TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 22. Juli 2008

Lob und Tadel

Die deutsche Presselandschaft ist inzwischen extrem homogen geworden. Das Ärgerliche ist dabei insbesondere, daß wir noch nicht mal eine extreme Eigentümerwüste wie in den USA oder Frankreich herausgebildet haben.
Nein, es gäbe durchaus Spielraum für Meinungspluralismus. Stattdessen begeben sich die Kommentatoren der Printmedien in eine selbstverschuldete Unmündigkeit.
Diskurtive Retardierung ins Einheitsallerlei.
Da drückt man sich auch gerne um Sachfragen. Die wichtigen Probleme wie Föderalismusreform oder Gesundheitsreform sind ohnehin zu kompliziert fürs Publikum.
Politik ist Personalität.
Politikberichterstattung ist einheitlich: Obama ist nett, Bush ist doof, Köhler ist ungeheuer beliebt, Merkel ist eine tolle Außenpolitikerin und Beck macht alles falsch.
OK, über Bush kann man kaum differenzierter schreiben, aber alle anderen Pauschalurteile sind Schwachsinn.
Eine Person bekommt seit einiger Zeit unisono nur Lob - und das unterstütze ich sogar:
Helmut Schmidt!
Der Mann ist wirklich klasse und wirklich unangepasst.
Im Gegensatz zu Köhler, der stets sein mögliches tut, um sich beim Mainstream einzuschleimen, kümmert sich Helmut Schmidt nicht um Beliebtheitswerte.
Als er in einem Interview den Empfangs des Dalai Lamas durch die Bundeskanzlerin kritisierte und daraufhin vom Interviewer vorgehalten bekam, daß aber 80 % der Deutschen dieses Treffen ausdrücklich lobten, konnte man ihm geradezu physisch ansehen, wie egal ihm das war.

Nein, ich bin übrigens NICHT immer einer Meinung mit Schmidt, ich glaube sogar, daß einige seiner Einschätzungen - zum Beispiel über die Regierungsfähigkeit der Grünen sehr falsch waren.
Aber Schmidt ist jemand über dessen von der eigenen abweichende Meinungen es sich stets nachzudenken lohnt.

Am Sonntag gab es das öffentliche Bundeswehrgelöbnis vor dem Reichstag - fast alle waren dafür und lobten die Form der Veranstaltung.

Ich nicht.

Schmidt hielt die Hauptrede - natürlich; denn sein Nachnachnachfolger Jung ist verglichen zu ihm nur eine geistige Witzfigur. Schmidt sprach keine Dinge an, die man noch nicht vorher von ihm gelesen hätte, aber bei aller staatstragenden (angemessenen) Bedeutungsschwere, dürfte so mancher CDU-Funktionär sich beim Applaudieren auf die Lippen gebissen haben.

Wie verträgt sich wohl das Weizsäcker-Zitat „... Wir bleiben als Menschen gefährdet“ mit der platt und plump proklamierten „deutschen Leitkultur“, von der auch die Bundeskanzlerin so gerne spricht?
Wie verträgt sich wohl die Feststellung „So haben wir unserem Grundgesetz und dem Völkerrecht gehorcht, als wir uns dem Krieg im Irak verweigert haben“ mit den kriegsfreudigen Bush-Epigonen Merkel und Pflüger, die sich 2003 geradezu darum drängelten an Amerikas Seite in den Irak zu gehen?
Trotz dieser Schmidt’schen Spitzen kann ich mich aber dennoch nicht der ultimativen Lobhudelei für dieses öffentliche Gelöbnis anschließen.
Wie wohlfeil doch die Worte der aufgeklärten demokratischen Armee sind, merkt man unter anderem an der Musikauswahl.
Gespielt wurde nämlich das sogenannte „niederländische Dankgebet“ - ohne Gesang zwar - aber wie mir verschiedentlich von Zeitzeugen der Nazi-Ära versichert wurde, sang man auch zu Hitlers Zeiten dieses Lied bei jeder militärischen Gelegenheit.
Viele der heute über 80-Jährigen haben den Text immer noch ins Hirn eingebrannt.
Ein Text, der offenbar keinem einzigen Journalisten eine Erwähnung wert war.
Daher zitiere ich ihn an dieser Stelle:

1. Wir treten zum Beten
Vor Gott den Gerechten.
Er waltet und haltet
Ein strenges Gericht.
Er läßt von den Schlechten
Die Guten nicht knechten;
Sein Name sei gelobt
Er vergißt unser nicht.
Herr, laß uns nicht !

2. Erhöre, gewähre,
O Herr, unser Flehen,
Du bist es, der Beistand
Und Hilfe uns schafft;
Denn Dein ist auf Erden
Und Dein ist in Höhen,
Die Herrlichkeit und Ehre,
Das Reich und die Kraft.
Herr, laß uns nicht !

3. Im Streite zur Seite
Ist Gott uns gestanden,
Er wollte, es sollte
Das Recht siegreich sein:
Da ward kaum begonnen,
Die Schlacht schon gewonnen.
Du, Gott, warst ja mit uns:
Der Sieg, er war Dein!
Herr, laß uns nicht !

4. Wir loben Dich oben,
Du Herscher der Welten,
Und singen und klingen
Dem König im Licht.
Du wirst uns erhören!
Singt, singt in hellen Chören:
Der Herr ist unser Helfer,
Er verlässet uns nicht !
Du Herr bist treu!

Was also das zu 99 % christliche deutsche Volk im zweiten Weltkrieg wußte, nämlich daß GOTT auf SEINER Seite, der Seite Hitlers stand, wird also immer noch kritikfrei aufgespielt: Im Streite zur Seite / Ist Gott uns gestanden.
Das ist mal eine Aussage!
Kommt es etwa nur mir vollkommen idiotisch vor, daß ALLE gegnerischen Parteien im großen europäischen Kriege sich sicher waren Gott stünde auf IHRER Seite?
Da ward kaum begonnen, / Die Schlacht schon gewonnen. /Du, Gott, warst ja mit uns: /Der Sieg, er war Dein!
Christlich waren nun einmal Deutschland, Italien und Spanien ebenso wie ihre Gegner England und Frankreich.
Dieser Krieg, oder um mit Schmidt zu reden, „diese SCHEISSE“, die 60 Millionen Menschen das Leben kostete, wurde auf allen Seiten gleichermaßen auf Gottes Beistand gerechtfertigt - was ja offensichtlich GELOGEN und WIDERLEGT ist, da bekanntlich nicht alle Nationen als Sieger aus dem Krieg hervorgingen.

Und 2008 sind wir also keinen Millimeter weiter und lassen immer noch VOR dem Parlament zum öffentlichen Gelöbnis erklingen: Wir treten zum Beten / Vor Gott den Gerechten.

Was für ein Schwachsinn und was für ein Armutszeugnis, daß das wirklich niemanden in der gesamten Journaille noch als erwähnenswert auffällt.

2 Kommentare:

Po8 hat gesagt…

Solange es Militärpfaffen gibt, die von der Allgemeinheit bezahlt werden, solange wird es auch derartige religiöse Auswüchse geben.

Wie hat Deschner mal gesagt? "Wer prophezeien will, braucht nur zurückzuschauen." Und wenn man sich den SSchäuble anschaut, die verdeckten Kriegstreibereien und Konditionierung der Massen auf Friede, Freude, Eierkuchen (+ Terrorismusangst und Vaterland nicht zu vergessen), dann weiß man gar nicht, wo man das alles hinessen soll, was man auskotzen möchte.

Helm ab zum Gebet! :-(

Anonym hat gesagt…

DANKE!

An den Spruch habe ich auch gedacht:

„Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.“

(Zitat Max Liebermann, 1933, als ein Fackelzug der SA nach der Machtergreifung an seinem Haus vorbeizog.)


Ich verstehe wirklich nicht wieso diese religiösen Verbrämungen des Militärischen sonst kaum jemanden aufregen.
Eigentlich wird doch gern mal alles auf die Goldwaage gelegt.

Bis in jüngste Zeit werden in den USA ganz selbstverständlich Raketen und Bomben von Priestern gesegnet.
Die Bilder von den betenden Christen George Bush und Cheney, der noch eigenhändig „IN LOVE – DICK“ auf eine 1000-kg-Bombe schrieb, die dann auf Bagdad fiel, habe ich noch genau vor Augen.

Ja, die liebe Religion - geht es um Gewalt, segnen sie schneller als man gucken kann.

LG

TAMMOX