Sonntag, 14. Oktober 2007
Was Soziologen tun.
Die Soziologie wurde in ihrer Entstehungsphase vielfach als Wissenschaft von den Institutionen bezeichnet. Heute gibt es, nach einer Phase der Institutionalismuskritik, wieder eine institutionentheoretische Renaissance. Verschiedene institutionentheoretische Ansätze konkurrieren im soziologischen Feld miteinander, darunter auch der Neo-Institutionalismus, der seinen Ursprung in der Organisationsforschung hat.
Das klingt doch....
Aha. Organisationsforschung also. Und das ist.....?
Der Forschungsschwerpunkt „Organisationsforschung“ zielt auf das Verstehen, Erklären und Gestalten von Organisation(en) als spezifischen sozialen Systemen, die in komplexe, dynamische und vernetzte Kontexte eingebettet sind. Besonderes Merkmal des Schwerpunkts ist die integrierte Thematisierung von Organisationen und Prozessen des Organisierens. So umfassend und tief greifend der Einfluss von Organisationen in heutigen Gesellschaften ist, so zahlreich sind die Problemstellungen, die eine gehaltvolle, wissenschaftliche Behandlung von Organisationen mit sich bringt.
Einer der großen Zampanos des Fachs ist Prof. Dr. Stefan Kühl; seit 15.04.2007 an der Universität Bielefeld tätig. Was da so erforscht und erkannt wird, hat er Laien-verständlich kürzlich in einem Aufsatz für die ZEIT dargelegt.
Dabei geht es um die Funktionsweise von CSU, Weltbank und VW – wieso sind sie so erfolgreich?
Man wundert sich zunächst über die Kernthese – Lob der Heuchelei – aber es leuchtet tatsächlich ein!
Erfolgreiche Organisationen, wie die CSU behaupten stets mit aller Macht besonderen Werten verpflichtet zu sein! Zum Beispiel als Gralshüter der christlichen Werte im deutschen Parteienspektrum.
Entsprechend reklamiert die Weltbank eine besondere Verantwortung für sich und auch VW trägt die besonders gute Qualität seiner Autos wie eine Monstranz vor sich. Diese außerordentlichen Werte erwartet auch die Klientel – man kann sich kaum vorstellen, daß die CSU in Bayern besonderen Erfolg mit dem Slogan
„Wie sind im Privatleben mindestens genauso verlottert, wie alle anderen“
hätte. Prof. Kühn drückt die Erwartungshaltung an erfolgreiche Organisationen, wie die CSU so aus:
Parteien, öffentliche Verwaltungen, überstaatliche Organisationen und Unternehmen haben gefälligst so zu handeln, wie sie reden. Visionen, Leitbilder, Werthaltungen und Programme müssten, so die dominierende Vorstellung, möglichst eng mit den konkreten Entscheidungen in den Organisationen gekoppelt sein. Dieser Konsens liegt dem Mantra jeder Parteikritik – »die machen ja am Ende doch nicht, was sie versprechen« – zugrunde.
Es gibt nur ein kleines Problem am Rande und das ist die enorme Lücke zwischen Anspruch und Realität.
Schon FJS prahlte vor seinen Spezis und Amigos genauso ausführlich mit seinem Verbrauch von Prostituierten, wie er öffentlich das Gegenteil verkündete. Sein persönlicher Adlatus Stoiber, der sich ebenfalls als Inkarnation der Moral sieht, hatte seinerzeit die Aufgabe Strauß jeweils zwei Nutten zuzuführen, damit er sich „sandwichen“ lassen konnte.
Heute ist das ja nicht anders – während sich CSU’ler über die angebliche Lottermoral von Roten und Grünen empören, vögeln Seehofer und Söder selbst ganz selbstverständlich fremd (beide haben jüngst uneheliche Bälger gezeugt). Auch das Publikum ist ja schizophren – laut schreit es nach „Ehrlichkeit“, würde aber natürlich im Falle eines Falles die Partei furchtbar abstrafen, die ehrlicherweise sagte:
„OK, die christliche Moral fordern wir eben nur bei anderen – wir selber bestechen, huren, schmieren und saufen was das Zeug hält“
Es gibt aber eine Lösung, um aus diesem Dilemma der Diskrepanz zwischen und Worten und Taten heil rauszukommen.
Es ist so einfach:
Heuchelei und Scheinheiligkeit!
Wer das perfekt beherrscht, hat Erfolg. Diesen Mechanismus konnte der schwedische Organisationsforscherpapst Nils Brunsson herausarbeiten. Der seit 1986 als Professor an der Stockholm School of Economics lehrende Nils Brunsson (Jahrgang 1946) gilt schon jetzt als einer der "Klassiker der Organisationsforschung". Inzwischen hat er nicht weniger als 18 Bücher und eine große Zahl von Aufsätzen publiziert.
Besonderes Augenmerk richtet er im Zusammenhang mit Organisationen auf die Theorie der Entscheidung.
Bei aller Klage übersieht man - laut Brunsson - einen zentralen Punkt:
Den Nutzen, den Heuchelei für Organisationen hat. Scheinheiligkeit ist für Organisationen nicht ein Problem, sondern vielmehr eine Lösung.
Regierungs- wie Oppositionsparteien, multinationale Entwicklungshilfeorganisationen genauso wie globalisierungskritische Nichtregierungsorganisationen, die Betriebsleiter großer Automobilkonzerne genauso wie der Betriebsrat dieser Firmen – sie alle sind, so die These Brunssons, darauf angewiesen, möglichst professionell zu heucheln.
Heucheln und Lügen ist schlichtweg die einzige Möglichkeit politisch so erfolgreich zu sein, wie es die „bayerische Staatspartei“ ist, da sie so viele Widersprüchlichkeiten umschließen muß.
Die CSU muss einerseits ihre klassische Klientel in der Provinz erreichen, andererseits aber auch für Städter interessant bleiben. Sie muss wenigstens den Eindruck erwecken, dass sie dem C in ihrem Namen gerecht wird, ohne gleichzeitig von ihren Mitgliedern eine jesuitenartige Lebensführung verlangen zu können.
Würde die CSU ehrlich sein, müsste sie sich für eine Seite entscheiden, also z.B. für die Beruhigung der Hardcore-Christen in der niederbayerischen Provinz.
Die wären begeistert – aber gleichzeitig würde damit auch unweigerlich die andere Seite verschreckt werden – byebye Wahlergebnis 50% + XX.
Noch einmal Prof. Kühn:
Bereits die US-amerikanischen Soziologen Marshall Meyer und Lynne Zucker haben nachgewiesen, dass Organisationen überlebensfähiger sind, wenn sie mit widersprüchlichsten Anforderungen konfrontiert und deswegen nicht effektiv auf ein Ziel ausgerichtet sind, als wenn sie dem Modell effizienzorientierter, nur auf ein Ziel und eine Zielgruppe orientierter Unternehmen folgen. Wer Beispiele dafür sucht, schaue auf die CSU, die Weltbank oder Volkswagen, die alle drei keine Vorbilder für eine stromlinienförmige Organisation sind, aber die widersprüchlichsten Anforderungen mehr oder minder geschickt integriert bekommen. Je heterogener die Wählerschaft der CSU in den letzten zwei Jahrzehnten geworden ist, desto stärker ist sie darauf angewiesen, ein attraktives, aber nicht allzu konkretes Außenbild abzugeben. Zugespitzt ausgedrückt: Organisationen müssen professionell heucheln, damit sie ihre eigentlichen Produkte herstellen können. Oder in der Sprache von Nils Brunsson: Unternehmen, Parteien, Universitäten und Kirchen müssen »Talk« produzieren, um überhaupt zu »Action« in der Lage zu sein.
Tja, hier ist die CSU eben absolut professionell, während sich die SPD mit renitenten Anhängern rumschlagen muß, die erwarten, daß ihre Spitzensozis das tun, was sie sagen.
Noch schlimmer ist es bei den Grünen – da erdreisten sich sogar Parteitagsdelegierte zu verlangen, daß nur umgesetzt und getan wird, was moralisch richtig ist, daß nicht gelogen wird und daß man sich an den eigenen Versprechen ausrichtet.
Das KANN ja nicht werden – daher haben sie eben auch einstellige Wahlergebnisse, während die CSU bequem – weil absolut professionell im heucheln – auf einer 2/3-Mehrheit im bayerischen Landtag sitzt.
Das klingt doch....
Aha. Organisationsforschung also. Und das ist.....?
Der Forschungsschwerpunkt „Organisationsforschung“ zielt auf das Verstehen, Erklären und Gestalten von Organisation(en) als spezifischen sozialen Systemen, die in komplexe, dynamische und vernetzte Kontexte eingebettet sind. Besonderes Merkmal des Schwerpunkts ist die integrierte Thematisierung von Organisationen und Prozessen des Organisierens. So umfassend und tief greifend der Einfluss von Organisationen in heutigen Gesellschaften ist, so zahlreich sind die Problemstellungen, die eine gehaltvolle, wissenschaftliche Behandlung von Organisationen mit sich bringt.
Einer der großen Zampanos des Fachs ist Prof. Dr. Stefan Kühl; seit 15.04.2007 an der Universität Bielefeld tätig. Was da so erforscht und erkannt wird, hat er Laien-verständlich kürzlich in einem Aufsatz für die ZEIT dargelegt.
Dabei geht es um die Funktionsweise von CSU, Weltbank und VW – wieso sind sie so erfolgreich?
Man wundert sich zunächst über die Kernthese – Lob der Heuchelei – aber es leuchtet tatsächlich ein!
Erfolgreiche Organisationen, wie die CSU behaupten stets mit aller Macht besonderen Werten verpflichtet zu sein! Zum Beispiel als Gralshüter der christlichen Werte im deutschen Parteienspektrum.
Entsprechend reklamiert die Weltbank eine besondere Verantwortung für sich und auch VW trägt die besonders gute Qualität seiner Autos wie eine Monstranz vor sich. Diese außerordentlichen Werte erwartet auch die Klientel – man kann sich kaum vorstellen, daß die CSU in Bayern besonderen Erfolg mit dem Slogan
„Wie sind im Privatleben mindestens genauso verlottert, wie alle anderen“
hätte. Prof. Kühn drückt die Erwartungshaltung an erfolgreiche Organisationen, wie die CSU so aus:
Parteien, öffentliche Verwaltungen, überstaatliche Organisationen und Unternehmen haben gefälligst so zu handeln, wie sie reden. Visionen, Leitbilder, Werthaltungen und Programme müssten, so die dominierende Vorstellung, möglichst eng mit den konkreten Entscheidungen in den Organisationen gekoppelt sein. Dieser Konsens liegt dem Mantra jeder Parteikritik – »die machen ja am Ende doch nicht, was sie versprechen« – zugrunde.
Es gibt nur ein kleines Problem am Rande und das ist die enorme Lücke zwischen Anspruch und Realität.
Schon FJS prahlte vor seinen Spezis und Amigos genauso ausführlich mit seinem Verbrauch von Prostituierten, wie er öffentlich das Gegenteil verkündete. Sein persönlicher Adlatus Stoiber, der sich ebenfalls als Inkarnation der Moral sieht, hatte seinerzeit die Aufgabe Strauß jeweils zwei Nutten zuzuführen, damit er sich „sandwichen“ lassen konnte.
Heute ist das ja nicht anders – während sich CSU’ler über die angebliche Lottermoral von Roten und Grünen empören, vögeln Seehofer und Söder selbst ganz selbstverständlich fremd (beide haben jüngst uneheliche Bälger gezeugt). Auch das Publikum ist ja schizophren – laut schreit es nach „Ehrlichkeit“, würde aber natürlich im Falle eines Falles die Partei furchtbar abstrafen, die ehrlicherweise sagte:
„OK, die christliche Moral fordern wir eben nur bei anderen – wir selber bestechen, huren, schmieren und saufen was das Zeug hält“
Es gibt aber eine Lösung, um aus diesem Dilemma der Diskrepanz zwischen und Worten und Taten heil rauszukommen.
Es ist so einfach:
Heuchelei und Scheinheiligkeit!
Wer das perfekt beherrscht, hat Erfolg. Diesen Mechanismus konnte der schwedische Organisationsforscherpapst Nils Brunsson herausarbeiten. Der seit 1986 als Professor an der Stockholm School of Economics lehrende Nils Brunsson (Jahrgang 1946) gilt schon jetzt als einer der "Klassiker der Organisationsforschung". Inzwischen hat er nicht weniger als 18 Bücher und eine große Zahl von Aufsätzen publiziert.
Besonderes Augenmerk richtet er im Zusammenhang mit Organisationen auf die Theorie der Entscheidung.
Bei aller Klage übersieht man - laut Brunsson - einen zentralen Punkt:
Den Nutzen, den Heuchelei für Organisationen hat. Scheinheiligkeit ist für Organisationen nicht ein Problem, sondern vielmehr eine Lösung.
Regierungs- wie Oppositionsparteien, multinationale Entwicklungshilfeorganisationen genauso wie globalisierungskritische Nichtregierungsorganisationen, die Betriebsleiter großer Automobilkonzerne genauso wie der Betriebsrat dieser Firmen – sie alle sind, so die These Brunssons, darauf angewiesen, möglichst professionell zu heucheln.
Heucheln und Lügen ist schlichtweg die einzige Möglichkeit politisch so erfolgreich zu sein, wie es die „bayerische Staatspartei“ ist, da sie so viele Widersprüchlichkeiten umschließen muß.
Die CSU muss einerseits ihre klassische Klientel in der Provinz erreichen, andererseits aber auch für Städter interessant bleiben. Sie muss wenigstens den Eindruck erwecken, dass sie dem C in ihrem Namen gerecht wird, ohne gleichzeitig von ihren Mitgliedern eine jesuitenartige Lebensführung verlangen zu können.
Würde die CSU ehrlich sein, müsste sie sich für eine Seite entscheiden, also z.B. für die Beruhigung der Hardcore-Christen in der niederbayerischen Provinz.
Die wären begeistert – aber gleichzeitig würde damit auch unweigerlich die andere Seite verschreckt werden – byebye Wahlergebnis 50% + XX.
Noch einmal Prof. Kühn:
Bereits die US-amerikanischen Soziologen Marshall Meyer und Lynne Zucker haben nachgewiesen, dass Organisationen überlebensfähiger sind, wenn sie mit widersprüchlichsten Anforderungen konfrontiert und deswegen nicht effektiv auf ein Ziel ausgerichtet sind, als wenn sie dem Modell effizienzorientierter, nur auf ein Ziel und eine Zielgruppe orientierter Unternehmen folgen. Wer Beispiele dafür sucht, schaue auf die CSU, die Weltbank oder Volkswagen, die alle drei keine Vorbilder für eine stromlinienförmige Organisation sind, aber die widersprüchlichsten Anforderungen mehr oder minder geschickt integriert bekommen. Je heterogener die Wählerschaft der CSU in den letzten zwei Jahrzehnten geworden ist, desto stärker ist sie darauf angewiesen, ein attraktives, aber nicht allzu konkretes Außenbild abzugeben. Zugespitzt ausgedrückt: Organisationen müssen professionell heucheln, damit sie ihre eigentlichen Produkte herstellen können. Oder in der Sprache von Nils Brunsson: Unternehmen, Parteien, Universitäten und Kirchen müssen »Talk« produzieren, um überhaupt zu »Action« in der Lage zu sein.
Tja, hier ist die CSU eben absolut professionell, während sich die SPD mit renitenten Anhängern rumschlagen muß, die erwarten, daß ihre Spitzensozis das tun, was sie sagen.
Noch schlimmer ist es bei den Grünen – da erdreisten sich sogar Parteitagsdelegierte zu verlangen, daß nur umgesetzt und getan wird, was moralisch richtig ist, daß nicht gelogen wird und daß man sich an den eigenen Versprechen ausrichtet.
Das KANN ja nicht werden – daher haben sie eben auch einstellige Wahlergebnisse, während die CSU bequem – weil absolut professionell im heucheln – auf einer 2/3-Mehrheit im bayerischen Landtag sitzt.
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