TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Samstag, 7. November 2009

Aus dem Nähkästchen.

Vor rund zehn Jahren bekam ich Besuch von einer Verwandten aus Amerika.
Der Flieger landete am Samstagabend und eins der ersten Dinge, die sie von mir zu wissen begehrte, war: „Wann gehst Du morgen zur Kirche?“
Der Mund ging ob meiner Antwort ‚gar nicht‘ ziemlich weit auf.

Nach einigen Schrecksekunden folgte ein vorsichtiges „Wieso denn nicht?“.
Meine zweite Antwort - because I don’t believe in god - gab ihr dann endgültig den Rest.

Wo war sie hier nur gelandet?
Das mußte offensichtlich die Hölle auf Erden sein.
Freundlich mitfühlend und inkonsequent wie ich bin, bekam ich aber recht schnell Mitleid.
Das arme Wesen - gestrandet in Hamburg, sprach kein Wort Deutsch und sollte nun auch noch ihr Seelenheil verlieren - mir schmolz das Herz.
Na schön, dann würde ich sie also zum Gottesdienst bringen.
Aber WOHIN nur? Zu allem Übel war die Guteste auch noch katholisch - wo findet man sowas in Hamburg? Und wann beten die eigentlich?
In der Folge wurde ein enormer kultureller Graben zwischen uns deutlich. Nicht nur, daß ich nie in einen Gottesdienst gehe (in Kirchen schon..), nein, ich kenne noch nicht mal jemanden, der das praktiziert und konnte nicht mal eben jemanden anrufen, um das zu erfragen.

Meine Verwandte hat übrigens seit ihrer Rückkehr nach Amerika das Land nie wieder verlassen.

(Ich gebe zu - es lag nicht nur an den vielen Heiden - nein, hier sind überhaupt die Sitten so eigenartig. Das Brot sieht dunkel und klumpig aus und fühlt sich beim Abbeißen so hart an. Sie mochte nur „american bread“, welches ich später als ungetoastetes Toastbrot identifizierte. Noch viel schlimmer war es mit Käse - einfach widerlich, was sie hier an den Käsetheken sehen mußte. Sie ißt nämlich nur „american cheese“ - dem kam ich mit Scheibletten aus dem Kühlschrank am nächsten.)

Dieser Besuch war aber recht interessant, um meine eigene Perspektive auf religiöse Dinge zu verstehen.
So vollkommen selbstverständlich wie es in Teilen der Welt sein mag täglich religiös zu sein, so vollkommen selbstverständlich ist es in einer norddeutschen Großstadt täglich nicht religiös zu sein.
Hier betet niemand, keiner besucht Gottesdienste, man heiratet nicht kirchlich und kümmert sich nur um die Pfaffen, wenn man zufällig in der Nähe so einer Kirche wohnt, weil man dann Sonntagmorgen durch die elende Bimmelei am Ausschlafen gehindert wird.
Nach meinem Eindruck ist die westdeutsche Großstadtbevölkerung herzlich desinteressiert an religiösen Praktiken.
Sie ist aber genauso desinteressiert an nichtkonfessionellen Aktivitäten.
Kirchliche Skandale wie der myriadenfache Kindesmissbrauch durch ihr Bodenpersonal oder auch das wöchentliche Anbiedern von Rock-Trägern an nationalsozialistische Ideen, werden kaum wahrgenommen.
Die Kirchen in Deutschland haben es geschafft sich zu einer Art Folklore zu entwickeln.
Das ist wie mit dem Rheinischen Karneval - irgendwie albern und anstrengend. Wird in anderen Landesteilen nicht verstanden. Aber wer’s mag, kann ja hinfahren.
Umgekehrt kennt man auch Kölner, die extra zum Karneval Hamburg besuchen, um zu entfliehen. Jeder, wie er es mag.
Sind religiöse Praktiken also nur noch so etwas wie eine Love-Parade für Konservative? CSD für die Kukidentfraktion gewissermaßen? Bunt, laut und nervig - aber lass die mal machen - solange es nicht überhand nimmt?

Nein, der Vergleich hinkt dann doch zu sehr.
Loveparade, CSD und Karneval sind zwar Geschmackssache und insofern mag es diverse Ansichten dazu geben - ich zum Beispiel, finde alle drei gleichermaßen gaga-esk und würde mich nie daran beteiligen.
Aber man könnte sich darauf einigen, daß alle drei Veranstaltungen letztendlich harmlos sind.

Und genau hier liegt der Unterschied zur Religion.
Das Christentum ist keineswegs harmlos.
Ganz im Gegenteil.
Der jeweilige Absolutheitsanspruch, sogar der, der einzelnen Konfessionen, hat die überwiegende Mehrzahl der Kriege ausgelöst.

Im Namen Gottes wurden so viele Menschen massakriert, wie durch keine andere Ideologie.

Organisierte Christen sind die Erfinder der perfidesten Foltermethode, die dieser Planet je gesehen hat.
Christen unterstützen auch in der Moderne die übelsten Diktatoren - ja, Hitler, Mussolini, Franco, Tiso und Ante Pavlic waren allesamt Katholiken.

Alles was geschehen ist, entspringt der Initiative und dem Weitblick unseres Führers Adolf Hitler. Unserem Vaterlande, unserer Heimat und unserem Führer ein dreifaches Sieg-Heil! (Bischof Dr. Bernig nach der Besichtigung eines KZ)
Mehr Braunes hier

Nach 1945 wurde bedauerlicherweise kaum dazu gelernt.
Der Vatikan brachte die Nazis über die Rattenlinie vor den Alliierten in Sicherheit.
Als Chef der vatikanischen Inquisitionsbehörde zerschlug ein gewisser Ratzinger die Befreiungstheologen, die es gewagt hatten statt an der Seite der rechtsradikalen Morddiktatoren zu stehen, Partei für die Unterdrückten ergriffen zu haben.
Und heute erfreut uns der Papst mit der Rehabilitierung von Bischof Williamson.
Homophobie, Misogynie und Antisemitismus haben Konjunktur in der Organisation der Nächstenliebe.

Trotz Allem:
Kirchliche Aktionen sind keine Aufreger für die Masse der Bevölkerung.
Nicht einmal für die Mehrheit der Areligiösen und/oder Desinteressierten.
Offensichtlich ist die theoretische und praktische Bedeutung des Kirchismus des 21. Jahrhunderts eine terra incognita, die auch nicht entdeckt werden will.

Anders als die skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber Tamilen oder Tschetschenen, über die der durchschnittliche Teutone auch wenig bis gar nichts weiß, ist der Kirchismus trotz des Desinteresses, positiv konnotiert.
Man geht nicht zur Kirche, höchstens mal zu Weihnachten oder einer Hochzeit, aber das ist doch irgendwie eine gute Sache.

Sitzt so ein Vertreter in seinem schwarzen Uniformkleid in einer Talkshow, verfallen die Mitdiskutanten ganz automatisch in Unterwürfigkeit.
Brav benutzen sie die Anrede „Hochwürden“ oder „Eminenz“.

In meiner täglichen Praxis erlebe ich es nicht sehr oft auf meine Buttons angesprochen zu werden - ich trage IMMER diverse „Kirche - nein Danke“-Buttons am Revers.

Offensichtlich ist das den Leuten genauso egal, wie die Kreuzanhänger, die so viele tragen.
Kommt es aber doch mal zu einem Gespräch über das Thema, erlebe ich das was auch alle anderen engagierten Atheisten erleben.

Der Ablauf ist immer derselbe:
Frage: „Wieso bist Du denn gegen die Kirche? Die tun doch auch viel Gutes.“

Dann beginnt man zu erklären und spätestens, wenn man beim Aspekt Finanzen ist und darlegt, daß die kirchlichen Kindergärten und Pflegeheime eben nur zu 5% aus Kirchensteuern bezahlt werden, daß aber unter kirchlicher Trägerschaft nur eingeschränkte Arbeitnehmerrechte gelten, daß Angestellte nicht streiken dürfen und Dumpinglöhne bekommen, kommt das ungläubige „Echt???“
Wenn ich erzähle, daß Religionsunterricht, alle Bischofsgehälter, Theologieprofessoren etc pp eben NICHT aus der Kirchensteuer bezahlt werden, sondern daß der allgemeine Steuerzahler das alles zu wuppen hat, sieht man sehr große Augen vor sich.

Hier herrscht ein gigantisches Aufklärungsdefizit.

Eine andere Seite derselben Medaille gibt es die vielen winzig kleinen atheistischen Webseiten, Blogs und Vereine.
Erst heute entdeckte ich das Forum Religionskritik - auch hier eine reichhaltige Sammlung von Schreckensnachrichten.
Wer beginnt sich für das Thema zu interessieren, sucht sich mühsam all die Schockfakten zusammen.
All das Zeug über Bibel und Kirchen, das auch in diesem Blog in hunderten Posts dargelegt wurde, gibt es in atheistischer Kleinbloggerei myriadenfach verteilt.

Das ist unser großer Nachteil.

Atheisten, bzw Konfessionslose, bilden zwar inzwischen die Mehrheit in Deutschland - aber sie sind in keinen Gremien vertreten.
In Merkels Kabinett sitzen ausschließlich Christen, sie sind in Ethikkomissionen, Rundfunkräten und Parteien fast immer überrepräsentiert.
Christen verfügen über milliardenschwere Apparate.
Konfessionslose haben dagegen fast gar nichts - noch nicht mal einen Feiertag.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Es gibt natürlich Schritte in die richtige Richtung - so zum Beispiel der Versuch die Kräfte besser zu bündeln.
Dies tut der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e. V. (DFW).

Sehr wichtig in dieser Funktion als Informationssammler sind der Humanistische Pressedienst, die Giordano Bruno Stiftung und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten e. V. (IBKA).

Leider sind alle diese Vereine im Vergleich zu den Megaorganisationen RKK und EKD nahezu unbekannt.

Das muß besser werden.

Also bitte treten Sie alle offensiver auf!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was fällt mir zum Thema USA ein?

Meine Grosstante (solide 98 Jahre wurde sie alt) besuchte Ende der 80er Jahre das erste Mal in ihrem Leben die Verwandtschaft in den USA. Die lebten in Texas und nach dortigen Masstäben "im Einzugsbereich" einer grösseren Stadt.

Die alte Dame wurde bei 45 Grad im Schatten am Flughafen abgeholt und durfte dann erstmal sechs Stunden über Highways, Bundesstrassen, Landstrassen, Feldwege und Schotterwege holpern, bis sie endlich am Ziel ankamen.

Was ihr zunächst auffiel, war der Zustand der Strassen dort. Der Highway z.B. war in der Regel auf drei von vier Spuren gesperrt und insgesamt alles in einem erbärmlichen Zustand.

Jedes, und sie betonte das ausdrücklich, jedes Schild an der Strasse war so zerschossen, dass man nicht mehr lesen konnte, was einmal drauf gestanden hatte.

Nun gut, schliesslich kam sie an und lernte den Tagesablauf der Verwandtschaft kennen.

Zum Einkaufen fuhr man dort knapp zwei Stunden bis zum nächsten Supermarkt. Auch der lag mitten in der Landschaft an einer Schotterpiste und sonst gab es dort NICHTS. Nur den (vollklimatisierten) Supermarkt und eine Tankstelle.

Die einzige Abwechslung in der Woche war der Gottesdienst am Sonntag - vier Stunden (einige Gemeinden haben bis zu sechs Stunden im Programm) eifrige Predigt und Gemeindeprogramm. Sonderlich beeindruckt war sie davon nicht (nicht dass sie nicht religiös gewesen wäre), denn das meiste, was der Pfarrer sagte, stand (wie üblich) in krassem Gegensatz zu dem, was die freudigen Christenmenschen sich jeden Tag der Woche sonst so leisteten. Eifriges Frömmeln und Sündenvergeben als Kontrastprogramm.

Nach knapp vier Wochen hatte sie die Nase voll und wollte nach Hause.

Auf dem Heimweg besuchte sie zuerst Dallas und dann Denver (in der Reihenfolge, so wie bei den Fernsehserien), danach Los Angeles, San Francisco und schliesslich (kurz vor dem Heimflug) New York.

(Natürlich hat sie dabei noch jede Menge Naturschauspiele und Sehenswürdigkeiten auf der Strecke mitgenommen.)

Als sie endlich wieder daheim war, hat sie mit meiner Mutter genau ein einziges Mal über die USA gesprochen.

Ihr Fazit: "Die USA sind ein dreckiges, kriminelles Land."

(Und das war noch 10 Jahre vor 9/11, Antiterrorgesetzen und schikanösen Einreisekontrollen wie nach Nordkorea.)

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Danke Nordstern für den Erfahrungsbericht.
Da ich ja nun einmal selbst Ami bin, kenne ich jede Menge dieser Stories.

Dennoch - der Fairness halber muß ich das erwähnen: Amerika ist ungeheuer heterogen. Das darf man nie vergessen. Was Menschen an den Ostküsten-Unistädten oder in San Francisco denken, hat absolut nichts mit der Kultur im Biblebelt zu tun.
Hier in Deutschland habe ich überhaupt noch nie einen Ami getroffen, der sich nicht für George W. Bush in Grund und Boden geschämt hätte und einfach fassungslos über die Beklopptheit der Wähler war, die ihn zweimal ins Amt trugen.

Man sieht das ja auch derzeit sehr schön an den extremistischen Auswüchsen bei der Diskussion um Obamas Gesundheitsreformgesetz.
Millionen von Teabaggern leben auf einem anderen Planeten. Verglichen zu den Amis sind Deutsche völlig einheitlich.

LG
T

Anonym hat gesagt…

Versteh' mich richtig, ich habe nichts gegen die USA. Und die Vielfältigkeit der dortigen Bevölkerung und Kulturen kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

Problem ist nur das, was sich am Ende auf den ganzen Rest des Planeten und die Spezies auswirkt. Und in der Hinsicht sind die USA und ihr Imperium um keinen Deut besser wie die Römer, Spanier, Briten oder Deutschen.

Für einen Amerikaner in meinem Freundeskreis war die Mayflower und ihre spinnerten Frömmler, die niemand in Europa mehr haben wollte, immer der Primärbeweis, dass das ganze Land in religiösen Dingen einen kollektiv an der Klatsche hat.

Wie auch immer.

Mir ist nur das bittere Fazit in Erinnerung geblieben - und der Umstand, dass derzeit die Tourismusbranche eine Werbekampagne für das Land durch Zwangsabgaben der Touristen finanzieren möchte.

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Eins ist natürlich unbestreitbar richtig:
Auch andere Regierungen hecken außenpolitischen Schwachsinn aus. Aber im Gegensatz zu den Ansichten Bhutans oder Tajikistans, ist Amerika so ungeheuer maßgeblich.
Da halten sich dann alle dran!
Weswegen sind tausende Deutsche Soldaten in Afghanistan und verbarrikadieren sich dort als Besatzungsmacht?
Weil die Amis auch da sind.

LG

Tammox