Kann man denn nicht auch mal einfach nur feiern und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen?
Dabei hatte sich Angela Merkel, die von Springer zur „Gipfel-Königin“ Hochgejubelte, mal wieder auf ihr erprobtes Erfolgsrezept verlassen:
Wann immer sie internationalen Verhandlungen, Gipfeln oder sonstigen Zusammenkünften vorsteht und damit auch die Tagesordnung bestimmen kann, erinnert sie sich an die Lehren ihres Ziehpapas Kohl.
Alles, das ohnehin unstrittig ist, wird mit weiterer Harmoniesoße übergossen, so daß sich jede Menge wahlkampftaugliche Grinsebilder schießen lassen.
Alles, das wichtig, kompliziert und richtungsweisend ist, wird einfach von der Tagesordnung gekippt und auf den St Nimmerleinstag geschoben.
So hat es die Kanzlerin schon in Heiligendamm und während ihrer EU-Präsidentschaft gehalten.
Die big points wurden beharrlich ignoriert.
Afghanistan? Irak? VERBINDLICHE Klimaschutzziele? Aufnahme neuer Staaten in die Nato oder EU? Regeln für den Finanzmarkt?
Statt sich darüber umständlich zu unterhalten, schwieg Merkel alles tot.
Baden Baden /Straßburg sollten eigentlich genauso funktionieren:
Jubel, Trubel, Heiterkeit. Festbankette, bunte Fliegerstaffeln, tränenrührige 60-Jahr-Feiern, symbolträchtige Rückkehr von Super-Sarko zurück in die Militärstrukturen und nebenbei noch möglichst viel Obama-Glanz für die Bundestagswahlen im Herbst abbekommen.
In Afghanistan läuft es doch eh alles vorbildlich - was soll man sich über Details streiten? Als Sahnehäubchen noch die Krönung von Merkels Wunschkandidaten zum neuen NATO-Generalsekretär - hach, wär das nett gewesen.
Wäre gewesen. WÄRE.
Und nun kommen die Zimperliesen aus Ankara und spucken in Angies Suppe!
Ausgerechnet die Türken, die Merkel sowieso nicht leiden kann.
Immerhin hatte sie Erdogan einst aufs Pult geschissen und ihm die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft entzogen.
Immerhin ein seit 40 Jahren ausdrücklich auch von der CDU gegebenes Versprechen.
Immerhin ein ausdrücklicher Wunsch ihres Busenfreundes GWB.
Immerhin ein Gebot der Fairness.
Immerhin eine ökonomische Notwendigkeit.
Immerhin eine strategische außerordentlich wünschenswerte Maßnahme, um anderen islamischen Staaten ein Beispiel zu geben, wie es auch gehen könnte.
Aber nein, auch wenn Merkels Idol Kohl eine türkische Schwiegertochter hat - die Türken kann sie nun mal nicht ab.
Zurecht - wird sie sich gerade denken.
Tatsächlich schien der türkische Präsident Abdullah Gül offensichtlich den Gipfel scheitern zu lassen, indem er hartnäckig seine Zustimmung zu der Personalie Rasmussen verweigerte.
Und womit macht das der türkische Präsident?
Recht haben die Türken! Rasmussen ist wirklich ein schlimmes Signal als NATO-Chef.
Nicht nur, weil er ein Affront für die islamische Welt ist.
Anders als augenblicklich von der Presse behauptet, ist Anders FR nicht nur wegen seiner Haltung im Streit um die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung fragwürdig.
Die Berufung des dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen belohnt auch ein echtes Charakterschwein mit einem extrem wichtigen internationalen Posten.
Der Venstre-Parteichef schlug ein neues Kapitel in der dänischen Politik auf, indem er sich mit Hilfe der rechtsradikalen Dänischen Volkspartei im Amt hielt.
Dort begann er mit einem Westerwelle-pur-Kurs und drückte ein radikal-heuschreckophiles Wirtschaftsprogramm durch, das sich massiv zu Gunsten der Reichen auswirkte.
Die Dänen am unteren Ende der sozialen Skala waren die Leidtragenden.
Allerdings nicht so leidtragend, wie die in Dänemark lebenden Ausländer, denen es unter Fogh-Rasmussen zunehmend an den Kragen ging.
Mit der sprichwörtlichen dänischen Liberalität, die dem Land zu geradezu märchenhaften Reichtum verholfen hatte, war es schlagartig vorbei.
(2007 BIP pro Kopf [$]:
Dänemark: 57.261, dazu im Vergleich Deutschland: 40.415)
Die rechte Dänenregierung ging dermaßen rabiat xenophobisch vor, daß sich Königin Margarethe genötigt sag zu protestieren. Sie stand dabei nicht allein, Rasmussens Regierung wurde 2004 auch vom Menschenrechtskommissar des Europarats gerügt.
Unnötig zu erwähnen, daß Rasmussen auch ein glühender Verehrer George W. Bushs war und gleich 2003 dänische Soldaten mit in den Irak-Krieg schickte.
Das mögen alles Positionen sein, die der CDU-Parteichefin gefallen, aber selbst Merkel sollte wissen, daß AFR grundsätzlich nicht vertrauenswürdig ist, wie seine ungeheuerlichen Indiskretionen in der Polit-Doku "Alles Banditen - Wenn europäische Politiker unter sich sind" (von 2003) zeigten.
Damals half er einem Kamerateam seine europäischen Regierungskollegen zu blamieren, indem er selbst verkabelt und mit Minikamera ausgestattet allerlei O-Töne ohne Zustimmung der anderen Beteiligten zugänglich machte.
Nur der eingeweihte Rasmussen machte so auf Kosten von Schröder, Putin und Co eine gute Figur.
Schade, daß die Türkei zuletzt doch einknicken mußte.
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