Dienstag, 6. Juli 2010
An den Worten messen.
Politiker können einem leidtun. Dauernd werden von ihnen irgendwelche Statements erwartet und dann sollen diese auch noch fundiert und ehrlich sein.
Kurze, knappe Sätze haben den Nachteil, daß sie erinnert werden und einem später vor die Füße fallen, wenn sie sich als Lüge heraus kristallisieren.
„Mehr netto vom brutto“ war das allgemeine schwarz-gelbe Motto.
Herausgekommen ist nun nach Sparpaket und Gesundheitsreförmchen ein deutliches „Weniger netto vom brutto“ - höherer Arbeitslosenversicherungsbeitrag, höherer Krankenkassenbeitrag und höhere Zuzahlungen.
Rösler sagte im ARD-Fernsehen am Montagabend: „Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben.“ Die Menschen dürften nicht wieder das Gefühl haben, „dass Krankheit und Gesundheit immer teurer“ würden, ohne dass das System besser werde. Er sei trotz aller Widerstände in der Koalition „sehr überzeugt“, dass er die Union für sein Modell gewinnen werde, schließlich habe auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer den Koalitionsvertrag unterschrieben. „Dort steht ja unser Modell vereinbart schon drin.“
(FAZ, 02.02.10)
Nachdem Neunmonate-Murx („Gurkentruppe, Wildsäue,..“) wurde heute das totale Scheitern Röslers offenbar.
Es ist genauso gekommen, wie er es nicht wollte.
Das Gegenteil des Versprochenen.
Nun wollen Medien und Opposition, daß Rösler an seinen eigenen Worten gemessen wird und zurück tritt.
Das ist nicht fair - Rösler war ganz ehrlich.
Er sagte, daß ihn im Falle seines Scheiterns niemand mehr als Gesundheitsminister haben wolle.
DAS STIMMT. Ihn will wirklich niemand mehr haben.
Er hat aber nicht gesagt in dem Fall zurück zu treten - auch das stimmt; Rösler ist heute stolz auf seinen „Erfolg“ und bleibt im Amt.
Ein anderer Fall:
„Wir schützen die Verbraucher zuverlässiger vor unerwünschter Telefonwerbung.“
(O-Ton Angela Merkel, Bundeskanzlerin, 12.05.2009).
Panorama berichtete* am 1. Juli 2010 daß, im Gegenteil, die pestigen Telefonwerbeanrufe zugenommen haben.
„Wir bekommen mehr Beschwerden als in der Vergangenheit. Offensichtlich scheint also hier dieses kriminelle Milieu sich noch weiter zu entwickeln, also das heißt, das Gesetz nach unserer Erfahrung bringt nichts.“
(O-Ton, Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein)
Der Grund ist, daß die Bundesregierung vor der Call-Center-Lobby eingeknickt ist.
„Es wäre ganz einfach und sehr wirksam gewesen was alle Experte vorgeschlagen haben: Wenn es eine Regelung gibt, die sagt: wenn diese Telefonverträge, also Verträge die am Telefon geschlossen wurden, sind erst wirksam wenn sie in Textform bestätigt werden.
(Stefan Richter, Rechtanwalt)
Das ging aber nicht mit Merkel.
Hat sie die Wahl zwischen den Interessen der Normalbürger und der Geld-Lobby, ist klar für wen sie entscheidet.
Sie wird sich aber dennoch ärgern, daß sie im Mai 2009 ausnahmsweise so deutlich wurde. Ein seltener Fehler - üblicherweise formuliert die CDU-Chefin so watteweich, daß die Sätze gänzlich ohne Inhalte auskommen.
(Unnötig zu erwähnen, daß die eigentlich zuständige Ministerin - Schnarchnase Schnarrenberger auch dieses Thema komplett ignoriert und sich wie bei SWIFT um ihren eigentlichen Job drückt)
Sinnentleert dahinplappern kann auch der neue Bundespräsident Wulff.
In seinen Aussagen wird man nichts finden, auf das man ihn irgendwann festnageln könnte.
Er will ein „Bürgerpräsident“ sein, wie es auch Horst Köhler war - der bei den Bürgern so ungeheuer Beliebte.
Die gebräuchliche Formulierung ist „nah am Bürger“ das Amt zu führen.
Ein bürgernaher Präsident also.
Seinem Amtsvorgänger Köhler dankte Wulff für dessen Einsatz für Deutschland. „Der Kummer über Ihren Rücktritt hat noch einmal gezeigt, wie nah Sie unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern waren.“
(Hannoversche Allgemeine 02.07.10)
„Nah am Bürger“ ist ein perfekter Begriff.
Er klingt so sympathisch und so bescheiden und hat gleichzeitig so gar keine Aussage.
Eine völlige Leerformel.
Wie es tatsächlich mit der Bürgernähe Köhlers war, konnte kürzlich bei West.art Prof. Dr. Gerd Langguth erzählen, der in seiner Köhler-Biographie von 2007 (!!) immerhin richtig festgestellt hatte, daß Westerwelle der einzige Mann der politischen Klasse sei, der Köhler für geeignet für das Bundespräsidentenamt hielt.
Für sein Buch hatte er rund 80 Personen interviewt, die mit Köhler zusammengearbeitet hatten.
Natürlich wollte er auch gerne Köhler, den ach so bürgernahen Präsidenten, selbst sprechen und fragte schriftlich nach einem Interview an.
Immerhin ist Langguth ein sehr bekannter Politikwissenschaftler und zudem auch noch ein CDU-Parteifreund Köhlers.
Der bürgernahe Köhler wollte aber nicht und ließ mitteilen, daß „der Herr Bundespräsident wegen der haptischen Wertigkeit eines Taschenbuchs nicht zu einem gesonderten Gesprächszugang bereit“ sei.
Ja, ein echter Kumpeltyp, der Köhler.
*
Kurze, knappe Sätze haben den Nachteil, daß sie erinnert werden und einem später vor die Füße fallen, wenn sie sich als Lüge heraus kristallisieren.
„Mehr netto vom brutto“ war das allgemeine schwarz-gelbe Motto.
Herausgekommen ist nun nach Sparpaket und Gesundheitsreförmchen ein deutliches „Weniger netto vom brutto“ - höherer Arbeitslosenversicherungsbeitrag, höherer Krankenkassenbeitrag und höhere Zuzahlungen.
Rösler sagte im ARD-Fernsehen am Montagabend: „Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben.“ Die Menschen dürften nicht wieder das Gefühl haben, „dass Krankheit und Gesundheit immer teurer“ würden, ohne dass das System besser werde. Er sei trotz aller Widerstände in der Koalition „sehr überzeugt“, dass er die Union für sein Modell gewinnen werde, schließlich habe auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer den Koalitionsvertrag unterschrieben. „Dort steht ja unser Modell vereinbart schon drin.“
(FAZ, 02.02.10)
Nachdem Neunmonate-Murx („Gurkentruppe, Wildsäue,..“) wurde heute das totale Scheitern Röslers offenbar.
Es ist genauso gekommen, wie er es nicht wollte.
Das Gegenteil des Versprochenen.
Nun wollen Medien und Opposition, daß Rösler an seinen eigenen Worten gemessen wird und zurück tritt.
Das ist nicht fair - Rösler war ganz ehrlich.
Er sagte, daß ihn im Falle seines Scheiterns niemand mehr als Gesundheitsminister haben wolle.
DAS STIMMT. Ihn will wirklich niemand mehr haben.
Er hat aber nicht gesagt in dem Fall zurück zu treten - auch das stimmt; Rösler ist heute stolz auf seinen „Erfolg“ und bleibt im Amt.
Ein anderer Fall:
„Wir schützen die Verbraucher zuverlässiger vor unerwünschter Telefonwerbung.“
(O-Ton Angela Merkel, Bundeskanzlerin, 12.05.2009).
Panorama berichtete* am 1. Juli 2010 daß, im Gegenteil, die pestigen Telefonwerbeanrufe zugenommen haben.
„Wir bekommen mehr Beschwerden als in der Vergangenheit. Offensichtlich scheint also hier dieses kriminelle Milieu sich noch weiter zu entwickeln, also das heißt, das Gesetz nach unserer Erfahrung bringt nichts.“
(O-Ton, Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter Schleswig-Holstein)
Der Grund ist, daß die Bundesregierung vor der Call-Center-Lobby eingeknickt ist.
„Es wäre ganz einfach und sehr wirksam gewesen was alle Experte vorgeschlagen haben: Wenn es eine Regelung gibt, die sagt: wenn diese Telefonverträge, also Verträge die am Telefon geschlossen wurden, sind erst wirksam wenn sie in Textform bestätigt werden.
(Stefan Richter, Rechtanwalt)
Das ging aber nicht mit Merkel.
Hat sie die Wahl zwischen den Interessen der Normalbürger und der Geld-Lobby, ist klar für wen sie entscheidet.
Sie wird sich aber dennoch ärgern, daß sie im Mai 2009 ausnahmsweise so deutlich wurde. Ein seltener Fehler - üblicherweise formuliert die CDU-Chefin so watteweich, daß die Sätze gänzlich ohne Inhalte auskommen.
(Unnötig zu erwähnen, daß die eigentlich zuständige Ministerin - Schnarchnase Schnarrenberger auch dieses Thema komplett ignoriert und sich wie bei SWIFT um ihren eigentlichen Job drückt)
Sinnentleert dahinplappern kann auch der neue Bundespräsident Wulff.
In seinen Aussagen wird man nichts finden, auf das man ihn irgendwann festnageln könnte.
Er will ein „Bürgerpräsident“ sein, wie es auch Horst Köhler war - der bei den Bürgern so ungeheuer Beliebte.
Die gebräuchliche Formulierung ist „nah am Bürger“ das Amt zu führen.
Ein bürgernaher Präsident also.
Seinem Amtsvorgänger Köhler dankte Wulff für dessen Einsatz für Deutschland. „Der Kummer über Ihren Rücktritt hat noch einmal gezeigt, wie nah Sie unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern waren.“
(Hannoversche Allgemeine 02.07.10)
„Nah am Bürger“ ist ein perfekter Begriff.
Er klingt so sympathisch und so bescheiden und hat gleichzeitig so gar keine Aussage.
Eine völlige Leerformel.
Wie es tatsächlich mit der Bürgernähe Köhlers war, konnte kürzlich bei West.art Prof. Dr. Gerd Langguth erzählen, der in seiner Köhler-Biographie von 2007 (!!) immerhin richtig festgestellt hatte, daß Westerwelle der einzige Mann der politischen Klasse sei, der Köhler für geeignet für das Bundespräsidentenamt hielt.
Für sein Buch hatte er rund 80 Personen interviewt, die mit Köhler zusammengearbeitet hatten.
Natürlich wollte er auch gerne Köhler, den ach so bürgernahen Präsidenten, selbst sprechen und fragte schriftlich nach einem Interview an.
Immerhin ist Langguth ein sehr bekannter Politikwissenschaftler und zudem auch noch ein CDU-Parteifreund Köhlers.
Der bürgernahe Köhler wollte aber nicht und ließ mitteilen, daß „der Herr Bundespräsident wegen der haptischen Wertigkeit eines Taschenbuchs nicht zu einem gesonderten Gesprächszugang bereit“ sei.
Ja, ein echter Kumpeltyp, der Köhler.
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4 Kommentare:
Ich weiß gar nicht was alle haben... Hat die Pharmaindustrie nicht netto mehr vom Brutto der Arbeitnehmer? Na also, das war es doch, was die FDP denen versprochen hatte.
Das 15% der Wähler sich zum Deppen gemacht haben, weil sie geglaubten, sie wären beim "mehr" dabei (so viele Hoteliers, Manager und Pharmaproduzenten gibt es ja nicht), kann man doch nicht den Mövenpickligen vorwerfen.
Gruß
Omnibus56
PS: Wer Zynismus findet darf ihn behalten.
@ Omnibus56
Da hast Du natürlich schon Recht.
Den Ärzten ist - DANK FDP - auch eine Nullrunde erspart geblieben.
Die gesetzlichen Kassen hatten das ja angeregt.
Aber Rösler konnte ja nun nicht seine treuesten Wähler vergrätzen...
LGT
Tammox wird langsam besser. Bei einer Beschwerde über einen cold-call schickt die Bundesnetzagentur ein Anzeigenformluar, in dem die "Telefon-Nr." des Anrufers angegeben werden muss. (Sie verlangt ausserdem noch andere Details, an die man sich in der Hektik gar nicht mehr erinnern kann.)
Halloo??? Die Nummer ist doch nach wie vor unterdrückt. Vielleicht kommen die Anrufe ja jetzt aus dem Ausland. Die spinnen, die Datenschützer.
@ gerdos -
Das ist ja DIE Bestätigung für das alte Argument, daß man Verträge nicht für gültig erklären hätte sollen, die nur mündlich am Telefon in einem Werbegespräch beschlossen wurden.
Deswegen wollten ja die Verbraucherschützer, daß man zu keinen Zahlungen und Verträgen verpflichtet sein dürfte, bevor man die nicht in Papierform unterschrieben hätte.
Aber DAS hat die CDU abgeschmettert.
Da weißt Du immerhin wem Du dafür danken kannst!
LGT
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