TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 13. Juli 2010

Überflüssige Studien - Teil II.

Zu den bereits diskutierten Ergebnissen (Konservative sind dümmer als Linke, Atheisten sind schlauer als Gläubige, Handytelephonate vergrößern die Unfallgefahr) kann ich heute noch ein Ergebnis eines Gutachtens anfügen, das so überraschend wie das „Amen in der Kirche“ ausfiel.

Thema Kinderquäler in Berlin.

Canisius?

Ja, das sind die mit den hehren Grundsätzen.
Das Elitegymnasium Berlins gibt stolz auf der Webseite bekannt:

DIE 4 GRUNDSÄTZE
Die 4 Grundsätze jesuitischer Pädagogik sind für den deutschen Sprachraum in den 90er Jahren in einem gemeinsamen Prozess der Schulleitungen und Lehrerkollegien der Jesuitenschulen erarbeitet worden: Jesuitenschulen sollen Orte sein, an denen

1. die Schüler und Schülerinnen ihre Würde als Mensch erfahren
2. über die Bedeutung des Gelernten reflektiert wird
3. die Frage nach der Gerechtigkeit gestellt wird
4. die Frage nach Gott wachgehalten wird.

Punkt 1 ist dabei ein wenig suboptimal gestaltet worden - zumindest für die Paarhundert Jungs, die von „Pater Pavian“ und Co verprügelt, sexuell belästigt und vergewaltigt worden sind.

Klickt man auf „Aktuelles“, erhält man eine „persönliche Erklärung vom 30. Januar 2010“ in der es unter anderem heißt:
„…Ich danke den überwältigend vielen Zusprüchen und ermutigenden Worten aus der Elternschaft am Canisius-Kolleg, die das Anliegen der Transparenz bei der Aufklärung der Missbräuche in den 70er und 80er Jahren gemeinsam mit uns teilen. Ihr Vertrauen, liebe Eltern, ist ein großer Schatz für die ganze Schule. Ich bin stolz auf die Schülerinnen und Schüler des Canisius-Kollegs, die aus erkennbarer innerer Überzeugung mit der Schule und dem Kollegium solidarisch sind….“
Man vertraut sich also.

Und war da etwa noch irgendwas seit Januar?

Wer als Ermittler/Gutachter/Ansprechpartner/Ombudsmann/Aufklärer ausgewählt wird, sagt gelegentlich mehr aus, als die „Ergebnisse“.

So wählten die Ettaler Benediktiner den Anwalt Thomas Pfister, der vorher damit aufgefallen war im Auftrag von Deutschlands schlimmsten Bischof Müller (Regensburg) die Opfer von Priesterlichen Sexattacken mundtot zu machen.
Später schickte der Vatikan Benediktiner-Mönche als Visitatoren zu den Benediktiner-Mönchen, die wenig überraschend als erstes den zurück getretenen Abt rehabilitierten - er amtiert inzwischen wieder.

Der Wiener Kardinal Schönborn machte Waltraud Klasnic zur Opferbeauftragten der Österreichischen Kirche. Die ultrakonservative Klasnic hatte vorher den höchsten Vatikanischen Orden, den päpstlichen „Gregorius-Orden für den Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion“ verliehen bekommen.

Nun hätte der Berliner Canisiuschef Klaus Mertes SJ ein Zeichen setzen können und eine unabhängige Person als Gutachter benennen können.
Michael Schmidt-Salomon zum Beispiel stünde nicht unter Verdacht ein Gefälligkeitsgutachten zu erstellen und würde damit auch Pater Mertes Ruf als „Aufklärer“ festigen.

Zu entscheiden hatte allerdings sein Chef; Mertes selbst trat nicht weiter in Erscheinung. Benannt wurde die strenggläubige Katholikin Andrea Fischer.

Der Provinzial der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann SJ, hat Andrea Fischer um ein solches Sondergutachten, konzentriert auf Missbrauchsfälle im Canisius-Kolleg, gebeten, „um auch nur den Schatten eines Verdachtes zu beseitigen, der Orden sei nicht an einer lückenlosen Aufklärung interessiert“.
(Jesuiten.org)

Fischer dürfte sicherlich kein Interesse daran haben der katholischen Kirche zu schaden.
Soviel ist sicher.
Schön für die Jesuiten.

Fragt sich nur, wie man der Kirche schadet und wie man ihr hilft.

In dem Zusammenhang verweise ich erneut auf Heribert Prantls Laudatio zur Verleihung der „Geschlossenen Auster“, in der er darlegt, daß Medienschelte und Vertuschung der Kirche mehr schaden als ehrliche Aufklärung.

Man kann diese Haltung auch Andrea Fischer unterstellen - schließlich ist sie kirchenpolitisch keine Unbekannte und äußert sich seit Jahren immer wieder im Sinne der RKK.

Kernsätze des Fischergutsachtens sind demensprechend:

Der Jesuitenorden hat mit seinem ernsthaften Bemühen um Aufklärung und Verstehen der Fehler bislang in vieler Hinsicht beispielhaft gehandelt.
(s.17)

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Orden ein aufrichtiges Interesse daran zeigt, dass die Aufklärung erfolgt und dass keine Ergebnisse verschwiegen werden, mögen sie auch noch so unangenehm sein.
(s.18)

Das Glaubenskonstrukt an sich wird sie nicht in Frage stellen, sie glaubt an den positiven Einfluß der Katholischen Katechismus‘ auf die Kindererziehung und wird andererseits nicht tumb à la Müller alles abstreiten.

Nüchtern wurde Bekanntes noch einmal aufgelistet:

Im Bericht der Missbrauchsbeauftragten vom Mai 2010 ist von 205 Meldungen die Rede, die den Jesuiten-Orden betreffen. Pater Anton wurde 41mal im Zusammenhang mit Berlin genannt, drei weitere Meldungen kamen aus Göttingen. Pater Bertram betreffen 26 Vorwürfe aus seiner Zeit am Canisius-Kolleg, sechs Vorwürfe aus seiner Zeit an der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg sowie 17 Vorwürfe, die seine Zeit in St. Blasien betreffen. Damit sind 49 Fälle bei der Missbrauchsbeauftragten angemeldet. Pater Bertram selber spricht in seinem Laisierungs-Antrag von „etlichen hundert Fällen“, in denen er Kinder und Jugendliche geschlagen hat. Pater Christian wird von zwölf Meldungen beschuldigt, etliche Betroffene geben an, von mehr Fällen zu wissen. Eine Meldung zu Lehrer Dieter ist im Rahmen dieses Berichts eingegangen. Sowohl der Rektor des Canisius-Kollg Pater Mertes als auch der Rektor des Kollegs St. Blasien Pater Siebner berichten von einigen weiteren Meldungen, die bei ihnen eingegangen sind, die sie auf ausdrücklichen Wunsch der Betroffenen nicht an die Missbrauchsbeauftragte weitergeleitet hat. Von Seiten der Opfer wurde berichtet, dass sie von weiteren Betroffenen wissen, die von sich aus darauf verzichtet haben, sich bei der Missbrauchsbeauftragten des Ordens zu melden. Darüber hinaus ist es möglich, aus der Struktur der Missbrauchstätigkeiten von Pater Anton und Pater Bertram (und den von ihm selber gemachten Aussagen) darauf zu schließen, dass die Zahl der Betroffenen deutlich höher gewesen sein dürfte als es in den Meldungen zum Ausdruck kam. Für Pater Anton wird von deutlich über 100 Opfern ausgegangen, auch auf Pater Bertram dürfte eine deutlich höhere Opferzahl zurückgehen als die derjenigen, die sich jetzt gemeldet haben.
(Sondergutachten S.1 f)

Auf insgesamt 20 Seiten wird beschrieben wie die Täter vorgingen - das ist keine angenehme Lektüre - aber what else is new?

Frau Fischer bewertet die Vorgänge abschließend für jeden Täter einzeln - beispielsweise Pater Bertram:

Alle mit dem Fall Pater Bertram befassten Jesuiten haben sich in den vergangenen Monaten mit dem heutigen Wissen genau befasst und es diskutiert. Durchweg betonen sie, dass ihnen damals das Ausmaß und die Folgen der Taten von Pater Bertram nicht bewusst war und dass es ihr großes Versäumnis gewesen sei, die Taten von Pater Bertram über die Versetzung von seiner aktuellen Position hinaus nicht weiter verfolgt zu haben. In Gesprächen mit den verantwortlichen ehemaligen Oberen wird ihre Selbstprüfung deutlich und ihre Beschämung angesichts ihrer Versäumnisse. Auch die Erklärung, dass in der damaligen Zeit ein geringeres Bewusstsein für die Probleme bestand, die für Opfer sexuellen Missbrauchs entstehen, wird nicht als Entschuldigung eingesetzt.
(S.13)

Über den Umgang mit den Opfern dokumentiert die Gutachterin Kritikpunkte des sogenannten „Eckigen Tisches“ (Zusammenschluß der Opfer):

In dieser Diskussion wurde die Kritik formuliert, dass nur die ehemaligen Abiturienten von Pater Mertes angeschrieben wurden, somit nicht diejenigen erreicht wurden, die vorzeitig von der Schule abgegangen waren. Pater Mertes will nicht anders handeln, zum einen, weil er sich nicht in der Lage sieht, Personen und Adressen in diesem Umfang zu ermitteln, vor allem aber, weil er es für geboten hält, die Tatsache zu respektieren, dass sich diese Personen von sich aus nicht melden. Er sieht eine erneute Übergriffigkeit darin, ginge ihre alte Schule jetzt wieder auf sie zu. Er hat die Vertreter des Eckigen Tischs gebeten, ihm Adressen zukommen zu lassen von Schülern, von denen bekannt ist, dass sie Kontakt wünschen.
(s.16)

[…] Die Mehrheit der Opfer, die geantwortet haben auf den Fragebogen, erwarten Hilfe bei therapeutischer Betreuung. Dazu sind inzwischen die Opfer angeschrieben und befragt worden, wessen sie genau bedürfen. Bei allem Verständnis dafür, dass der Orden Grundlagen braucht für die Beurteilung der Angemessenheit der Forderungen, ist bislang eher der Eindruck entstanden, dass die erbetenen Auskünfte in übermäßig formaler Weise erbeten wurden und eine übermäßige Vielzahl von Informationen erbracht werden müssen. Es stünde dem Orden sicher gut an, sich hier großmütig zu zeigen. Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, dass es eine pauschale Entschädigung der Betroffenen geben sollte. Dazu verweist der Jesuitenorden bislang auf die notwendige Verständigung am Runden Tisch der Bundesregierung.
(s.17)

Frau Fischer bewertet abschließend:

Der Jesuitenorden hat in den hier diskutierten Fällen sexuellen Missbrauchs als pädagogische Institution und als moralische Autorität versagt. So begrenzt die Informationen im einzelnen gewesen sein mögen, zumindest die Verantwortlichen hatten hinreichend Informationen, dass sie hätten handeln können und müssen. Zu keiner Zeit wurde an die Kinder und Jugendlichen gedacht und Sorge getragen, ihnen zu helfen.
(s.18)

Der letzte Satz ist dabei eine Binse - zu der Erkenntnis kommt man seit mindestens einer Dekade bei allen Meldungen über den Umgang mit Schutzbefohlenen in Katholischen Bildungseinrichtungen.

Eine kleine Überraschung enthält Frau Fischers Bericht dennoch - sie empfiehlt den Jesuiten doch tatsächlich zu zahlen.
Mit einer solchen Initiative könne der Orden den Opfern seinen 'ernsthaften Willen zur Sühne erkennbar und spürbar machen'.
Konkrete Summen nennt sie aber nicht.

Es ist derzeit nicht absehbar, wann der Runde Tisch eine entsprechende Vereinbarung treffen wird. Angesichts der Tatsache, dass mit dem Bericht der Missbrauchsbeauftragten ein unbestrittenes Dokument über die Vorfälle vorliegt und auch angesichts der Tatsache, dass aus dem Dokument und aus Gesprächen bekannt ist, dass und wie die Opfer geschädigt worden sind, sollte der Jesuitenorden nicht länger auf die Ergebnisse des Runden Tisches warten und nach einem eigenen Weg suchen für Entschädigungsverfahren.
(s.20)

That is new!
Geld gibt die Kirche nämlich gar nicht gerne her!
Noch kein einziger Cent wurde von Ettal, den Regensburger Domspatzen oder den Jesuitenschulen an Prügel- und Sexopfer überwiesen.
Na, das wird Pater Mertes aber nicht gefallen - hätte er mal auf eine Gutachterin bestanden, die einen „Gregorius-Orden für den Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion“ trägt.

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