TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Donnerstag, 26. November 2009

Wohlfeil

Morgen um 14.00 Uhr sitzen 14 Politiker im Lindenflügel des Zollernhofs in Berlin zusammen, die den ZDF-Verwaltungsrat bilden:

Kurt Beck, Roland Koch, Peter Müller, Matthias Platzeck, Dr. Edmund Stoiber, Bernd Neumann, MdB, Staatsminister für Kultur und Medien, Dr. Hans-Henning Becker-Birck, Landrat a. D., Dieter Beuermann, Ilse Brusis, Staatsministerin a. D., Dr. Willi Hausmann, Staatssekretär a. D., Rechtsanwalt, Hildegund Holzheid, Präsidentin a. D. des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Roland Issen , Reinhard Scheibe, Staatssekretär a. D., Prof. Dr. Gerd Zimmermann, Rektor der Bauhaus-Universität Weimar.

Da der Rundfunkrat laut Verfassung „staatsfern“ zu sein hat, ist die Zusammensetzung natürlich verfassungswidrig.
Aber wen kümmert es?
ZDF-Intendant Schächter, auch von der CDU-Mehrheit bestimmt, kroch schon a priori in den Kanzlerinnen-Hintern und erklärte er werden nicht gegen eine Anti-Brender-Entscheidung klagen.

Gegen den ausdrücklichen Willen Brenders setzte Schächter eben noch die CDU-Frau Michaela Kolster als Bürochefin des ZDF-NRW durch.
Im Mai 2010 sind dort Wahlen und auch ein Ministerpräsident Rüttgers möchte keine allzu kritischen Fragen hören.
So werden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Strippen gezogen - streng nach CDU-Parteilinie.

Da die CDU-Seite mit neun Platzhaltern klar die absolute Mehrheit hat, gehen die Auguren alle davon aus, daß Nikolaus Brenders Kopf wohl rollen wird.
Die Konservativen im ZDF-Verwaltungsrat werden Chefredakteur Nikolaus Brender stürzen - weil sie ihn nicht kontrollieren können - so Hans Leyendecker heute in der SZ.

Die Hintergründe sind lang und breit beschrieben worden, gestern beispielsweise vom Spiegelfechter; ich berichtete in diesem Blog das erste mal von der Roland Koch’schen Attacke auf die Unabhängigkeit des ZDF am 07. März 2009.

Ziemlich klar ist woher der Wind weht; es ist offensichtlich Angela Merkel selbst, die Brender loswerden will.
Brender, obwohl einst in der JU, ist nämlich schwer kontrollierbar und kuscht nicht, sobald sich das Kanzleramt meldet.

Im jüngsten Wahlkampf ärgerte sich die Bundeskanzlerin besonders über den unabhängigen Kopf des Chefredakteurs, der sich anmaßte öffentlich zu erklären, er wünsche sich eine inhaltliche Debatte im Wahlkampf:

Merkel verweigert Debatte
"Wir versuchen mit Händen und Füßen, scharfem Timbre in der Stimme und auch gutem Zureden, alle Spitzenkandidaten in eine Sendung zu bekommen." Doch die Kanzlerin verweigere sich. "Dabei will der Zuschauer doch wissen, unter welchen Bedingungen zum Beispiel die FDP in eine Koalition mit der Union geht und ob das für Angela Merkel tragbar ist." Aber immer habe es Wichtigeres im Terminkalender der Kanzlerin gegeben.

Nun rächt sich die Kanzlerin und fordert Brenders Kopf.

Der Widerstand gegen diese demokratiewidrige Krankenhaftigkeit der CDU-Größen bäumt sich jetzt, eine Minute vor Zwölf, noch einmal auf.

Der aktuelle SPIEGEL fordert ultimativ „Raus da!“ (Heft 48/2009, s.168 ff), alle Parteienvertreter hätten aus den Rundfunkräten zu verschwinden.

35 Staatsrechtler fordern in einem offenen Brief
(Veröffentlicht am 22.11.2009 in der FAS) von den Parteienvertretern die Einhaltung der Rundfunkfreiheit (Art. 5, Abs.1 Satz 2 GG).

Die verantwortlichen Redakteure des ZDF stellten sich im Februar 2009 hinter ihren Chef - fast einstimmig - nur der CDU-affine Prediger Peter Hahne, der sich Hoffnungen auf den Job Brenders macht, verweigerte seine Solidarität.

Chefredakteure warnen mit Verweis auf die Charta "Unabhängiger Journalismus" die CDU:

Thomas Osterkorn, Andreas Petzold, Hans-Ulrich Jörges und Hans-Martin Tillack (Stern), Mathias Müller von Blumencron und Hans-Ulrich Stoldt (SPIEGEL), Christoph Keese (Axel Springer AG), Thilo von Trott (Gruner+Jahr), Matthias Naß (Die Zeit), Hendrik Ankenbrand (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Clemens Wergin (Die Welt), Harry Nutt (Frankfurter Rundschau), Steffen Klusmann (Financial Times Deutschland), Peter-Mathias Gaede (Geo), Bascha Mika (Publizistin, früher taz), Michael Rediske (Reporter ohne Grenzen), Hendrik Zörner (Deutscher Journalisten-Verband).

Nun ist die Empörung also groß; „diese Politiker!“ - was maßen die sich an?

Brender darf noch nicht mal Stellung nehmen - ihm wurde der Zugang zu den Verwaltungsratssitzungen stets verweigert.
Der Mann, über dessen Kopf die CDU‘ler nun verhandeln, wird noch nicht einmal gehört.

Dazu noch einmal Leyendecker:
Vergeblich hatte er [Brender] vor Monaten auf der 13. Sitzung des Verwaltungsrats um das Wort gebeten. Er wollte eine Erklärung abgeben. Abgeschmettert. 8:6. Wortführer waren der saarländische Ministerpräsident Peter Müller und Edmund Stoiber, der frühere bayerische Ministerpräsident. Stoiber? Vor fünf Jahren, als Brenders Vertragsverlängerung schon einmal anstand, so erklärte der CSU-Politiker in der Sitzung, habe er seine "Bedenken" gegen Brender "zum Ausdruck gebracht". Er habe dann "jedoch zugestimmt, weil . . ." Stoiber soll dann über das, was normal ist oder nicht und über seine enttäuschten Erwartungen gesprochen haben. Keiner aus der Runde kann den Monolog einigermaßen verlässlich wiedergeben. Aber alle wissen: Die Stoiber-Leute haben mit Brender noch eine Rechnung offen, weil das ZDF im Bundestagswahlkampf 2002 angeblich zu häufig Gerhard Schröder und zu wenig Edmund Stoiber im Bild hatte. Schröder trotzte damals dem Hochwasser an der Elbe wie ein Deichgraf, Stoiber war irgendwo im Kinderplanschbecken. So banal funktioniert Macht im Fernsehen.

Die CDU-Ministerpräsidenten und sonstigen Abgesandten verlangen devote Fernsehintendanten, die kuschen - Meinungsfreiheit unerwünscht.

Ich begrüße natürlich das breite Pro-Brender-Engagement.

Es ist tatsächlich eine ausgemachte Sauerei, was Frau Merkel hier anstellt und von ihren Handlangern erledigen läßt.

Es gibt aber tatsächlich auch Politiker, die das anders sehen und anders handhaben.

Als im Jahr 2002 um Schächter geschachtert wurde, wollten die damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Wolfgang Clement und Heide Simonis (beide SPD), Parteien- und Regierungsvertreter aus den Aufsichtsgremien des ZDF verbannen.

Clement sagte dem "Handelsblatt", das Hauptproblem sei eine Parteipolitisierung, die es in keinem anderen deutschen Unternehmen gebe. "Damit muss Schluss sein. Das hält kein Unternehmen aus."

Um nicht in den Verdacht zu geraten immer nur von anderen zu fordern, was sie selbst nicht einhielten, zogen sich Simonis und Clement freiwillig aus dem ZDF-Fernsehrat zurück.

Sie wollten ein Zeichen setzen und mutig voran gehen: Zwei Parteipolitiker, die auf Macht verzichten zugunsten einer größeren Unabhängigkeit der Sender von den Staatskanzleien.

Wie die Geschichte ausging, wissen wir:
Im Jahr 2009 ist kein Politiker dem Beispiel gefolgt und der CDU-Überschuss hat sich manifestiert.

Koch ist immer noch im Amt, Simonis und Clement sind abgewählt.

Der Wähler ist mal wieder die Ursache des Übels.

Das Ärgernis der verfassungswidrigen parteipolitischen Einflussnahme auf das Fernsehen ist altbekannt.
SPD-Leute gingen mit gutem Beispiel voran und verzichteten auf ihren Einfluss, CDU’ler klammerten an ihren Privilegien und sichern sich umso mehr Hofberichterstattung.

Der Wähler nickt brav ab und hievt genau diese Typen immer wieder ins Amt!

Das Gejammere um Kochs und Merkels antidemokratisches Verhalten ist wohlfeil!

Das wußte man alles vorher - die Causa Brender schwelt seit Oktober 2008.

Die Wähler haben Koch und Merkel reinstalliert und sollte jetzt nicht so überrascht tun, wenn sie die Medizin bekommen, die sie sich ausgesucht haben!!!!

Nachtrag am 27.11.09:

Es kam tatsächlich so, wie es kommen mußte. Koch sägte Brender ab - willkommen in der Bananenrepublik!

Die Presse ist durchweg empört.

Koch ist es scheißegal.

Deutschland ist jetzt Berlusconi-Land.

NACHTRAG 2:

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