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Sonntag, 25. Juli 2010

Stiefschwestern.

Es ist ein wichtiges und grundlegendes Prinzip des Humanismus, daß stets die nächsten Nachbarn am meisten gehasst werden.
Eine lange Liste von Pogromen zeugt davon mit welcher Verve sich gute Christenmenschen gewalttätig über ihr direktes Nebenan hergemacht haben.

Nachbarn mit Mißgunst zu überziehen gilt dabei in allen erdenklichen Maßstäben.

So haben die USA, die schon im Bürgerkrieg und bei der Ausrottung der Indianer zeigten, was sie von ihren Mitbewohnern hielten, noch im 20. Jahrhundert mal eben so 120.000 ihrer Landsleute, die japanischer Abstammung waren, ab 1942 in Internierungslagern (War Relocation Centers) zusammengepfercht.

Im Europa des 21. Jahrhunderts werden fast überall leidenschaftlich Nachbarn diskriminiert - ob es nun ungarischen Minderheiten in Rumänien, Roma in Ungarn, Protestanten in Nordirland oder Walonen in Flandern sind.
In herzlicher Abneigung sind sich ebenfalls Bayern und Österreicher, Katalanen und Spanier, Korsen und Franzosen, oder Griechen und Türken verbunden.
Von den „heißen Konflikten“ auf dem Balkan, in Nahost, auf Zypern oder im Kaukasus will ich gar nicht erst anfangen.

Aber auch im kleinsten Maßstab setzt der Mensch Zeichen.
Allein in Deutschland sollen 500.000 Gerichtsverfahren zwischen Nachbarn anhänglich sein.
Eine ganze Industrie von Anwälten lebt davon, daß sich nette Hausfrauen exzessiv mit ihren Wohnungsnachbarn zoffen.

Es scheint immer derjenige zu sein, mit dem man sich direkt vergleicht, der zu Unfrieden führt.


Im Norden Deutschlands bilden Hamburg und Berlin so ein Nachbarpaar.


Es handelt sich zwar nicht um direkte Nachbarn im lokalen Sinne, aber die beiden Stadtstaaten sind die größten Städte Deutschlands und konkurrieren schon deswegen miteinander.

Interessanterweise sind sich die Untertanten Wowereits und Beusts vielfach gar nicht ähnlich.
Die Berliner scheinen eher einen Minderwertigkeitsomplex zu haben, den sie mit großer Klappe ("Berliner Schnauze") überkompensieren, während die Hamburger stillen Lokalpatriotismus leben und ihr hanseatisches Understatement kultivieren.

Berlin hat mit 3,4 Millionen Menschen doppelt so viele Einwohner wie Hamburg (1,8 Mio), die aber wesentlich enger zusammengepresst sind.
So hat Berlin mit 3834 Einwohnern pro Quadratkilometer nur 890 km² Fläche, während Hamburg relativ gesehen größer ist und es bei 2344 Einwohnern pro Quadratkilometer auf immerhin 756 km² bringt.
Hamburg ist erheblich reicher als Berlin - mit nur halb so vielen Einwohnern erwirtschaftet die Elbstadt ein BIP von 86 Mrd Euro, während es die Spreemetropole auf 80 Mrd Euro bringt.

Im Bundesländer-Ranking des Bruttoinlandproduktes liegt Hamburg ganz vorn, (Platz 1: Hamburg, Punktwert: 8,54, BIP pro Kopf: 47.800 Euro. Wachstumsrate: 1,8 Prozent) während Berlin auf einem der drei letzten Plätzen verankert ist (Platz 14: Berlin, Punktwert: 2,24, BIP pro Kopf: 23.300 Euro, Wachstumsrate: 0,3)

Als Hamburger will ich gerne einräumen, daß es für diese sehr unterschiedlichen Kennzahlen ein ganzes Bündel von Ursachen gibt.
Viele sind keineswegs Verdienste Hamburgs, sondern purer Zufall - so spielte insbesondere nach 1945 die unvergleichlich günstigere Lage der Hanseaten eine Rolle.
Man hatte einen riesigen Seehafen und enge wirtschaftliche Verbindungen zum Umland - London zum Beispiel wurde stets als enger Handelspartner angesehen.
Umgekehrte Vorzeichen bei der Hauptstadt, die über Dekaden durch ihre Binnenlage und vom Umland eingemauert, extrem benachteiligt war.

Ein Blick auf die Parallelen der beiden Stadtregierungen ist recht amüsant.

Die Schwesterstädte ahmen sich gegenseitig in erstaunlich vielen Aspekten nach - allerdings nicht unbedingt in direkter zeitlicher Folge, sondern randomisiert.
Beispiele:

1) Import von SPD-Bürgermeistern aus dem Süden.

Klaus Karl Anton von Dohnanyi ist zwar geborener Hamburger, wurde aber 1981 aus Kohls Heimat geholt. Er war seit 1979 Landesvorsitzenden der SPD in Rheinland-Pfalz.
Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel wurde in Göttingen geboren, kann aber durch seine lange Amtszeit als Münchner Bürgermeister (1960 - 1972), sowie seine Zeit als Landesvorsitzender der SPD Bayern (1972 bis 1977) durchaus als Bayer gelten. Er wurde 1981 Berliner Bürgermeister.

2.) Frauen.

1989 machte Bürgermeister Momper Schlagzeilen, als er erstmalig in Deutschland ein Kabinett mit einer Frauenmehrheit bildete (acht Frauen, sechs Männer).
1986 waren die Hamburger Grünen (GAL) mit einer reinen Frauenliste in die Bürgerschaft eingezogen (10,4 %)

3.) Legendäre Persönlichkeiten.

Obwohl Hamburg und Berlin Bundesländer sind, ist ihre Politik natürlich sehr kommunal. Umso erstaunlicher, daß aus den Reihen der Regierungen auch bundesweit strahlende Sterne hervorgingen: Max Brauer, Ulrich Klose, Helmut Schmidt und Klaus von Dohnanyi in Hamburg, sowie Willy Brandt, Egon Bahr, Jutta Limbach, Ernst Reuter und Richard von Weizsäcker in Berlin.

4.) Schwule.

Beide Städte haben seit 2001 schwule Stadtoberhäupter.

5.) Schlimmer CDU-Sumpf.

Beide CDU-Landesverbände machten mit mauschelnden und oft jenseits der Legalität agierenden Christdemokraten Schlagzeilen.
Unfassbar nach wie vor die Geschehnisse Anfang der 90er in Hamburg: Die Wahl von 1991 brachte eine absolute Mehrheit für die SPD. Diese Wahl wurde vom Hamburgischen Verfassungsgericht 1993 für ungültig erklärt, da die CDU ihre Kandidaten undemokratisch aufgestellt hatte und mußte wiederholt werden. Eine ganze Reihe Hamburger CDU-Spitzenkandidaten waren echte Brechmittel, die mit der Justiz Probleme bekamen - Jürgen Echternach, Walther Leisler Kiep, Hartmut Perschau und Michael Freytag beispielsweise.
Geradezu legendär sind die Widerlinge, die der Berliner CDU-Landesverband hervorbrachte. Selbst Angela Merkel soll intern wiederholt die Berliner CDU als den schlimmsten Landesverband überhaupt verflucht haben. Für diese unselige Tradition stehen Namen wie Klaus-Rüdiger Landowsky, Heinrich Lummer und Frank Steffel.

6.) Finanzkatastrophe.

Berlin ging in diesem Fall voran. Die landeseigene Bankgesellschaft Berlin wurde von Berliner Lokal-Größen der CDU so nachhaltig ruiniert, daß bis heute Milliardenschulden auf dem Land lasten. CDU-Großzampano Klaus-Rüdiger Landowsky (ehemaliger Berlin-Hyp-Chef) wurde im Zusammenhang mit AUBIS wegen Untreue strafrechtlich verurteilt.
Hamburgs CDU zog erst ab 2008 nach und sicherte dem Land unter der Führerschaft der CDU-Finanzsenatoren Peiner und Freytag ein 13-Milliarden-Euro-Loch, das sie bei der HSH-Nordbank angerichtet hatten.

7.) Schlagende Verbindungen.

Eberhard Diepgen war von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 Regierender Bürgermeister von Berlin und strahlte ein Höchstmaß an Provinzialität aus. Er war Mitglied der verbotenen Burschenschaft Saravia zu Berlin; einer rechtslastigen schlagenden Verbindung, deren Schmisse Diepgen stolz trug.
Bis vor Kurzem hätte ich gedacht, daß so eine Type undenkbar für das Spitzenamt in Hamburg wäre - aber man soll sich nicht zu früh freuen. Der designierte Bürgermeister Ahlhaus gehört ebenfalls in dieses Milieu, wie sich nun immer mehr bestätigt:

Sie stehen zum Vaterland, verweigern Frauen die Mitgliedschaft und fechten die Mensur: die "Turnerschaft Ghibellinia Heidelberg". Ein Herr mit früherem Kontakt zu dieser Burschenschaft soll bald Hamburg regieren: der Noch-Innensenator der Hansestadt Christoph Ahlhaus (CDU). Durch die Bürgerschaft wabern schon lange Gerüchte um Ahlhaus schlagende Verbindung. Insider behaupten, der Innensenator sei bei der "Turnerschaft" in Heidelberg engagiert gewesen. Ahlhaus Sprecher Thomas Butter, räumt gegenüber der taz ein: "Als Kommunalpolitiker hatte Herr Ahlhaus diese Kontakte."
[…] Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linksfraktion, sagt: "Nun stellt sich heraus, dass Ahlhaus enge Beziehungen zu dem extrem rechten Milieu einer schlagenden Verbindung hatte, er muss sich klipp und klar von seiner Vergangenheit distanzieren."
(taz 23.07.2010)

[Die GAL ist offenbar SEHR flexibel]

8.) Personalaustausch.

Die Spitzenjuristin Prof. Lore Maria Peschel-Gutzeit war von 1991 - 1993 Justizsenatorin in Hamburg, anschließend übte sie das gleiche Amt von 1994 - 1997 in Berlin aus, um dann von 1997 - 2001 erneut Justizsenatorin in Hamburg zu werden.





Daß Persönlichkeiten aus dem aktuellen Berliner Senat die sich selbst auflösende Ahlhaus-Mannschaft in Hamburg verstärken, dürfte inzwischen als ausgeschlossen gelten.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

»Humanismus ist eine Weltanschauung, die auf die abendländische Philosophie der Antike zurückgreift und sich an den Interessen, den Werten und der Würde des einzelnen Menschen orientiert. Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten als wichtige humanistische Prinzipien menschlichen Zusammenlebens.« (Zitat Wikipedia)

Ich vermute mal, Du wolltest sagen:
»Es ist ein wichtiges und grundlegendes Prinzip des realen menschlichen Miteinanders, daß stets die nächsten Nachbarn am meisten gehasst werden.« Dem (und dem Rest) könnte ich dann zustimmen. ;-)

Gruß
Omnibus56

Anonym hat gesagt…

3834 Einwohnern pro Quadratmeter?

jakebaby hat gesagt…

@ Anonym

Wusstest du nicht, dass die Menschen in Berlin buchstaeblich aufeinander leben?

Mit den 'Begriffen Human'ismus, Menschlichkeit, .... verbinde ich schon lange und stetig zunehmend Negatives. Ohne dies uber einen Kamm zu scheren, beziehe ich mich zuzueglich auf die einschlaegige Interpretation of Human Nature, welche grundlegend das imaginaerpositive Gespinnst des Humanismus untergraebt.

Vielleicht sollte man 'Unmenschlich als Ausdruck fuer Gutes einfuehren.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Anonym:

3834 Einwohnern pro Quadratmeter?

Oha - das wäre ja enger als bei der Loveparade in Duisburg.
Da habe ich wohl einen kleinen booboo gemacht. Wird sofort korrigiert - danke.


@ Omnibus56

Du hast natürlich recht.
Aber mit dem Wort “Humanismus“ bin ich schon lange auf Kriegsfuß.
Es hat genau wie die Begriffe „animalisch“ oder „christlich“, bzw „unchristlich“ völlig falsche Konnotationen.
Ich halte „christlich“ gar nicht für gut und alles was im Tierreich vor sich geht in der Regel für besser, als das was die Menschen (=humans) zustande bringen.

Das sind Begriffe von denen ich mich gerne lösen würde.

(Stimmt es eigentlich wirklich, daß „herrlich“ von „HERR“ und „dämlich“ von „DAME“ abgeleitet wird?
Auch so ein falsch konnotiertes Wortpaar)


@ Jake


Ups - Dein Kommentar sehe ich gerade erst, während ich meine Antwort hier einfügen wollte.
Zwei Doofe - ein Gedanke.

LGT

jakebaby hat gesagt…

Sei froh, dass ich ein ausgesprochener Unmensch bin. Fuer den, wenn auch kollektiven, Doofen, haett ich dich als Humanist unverzueglich unterlassen. :-)