TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Samstag, 17. Juli 2010

Orientierungslos

Das mit der Demokratie ist eigentlich eine schöne Sache.
Zumindest in der theoretischen Form, die sie in der Gedankenwelt der Vordenker Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu und Jean-Jacques Rousseau hatte.
Volkssouveränität bedeutete, daß kein absoluter Herrscher die alleinige Macht ausübte.
Das Volk, bestehend aus lauter aufgeklärten, gebildeten und politisch Interessierten sollte entscheiden. Bei den alten Griechen funktionierte das sogar ein paar wenige Jahre lang.
Man traf sich in der Polis Athen und diskutierte die anstehenden Probleme aus.
Die Diskutanten waren glücklicherweise eine überschaubare Menge, denn selbstverständlich hatten Besitzlose, Arbeiter, Sklaven oder gar Frauen NICHTS zu melden.

Im Deutschland des Jahres 2010 haben viel mehr Leute was zu sagen - sogar Frauen.

Alle Erwachsenen aber natürlich nicht.
Ich zum Beispiel darf mich nicht an der kleinsten Abstimmung beteiligen - obwohl ich seit mehr als vier Dekaden in Deutschland lebe.
Aber ich habe das falsche Blut, was wiederum einen falschen Pass bedeutet.
Wäre mein Vater Deutscher - und nicht nur meine Mutter - hätte ich auch einen deutschen Pass. Aber der weibliche Elternpart ist nach dem deutschen Recht zur Zeit meiner Geburt irrelevant.

So darf ich in Hamburg nicht über die Schulreform mit abstimmen und schon gar nicht Bürgerschaft oder Bundestag wählen.

Ein bißchen Schwund gibt es aber immer.
Anderswo gehen mal Urnen voller Wahlzettel verloren, streiken Wahlcomputer oder der Urnenpöbel ist leider nicht intelligent genug, um zu verstehen wo und wie man eine Wahlkarte abknipst.


Es ist auch alles nicht so einfach.


Diese politischen Dinge sind irgendwie so kompliziert.

Um zu beurteilen, was richtig für die Zukunft ist, müßte man sich womöglich sogar inhaltlich damit beschäftigen, das ein oder andere Wahlprogramm lesen und Parlamentsdebatten verfolgen.
Nur, wann soll man das tun, wenn man schon rund um die Uhr beschäftigt ist mit Public Viewing, Grillen, Stefan Raab glotzen, Saufen, Feiern, Grölen, Daily-Soaps konsumieren etc pp?

Viele wählen daher gar nicht mehr - ist ja auch öfter mal am Sonntag (habe ich mir sagen lassen) und da will man ja auch mal ausschlafen.

Diejenigen, die wählen haben Alternativkriterien entwickelt, um sich nicht die Mühe zu machen sich sachlich zu informieren.
Also kreuzen sie an - je nach dem was die BILD empfiehlt, ob einer sympathisch wirkt, sich für den eigenen Fußballverein interessiert und ob man jemand anders damit eins auswischen kann.
Intuitive Vorlieben sollen es richten.

Und hier bekommen wir ein Problem in Deutschland.
Ein Land, dessen Bürger am liebsten auch auf Reisen nur deutsch sprechen und nur deutsches Essen wollen. Dessen Bürger sich millionenfach Volksmusik-Shows reinziehen, sich für Socken in Gummisandalen entscheiden und meinen Wolkenstores, Laminat und Gartenzwerge wären schick. Dessen Einwohner allen Ernstes Currywurst als Lieblingsgericht betrachten und exzessiv Verbotsschilder aufhängen.

Solche Menschen wählen dann 16 Jahre einen der ihren immer wieder zum Kanzler, der in Strickjacke rumläuft, ein Aquarium im Amtszimmer hat und täglich Saumagen fressen will.
Der ewige Kanzler hatte allerdings eine Geheimwaffe, mit der er sich die Sympathien erwarb - er tat nichts, saß alles aus und nahm den Wählern die Angst, daß sich irgendwas verändern könnte.

Unglücklicherweise dreht sich die Welt heute viel schneller.
Keine Regierung kann mehr das Kanzleramt in eine gemütliche Chill-out-Lounge umwandeln und der Dinge harren, die da kommen mögen.

Nein, es rumpelt weltweit derartig, daß die Probleme zu ihnen kommen.

Aus dem Tiefschlaf aufgeschreckt, werden dann doch mal Entscheidungen gefällt.
Das mögen Wähler GAR NICHT und reagieren wie kleine beleidigte Leberwürste.
Sie zahlen es der Bundesregierung in den Ländern heim, lassen den Bundesrat kippen, verhindern damit Entscheidungen und beklagen sich dann anschließend, daß alles schief läuft.

Man erinnert es kaum noch - aber Schröder trat Ende 1998 mit einer rotgrünen Mehrheit in beiden Parlamentskammern an.
Allein, es währte nur einige Monate.
Schon die Ankündigung das vollkommen verstaubte und weltweit fast einmalig archaische auf dem Blutrecht basierende Staatsbürgerschaft zu ändern, trieb die Hessen im Januar 1999 an die Seite Kochs.

Und aus war es mit der SPD-Bundesratsmehrheit.
Fortan ging es in jeder Landeswahl bergab für die SPD.

Merkel hatte es in der großen Koalition besser - da sie immer jemand anders verantwortlich machen konnte.
Die SPD war keine Wahlalternative, da sie ebenfalls noch regierte.

Ab 2009 haben wir wieder die normalen Verhältnisse - ein Block regiert im Bund und wird promt in den Ländern abgestraft.

Ich prophezeie, daß solange Westerwelle und Merkel im Amt bleiben in den Ländern eine CDU-Pleite nach der nächsten folgen wird.

Das ist das kleine bundespolitische Einmaleins.

Die Grundrechenarten beherrschen auch die CDU-Landesfürsten. Sie wissen, daß sie alle vom Wähler demnächst eins auf den Deckel bekommen werden.

Zu verhindern wäre dies nur mit einer gut und überzeugend agierenden schwarz-gelben Truppe im Bund - und da können wir alle mal drüber lachen.

Wenn Ole von Beust morgen auch offiziell seinen Wohnsitz nach Sylt verlegen wird (schon seit Jahren macht er einen großen Bogen um das Hamburger Rathaus), wird Merkel ihren sechsten CDU-Landesfürsten innerhalb kürzester Zeit verloren haben.

Althaus, Oettinger, Koch, Rüttgers, Wulff und Beust.
Köhler machte auch ganz oben den Abflug.

Kein Wunder, daß ebenfalls die zweite Reihe Reißaus nimmt.
Merkel verliert sogar enge Vertraute im Kanzleramt - Ulrich Wilhelm und Hildegard Müller zum Beispiel.
Die Landesminister setzten sich da zwangsläufig auch ab.
Besser jetzt die sinkenden Kähne verlassen als später.
Beusts Kronprinz, der Hamburger CDU-Chef und Finanzsenator Freytag lief vor drei Monaten davon.

In Hessen mochte ohne Koch auch Silke Lautenschläger (Hessische Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) nicht mehr bleiben.
Gestern wurde bekannt, daß sich Finanzminister Karlheinz Weimar ebenfalls absetzt.

Alles rennet, rettet, flüchtet.

Ungünstig nur, wenn man noch so jung ist, daß man finanziell noch nicht ausgesorgt hat.

Wenn man beispielsweise erst 32 Jahre alt ist, wie Kristina Schröder.
Jene strammrechte Hessin, die als Teenagerin ihren Schulranzen mit Helmut Kohl-Bildchen beklebte und Roland Koch als ihr großes Vorbild bezeichnet.
Sie hat ihren Leuchtturm verloren und debakuliert auf schwerwiegendste Art. Selbst hart auf Parteilinie rudernde FDP und Unions-Abgeordnete sind geschockt von der Doofheit der Jungministerin.

Die Pläne der Familienministerin, Geringverdienern das Elterngeld zu kürzen, sind ungeschickt und unanständig zugleich. Aber das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Politisches Ungeschick hat einen Namen: Kristina Schröder.
(Felix Berth)

Ordentlich zusammenstreichen will das Kabinettsküken bei Geringverdienern, Paaren mit Minijobs und Aufstockern. Arbeit soll sich nicht lohnen - so das Zeichen. Hochverdiener werden selbstverständlich nicht angetastet und bekommen weiterhin volles Elterngeld.

Schröders Pläne sind ungeschickt und unanständig zugleich. Ungeschickt, weil die Ministerin versucht, Zumutungen nur portionsweise öffentlich zu machen. Den Ärger, den sie damit jetzt bekommt, hätte sie sich teilweise erspart, wenn sie alle Grausamkeiten früh benannt hätte. Schlimmer als dieser ängstliche Dilettantismus ist jedoch Schröders Mangel an Realitätssinn. Die Ministerin vergisst, dass die reiche Bundesrepublik ein dramatisches Problem hat: Kinderarmut.
[…] Wird Schröders Plan umgesetzt, rutschen wieder Tausende Kinder in die Armut. Wenn gleichzeitig Familien mit höchsten Einkommen verschont werden, ist das obszön.
(Felix Berth)

Bundestagswahlen sind erst wieder im Jahr 2013.
Vorzeitige Neuwahlen werden Union und FDP angesichts der Umfragewerte meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Für den deutschen Doofmann an der Wahlurne, der eben noch mit riesiger Mehrheit auf das Paar Guido und Angie gesetzt hatte, bleibt nur übrig sich in den Ländern zu rächen.

Viel Spaß für Mappus, Klöckner und Böhmer im März 2011!

2 Kommentare:

IM hat gesagt…

Nun ist er ja auch offiziell weg, Ole Beust. Ist das eine Chance für die Opposition? Wann sind eigentlich die nächsten Wahlen in HH?

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ IM:

Eigentlich würde im Winter 2012 wieder gewählt.

Ich warte mal ab wie die Abstimmung über die Primarschule ausgeht.
Wenn der Senat verliert (und danach sieht es aus) haben die Grünen ein Problem sich einfach hinter Ahlhaus zu versammeln, denn der ist unbeliebt und ein Hardliner.
Ob das die Hamburger so gut finden, wenn der ohne Wahl einfach so installiert wird - mit dem Segen der Grünen?
Das könnte ihnen schwer im Ansehen schaden.

Andererseits: Wenn es Neuwahlen gäbe, wäre die CDU mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit raus aus der Regierung.
Deshalb wird die CDU alles dafür tun Neuwahlen zu verhindern.

Es sei denn die GAL findet einen Grund, aus dem sie offiziell die Koalition platzen lassen könnte.
Ist aber nicht einfach das zu erklären….

Wird spannend.

LGT