TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Mittwoch, 26. August 2009

Bild, Berlin, Banales

ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender:
Merkel verweigert Debatte
"Wir versuchen mit Händen und Füßen, scharfem Timbre in der Stimme und auch gutem Zureden, alle Spitzenkandidaten in eine Sendung zu bekommen." Doch die Kanzlerin verweigere sich. "Dabei will der Zuschauer doch wissen, unter welchen Bedingungen zum Beispiel die FDP in eine Koalition mit der Union geht und ob das für Angela Merkel tragbar ist." Aber immer habe es Wichtigeres im Terminkalender der Kanzlerin gegeben.

Der Fernsehfürst jammert mit Recht.

Vorbemerkung:

Wie anders die Zeiten doch mal waren.
Gestern Nacht habe ich mir drei Stunden lang die Aufzeichnung der „Elefantenrunde“ unmittelbar vor der Bundestagswahl 1980 angesehen:
Kanzler Helmut Schmidt (SPD), Außenminister Hans Dietrich Genscher (FDP), Oppositionsführer Helmut Kohl (CDU) und Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß (CSU) schenkten sich nichts.
Da wurde mit Fakten und Polemik um sich gehauen, daß ich gebannt vorm Bildschirm festgenagelt war.
Wie schön waren noch die prä-Technik-Schnickschnack-Zeiten, als man die Diskutanten diskutieren ließ, ohne alle 90 Sekunden den Gedankenfluss durch Zuschauerfragen, Einspielflimchen, Sinnloskommentare von der Betroffenencouch, Umfragen und Laufbänder zu unterbrechen.
Eine bodenlose Frechheit, wie uns die TV-Gewaltigen von heute durch Hektik und Kameraregie auf Speed von der unfassbaren Seichtheit ihrer Sendungen abzulenken versuchen.

OK, ich gebe zu, diese 180 Minuten Politik pur von 1980 hatten auch ein Risikopotential - ob man will oder nicht, lernt man die Politfiguren, die einen künftig repräsentieren sollen, recht gut kennen.
Obwohl ich es 16 Jahre schwer geprüft selbst durch litten habe, hatte ich inzwischen schon wieder vergessen wie widerlich und perfide Helmut Kohl damals war.
Was für ein durch und durch mieser Charakter!
Nein, ich kann es den Deutschen immer noch nicht verzeihen, daß sie einem Mauschler wie Genscher verziehen haben, der wider aller Schwüre schließlich Helmut Schmidt gegen Helmut Kohl eintauschte.
Daß Kohl dann auch noch ununterbrochen bis 1998 wiedergewählt wurde ist erst recht nicht zu rechtfertigen.


Aber kommen wir zum Jahr 2009, in dem wieder eine Bundestagswahl ansteht und in dem doch so vieles so anders ist.
Mal abgesehen von der Parteienkonstellation und den handelnden Personen, ist natürlich der Hauptunterschied, daß inzwischen die Politik ausgeklammert wird.

Merkel möchte gemütlich im Schlafwagen zur neuen Amtszeit gefahren werden und dabei nicht von lästigen Sachfragen molestiert werden.
Wer könnte es ihr auch verdenken?
Ein Volk, das über politischen Verstand verfügte und ernsthaft an der Zukunft Deutschland interessiert wäre, würde eine solche Verweigerungshaltung des Regierungschefs mit demoskopischen NULL Prozent quittieren.
Aber so ein Volk haben wir praktischerweise (für Merkel) nicht mehr und so kann sie sich weiterhin ersparen aktiv zu werden.
Wer hätte das gedacht, als Stoiber vor vier Jahren rumnörgelte, daß Merkel in einer großen Koalition aber keine klassische Richtlinienkompetenz des Kanzlers in Anspruch nehmen könne?

Was für eine Frechheit des feigen Oberbayern, der sich dann einnässte, bevor es zum Schwur kam und nach München floh.

So mußte man es Ende 2005 verstehen.
2009 weiß man, wie es Merkel verstanden hatte: „Gott sei Dank! Richtlinienkompetenz will ich gar nicht haben!“

Eine kleine Nebenwirkung der Arbeitsverweigerung der Kanzlerin ist allerdings, daß sich die ein oder andere irrelevante Petitesse gelegentlich selbst zum Quasithema aufbläst.

So geschehen heute im Haushaltsausschuß.
Karl Doemens berichtet:

Zwei Dutzend Kamerateams und unzählige Fotografen drängen sich vor dem Sitzungssaal im Paul-Löbe-Abgeordnetenhaus. "Als im vergangenen Jahr der Bankenrettungsschirm mit 480 Milliarden Euro verhandelt wurde, standen hier fünf Journalisten", erinnert sich ein Teilnehmer kopfschüttelnd. Doch dieses Mal geht es im Haushaltsausschuss nicht um eine abstrakte Zahl mit ganz vielen Nullen, sondern um konkrete Begebenheiten aus dem Grenzbereich zwischen Öffentlichem und Privaten:
Eine Gesundheitsministerin, die findet, die Urlaubsfahrt mit der Dienstkarosse "steht mir zu".
Ein Wirtschaftsminister, der ganze Gesetze bei einer externen Kanzlei schreiben lässt.
Und eine Regierungschefin, die angeblich den Deutsche-Bank-Chef eine noble Geburtstagsfeier im Kanzleramt feiern lässt.


Die drei Themen, für die sich der Deutsche Michel und mit ihm seine Pressevertreter dann doch noch interessieren.
Tagesschau.de läßt - oh wie modern - das Thema sogar interaktiv behandeln.
„Der user“ ist aufgefordert eine Reihenfolge der Skandalträchtigkeit zu erstellen:
Ergebnis:

15% Guttenbergs Auftrag an eine Kanzlei ist die schwerwiegendste Verfehlung.

20% Schmidts Dienstwagennutzung ist die schwerwiegendste Verfehlung

24% Merkels Einladung an Ackermann ist die schwerwiegendste Verfehlung.

Daß 20% Ulla Schmidt nennen, kann man wenn man es freundlich sieht auf die NICHT repräsentative Umfrage schieben.
(Man könnte auch argumentieren, daß der Urnenpöbel verblöded ist.)

Ich schließe mich in dieser causa eindeutig dem Parteienrechtler Prof. Martin Morlok an, der schon gestern in einem SZ-Interview die Angelegenheit gerade rückte:

sueddeutsche.de:
Wenn Sie ein Ranking der drei Affären aufstellen sollten, wie wäre Ihre Reihenfolge?

Morlok:
Erst Guttenberg, das ist für unsere politische Ordnung das Problematischste. Dann lange nichts. Dann Merkel und Ackermann. Dann lange nichts. Und dann, wenn überhaupt, Ulla Schmidt und ihr Dienstwagen.

Recht hat er, der Morlok! Er führt weiter aus:

Na, ich würde die Dinge schon noch getrennt behandeln wollen, wobei die Auslagerung von Gesetzentwürfen eine deutlich eigene Qualität hat. Da fallen mir zwei Punkte auf. Zum einen der finanzielle Aspekt. Wir haben da ein riesiges Ministerium, lauter Leute mit Prädikatsexamen - und hinterher erklären sie sich für nicht in der Lage ein Gesetz zu machen, das deshalb für viel Geld von Anwälten erstellt werden muss. Schwieriger aber ist, dass viele Anwaltskanzleien und besonders die, die Guttenberg engagiert hat, Mandate von Banken haben. Damit wird die alte Idee, dass wir einen öffentlichen Dienst haben, der dem Gerangel privater Interessen enthoben ist, ad absurdum geführt. Wenn wir Steuern erheben, dann soll der Staat mit dem Geld auch seine Aufgaben erfüllen und sie nicht unter der Hand wieder privatisieren.

Die Causa Ackermann sei finanziell irrelevant, jedoch:

Problematisch aber ist, dass eine einzelne Person offenbar einen besonders engen Zugang zur Macht hat und den auch noch öffentlich darstellt. Stellen Sie sich vor, ich wäre ein reicher Öl-Scheich auf der Suche nach einer Bank in Deutschland. Wenn ich höre, dass Herr Ackermann seinen Geburtstag im Kanzleramt feiern kann, na, dann gehe ich doch zur Deutschen Bank, weil ich mir etwas davon verspreche. Herr Ackermann hat durch diese Feier einen unglaublichen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Das Kanzleramt hat hiermit die gebotene Neutralität gegenüber allen Banken, gegenüber allen Bürgern verletzt.

Ackermann, der CDU-Großspender und nebenbei bemerkt auch SPRINGER-Großaktionär hat grundsätzlich erheblich mehr Einfluß auf die CDU-Spitze als andere.
Das zeichnet sich schon lange ab.

Er war es, der das Bankenrettungspaket formulierte.

In Ackermanns finsterster Zeit, als er 2003 als Angeklagter im Mannesmann-Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf stand, weil er seinem Kumpel Klaus Esser, der eben Mannesmann an Vodaphone vertickt hatte, mal eben 60 Millionen DM zuschob, brauchte er Freunde.

Die hatte er - daran erinnert Tagesspiegel Chefredakteur Lorenz Maroldt:

Als Merkel noch nicht Kanzlerin, aber schon CDU-Vorsitzende war, ergriff sie Partei für den unbeliebten Banker im Mannesmann-Verfahren. Sie schimpfte, die Anklage sei ein Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland, und rief: "Ich bin von der persönlichen Integrität von Herrn Ackermann überzeugt." Der bleckte daraufhin die Zähne und spreizte die Finger zum Victory-Zeichen. Ja, so ein Rechtsstaat kann schon mal stören.

Ein Freund, ein guter Freund,…

Ackermann ist bis heute gewöhnt bei der Kanzlerin nach Belieben schalten und walten zu können.
Die ZEIT schrieb schon am 02. April 2009 in dem ausführlichen Artikel „Die Hintermänner“, wie sich Merkel an dem DB-Chef orientiert und ihm Privilegien zugesteht:

Als Josef Ackermann im Februar 2008 sechzig Jahre alt wird, richtet Angela Merkel ein Essen für ihn im Bankettsaal des Kanzleramts aus. 25 Gäste seiner Wahl darf Ackermann einladen.
Wenn er zu früh zu einem Termin ins Kanzleramt kommt, lässt man ihn nicht auf dem Flur warten wie jeden anderen Gast, sondern führt ihn in eines der Büros im Seitenflügel, die eigentlich Staatsgästen vorbehalten sind.

Einige Schweizer sind eben gleicher als gleich.

Das ist zwar weder ein Megaskandal noch überraschend, aber Merkels Verhalten ist nicht koscher.

Interessant ist aber das Rauschen im Blätterwald zu verfolgen, das diesmal so ganz anders instrumentiert ist.

Ich habe mir gestern und heute extra eine BILD-Zeitung gekauft.

Gestern, als schon fast alle Zeitungen die „Ackermann-Sause“ thematisierten, tatsächlich kein einziges Wort zur Ackermann-Party in dem Blatt, das über Tage und Wochen Ulla Schmidt breitgetreten hat.

Und nun noch mal ein Blick auf die anwesenden Gäste:

„Friede Springer wurde gesehen, ihr Vorstandschef Matthias Döpfner, sowie Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann.

Honi soit qui mal y pense

Als kürzlich Angie Merkel im Regierungsjet zu einer privaten Party von Friede Springer nach Sylt jette (das dürfte erheblich teurer als ein Dienstwagen gewesen sein) - stand davon auch nichts in der BILD.

Honi soit qui mal y pense

Merkel taucht aber durchaus auf der gestrigen Titelseite der BILD auf - mit einem rührigen Bericht über ihren Privathaushalt:
Sie schriebe ihrem Man Einkaufzettel, immer am Freitag. Und wenn es die Zeit erlaube, koche und backe sie. Zum Beispiel gerade am Wochenende Johannisbeerkuchen!

BILDs Perfidie geht aber weiter.
Gestern erschien dann online folgende Meldung:

Bundeskanzlerin Angela Merkel (55, CDU) gab am 22. April 2008 ein festliches Abendessen zu Ehren des zwei Monate zuvor 60 Jahre alt gewordenen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann. Und wie das bei Einladungen im Kanzleramt häufiger der Fall ist, durfte der Geladene Vorschläge für die Gästeliste machen. Doch beteiligte Gäste, wie der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Frank Schirrmacher (49), können die Aufregung nicht verstehen.


Das kommt also häufiger vor? Interessante Informationen hat die BILD da - angesichts der Tatsache, daß das Bundeskanzleramt ausdrücklich beteuerte:
Übrigens eine Ehre, die sonst keinem anderen in den vergangen vier Jahren zuteil wurde, wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht.

Der Tagesspiegel stellt richtig:

Mit der Einladung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wurde in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Tagesspiegel-Informationen erstmals eine ranghohe Persönlichkeit mit einem Abendessen im Kanzleramt geehrt.
Erstmals verschickte Merkel im Fall Ackermann auch Einladungskarten, die ausdrücklich den Geburtstag eines Gastes zum Anlass für die Zusammenkunft nahmen, und überließ dem Jubilar die Auswahl der Gäste.
Eine solche Ehrung hat es auch in der Zeit der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) nach Auskunft seines Büros nicht gegeben.
"An einen vergleichbaren Fall können wir uns nicht erinnern", hieß es in einer Mitteilung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Schröder habe "seine Gäste stets selbst ausgewählt und eingeladen. Das macht den Unterschied zum aktuellen Fall aus."

In der Printausgabe von heute stellt dann das Tittenblatt aus dem Springerkonzern die Tatsachen vollends auf den Kopf.
Nun ist auf einmal die arme Frau Merkel so bescheiden und richtig rumgeprasst habe sowieso nur Gerhard Schröder!

Als ob irgendwer bestreiten würde, daß Regierungschefs zu großen Essen einladen dürfen!

Was aber nicht geht ist, daß Merkel von Ackermann die Bedingungen diktiert bekommt! Daß sie seinen Geburtstag zum Anlass nimmt, ihn die Gäste, die er im Bundeskanzleramt sehen möchte, aussuchen zu lassen!

Wie BILD Wahlkampfmacht berichte auch die SZ:

Medienjournalist Christoph Schultheis, Mitbegründer des erfolgreichen Website Bildblog.de, hat in den vergangen Jahren die Bild-Zeitung so intensiv beobachtet wie kaum ein anderer. Sein Urteil: "Bild berichtet nicht über Wahlkampf. Bild macht Wahlkampf." Um Merkel zu unterstützen, gehe die Bild "bis an die Grenzen des journalistisch halbwegs vertretbaren", sagte er sueddeutsche.de. Das sei schon im Wahlkampf 2005 so gewesen. Und das spiegele sich jetzt auch in der Bild-Berichterstattung über den Fall Ackermann wider.

Merkel hat aber mit Kai Diekmann, Döpfner und Springer die richtigen Gäste im Amt gehabt, wie man jetzt an dem intensiven Einsatz der BILD-Medienmacht für die Kanzlerin erkennt:

Im Hauptkommentar der BILD von Einar Koch heißt es:
„Jetzt wird der Kanzlerin ein Abendessen mit Wirtschaftsgrößen …als VERMEINTLICHER Skandal vorgehalten. SO EIN UNFUG!“
Rechts-Außen Hugo Müller-Vogg schreibt in der BILD von heute mit gespielter Empörung:
SPD und „Die Linke“ planen am Mittwoch im Haushaltsausschuss ein „Ackermann-Tribunal“.
Die Angeklagte: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Ihr „Vergehen“: Die Kanzlerin soll dem Chef der Deutschen Bank eine private Feier ausgerichtet haben – auf Kosten des Steuerzahlers.
Richtig ist: Merkel gab am 22. April 2008 ein festliches Essen – zu Ehren des zwei Monate zuvor 60 Jahre alt gewordenen Josef Ackermann.
Und wie das bei Einladungen im Kanzleramt häufiger der Fall ist, durfte der Geladene Vorschläge für die Gästeliste machen.
Essen wie dieses finden häufig statt.
Die Kanzlerin trifft sich mit Managern wie Gewerkschaftern, Künstlern wie Autoren.
Während der Fußball-WM 2006 hatte sie die halbe Fußballnationalmannschaft bei sich sitzen. Und öfters bittet Merkel den einen oder anderen Geladenen um Vorschläge für weitere interessante Gäste. Was die sozialdemokratischen Akteure in diesem absurden Theater offenbar ganz vergessen haben: Kanzler Gerhard Schröder (SPD) gab für solche Einladungen viel mehr Geld aus als seine Nachfolgerin. Besonders beim Rotwein und den kubanischen Zigarren wurde zu rot-grünen Zeiten nicht gespart.

Na bitte - für die CDU-Chefin lohnt sich das Kuscheln mit Springer, Ackermann und Co.

Die Milliardär-Freunde lassen sie nicht im Stich.

Die Deutsche Bank leistete übrigens nach dem jüngsten Rechenschaftsbericht der CDU mit 280.000 Euro die größte Einzelspende an die Merkel-Partei.

NACHTRAG:

Man lese auch bitte die Postings zum Thema des Bildblogs (die alle nach diesem Artikel erschienen):

Springers bei der Ackermann-Sause 1


Springers bei der Ackermann-Sause 2


Springers bei der Ackermann-Sause 3

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