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Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Samstag, 5. Juni 2010

Von Christen umzingelt

Der Mann, der sich vorgestern selbst ins höchste Staatsamt gedrängelt hat und damit sogar die massive Eigenewerbungskampagne der übereitlen von der Leyen übertrumpfte, löst keine Euphorie aus.

Im besten Fall reagiert das Feuilleton mit gepflegter Langeweile auf die Personalie.

Aber was soll’s; das Bundespräsidentenamt, als allgemein anerkannte Autorität, hatte schon der Köhler-Horst systematisch abgewirtschaftet.

Geboren in Osnabrück, aufgewachsen in Osnabrück, Studium in Osnabrück, Referendariat in Oldenburg, seit 1990 wohnhaft in Hannover: so sieht also der Erlöser aus, der Mann, der die groteskeste Staatskrise der Bundesrepublik beenden und uns von dem politischen Alptraum eines um sich greifenden Aussteigertums in den höchsten Ämtern erlösen soll. Christian Wulff repräsentiert den 100-Kilometer-Horizont des schönen flachen Landes namens Niedersachsen, eine deutsche Idylle aus Backsteinen und Weidezäunen und christlicher Union. Wenn das mal keine Sensation auf dem mondänen Staatsbesuchsparkett wird.
(Burkhard Müller-Ullrich auf ach.gut)

Erstaunlich naiv von der Presselandschaft war es allerdings ausgerechnet von Angela Merkel den großen Wurf zu erwarten!
Mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit gewinnt eine Amöbe den nächsten olympischen 100m-Sprint.

Wulff langweilt sogar das eigene schwarz-gelbe Lager so sehr, daß sie sich trotz deutlicher Mehrheit in der Bundesversammlung vor Joachim Gauck fürchten.

Er ist 20 Jahre älter als der CDU’ler und dennoch erheblich jugendlicher.

Joachim Gauck ist im besten Sinne überparteilich und wird allseits respektiert. Er bezeichnet sich selbst als „linker, liberaler Konservativer“. Vielfach hat er bewiesen, dass er grundsätzliche Debatten prägen und unserer Gesellschaft Orientierung geben kann. Joachim Gaucks Kandidatur ist keine Kandidatur gegen irgendjemanden, sondern eine Kandidatur für eine bestimmte Vorstellung vom Amt des Bundespräsidenten. Als Bürgerrechtler hat er immer wieder deutlich gemacht, dass es neben den Parteivertretern engagierte Menschen in unserem Land gibt, die unsere Demokratie mit Leben füllen. Aus ihrer Mitte tritt er seine Kandidatur an. Er steht damit für ein Verständnis des Amtes des Bundespräsidenten, das nicht parteitaktische Machtkämpfe in den Mittelpunkt stellt, sondern die gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Demokratie in unserem Land. Joachim Gauck bringt ein Leben mit, wo andere Kandidaten in erster Linie auf eine politische Laufbahn verweisen müssen. Joachim Gauck ist eine überzeugende Antwort auf eine parteiliche, machtpolitische Entscheidung von Schwarz-Gelb. Wir werden in den kommenden Wochen für unseren Kandidaten, sein Amtsverständnis und für eine Mehrheit für Joachim Gauck werben.
(Gabriel und Nahles)

Glücklicherweise wird der Bundespräsident nicht direkt gewählt.
So bin auch ich nicht in der Verlegenheit mich entscheiden zu müssen.

Wulff, dem frömmelnden Katholiken, stellt die Opposition nun also einen Pfarrer gegenüber.

Es ist erschreckend, daß mal wieder quer durch alle Parteien automatisch an 150%ige Christen gedacht wird, wenn es um hohe Ämter mit moralischer Autorität geht.

Da die Konfessionslosen in Deutschland mit 26 Millionen Menschen mittlerweile eine relative Mehrheit bilden; vor ~ 25 Mio Katholiken und ~ 24 Mio Protestanten; wäre es an der Zeit endlich auch mal einen Nicht-Frömmelnden in ein hohes Staatsamt zu bugsieren.
In den neuen Bundesländern sind es sogar zwischen 65 % und 80 % der Bevölkerung, die keiner Konfession angehören.
Es wird nun wieder von der Regierung mit allerlei Pathos und Aufgeblasenheit darüber fabuliert, daß der Bundespräsident für alle Bürger da sein müsse, wie es Köhler geschafft habe.

Nein, verdammt noch mal - ich fühlte mich überhaupt nicht von jemanden repräsentiert, der geradezu penetrant auf sein Christentum verwies - jener Glaubensrichtung, die weltweit so viele Morde auf dem Gewissen hat, wie keine andere.

„Meinen Amtseid verstehe ich als Verpflichtung, zur Erneuerung Deutschlands beizutragen. Als Präsident werde ich zuhören, hinschauen und auch hinterfragen. Persönlicher Kompass ist mir dabei mein christliches Menschenbild und das Bewusstsein, dass menschliches Tun am Ende immer vorläufiges Tun ist.“
Horst Köhler in seiner Antrittsrede als Bundespräsident 2004

„Wenn wir uns wieder bewusst als Deutsche fühlen, auch wissen, warum wir Christen sind, dann können wir doch wunderbar beispielsweise mit einem Türken zusammenleben, der in Deutschland bleiben will.“
Horst Köhler 2004 in der Tageszeitung „Die Welt“

„Persönlich hat mir mein Konfirmationsspruch immer wieder geholfen: ‚Gott lädt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch’ … Dieser Leitspruch hat schon oft in meinem Leben gepasst und mich auf so mancher Etappe begleitet …“
Horst Köhler 2004

„Der christliche Glaube ist ein Geschenk für uns Menschen, etwas, das uns Sicherheit, ein Fundament, festen Boden unter den Füßen geben kann und das uns erkennen lässt: Nicht wir selbst sind der Mittelpunkt der Welt!“
Horst Köhler 2005 im Kalender des CVJM Neureut (bei Karlsruhe)

„,Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden‘, heißt es im 90. Psalm. Manchmal glaube ich, wir sind noch nicht klug genug.“
Horst Köhler 2005 bei der Fachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz in Würzburg

Bevor ich unflätig werde, will ich dazu lieber den viel freundlicher formulierenden MSS zitieren, der klar und richtig postuliert:
Ein säkularer Staat brauche säkular denkende Präsidenten!

„Horst Köhler war ganz gewiss nicht der Präsident aller Deutschen“, sagte Schmidt-Salomon. „Ein Bundespräsident, der die Bibel als ‚wichtigstes Buch’ bezeichnet und die Kirchen zu stärkerer Missionierung auffordert, ist kaum geeignet, eine Bevölkerung zu repräsentieren, die zu einem Drittel konfessionsfrei ist! Deshalb begrüßen wir Köhlers Rücktritt und hoffen, dass seine Nachfolger mehr Fingerspitzengefühl in weltanschaulichen Fragen zeigen werden. Unser Staat ist schließlich zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet – und dieses Verfassungsprinzip sollte auch vom höchsten Repräsentanten des Staates beachtet werden!“ Schmidt-Salomon meinte, dass nach den vielen christlichen Präsidenten der Vergangenheit, insbesondere nach „Bruder Johannes“ Rau und Horst Köhler, eigentlich die Konfessionsfreien an der Reihe wären, einen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin zu stellen. Doch damit sei nicht ernsthaft zu rechnen: „Stattdessen schlägt die niedersächsische SPD Ex-Bischöfin Margot Käßmann als Kandidatin vor, während die CDU die fromme Ursula von der Leyen ins Spiel bringt, die das deutsche Grundgesetz ausgerechnet auf die 10 Gebote der Bibel zurückführen wollte! Manchmal fragt man sich wirklich, in welcher Welt diese Politiker leben! Haben sie denn noch immer nicht mitbekommen, dass Deutschland ein säkularer Staat ist, in dem sich die Hälfte der Bevölkerung, darunter zahlreiche Kirchenmitglieder, als ‚nicht-religiös’ einstuft?“
(hpd am 2. Juni 2010)

Nun sind es also statt Leyen und Käßmann, Wulff und Gauck.
Zwei andere Namen - aber das zeigt es nur umso plastischer - wieder ein besonders Frommer und ein Pfarrer.

Wulff ist dabei sogar besonders bedenklich, da er trotz seiner formalen Zugehörigkeit zur RKK auch an der ganz ultrarechten Seite bei den Evangelikalen auftritt, wie es ESO-WATCH vor zwei Tagen dankenswerterweise dokumentierte.

Selbst auf dem eher rechten ntv orakelt Hubertus Volmer schon leicht genervt vom zweiten“ Bruder Johannes“
Wo steht Wulff? Am 19. Mai 2010 trat Wulff als Redner vor dem "Arbeitskreis Christlicher Publizisten" auf. Die Staatskanzlei in Hannover erklärte dazu, der ACP sei ein konservativer Verein, der nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Der ACP sei "ein Vermittlungsorgan für Extremismus und Fanatismus aus der rechten Ecke, aber auch aus dem Kreis der Sektierer", sagt dagegen Hansjörg Hemminger, der Beauftragte für Weltanschauungsfragen der evangelisch-württembergischen Landeskirche. Der Katholik Wulff ist auch "Unterstützer" des evangelikalen Vereins "Pro Christ".

Die "dubiose christlich- fundamentalistische Lobbygruppe" ACP ist mitnichten ein harmloser Verein Bibel-begeisterter Frömmler, sondern auch eine politische Organisation auf dem äußerst rechtem Rand, die gegen Westerwelle (weil schwul) und Leutheusser-Schnarrenberger (weil angeblich Atheistin) hetzt.

Auf dem NPD-BLOG erfährt man, daß auch schon Annete Schavan, die ultrafromme Fundamental-Katholikin beim ACP auftrat und die rechtsextremen Sektierer mit ihrem Amt aufwertete.

Nach Auffassung des Sektenbeauftragten der Evangelischen Landeskirche Hans-Jörg Hemminger handelt es sich bei der Zeitschrift des ACP um ein „Schmutzblatt erster Güte“, das am äußersten rechten Rand des Protestantismus angesiedelt ist, mit rechten Sektengruppierungen Kontakte unterhält und den so genannten „Republikanern“ ein Forum bot. Diese Erkenntnisse sind nicht nur in Kirchenkreisen bekannt, sondern auch der Interministeriellen Arbeitsgruppe im Kultusministerium, in deren ureigenstes Aufgabenfeld das Sammeln und Auswerten von Informationen über Gruppierungen wie des ACP gehören. (NPD-BLOG)

ACP-Chef ist der 83-jährige Heinz Matthias, der Ende 2008 auch auf dem Bundesparteitag der christlich-fundamentalistischen “Partei Bibeltreuer Christen” (PBC) sprach.
Die PBC ist eine demokratiefeindliche Hetzorganisation, die gegen Homosexuelle und den sogenannten „Kinder-Holocaust“ zu Felde zieht.

Wulff trat noch im Mai 2010 bei diesen Fundamental-Fanatikern auf.

Nein, ich fühle mich absolut nicht von einem Mann wie Wulff vertreten und möchte - für den Fall, daß Merkel in der Bundesversammlung patzt - auch keinen Pfarrer an der Staatsspitze.

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