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Montag, 28. Juni 2010

Liberale Läuterung

Die aktuelle Ausgabe der Titanic (Juli 2010) offeriert schon im Editorial eine wirklich bahnbrechende Idee.
Die WM-Fernsehproduktionsfirma HBS habe endlich ein Verfahren entwickelt, das das „unerträgliche Vuvuzela-Gequäke im Stadion herausfiltert“. Andere Medien wollten nach diesem Vorbild ebenfalls unangenehme Störgeräusche herausfiltern.
Als Beispiel wird die ARD genannt, die Anne Will aus ihrer eigenen Sendung ausblenden wolle. Der Parlamentssender Phoenix beabsichtige künftig bei Bundestagsdebatten „das infernalische Geschnatter Westerwelles durch weißes Rauschen zu ersetzen. Ein Beitrag zur Debattenkultur, der längst überfällig war.“

Ich kann nur hoffen, daß diese wertvolle Anregung der Magazin-Macher schnell in die Tat umgesetzt wird. Je weniger Guido, desto mehr Lebensqualität.

Es darf aber bezweifelt werden, ob die FDP-Vorständer, die heute den zweiten Tag zu ihrer Megakrisenklausur zusammen sitzen, schon mit einer solchen gehirnschonenden Technik operieren.
Der Parteichef begann die Debakelursachenforschung mit einem „Referat“, vulgo „infernalisches Geschnatter“.
Fighting fire with fire?

Sich selbst abzuschaffen, so hört man, plant der Vizekanzler nicht.

Der Mann hat Glück - er ist der einzige Vertreter seiner Generation in der FDP-Führung.

Die Jungen - Bahr, Vogel und Linder - haben noch Eierschalen hinter den Ohren und nicht die Kraft die selbsternannte „Freiheitsstaue der Bundesrepublik“, denjenigen, der „alles regelt, auf dem Schiff, das dampft und segelt“ vom Thron zu schubsen.

Die Alten - Solms, Brüderle und Gerhard - sind geistig schon geriatrische Fälle.
Da wäre es noch angezeigter Jopi Heesters den JuLi-Vorsitz anzutragen.

Generalsekretär Linder macht dem einstigen Krawattenmann des Jahres 2000 (Guido W.) auf seine Weise Konkurrenz und mausert sich im Pressespiegel auf seine ureigene Art.

Kaum ein anderer Politiker steckt so passgenau in schmal geschnittenen Anzügen.
(Dirk Kurbjuweit im SPIEGEL 03.04.10)

Da steht dieser blonde Mann im taillierten schwarzen Anzug am Pult
(taz 22.06.10)

Ein bisschen wirkt er wie feinsäuberlich aus der Zeitung ausgeschnitten, sein dunkelblauer Anzug weist nicht eine Falte auf und sitzt wie angegossen, seine schwarzen Schuhe glänzen.
(Fh-Gelsenkirchen)

Herr Lindner, ein schlanker Mann mit blonden Haaren, den man stets […] in Anzug, farblich abgestimmter Krawatte und mit modischen Manschettenknöpfen antrifft.
(Zeit 29.10.09)

Sein Anzug sitzt stets perfekt, seine Initialen sind auf seine Hemdtasche genäht.
(Das Parlament, 01.10.07)

In der Süddeutschen war schon von den „beneidenswert schmal geschnittenen Anzügen des Generalsekretärs" die Rede.

Naja, immerhin.

Wenn es schon mit der Politik im Allgemeinen und den Inhalten im Besonderen so gar nicht klappt, dann wenigstens mit der Verpackung.

Das muß man anerkennen - im Vergleich mit Pykniker Niebel, der Bundeswehrkäppi und Splitterschutzweste zu Pfannkuchengesicht kombiniert, ist Linder ein optisch ansprechenderer Generalsekretär.

Wenn ihm jetzt noch jemand einen Rasierapparat schenken könnte, so daß er nicht mehr mit diesem pubertären Jugendkompensationsbart rumlaufen muß, ist alles gut.

Während sich die FDP-Jugend modisch auf einem Weg der Besserung befindet, träumen die mittelalten FDP’ler von einer Westerwelle-Nachfolgerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Sie gilt in Kreisen der Liberalen als die Star-Ministerin, sie mache einen „Top-Job“.

FDP-Vorstand Jorgo Chatzimarkakis läßt keinen Superlativ aus, wenn er über die Arbeit der Justizministerin spricht.
Es ist zu hoffen, daß er damit ebenfalls auf modische Aspekte anspielte.
Politisch ist so ein Lob eher nicht zu rechtfertigen, wie die SWIFT-causa zeigt.

Chatzimarkakis im Januar 2010:
Ich habe sehr klar gemacht, dass ich es als nicht akzeptabel ansehe, sollten die USA in Zukunft Millionen von Finanzdaten europäischer Bürger ins Blaue hinein "abschöpfen" können. Das Europäische Parlament hat dabei bis zuletzt gegen das Swift-Vorhaben gekämpft. Wir haben den Rat wiederholt davor gewarnt, ein derartig weitreichendes Abkommen zu beschließen. Der deutsche Bundesinnenminister hat sich entgegen der Haltung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Rat bei der Abstimmung enthalten. Das nun beschlossene Abkommen gilt zunächst nur befristet, es wird also absehbar sein, dass ein neues Abkommen in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament erarbeitet werden wird.
Als Ihr gewählter Vertreter kann ich Ihnen eines versprechen: Ich werde gemeinsam mit meinen FDP-Kollegen darauf achten, dass die Bürgerrechte nicht in der letzten, sondern in der ersten Reihe sitzen.

Juni 2010: Leutheusser-Schnarrenberger ist eingeknickt und läßt jegliche SWIFT-Aktivität vermissen.
Wie auch in der Mißbrauchscausa beweist sie keinerlei Rückgrat und läßt die CDU-Kollegen machen was sie wollen:

Die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lässt dem Innenminister beim Swift-Abkommen freie Hand. […] Zwar steht in Brüssel der Beschluss des Swift-Abkommens mit den USA unmittelbar bevor. Doch anders als beim ersten Versuch im November 2009 gibt es diesmal in der Bundesregierung keinerlei Auseinandersetzungen, nicht einmal hörbare Diskussionen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) tun diesmal so, als ginge sie das alles gar nichts an. Die Justizministerin hat jede Kritik eingestellt. […] Im April beschloss der FDP-Parteitag in Köln, dass im Swift-Abkommen die Datenübermittlung "in Paketen" ausgeschlossen werden soll. "Die FDP lehnt einen präventiven Datenaustausch ab." Den Antrag hatte Leutheusser-Schnarrenberger vorbereitet. Nun geht sie auf Tauchstation.
(Christian Rath in der taz)

So viel zum Thema Profilstärkung der FDP und Wiederentdeckung des Themas Bürgerrechte.

Vielleicht hat sich die Justizministerin besonnen auf Lindner-Art Profil zu gewinnen und trägt demnächst nur noch schmal geschnittene Maß-Kleider.
SWIFT ist durch; die FDP muckt nicht auf.

Deutschland hat dem Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankkundendaten an die USA zugestimmt. Dies teilte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag mit. Laut EU-Diplomaten haben alle 27 Mitgliedstaaten der Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und den USA zugestimmt.
(SPON)

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