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Dienstag, 26. Oktober 2010

Zementierung

Loben wir heute mal zur Abwechslung die USA!
In Amerika gibt es zwar ein vergleichsweise miserables soziales Netz und es erleichtert das Leben natürlich ungemein, wenn Papi reich und mächtig ist - siehe GWB.
Aber Amerika ist auch eine Meritokratie (Herrschaft durch nach ihren Verdiensten ausgewählte Amtsträger).
Sich hochzuarbeiten wird durchaus anerkannt.
Die Top-Unis bieten eine Menge Stipendien und wer so eine Ausbildung durchläuft, hat durchaus beste Karrierechancen, auch wenn das Elternhaus ärmlich ist.
Hillary Rodham, Barack Obama, William Clinton und Michelle Robinson sind solche Beispiele.
Sie kommen allesamt aus einfachen Verhältnissen und erarbeiteten sich ihre „Meriten“ selbst.
In diesem Sinne ist Amerika tatsächlich „bunt“ - eine Top-Ausbildung öffnet den Karrierelift nach ganz oben, auch wenn man türkisch, asiatisch, schwarz oder hispanisch aussieht.

Deutschland hingegen ist das am wenigstens meritokratische Land überhaupt.

Fleiß und Eigeninitiative allein reichen nur selten für einen Aufstieg. Daneben spielt auch das Elternhaus eine große Rolle für Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken. Das liegt nicht zuletzt an den Besonderheiten des deutschen Bildungssystems mit der frühen Weichenstellung nach der 4. Klasse. Auch das stark ausgeprägte Berufsprinzip bietet im späteren Arbeitsleben wenig Gelegenheit, durch eine berufliche Neuausrichtung sozial aufzusteigen.
(Bildungsklick.de)

Im Lande Merkels und Westerwelle bestimmt so stark wie nirgendwo sonst das Portemonnaie der Eltern die Chancen.

Die soziale Herkunft entscheidet in Deutschland deutlich stärker als in anderen Ländern über die Aufstiegschancen. In kaum einem Industriestaat sei die Durchlässigkeit der Gesellschaft so gering wie in der Bundesrepublik, heißt es in einer Studie des Soziologen Reinhard Pollak vom Wissenschaftszentrum Berlin im Auftrag der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Weniger als ein Prozent der Bevölkerung schafft es demnach aus einem Elternhaus, in dem der Vater ungelernter Arbeiter ist, selbst in eine leitende Angestelltenposition. Dagegen werden zwei Drittel der Kinder aus einer leitenden Angestelltenfamilie selbst leitende oder hochqualifizierte Angestellte. "Wir sind auf dem Weg zu einer geschlossenen Gesellschaft, in der die soziale Herkunft über beruflichen Erfolg und sozialen Status entscheidet", sagte Stiftungsvorstand Ralf Fücks.
(AFP)

Die Ergebnisse der Studie "Kaum Bewegung, viel Ungleichheit“ sind zwar wenig überraschend, aber dafür umso schockierender und blamabler für Deutschlad.

Die pekuniäre Elite ist sogar politisch aktiv, um das Aufsteigen der lästigen Konkurrenten zu verhindern.
Der mittlerweile legendäre Hamburger „Gucci-Protest“ brachte das entlarvende Kampfwort von dem „akademischen Proletariat“ hervor.

Die Bewohner der Blankeneser Villen mit Elbblick akzeptieren einen Arbeiterabkömmling noch lange nicht - nur weil er den gleichen Universitätsabschluß wie sie selbst hat.
Unglücklicherweise kann man dieses perfide und asoziale Verhalten nicht als bedauerliche Ausfälle Einzelner abtun, nein, sie erreichten immerhin eine Mehrheit bei einer Volksabstimmung und wurden anschließend von niemand anderem als der obersten Zuständigen, der Bundesbildungsministerin Schavan, dafür gelobt die Primarschulen, die eine spätere Separierung von Armen und Reichen mit sich gebracht hätten, verhindert zu haben.

Ralf Fücks,Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung ist entsetzt:

"Deutschland bietet Jugendlichen aus dem unteren Drittel der Gesellschaft nicht genügend Aufstiegschancen. Damit verplempern wir zugleich ungezählte Talente, die das Land angesichts des wachsenden Fachkräftemangels dringend braucht." Insbesondere das Bildungssystem müsse nach oben durchlässiger werden, Universitäten und Betriebe verstärkt Nachwuchskräfte aus bildungsfernen Schichten fördern. "Eine Einwanderungsgesellschaft kann nur Bestand haben, wenn jede und jeder die Chance hat, durch Bildung und Arbeit aufzusteigen".
(Bildungsklick.de)

Statt also wie andere Länder Akademiker mit türkischen oder arabischen Wurzeln mit offenen Armen zu empfangen, jagen wir sie lieber davon.
Selbst diejenigen, die nicht frustriert ins Ausland abwandern, behindern wir, indem wir wie kein anderes Land Abschlüsse anderer Länder nicht anerkennen.
Eine Weißrussin, die mehrere Jahre Berufserfahrung als Chirurgin hat, darf in deutschen Krankenhäusern trotz Ärztemangel eben doch nur die Böden wischen.

Ukrainische Chemiker, die Taxi fahren. Irakische Architekten, die Büros putzen und ägyptische Ärzte, die Praktika absolvieren. Fast jeder kennt Geschichten von Migranten, die in Deutschland nicht in ihren gelernten Berufen arbeiten können. Das ist seit Langem ein ernsthaftes Problem für die Betroffenen und seit Neuestem auch für die deutsche Politik.
Das Bildungsministerium schätzt die Zahl der unter ihrer Qualifikation beschäftigten Migranten in Deutschland auf mindestens 300.000.
Bis 2050 könnte Deutschland 164 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaften, würden diese Menschen ihren Qualifikationen entsprechend beschäftigt, hat das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft errechnet. Auf der anderen Seite steht der Fachkräftemangel. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schätzt, dass der deutschen Wirtschaft schon heute 36.000 Ingenieure und 66.000 Computerspezialisten fehlen. Ein Problem, das sich wegen des demografischen Wandels in Zukunft wesentlich verschärfen wird.

(Carsten Lißmann und Lisa Caspari, 18.10.10)

Mit aller Macht versuchen sich die bestehenden deutschen Eliten Konkurrenz mit unlauteren Mitteln vom Leibe zu halten.

Es ist schon makaber, daß genau diejenigen, die dafür verantwortlich zeichnen, das frühselektive Dreiklassenbildungssystem beizubehalten (als einzige Partei unterstützte die Hamburger FDP den Gucci-Protest) nun jammern, wie teuer uns der Fachrkräftemangel zu stehen komme.

Die dramatische Fachkräftelücke kommt die Gesellschaft laut Wirtschaftsminister Rainer Brüderle teuer zu stehen. Alleine 2009 habe es Verluste von 15 Milliarden gegeben.
(ZEIT18.10.10)

Sicher, man könnte natürlich Geld in deutsche Schulen investieren.
Mit einigem finanziellen Aufwand ist die noch vor drei Jahren als „Horrorschule“ bekannt gewordene Neuköllner Rütli-Lehranstalt zu einem „Bildungsleuchtturm“ geworden.
Ein „Idyll“, das international bewundert wird.

Wo früher Terror war entsteht heute der Campus Rütli, eine Oase der Bildung auf 48.000 Quadratmetern. Eine Multifunktionshalle soll Sporthalle und kultureller Mittelpunkt für den Kiez werden. Außerdem wird ein Gebäude gebaut, in das eine Ausbildungswerkstätte, die Volkshochschule und ein Elterncafé einziehen werden. Auch die Musikschule wird hier Räume haben.
(Spon 26.10.10)

Es ist aber eben nur diese eine prominente Schule, in die derart investiert wird.
Generell betrachtet sind der Bundesregierung die Chancen der Jugend, und damit die Zukunft Deutschlands nach wie vor egal - bestenfalls.
Es ist eher davon auszugehen, daß Schavan und Co bewußt die Jugendlichen weiter verdummen lassen.
Geld ist jedenfalls für alles andere da.
Für Hoteliers, für Banken, für die Pharmaindustrie, für die Atomindustrie, für Energie-intensive Betriebe und alle anderen, die über eine finanzstarke Lobby verfügen.

Also nicht für Migranten und Schüler.

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