Freitag, 13. Februar 2009
Sex und Drogen
Nach 30 Jahren Mullah-Regime würde sich vermutlich die Gesellschaft von selbst liberalisieren, wenn nicht von außen so ein großer Politischer Druck auf Teheran herrschte.
Wie immer und überall, läßt sich mit außenpolitischen Angriffen eine innenpolitische Glaubwürdigkeitskrise am besten überspielen.
Den Gefallen tat insbesondere die Bush-Regierung den Herrschern im Iran.
Die beiden größten politischen Gegner und Aggressoren - die Taliban im Osten und der vergleichsweise säkulare Todfeind Saddam im Westen - räumten die Bush-Krieger den Mullahs aus dem Weg.
Sie stärkten die Schiiten im Irak.
Vor allem aber ermöglichte Bush es Ahmadinedschad durch das extrem üble Image Amerikas in der arabischen Welt, Irans Renommee als Antagonist der christlichen Kreuzfahrer aufzupolieren.
Die Lehre, die jedes Regime aus der US-Politik seit 2001 ziehen mußte, ist klar und eindeutig: Wird man als Mitglied der „Achse des Bösen" diffamiert und bezichtigt Massenvernichtungswaffen zu besitzen, wird man im Falle, daß man tatsächlich WMDs hat (Nordkorea) von den USA in Ruhe gelassen, während man in dem Fall, daß man keine WMDs hat, (Irak, Afghanistan) platt gemacht wird.
Jeder Experte für globale Konflikte (Egon Bahr, Scholl-Latour und wie sie alle heißen) gibt unumwunden zu, daß er an der Stelle der iranischen Regierung auch zusehen würde sich möglichst schnell Atomwaffen zu beschaffen.
Wenn man sie erst einmal hat - auch wenn sie illegal erworben wurden, wie im Falle Indiens, Pakistans und Israels, ist nämlich die USA wieder lieb zu einem und bedroht einen sicherlich nicht mehr.
Von der sogenannten „friedlichen Nutzung der Atomtechnologie“ (als ob das so klar zu trennen wäre), will ich gar nicht erst sprechen:
Wieso sollte denn ausgerechnet der Iran NICHT das Recht haben überall AKWs hinzusetzen?
Präsident Ahmadinedschad, der sich bald einer Wahl stellen muß (Wahlen gibt es übrigens in den Lieblingsländern Bushs am Golf, Katar und Saudi Arabien nicht!), steht also Dank der PR-Hilfe aus Washington recht gut da.
Allerdings tritt am 12. Juni offenbar auch der liberalere Ex-Präsident Mohammed Chatami als Kandidat an.
Ohne militärischen Druck von außen und die sich ausweitenden Sanktionen, könnten ein paar Themen im Wahlkampf eine Rolle spielen, die der amtierende Präsident vermutlich nicht so fürchterlich gerne in seiner Bilanz erwähnt.
Es gibt viel Zündstoff und so könnte sich eine Liberalisierung des Regimes auch peu à peu von Innen erzwungen werden
- Zwar sind im Iran mehr Frauen denn je gebildet, aber viele arbeiten nicht in ihren erlernten berufen: Laut den Ergebnissen einer Ministeriums-Studie haben mehr als 90 Prozent der Prostituierten Teherans die Hochschulreife, mehr als 30 Prozent besitzen einen Hochschulabschluss oder studieren.
- 30 Prozent der Schüler haben Erfahrungen mit Drogen, zehn Prozent sind drogensüchtig. Der Leiter der „Armee gegen Drogen“ bezifferte die Zahl der Drogen konsumierenden Schüler allein in Teheran auf 600 000.
- Insgesamt sind im Iran 16 mal so viele Menschen drogenabhängig wie in Deutschland - der weltweit höchste Bevölkerungsanteil. 3,7 Millionen Teheraner sind süchtig nach harten Drogen, die - G.W. Bush sei Dank - nun unkontrolliert und ultrabillig aus Afghanistan nach Persien schwappen. Landesweit sollen es bis zu elf Millionen Abhängige sein. (Keine Garantie für die Zahlen! Ich habe u.a. auch drei und fünf Millionen gelesen). Die frühere Therapieform - Auspeitschen - wurde angesichts der ungeheuren Anzahl inzwischen aufgegeben. Die Mullahs mußten zu modernen Methoden übergehen und verteilen inzwischen kostenlos Spritzen und Substitutionsmedikamente.
- 40% der Iraner leben unter der Armutsgrenze. Bei den Lehrern sind es gar 80%!
- Zwei Drittel der Jugendlichen sind extrem unzufrieden mit ihrer Lage und beklagen die völlige Perspektivlosigkeit. Ca. 60% der iranischen Bevölkerung (~70 Millioen) sind unter 20 Jahre alt; 7 Millionen haben einen Internetzugang.
- Mehr als ein Drittel der Iraner hegt den Wunsch auszuwandern.
- Allein in Teheran gibt es 15.000 obdachlose Straßenkinder.
- Inflation (offiziell 16%) und Arbeitslosigkeit (offiziell 17%) steigen rasant.
Eine Erklärung von Hunderten Iranischen Intellektuellen stellt fest:
„Liebe Landsleute, während die selbsternannten Machthaber und ihre Handlanger gegenwärtig darum bemüht sind, das Volk mit der Spielerei der Präsidentschaftswahlen zu beschäftigen, befindet sich unser Land politisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich in einer der krisenhaftesten Perioden seiner Geschichte…… Ein großer Teil der iranischen Jugend leidet unter moralischem Verfall und Drogensucht. Gefangen in ihrer Einbildung flieht die Jugend vor sich und vor den Realitäten dieser Welt. Offen auf den Straßen ausgetragene Schlägereien werden immer häufiger. In den Gerichten werden mehr als fünf Millionen Akten geführt, die persönliche Konflikte zwischen Familienangehörigen oder Freunden verfolgen. Dazu gehören sowohl Besitzklagen als auch Kriminalprozesse. Allein in den letzten sechs Monaten wurden 146.000 Tote und Verletzte bei Straßenunfällen registriert. Im selben Zeitraum beging in Teheran eine große Zahl von Schülern Selbstmord und ebenso haben mehrere tausend Frauen und Jugendliche in den Provinzen des Landes Selbstmord begangen. In den Gefängnissen werden mehr als hunderttausend Menschen langfristig festgehalten. Mehr als 60 Prozent der Gefangenen sind drogensüchtig und leiden unter Krankheiten. Im Iran gibt es mehr als elf Millionen Drogensüchtige und mehrere zehntausend Menschen sind an Aids erkrankt. Die Anzahl der obdachlosen Kindern und Erwachsenen, die in Kartons auf Straßen schlafen, ist gewachsen und allein in den letzten Tagen sind dutzende Obdachlose erfroren.
Eigentlich also keine Bilanz, mit der der sechste Präsident der Republik Iran, Mahmud Ahmadinedschad, 52, voller Stolz in die Wahlen im Juni gehen könnte.
Aber vielleicht hilft ihm „der Westen“ ja wieder.
NACHTRAG:
Über den Alltag im Iran fand ich soeben einen interessanten Artikel, den Wahied Wahdat-Hagh auf Basis des persischen Textes der Rechtsanwältin Mehrangiz Kar veröffentlichte.
Todesstrafe und Hinrichtungen, Auspeitschungen und körperliche Amputationen kennzeichnen die bittere Realität des Iran, 30 Jahre nach der Islamischen Revolution.
Wie immer und überall, läßt sich mit außenpolitischen Angriffen eine innenpolitische Glaubwürdigkeitskrise am besten überspielen.
Den Gefallen tat insbesondere die Bush-Regierung den Herrschern im Iran.
Die beiden größten politischen Gegner und Aggressoren - die Taliban im Osten und der vergleichsweise säkulare Todfeind Saddam im Westen - räumten die Bush-Krieger den Mullahs aus dem Weg.
Sie stärkten die Schiiten im Irak.
Vor allem aber ermöglichte Bush es Ahmadinedschad durch das extrem üble Image Amerikas in der arabischen Welt, Irans Renommee als Antagonist der christlichen Kreuzfahrer aufzupolieren.
Die Lehre, die jedes Regime aus der US-Politik seit 2001 ziehen mußte, ist klar und eindeutig: Wird man als Mitglied der „Achse des Bösen" diffamiert und bezichtigt Massenvernichtungswaffen zu besitzen, wird man im Falle, daß man tatsächlich WMDs hat (Nordkorea) von den USA in Ruhe gelassen, während man in dem Fall, daß man keine WMDs hat, (Irak, Afghanistan) platt gemacht wird.
Jeder Experte für globale Konflikte (Egon Bahr, Scholl-Latour und wie sie alle heißen) gibt unumwunden zu, daß er an der Stelle der iranischen Regierung auch zusehen würde sich möglichst schnell Atomwaffen zu beschaffen.
Wenn man sie erst einmal hat - auch wenn sie illegal erworben wurden, wie im Falle Indiens, Pakistans und Israels, ist nämlich die USA wieder lieb zu einem und bedroht einen sicherlich nicht mehr.
Von der sogenannten „friedlichen Nutzung der Atomtechnologie“ (als ob das so klar zu trennen wäre), will ich gar nicht erst sprechen:
Wieso sollte denn ausgerechnet der Iran NICHT das Recht haben überall AKWs hinzusetzen?
Präsident Ahmadinedschad, der sich bald einer Wahl stellen muß (Wahlen gibt es übrigens in den Lieblingsländern Bushs am Golf, Katar und Saudi Arabien nicht!), steht also Dank der PR-Hilfe aus Washington recht gut da.
Allerdings tritt am 12. Juni offenbar auch der liberalere Ex-Präsident Mohammed Chatami als Kandidat an.
Ohne militärischen Druck von außen und die sich ausweitenden Sanktionen, könnten ein paar Themen im Wahlkampf eine Rolle spielen, die der amtierende Präsident vermutlich nicht so fürchterlich gerne in seiner Bilanz erwähnt.
Es gibt viel Zündstoff und so könnte sich eine Liberalisierung des Regimes auch peu à peu von Innen erzwungen werden
- Zwar sind im Iran mehr Frauen denn je gebildet, aber viele arbeiten nicht in ihren erlernten berufen: Laut den Ergebnissen einer Ministeriums-Studie haben mehr als 90 Prozent der Prostituierten Teherans die Hochschulreife, mehr als 30 Prozent besitzen einen Hochschulabschluss oder studieren.
- 30 Prozent der Schüler haben Erfahrungen mit Drogen, zehn Prozent sind drogensüchtig. Der Leiter der „Armee gegen Drogen“ bezifferte die Zahl der Drogen konsumierenden Schüler allein in Teheran auf 600 000.
- Insgesamt sind im Iran 16 mal so viele Menschen drogenabhängig wie in Deutschland - der weltweit höchste Bevölkerungsanteil. 3,7 Millionen Teheraner sind süchtig nach harten Drogen, die - G.W. Bush sei Dank - nun unkontrolliert und ultrabillig aus Afghanistan nach Persien schwappen. Landesweit sollen es bis zu elf Millionen Abhängige sein. (Keine Garantie für die Zahlen! Ich habe u.a. auch drei und fünf Millionen gelesen). Die frühere Therapieform - Auspeitschen - wurde angesichts der ungeheuren Anzahl inzwischen aufgegeben. Die Mullahs mußten zu modernen Methoden übergehen und verteilen inzwischen kostenlos Spritzen und Substitutionsmedikamente.
- 40% der Iraner leben unter der Armutsgrenze. Bei den Lehrern sind es gar 80%!
- Zwei Drittel der Jugendlichen sind extrem unzufrieden mit ihrer Lage und beklagen die völlige Perspektivlosigkeit. Ca. 60% der iranischen Bevölkerung (~70 Millioen) sind unter 20 Jahre alt; 7 Millionen haben einen Internetzugang.
- Mehr als ein Drittel der Iraner hegt den Wunsch auszuwandern.
- Allein in Teheran gibt es 15.000 obdachlose Straßenkinder.
- Inflation (offiziell 16%) und Arbeitslosigkeit (offiziell 17%) steigen rasant.
Eine Erklärung von Hunderten Iranischen Intellektuellen stellt fest:
„Liebe Landsleute, während die selbsternannten Machthaber und ihre Handlanger gegenwärtig darum bemüht sind, das Volk mit der Spielerei der Präsidentschaftswahlen zu beschäftigen, befindet sich unser Land politisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich in einer der krisenhaftesten Perioden seiner Geschichte…… Ein großer Teil der iranischen Jugend leidet unter moralischem Verfall und Drogensucht. Gefangen in ihrer Einbildung flieht die Jugend vor sich und vor den Realitäten dieser Welt. Offen auf den Straßen ausgetragene Schlägereien werden immer häufiger. In den Gerichten werden mehr als fünf Millionen Akten geführt, die persönliche Konflikte zwischen Familienangehörigen oder Freunden verfolgen. Dazu gehören sowohl Besitzklagen als auch Kriminalprozesse. Allein in den letzten sechs Monaten wurden 146.000 Tote und Verletzte bei Straßenunfällen registriert. Im selben Zeitraum beging in Teheran eine große Zahl von Schülern Selbstmord und ebenso haben mehrere tausend Frauen und Jugendliche in den Provinzen des Landes Selbstmord begangen. In den Gefängnissen werden mehr als hunderttausend Menschen langfristig festgehalten. Mehr als 60 Prozent der Gefangenen sind drogensüchtig und leiden unter Krankheiten. Im Iran gibt es mehr als elf Millionen Drogensüchtige und mehrere zehntausend Menschen sind an Aids erkrankt. Die Anzahl der obdachlosen Kindern und Erwachsenen, die in Kartons auf Straßen schlafen, ist gewachsen und allein in den letzten Tagen sind dutzende Obdachlose erfroren.
Eigentlich also keine Bilanz, mit der der sechste Präsident der Republik Iran, Mahmud Ahmadinedschad, 52, voller Stolz in die Wahlen im Juni gehen könnte.
Aber vielleicht hilft ihm „der Westen“ ja wieder.
NACHTRAG:
Über den Alltag im Iran fand ich soeben einen interessanten Artikel, den Wahied Wahdat-Hagh auf Basis des persischen Textes der Rechtsanwältin Mehrangiz Kar veröffentlichte.
Todesstrafe und Hinrichtungen, Auspeitschungen und körperliche Amputationen kennzeichnen die bittere Realität des Iran, 30 Jahre nach der Islamischen Revolution.
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2 Kommentare:
Wenn man in Deinem Text ein paar Worte austauscht, eignet er sich 1:1 auch für die USA. Ist schon erschütternd, wie überall die Fundis (ob religiös oder ideologisch) an der Macht sind und sich den Realitäten verweigern. Die Bilder gleichen sich hier wie dort.
Der Nordstern.
Allerdings ist das in den USA schon eher eine selbst gewählte Verblödung als im Iran - dort weiß man ja nicht ganz genau, was die Leute wählen und tun würden, wenn sie wirklich freien Zugang zu allen Informationen hätten und ohne Angst vor der Religionspolizei ihre Meinung sagen könnten.
Offensichtlich finde es ja viele Iranische Jugendliche nicht sooo toll im Iran. Bei den Ami-Jugendlichen sind vermutlich die meisten der Meinung, daß es bei Ihnen ganz super läuft.
In den USA ist es insofern noch krasser, weil z.B. die Sexualpolitik der Enthaltsamkeit und „bloß keine Kondome!!!“-Kampagnen nachweislich komplett gescheitert sind.
Nie und nirgends gab es so viele Teenagerschwangerschaften und sexuell übertragene Krankheiten, wie bei den „Promiskeepern“, die schwören erst in der Ehe Sex zu haben und sich vor Gott aufzusparen.
Siehe Palin, die ihr erstes Kind nach sechs Monaten Ehe bekam und deren Tochter es ja genau so gegangen ist.
Man kann das auch in den USA wissen, daß diese Methoden nicht funktionieren. Trotzdem rasen sie alle in die Kirchen und verdammen die Aufklärung.
LG
T
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