TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Freitag, 27. November 2009

..aus der Praxis....

Anfang des Monats, als es immerhin noch vereinzelt Journalisten gab, die der Merkel-Westerwelle-Regierungssimulation Positives abgewinnen konnten, schrieb Guido Bohsem in der SZ auf, bei wem nun so richtig die Sektkorken knallen können: Die Pharma-Lobbyvereinigung der Bundesregierung (vulgo: FDP) hatte großzügig ihre Finanziers bedacht.

Es gibt wohl keine Branche, für die das schwarz-gelbe Vertragswerk so viele gute Nachrichten verheißt wie für die Privaten Krankenversicherer (PKV). Weder die Energieversorger noch die Industrie oder die Landwirte wurden von der neuen Regierung so großzügig bedacht. Für die Assekuranzen sind die Beschlüsse der Regierung genau das, was der Doktor einem kränkelnden Patienten verordnen würde - eine Vitaminspritze mit anschließender Frischzellenbehandlung plus Kur-Urlaub am Meer.

Die traurigen Zeiten für die PKVen, als Ulla Schmidt stets drohte ihnen auf die Finger zu klopfen, sind vorbei.
Unter Guido Rösler können die Privatversicherten sich ungeniert Rosinen herauspicken und ihre bisherigen Kunden auspressen.
Den zehn Prozent Privatversicherten flattern dieser Tage Mitteilungen über drastische Preiserhöhungen ins Haus.

Üblicherweise fließen für die Privatversicherten wenig Mitleidstränen; gelten sie doch als die Reichen, die sich in den Praxen immer vordrängeln und im Krankenhaus bevorzugt behandelt werden.

Dabei wird aber gerne vergessen, daß es neben dem hohen Einkommen eine zweite Möglichkeit gibt privatversichert zu sein: Selbstständigkeit!
Die wenigsten Selbstständigen haben aber Geld wie Heu; der Fahrlehrer, die Kioskbetreiberin, das Ein-Mann-Schreibbüro, der Ich-AG-Computer-Reparierer, die Fußpflegerin, der selbstständige Texter, Musiker oder Illustrator - sie alle kommen in der Regel eher schlecht als recht über die Runden.

Da der Schreiber dieser Zeilen ebenfalls privatversichert ist und aus der PKV de facto nicht austreten kann, da Merkel dafür sorgte, daß in dem Fall sämtliche ZWANGSWEISE angesparten Rückstände an die Versicherung fallen und nicht etwa den Versicherten; möchte ich kurz illustrieren wie das praktisch aussieht.

Ich bin in einer der ganz großen Versicherungen.

Abgerechnet werden monatlich fünf Tarife:
A-Tarif (ambulant) Z-Tarif (dental) S-Tarif (stationär) P-Tarif (Pflege) und last but not least: R-Tarif (gesetzlicher Zuschlag), die sogenannte “Rücklage“.

Mein R-Tarif beträgt zur Zeit monatlich € 42,64; man kann sich vorstellen, was da über vier Dekaden zusammenkommt.

Wie hoch genau meine persönliche Rücklage ist, die die Privatkasse für mich anlegt, weiß ich nicht. Aber auch ganz ohne Zinsen ergibt die Addition schon einen Betrag irgendwo bei ~ € 20.000.

Die SPD hatte bei der letzten Gesundheitsreform versucht diese Rücklagen so weit zu lösen, daß ein Patient den angesparten Betrag bei einem Kassenwechsel in die nächste Kasse mitnehmen kann.

Das Ergebnis wäre ein echter Wettbewerb zwischen den Privatkassen geworden:
Die Kunden hätten sich nach Alternativen umsehen können; die Prämienerhöhungen nach Belieben, hätten ein jähes Ende gefunden.

Aber da war die Union vor. Zöller und Merkel ließen sich noch unmittelbar vor der Abstimmung im Bundestag von den PKV-Lobbyisten briefen und verhinderten Transparenz und Wettbewerb - ZULASTEN des Verbrauchers.

Ganz so, wie es auch die FDP seit jeher tut und sich mit Händen und Füßen gegen freie Marktwirtschaft wehrt, wenn es darum geht Privilegien für Apotheken und Pharmaindustrie abzubauen.

Die Liberalen agieren hier streng staatssozialistisch.
Daher haben wir in Deutschland die teuersten Medikamente von ganz Europa.

Westerwelle setzte sich sogar ganz stalinistisch lange Zeit für das Verbot von Reimportmedikamenten ein.
Das gleiche Medikament desselben deutschen Herstellers, das in Spanien oder Italien womöglich für den halben Preis zu haben ist, darf nicht zurück nach Deutschland.
Ähnlich stalinistisch denkt die FDP bei den Apotheken - in Europa einmalig vertritt sie ein Filialverbot.
Es darf nicht sein, daß tüchtige Apotheker mit günstigeren Preisen Erfolg haben und weitere kundenfreundliche Apotheken aufmachen.
Der härteste Widersacher von DocMorris war dementsprechend die FDP-Zentrale.

Zurück zu meinem Tarif; ich zahle also zwangsweise monatlich € 42,64, um die Versicherung zu pampern und um mich de facto daran zu hindern in eine andere Versicherung zu wechseln.

Daher bin ich auch machtlos gegen Prämienerhöhungen.
Zum 01.01.2010 ändern sich meine Tarife wie folgt:

A, Z und S: + 67,86 €,
P-Tarif: + 0,18 €,
R: + 6,80 €.

Das sind also für EINE PERSON von einem Monat auf den nächsten mal locker 72 Euro mehr!

Und dafür habe ich mir über Dekaden gerade einmal die Mandeln rausnehmen lassen?

Kinder und Ehefrauen sind natürlich nicht mitversichert!

Die Erhöhungen treffen jeden Einzelnen.

Bei einer fünfköpfigen Familie wären das also weit über 300 Euro Mehrkosten im Monat.

Vielen Dank Herr Westerwelle!

Das mit dem „Mehr Netto vom Brutto“ klappt ja ganz toll bisher!

6 Kommentare:

Oberclown hat gesagt…

Also bei "mehr Netto vom Brutto" muss man sich die Teile dazu denken, die die FDP Leute nie laut dazu sagen, aber meinen. Es soll eigentlich bedeuten: "mehr Netto [für Banken und Versicherungen] vom Brutto [aller Anderen]".

Das mit den Importmedikamenten ist schon erstaunlich. Als jemand, der sowohl aus Berlin und aus der Unterschicht ist kenne ich Leute aus diversen Teilen der Welt. Deswegen weiß ich, wieviel das selbe Medikament in Rumänien weniger kostet als hier ist schon erschütternd manches kostet nur 20% von dem was es hier kostet. Ich persönlich habe schon Diskussionen geführt, in denen CDU und FDP anhänger mir erzählt haben "man darf die Industrie doch nicht den Härten des Marktes überlassen" oder auch "dadurch dass die Medikamente hier teurer sind, können sie woanders billiger sein". Seitdem frage ich mich ist dieser FDP Anhänger wirklich hinreichend dumm, dass er ernsthaft glaubt, die Medikamentenhersteller würden etwa in Rumänien Medikamente mit Verlust verkaufen? Da ich nicht nur ein Clown, sondern auch ein staatl. gepr. kfm. Assistent für Wirtschaft u. Datenverarbeitung bin verursacht die Vorstellung, dass das ernsthaft jemand annehmen kann bei mir starke Kopfschmerzen. In Wirklichkeit besitzen auch die Arzneimittelhersteller Computer, oder Taschenrechner oder wenigstens einen Abakus und kalkulieren so, dass sie auch in RUmänien Gewinne machen. Das führ uns zu 2 Schlussfolgerungen: 1. Die Gewinne bei uns müssen gigantisch sein. 2. Auch hier könnte man theoretisch rumänischere Preise haben, ohne dass die Armen Arzneimittelhersteller pleite gehen müssen.

Übrigens da wir unter anderem auch Polen kennen, die da gelegentlich hinfahren und mit etwas schleuer benutzung des Internets Präparatnamen auch auf Polnisch herausfindbar sind, können wir zumindest bei dem, was in Polen frei verkäuflich ist (ob deutsches Rezept in Polen funktioniert haben wir noch nicht herausgefunden) einiges sparen. Aber nicht jeder hat Polnische Bekannte.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Danke Oberclown - ich hatte tatsächlich etwas unvollständig zitiert; es muß also heißen:

"mehr Netto [für Banken und Versicherungen] vom Brutto [aller Anderen]".

Daß die Pharmaindustrie eine Altruistenorganisation ist, die zu ihrem eigenen Schaden weltweit ihre Medikamente unter dem herstellungspreis vertreibt, war mir auch noch nicht ganz klar. Aber immerhin erkenne ich, daß die FDP wichtig ist: Also haben Bayer, Höchst und Co einzig in Deutschland die Möglichkeit ein paar Almosen zusammen zu bekommen?
Barmherzigkeit zugunsten der Pillenhersteller. Demnach ist Westerwelle sowas wie der Papst der Pharma-Caritas?
Mit kommen die Tränen.

LGT

Oberclown hat gesagt…

Ja, wenn man mit jemand aus dem schwarz-gelben Spektrum diskutiert, da kann man viele Dinge lernen. Nicht nur, dass die armen Pharmafirmen und Apotheken trotz erheblicher Umsätze (und im Fall der großen Pharmafirmen auch bekannterweise Gewinne) vor dem Bösen Markt beschützt werden müssen. Was man von FDPanhängern über den Markt lernen kann ist ja immer wieder erstaunlich. Ich verweise nur darauf, dass Guido Westerwelle weltweite Finanzkrisen für das normale Funktionieren des Marktes hält.

Aber speziell an der Medikamentendebatte hat mich stark beeindruckt, dass ich lernen konnte, dass nicht nur ich als bekennender Sozialist, sondern eben auch die schwarz-gelben Staatliche Regulierungen des Marktes mögen. Allerdings wollen die nicht den wirtschaftlich schwachen Konsumenten vor den Härten des Marktes bewahren, sondern die arme gebeutelte Großindustrie. Schon erstaunlich.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

„Der Markt“ ist eben nur dann gut, wenn man damit Löhne drücken kann und dem Arbeitgeber Ausgaben erspart.
Wendet sich der Markt gegen diejenigen, die große Spender der FDP sind, muß natürlich Einhalt geboten werden.
Gerade habe ich wieder irgendwo eine Liste gesehen wie viel Kohle deutsche Milliardäre - insbesondere die Familien von Finck und Quandt- im Jahr 2009 an CDU und FDP gespendet haben…

Das geschieht auch nicht nur aus Altruismus!

LGT

Oberclown hat gesagt…

Dass die Quandts, Geld für die FDP übrig haben ist ein Skandal. Nicht, dass ich irgendjemand missgönnen würde mit seinem Geld denjenigen zu fördern, bei dem er sich politisch gut vertreten fühlt. Ganz im Gegenteil, selbst wir haben hier in unserem Lotterleben unterhalb der Armutsgrenze noch Geld für die Mitgliedsbeiträge für eine politische Partei (ich) und eine Gewerkschaft (meine Freundin). Wenn jeder sich da arrangieren würde, wo er sich inhaltlich am besten wiederfindet, dann müsste man sich nicht gelegentlich Sorgen um unsere Demokratie machen.

Aber, und das ist ein großes Aber, dass die Quandts, deren Vermögen darauf basiert, dass sich während des 2. Weltkrieges Zwangsarbeiter in ihren Werken zu Tode arbeiten mussten und, die dafür nicht nur kein Wort des Bedauerns übrig hatten, sondern, die sogar einen älteren Herren aus Osteuropa, der um ein wenig Geld gebeten hatte, weil er und sein Bruder für die Varta Werke Zwangsarbeit geleistet haben, speziell mussten sie ohne jeglichen Schutz mit ätzenden Substanzen arbeiten, der Bruder war mittlerweile daran verstorben, er hingegen führt das leben, von jemandem ohne ausreichende soziale Absicherung, mit eingeschränkter Lungenfunktion (wegen der Quandtschen ätzenden Substanzen) und die Quandts lassen ihn einfach ohne weiteren Kommentar davon jagen. Selbst, wenn man sehr an seinem Geld hängt hätte man wenigstens ein paar Worte des Bedauerns finden können. Das hätte ja nichtmal was gekostet. Aber welche Rückschlüsse auf Charakter, oder Gewissen die Reaktion zulässt, das kann jeder selbst entscheiden. Als Entscheidungshilfe kann ich nur den Film "Das Schweigen der Quandts" empfehlen. Ich selbst kucke ihn besser nicht. Da rege ich mich immer so auf, dass ich so ein Stechen im Linken arm bekomme.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Ju, da kann ich Dir nur zustimmen. Die Quandts sind ganz reizend. Auf den Film weise ich auch jedesmal in meinem TV-Blog hin, wenn der gesendet wird.

http://tammox-tv.blogspot.com/2008/11/das-schweigen-der-quandts.html

Dazu gibt es auch diese Biographie von Rüdiger Jungbluth als Buch.

Was die Quandts und insbesondere Susanne Klatten so den Parteien ihrer Wahl rüberschieben, habe ich schon an anderer Stelle aufgelistet:

http://tammox.blogspot.com/2009/08/impudenz-des-monats-juli-2009.html

Nein, man sollte wirklich keinen BMW fahren.

Glücklicherweise spiele ich in einer finanziellen Liga, in der das eh nicht in Frage kommt!

LGT