TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 15. Juni 2010

Köhler im Besonderen und Plappern im Allgemeinen

Politiker und Politjournalisten betätigen sich gerne mit Sprachpanscherei.
Wolkige Floskeln ohne Inhalt haben spätestens seit Angela Merkel absolute Hochkonjunktur.
20 Jahre in Toppositionen ohne irgendeine konkrete Aussage - das muß man erst einmal nachmachen.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die CDU-Chefin bei den Sonntagsblättern ihrer Freundinnen Friede und Liz oder bei der FAS ausholt.
Dann erwartet den gematerten Leser seitenlang inhaltliche Leere vom Feinsten.

Angela Merkel aber bietet Sachanalysen einer Referatsleiterin, die ihre Karriere nicht gefährden will. Hat die Regierungschefin ein Problem, dann geht sie gerne in die Frankfurter Allgemeine, wo sie ja schon zur richtigen Zeit mit Helmut Kohl abgerechnet hat. In der derzeitigen Krise, die fast eher Regierungs- als Staatskrise ist, verbreitete sie in der vorigen Woche auf einer ganzen Seite Belanglosigkeiten. Ein typisches Statement zum internen Krach in ihrer Mannschaft und ob sie das akzeptiert: "Nein, aber ich sage ganz deutlich: Wer in dieser Form übereinander redet, muss sich nicht wundern, dass der Respekt von der Politik insgesamt immer weiter abnimmt. Ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren." Aha, heißt das gelbe Karte für alle, die "Rumpelstilzchen" sagen? Je kniffliger die Fragen, desto kürzer sind ihre Antworten. Gegen solche Interviews wie jetzt in der FAZ war einst selbst die TV-Reihe Zur Sache, Kanzler mit Kohl eine wahre Brunnenschöpfung. Kurzum: Kommunikativ ist Angela Merkel überall und nirgends. Man nimmt sie wahr, aber nicht ernst. Ein "Basta!" wirkt so konstruiert wie ein "Schau'n wir mal". Auch die liberal-konservative Presse ihrer Freundin Friede Springer ist ihr abhandenkommen. Welt und Bild am Sonntag sprachen sich dezidiert für den Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck aus, den Mann der Opposition. "Yes, we Gauck", titelte BamS, und Merkel gab auch hier sofort ein nichtssagendes Interview. Eine Schlüsselaussage: "Ich rate uns allen, den notwendigen Respekt vor der Wahl des Bundespräsidenten aufzubringen ..."
(Hans-Jürgen Jakobs)

Es färbt ab.

Interviewer fragen nicht nach und lassen ihr Polit-Gegenüber plappern.
Beispiel „Bericht aus Berlin“ vom 13. Juni 2010.
Hauptstadtstudioleiter Ulrich Deppendorf interviewt Volker Kauder.
Wäre es nicht an der Zeit gewesen einen überparteilichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu benennen? Kauders Konter - ja, das habe man schließlich damals mit Dagmar Schipanski getan.
Thema durch.
Daß Schipanski kurz nach der Nominierung in die CDU eintrat, um klarzustellen, wo sie politisch steht, „vergaßen“ beide zu erwähnen.

Inzwischen wimmelt es auch in „Leitmedien“ wie Tagesschau und Spiegel von sinnlosen Füllzeln, wie „Eckpunkte abgesteckt“ und „wir gehen davon aus, daß…“.

Die von Max Goldt so beklagten Dekorationsadjektive haben Konjunktur wie eh und je:

15.09.01 Susan Sontag kritisiert neben manch anderem, dass sämtliche Kommentatoren die Anschläge als „feige“ bezeichnen. Da hat sie natürlich Recht. Schon Ladendiebstahl erfordert Mut. Wie viel Mut braucht es da erst, ein Flugzeug zu entführen und es gegen ein Gebäude zu steuern. Man kann froh sein, dass die meisten Menschen zu feige sind, um so etwas zu tun. Sicherlich gibt es für die Attentate bessere Dekorationsadjektive, wie zum Beispiel ruchlos oder schändlich, sogar anmaßend wäre treffender als feige. Es geht den Kommentatoren aber nicht um passende Adjektive, sondern um die Souveränität und Flüssigkeit ihres Vortrags. Um diese zu erlangen, sind in der Mediensprache viele Haupt- und Zeitwörter untrennbar an bestimmte Eigenschafts- und Umstandswörter gekettet. So wie Anschläge immer feige sind, werden Unfälle grundsätzlich als tragisch bezeichnet, obwohl es mit Tragik, also einer Verwicklung ins Schicksal oder in gegensätzliche Wertesysteme, überhaupt nichts zu tun hat, wenn jemand gegen einen Baum fährt. Ein solcher Vorgang ist banal – mithin ganz und gar untragisch. Vielleicht werden die Unfälle deshalb als tragisch bezeichnet, weil das Wort so ähnlich wie traurig klingt, und traurig ist ein Unfall immerhin für die Freunde und Angehörigen des zu Schaden Gekommenen. „Traurig“ ist den Medienleuten aber zu lasch, für sie ist Tragik wohl eine zackigere und grellere Form von Traurigkeit. Genauso unpassend ist das Adjektiv, welches unvermeidbar auftaucht, wenn nach einem Erdbeben oder einem ähnlichen Unglück nach Überlebenden gesucht wird. Wie geht die Suche vor sich? Natürlich „fieberhaft“. Dabei will man doch stark hoffen, dass es Fachleute und besonnene Helfer sind, die einigermaßen kühlen Kopfes und in Kenntnis der bergungslogistischen Notwendigkeiten die Menschen suchen, und nicht, dass da irgendwelche emotional aufgeweichten Gestalten wie im Fieberwahn in den Trümmern herumwühlen. Verzichten können die Medienleute auf Adjektive nicht, denn sie sind zur Erzielung eines vollmundigen Verlautbarungssingsangs notwendig. Könnte man aber nicht mal einen angemessenen Ausdruck benutzen? Ich glaube nicht. Wir werden niemals folgenden Satz im Radio hören: „Nach Überlebenden wird fleißig gesucht.“ Dabei wäre „fleißig“ inhaltlich wie stilistisch ideal. Es ist weder abgedroschen floskelhaft noch zu auserlesen und hat daher nicht den geringsten ironischen Beiklang. Schriebe jedoch ein Journalist diesen Satz, so wäre es vollkommen sicher, dass sein Redakteur das passende Wort „fleißig“ streichen und durch das vollkommen unpassende „fieberhaft“ ersetzen würde.
(Zitiert aus: Süddeutsche Zeitung, 13.07.2002)

Brachialsprachbilder werden zu allem Übel auch noch voneinander abgeschrieben.

Am 16. Januar 2010 erschien in der SZ der Artikel „Trümmerfrau Angela“ von Dagmar Deckstein.

Vor einem Monat, nach der NRW-Wahl prangte über einer ganzseitigen SZ-Analyse (Seite drei) „Mutti Merkel als Trümmerfrau“.

Jakester wies dankenswerterweise auf die denkbar falsche Metaphorik hin.
Waren doch die Trümmerfrauen der Nachkriegsgeschichte überaus bewundert, weil sie die Trümmer beseitigten, während Merkels Regierung die Trümmer verursacht.

Gestern erschien eine große Spiegel-Titelgeschichte über Schwarz/Gelb.
Überschrift „Die Trümmerfrau!“
Guten Morgen.

War früher alles besser?

Waren Journalisten germanistisch besser geschult?

Das kann ich nicht sicher beurteilen. Es gibt aber zweifelsohne Wortbilder, die nicht nur altmodisch, sondern schlecht sind.

Kinderschänder, das ultimative Schimpfwort (außer in der Katholischen Kirche, in der man außerordentlich nachsichtig mit Kinderschändern in den eigenen Reihen umgeht), ist so ein Begriff, den man vermeiden sollte.

Wird nämlich jemand „geschändet“, impliziert dies, daß der Geschändete mit der Schande zu leben hat.
Wir kennen das aus Saudi Arabien und anderen schariaesken Gegenden, in denen heute noch vergewaltigte Frauen verstoßen oder gesteinigt werden.
Sie, die Opfer nämlich, bringen der eigenen Familie Schande.

Tatsächlich ist auch heute noch in der westlichen Welt ein vergewaltigter kleiner Junge oft nicht nur verstört und verletzt, sondern auch so sehr beschämt, daß er sich typischerweise nicht traut über das Verbrechen zu sprechen.
Die Pädo-Jesuiten an deutschen Schulen zeigen es - es dauert Dekaden, bis sich die Opfer überwinden können über „die Schändung“ zu sprechen.
Vulgo - sie schämen sich.

Nach der eigentlichen Tat bekommen die Opfer also verbal gleich noch mal eins drauf.

Schande haben aber die Täter auf sich geladen und deshalb sollte man sie lieber unzweideutig beispielsweise als „Sexualstraftäter“ bezeichnen.

Der König der verschwurbelten Worte ist das Militär.

Hier wird von „Kollateralschaden“ gesprochen, wenn Unschuldige abgeschlachtet werden und „chirurgische Schläge“ bedeuten, daß eine tödliche Bombe zwar immer noch genauso viel Terror anrichtet, aber eben besser klingt!

Nur noch bizarr mutet mir das Fernduell zwischen Jung und Guttenberg um die Begriffe „Gefallener“ und „Ums Leben Gekommener“ an.
Oder sind tote deutsche Soldaten „Getötete“?

Das „böse“ Wort, das so lange gescheut wurde ist dabei - um das Ganze so richtig absurd zu machen - „Gefallener“.
Das weckt unangenehme Assoziationen an Krieg und einen Krieg gab es bis Ende 2009 nicht in Afghanistan.
Nur einen nichtstaatlichen bewaffneten Konflikt.

Ist aber nicht der Euphemismus „gefallen“ die eigentliche Perfidie?
Für meinen Geschmack klingt das zu sehr nach Kinderspiel.
Wie „hinfallen“.
Ein bißchen ernster ist es schon, wenn jemand getötet wurde.

Zum Schluß sei ein lustiges militärisches Wort erwähnt: „Großer Zapfenstreich“!

Zapfen. Ausgerechnet.
Zapfenstreichen assoziiere ich durchaus mit Obszönitäten.
„Großer Zapfenstreich“ könnte ein passender Titel für hardcore-Schwulenpornos sein und auf anatomische Besonderheiten in der Genitalgegend hindeuten.

Das wußte ja schon Oliver Kalkofe: „Wehrdienst-Verweigerer haben kleine Pimmel“

Heute bekommt Bundespräsidentenversuch Köhler einen „Großen Zapfenstreich“.

Um das noch mal unzweideutig klarzustellen: Es handelt sich um die FSK-0-Version.
Um jene vordemokratische, in den Abendstunden mit gräßlicher Blechbläsermusik abgehaltene allergrößte Ehre, die das Militär einer Zivilperson antun kann.

Nur Bundespräsidenten, Kanzler und Verteidigungsminister bekommen diese Megaehre angeboten.
Annehmen muß man sie freilich nicht.
Der große Bundespräsident Gustav Heinemann wollte zu seinem Amtsabschied 1974 keinen „Großen Zapfenstreich“; er war schon lange Pazifist und ein entschiedener Gegner der deutschen Wiederbewaffnung.
Er machte stattdessen eine Abschiedsbootsfahrt mit Freunden auf dem Rhein.

Köhler darf als Gegenteil Heinemanns gelten; er ist zutiefst elitär veranlagt, intellektuell unterbelichtet und derartig auf höfisches Zeremoniell bedacht, daß er sogar aus Gram darüber, daß ihn nicht alle wie einen Kaiser bewundern, zurücktrat.
Er ist der Nicht-Bundespräsident, der so gar keine Anstöße lieferte, sich peinlich beim Volk anbiederte und penibel die unerfreulichen Dinge ausklammerte.
Köhler sah man niemals in einem sozialen Brennpunkt, es wäre ihm nicht im Traum eingefallen wie einst Bundespräsident Rau ein Zeichen für die Ärmsten und Asylanten in diesem Land zu setzen.
Köhler machte immer einen ganz großen Bogen um die „ausländerbefreiten Zonen“ in Ostdeutschland und fand keine Worte gegenüber rechtsradikalen Tendenzen.

Köhler legte immer Wert darauf viel bedeutender als sein Gegenüber zu sein und zeigte dies umso lieber.
Er wollte bewundert werden.
Er bestand auf seinen Privilegien, Extrawürsten und Amtsinsignien.

Seine Wutanfälle fanden hinter den Kulissen statt.
Daß seine Mitarbeiter im Präsidialamt wie die Ratten das sinkende Schiff verließen, war ein Zeichen für Köhlers Annerkennungswahn. Er zelebriert umso mehr seinen hohen protokollarischen Rang, je weniger er durch Worte überzeugen kann.

Nico Fried berichtete kürzlich von einer Reise zu der Amtseinführung des neuen Verfassungsgerichtspräsidenten Voßkuhle im nagelneuen Airbus A319 der Bundeswehr nach Karlsruhe:

Nach der Landung fuhr die Kanzlerin in einer Wagenkolonne voraus, der Bundespräsident in einer zweiten hinterher. Das Staatsoberhaupt traf somit als Letzter beim Festakt ein. Diese protokollarische Feinheit wäre weiter nicht bemerkenswert, hätte sie das Bundespräsidialamt nicht schon mehrere Tage vorher beschäftigt. Bei der letzten Einführung eines Gerichtspräsidenten im Jahre 2002 trafen Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder gemeinsam ein - wie es zum Beispiel bei Feierstunden im Parlament auch durchaus üblich ist.
Diesmal legte man im Hause Köhler Wert darauf, dass bei der Ankunft des Bundespräsidenten die anderen Vertreter der Verfassungsorgane schon zugegen sein sollten:
Ein besonderer Auftritt für den Präsidenten, wenn schon sonst nichts an ihm besonders ist. Die Anekdote wirkt fast symbolisch für die Bemühungen des Bundespräsidialamtes, Horst Köhler wenigstens zeremoniell als Staatsoberhaupt in Erinnerung zu halten.

Der „große Zapfenstreich“ kommt Köhler da gerade richtig, um sich noch einmal in seiner Besonderheit zu sonnen.
Natürlich lehnte er das Superzeremoniell auch nach seiner beschämenden Amtsflucht nicht ab.

Im Gegenteil.

Eigentlich ist es üblich, daß der Gezapfenstreichte allein mit dem Militär ist.

Bei allen bisherigen Zapfenstreichen blieben Vertreter der anderen Verfassungsorgane fern - Bundeskanzler, Minister und Präsidenten ließen sich gewissermaßen einsam feiern.

Nicht so Köhler - das wäre ihm doch eine Nummer zu klein.

Er hat es lieber voll illuminiert mit den anderen Wichtigen des Staates:

Köhler bat aber darum, diesmal diejenigen dazuzuholen, die er vor seiner Rücktrittserklärung informiert hatte: Kanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Guido Westerwelle, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesratspräsident Jens Böhrnsen und den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.
Voßkuhle lässt sich aus Termingründen vertreten, die Übrigen kommen, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will ebenfalls dabei sein. Auch Richard von Weizsäcker hat zugesagt und vertritt, wenn man so will, die Alt-Bundespräsidenten. 150 Gäste werden erwartet, darunter die Familie Köhlers, Freunde und Weggefährten.

(Susanne Höll)

Wer es nötig hat…..
Aber immerhin, Merkels CDU-Humunculus Köhler hat im Gegensatz zu seiner Erfinderin noch Freunde in Friede Springers ganz rechten Blättern.

Der Lacher des Tages ist Thomas Schmid in der WELT:

Der Bundespräsident hat es nicht verdient, verhöhnt zu werden. Köhler war nicht schlecht – nur zu ernst und dünnhäutig.
[…] Und wer jetzt so redet, übersieht, dass Horst Köhler kein schlechter Bundespräsident gewesen war; dass er es mit den meisten seiner Vorgänger aufnehmen kann; dass er es – auch, aber bei Weitem nicht nur aus Respekt vor dem Amt – nicht verdient hat, jetzt von der großen Phalanx der Oberschlauen kleingeredet und verhöhnt zu werden.
[…] Er war der erste Bundespräsident, dem man das Wunder der Bundesrepublik und das des Aufstiegs ansah.
[…] Er ist kein Abgebrühter, keiner von denen, die nach dem Abschalten der Kamera ins zynische Witzeln verfallen. Er nahm das Staatstheater, das in Schloss Bellevue gegeben wird, richtig ernst. Das machte ihn sympathisch, beliebt – aber auch zu einem, dem man eine gewisse Fremdheit gegenüber seiner Umgebung ansah. Wohl kein Präsident zuvor hat sich im Amt so an seine Ehefrau geschmiegt wie er: weil er sie liebt, weil sie im Amt brauchte.

2 Kommentare:

oberclown hat gesagt…

Erstaunlich "dass er es – auch, aber bei Weitem nicht nur aus Respekt vor dem Amt – nicht verdient hat, jetzt von der großen Phalanx der Oberschlauen kleingeredet und verhöhnt zu werden" das ist direkt mal ein wahrer Satz aus der Springerpresse.

Köhler hatte es tatsächlich, gerade auch aus Respekt vor dem Amt, schon vorher Verdient kleingeredet udn verhöhnt zu werden.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Gut erkannt Oberclown!

LGT