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Sonntag, 15. Februar 2009

Übung in Toleranz.

Die Abrahamitisachen Religionen sind auch heute noch ein geeignetes Anschauungsbeispiel dafür in welch archaische Finsternis es führt, wenn man sich der eigenen Intoleranz hingibt.

Da kämpft zum Beispiel der Vatikan Arm in Arm mit islamischen Fundi-Staaten und afrikanischen Despoten in der UN gegen Menschenrechtskonventionen, die endlich die Diskriminierung Homosexueller verurteilen wollen.
Ratzinger und die seinen sind als mindestens ein Jahrhundert hinter dem allgemeinen Erkenntnisstand hinterher.
Dabei müßten sie nur mal in einen Brockhaus sehen; der nicht gerade als Organ der unseriösen sozialistischen Umtriebe bekannt ist.
Im „Brockhaus Psychologie“ (Ausgabe 2001) heißt es dazu auf Seite 247f:

„In der Sexualforschung geht man heute davon aus, dass die homosexuelle Orientierung ebenso wie die heterosexuelle tief und unabänderlich (Hören Sie Bischof Wagner? „unabänderlich“) mit der Persönlichkeit verknüpft ist. ..Die Homosexualität wird inzwischen von allen mit ihr befassten Disziplinen als ein häufig vorkommendes sexuelles Normalphänomen angesehen.“

Nun ist der Vatikan bekanntlich generell mit Fakten und Erkenntnissen auf Kriegsfuß, bekämpfte bis in das 19. Jahrhundert das heliozentrische System und so warten Galileo Galilei und Giordano Bruno noch Jahrhunderte nach ihrem Tod auf ein „mea culpa“ aus dem Vatikan.

Ein besonders tolldreistes Beispiel der päpstlichen Unmoral lieferte 2008 Erzbischof Gianfranco Ravasi, der just mit den Prozessakten Galileis beschäftigt ist.
Der Vatikan habe gar nichts zurück zu nehmen, da Papst Urban VIII das Urteil gegen Galilei nicht unterzeichnet hätte, befand der Mann im roten Kleid.
Daß dieses Urteil auch nicht notwendig war, da der Gescholtene vor Angst schlotternd widerrief, nachdem man ihn in die Folterkammer führte, steht auf einem anderen Blatt.

Heute können wir glücklicherweise über den Papst lachen und müssen seine abstrusen Ansichten zur Homosexualität nicht mehr ernst nehmen, da der frühere Chef der Inquisitionsbehörde auch als Stellvertreter Gottes auf Erden zu seinem großen Bedauern die von seiner Lehre abweichenden Personen nicht mehr in die vatikanischen Folterkammern stecken kann, bis die gewünschte Gefügigkeit erreicht ist.

Dieser Emanzipierungsprozess von der einst allmächtigen kirchlichen Autorität sollte uns dazu befähigt haben unsere Toleranz weiter zu entwickeln.

Im Westeuropa des Jahres 2009 ist es relativ leicht sich mit Schwulen zu arrangieren. Sie sind eben ein „häufig vorkommendes sexuelles Normalphänomen“ und auch wenn man noch so heterosexuell ist, wird man sich dieser Tatsache nicht mehr ernsthaft verschließen können.

Ich plädiere aber dafür den Toleranzbegriff wirklich auf alle Spielarten des menschlichen Daseins auszuweiten - wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
Wir sprechen 1.) nur über Erwachsene und diese sollen 2.) niemand anderem schaden oder Zwang ausüben.

Ob man ein Verhalten persönlich „versteht“, darf allerdings keine Rolle spielen.
Ich kann beispielsweise überhaupt und gar nicht verstehen, wie man als Mann auf die Idee verfallen kann Angela Merkel heiraten zu wollen und mit ihr dann womöglich auch noch intim sein zu wollen. I gitt. Dennoch sollte Kanzlergatte Joachim Sauer unbedingt straffrei bleiben.

Was kommt aber als Nächstes?

In diesem Blog wurden schon Sterbehilfe und Inzest angesprochen, daher nur ganz kurz zusammen gefasst:

Ja, wer unbedingt sterben möchte, sollte das dürfen und können - unabhängig davon, ob irgendeine christliche Lebensschützerin à la Bizarra Käßmann die Gründe dafür akzeptiert oder nicht.

Ja, (erwachsene) Geschwister dürfen Sex haben. Allerdings mit der Einschränkung, daß sie sich möglichst nicht fortpflanzen; denn dadurch würde eventuelle ein Dritter - nämlich das Kind - (genetisch) geschädigt werden.

Ebenso bejahe ich grundsätzlich das Recht eines jeden Menschen sein Geschlecht zu wechseln.

Es sollte aber dementsprechend verboten werden Säuglinge, die mit männlichen und weiblichen Genitalien geboren werden, geschlechtsbestimmend zu operieren, so wie es heute noch fast immer gemacht wird. So eine Entscheidung - ob man als Mann, als Frau, oder als Hermaphrodit leben möchte, steht nur dem Betroffenen selbst - als Erwachsenem - zu.

Inakzeptabel ist es Säuglinge zu taufen und damit zwangsweise zu Mitgliedern von Religionsgemeinschaften zu machen. Es steht ihnen frei sich jeder erdenklichen Religion zuzuwenden, wenn sie erwachsen sind.

Ganz entsprechend lehne ich grundsätzlich die Beschneidung von Jungs - und erst recht Mädchen - ab. Wer lieber beschnitten sein will, kann das recht unproblematisch mit 18 durchführen lassen - aber den umgekehrten Weg gibt es nun einmal nicht.

Im Zusammenhang mit dem in Frankreich für gleichgeschlechtliche Partner eingeführten PACS (Pact civile de solidarité); eine Co-Form der Ehe, wurden die üblichen Stimmen laut, daß damit Tür und Tor geöffnet würden. Dann könnten womöglich bald auch drei Leute oder Geschwister heiraten.
Dazu sage ich: Und warum nicht?
Der Pacs beinhaltet Rechte und Pflichten - wieso sollte so ein Bündnis nicht allen denkbaren Konstellationen offen stehen?

Meinetwegen kann jemand auch eine Liebesbeziehung mit seinem Toaster führen.

Letztes Beispiel für heute:
Unter dem Begriff „Apotemnophilie“ machte spätestens die berühmte BBC-Doku von 2000 dieses Leiden bekannt.
Zwei Fälle in Schottland haben eine Diskussion darüber ausgelöst, wie weit Selbstbestimmung gehen darf. Der Arzt Robert Smith aus Filkirk hatte 1997 und 1999 zwei Männern ihre gesunden Beine amputiert, einer der beiden war Deutscher.

Inzwischen wird statt des Begriffs „Apotemnophilie“, Body Integrity Identity Disorder, Kurzform BIID gesagt.
Menschen mit BIID haben den überwältigenden Wunsch sich Gliedmaßen zu amputieren, oder einen der Sinne, bzw die Beweglichkeit (Durchtrennung der Rückgrats) zu verlieren.
Offensichtlich empfinden sie sich selbst als so deutlich erblindet, querschnittsgelähmt, oder einbeinig, daß sie den tatsächlichen (vollständigen) Körper nicht ertragen können.
Die Störung hat bislang keinen Einzug in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders gefunden; dies soll aber 2013 geschehen.
Viele Forscher beschäftigen sich inzwischen mit dem überaus seltenen Phänomen.
So untersuchte 2004 der New Yorker Arzt und Psychiater Michael First 52 Personen mit BIID und kam zu folgendem Schluß:

Results. Seventeen per cent (n=9) had an arm or leg amputated with two-thirds using methods that put the subject at risk of death and one-third enlisting a surgeon to amputate their healthy limb. The most common reported reason for wanting an amputation was the subject’s feeling that it would correct a mismatch between the person’s anatomy and sense of his or her ‘true ’ self (identity). None were delusional. For all but one subject age at onset was during childhood or early adolescence. For those who had psychotherapy or medication there was no change in the intensity of the desire for amputation. The six subjects who had an amputation at their desired site reported that following the amputation they felt better than they ever had and no longer had a desire for an amputation.

Auch Aglaja Stirn, Leiterin der Psychosomatik an der Uniklinik Frankfurt, erforscht BIID. Darüber berichtete letzten Monat die SZ unter der Überschrift Sehnsucht nach dem idealen Schnitt.
Soweit bisher bekannt ist, gibt es analog zur Transsexualität keine Therapiemöglichkeit außer einer angelichenden Operation.
Tatsächlich empfinden sich die BIID’ler nach der gewünschten Verstümmelung als „geheilt“ und glücklicher.
Es gibt also noch keinen Aufschluß über die Ursachen, aber immerhin eine „Heilung“.

Peter Brugger, Leiter der Neuropsychologie an der Uniklinik Zürich, glaubt nicht, dass BIID eine psychologische Ursache hat. Der Neurobiologe vermutet eine Fehlfunktion im Gehirn. Der Körper werde im Gehirn eines BIID-Betroffenen falsch repräsentiert. Brugger hat zu Phantomschmerzen geforscht. BIID könnte das Spiegelbild sein: "Beim Phantomschmerz ist kein Fleisch da, aber die Glieder sind im Gehirn präsent." Bei BIID ist es andersherum. "Es ist Fleisch vorhanden, aber es ist nicht beseelt", sagt der Neurobiologe.

Menschen mit Amputationswünschen sind aber von der Medizin de facto allein gelassen - außer dem erwähnten schottischem Arzt ist kein Mediziner bekannt, der gesunde Gliedmaßen amputiert oder auf Wunsch Querschnittslähmungen herbei führt.

Das ist schlecht.

BIID-Betroffenen muß geholfen werden und ihr Zustand muß akzeptiert werden - und wenn wir es auch noch so schwer nachvollziehen können.

Auch da ist Toleranz gefordert.

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