg steht:
- Er gehört einer "falschen" Partei an.
Während die meisten Bundesbürger unter 60 kein Problem mit ihm hätten, ist er für die Ewiggestrigen der Rechten viel zu "links".
Prinzipienlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und kleinbürgerliches Gehabe mögen allesamt für ihn sprechen, aber für die Klientel, die ihn am Ende wählen soll, ist und bleibt er ein "Linker".
Selbst engagierten Kommunisten im Widerstand gegen die Nazis hat man bei uns nach 70+ Jahren noch nicht verziehen, der "falschen" Gesinnung angehört zu haben. Sie werden (dank der gleichen Politiker und Parteien) bis zum Lebensende bespitzelt.
Und einen Grünen durch die Wahl zum Bundespräservativ zu adeln, könnte der eigenen Gesinnung den Wind aus den Segeln nehmen.
Der Nordstern.
Danke Nordstern.
Natürlich hast Du Recht und ich habe es letztendlich auch nicht ganz ernst gemeint.
Natürlich würde Merkel nicht tatsächlich ihre CDU dazu bekommen einen Grünen zu wählen - schon allein, weil dann Westerwelle und Co AUSFLIPPEN WÜRDEN. Und die sind ja jetzt schon gemeingefährliche Irre.
Parteipolitik ist immer wichtiger als die Eignung.
Es wäre aber eine nette Vorstellung.
Endlich müßte man sich mal nicht schämen, wenn Deutsche im Ausland debakulieren wie Westerwelle (in kurzen Hosen), Köhler oder gar Brüderle.
Habe mir eben gerade angesehen, welche Kandidaten der SPIEGELFECHTER aufs Tablett hebt.
Die dürften zwar alle wahrscheinlicher sein - aber dafür auch umso gruseliger:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2774/deutschland-sucht-den-superprasidenten
Da wird einem ja übel!
LGT
Der schaebige Zustand Deutschland wird jetzt zuzueglich entbloesst, indem man in der zur Verfuegung stehenden, lausigen Kollektion nicht mal mehr einen halbwegs anspruchsvollen BP findet.
Das erinnert mich an meinen geizigreichen Nachbarn.
Dessen Bewaesserungsanlage hat 18, mehr denn weniger defekte, Sprinkler-Koepfe und dazu hat er noch ne Kiste mit weiteren 30 Defekten.
Seit Jahren wechselt er Defekte mit Defekten und sein Rasen ist am Arsch.
Gruss
Jake
Dazu dann auch zu einer Basis, die ich bei jeder Gelegenheit
'predige.
"Das Grundübel liegt aber schon eine Stufe davor.
Um in einer Partei nach oben zu kommen, braucht man meiner Meinung nach sehr unangenehme Charaktereigenschaften!
Der selbstlose, freundliche Mensch, der uneitel und Allgemeinwohl-orientiert arbeitet, kommt natürlich nicht innerhalb einer Parteistruktur nach oben.
Das ist verdammt mühsam und umständlich sich von ganz unten nach oben zu arbeiten - ohne Seilschaften und all diese unangenehmen Dinge wie Arschkriechen und sich gegenseitig verbiegen - geht es vermutlich gar nicht.
Wer also nach oben kommt ist irgendwie schon automatisch ein Typ, den ich eigentlich nicht oben haben will."
http://tammox.blogspot.com/2010/05/also-wenn-einmal-der-wurm-drin-ist.html
Wie wahr!!
Gruss
Jake
Hi Jake - schönes Bild mit den Sprinkler-Köpfen.
Auf die deutsche Politik übertragen, würde ich noch anfügen, daß Merkel ihre 30 kaputten Sprinkler-Köpfe offensichtlich in einem Säurefass lagert, so daß die Dinger beständig korrodieren und immer instabiler werden.
Gerade fange ich schon an mit den süddeutschen erzkonservativen Katholiken zu weinen.
Wenn jetzt mit Super-Urschel NOCH eine protestantische Frau in die absolute Staatsspitze aufrückt, sind die alten Herren ja ganz schön schlecht dran.
Mappus, Koch und Co kriegen doch jetzt die Krise!
Dann noch ein Behinderter, eine Lesbe, ein Schwuler und ein Immigrant in der Regierung!
Klingt nach einem Versehrten-Kabinett und die Geisteskranken habe ich noch gar nicht erwähnt!
Kein Wunder, daß Kohl schon der Schlag getroffen hat und er nur noch stammeln kann!
LGT
Schon uebel, wenn die Birne davon(vor allem als 'Ziehvater/Haupt'un'verantwortlicher) 'nen Schlag weg hat. :-)
Der Unterschied zwischen der Bewaesserungsanlage und der deutschen Regierung++ ist, dass seine Pumpe einwandfrei funktioniert. In Deutschland funktioniert die Pumpe/Merkel schon mal gar nicht.
Extreme NoWin-Situation!
Gruss
Jake
Naja, dafür haben wir ja bald den Superbundespräsidenten Wulff - den BESTEN Politiker Deutschlands mit dem Charisma-Überschuss!
Nun geht alles wieder bergauf!
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