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Donnerstag, 16. Juni 2011

Meine Suppe ess‘ ich nicht!

Angela Merkel soll - wenn man diesbezüglich SPIEGEL-Reporter Dirk Kurbjuweit Glauben schenken darf - eine angenehme Gästin sein.
„Blümchenrepublik“ überschreibt er seinen aktuellen Bericht über die letzten drei Reisen der Kanzlerin - (USA, Indien und Singapur).
Merkel ist nämlich vorm Taj Mahal und dem US-Kongress genauso vage und nichtssagend wie im deutschen Bundestag. Kein Gastgeber muß befürchten, daß die Deutsche irgendwelche heiklen Themen anspricht, oder gar ureigene politische Interessen durchzudrücken versucht.

Sie ist so unpolitisch, daß sie noch nicht mal zum Beleidigt-sein fähig ist.
Als das Iranische Regime der Kanzlerinnenmaschine auf dem Weg nach Indien die Überflugrechte verweigerte und sie stundenlang über der Türkei kreisen ließ, verschlief Merkel den diplomatischen Affront.
Guido, der Hysterische, hätte an ihrer Stelle zumindest den Iranischen Botschafter einbestellt, um eine ordentliche öffentliche Empörungsshow inklusive Fußaufstampfen und Hände wütend in die Hüfte rammen abzuziehen.
Bei dem Versuch Merkel zu piesacken haben die Perser allerdings auf Granit gebissen.
Sie ist einfach gern Kanzlerin. Darüber hinaus hat sie keine Ambitionen.

In Indien wirkte sie fast ein bisschen zu klein für diese Welt. Vom 78-jährigen Premierminister Manmohan Singh, der bei der Pressekonferenz vor allem dadurch auffiel, dass er seine Sätze zeitlupenhaft hervorbrummte, sprach sie mit einer Hochachtung, als wäre er der Papa und sie das Töchterchen. Merkel hat ja ohnehin ein Talent dafür, manchmal goldig zu wirken. Bei älteren Männern, die sie weise findet, tritt es besonders deutlich hervor. Sie sah sich auch nicht in der Position, Singh irgendwelche Ratschläge zu geben, da er ein Volk von 1,2 Milliarden regiert, sie eines von 82 Millionen. Dazu gehört dann auch, dass sie ihm nicht das deutsche Modell des Atomverzichts nahelegte. Es war auf allen drei Stationen ihrer Reisen kein großes Thema. In Singapur warb ein Minister gegenüber Regierungssprecher Steffen Seibert leidenschaftlicher für die Prügelstrafe als die deutsche Delegation für den Atomausstieg. Es wirkt fast, als komme man sich selbst etwas sonderbar vor. Deutschland ist in dieser Frage der Freak der Weltpolitik, macht sein Ding und schweigt. Die anderen wundern sich und klopfen vielleicht auch mal heimlich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
(SPIEGEL 24/2011)

Kaum zu glauben, aber es ist gerade mal 20 Jahre her, daß sich die Welt besorgt fragte, wie ein wiedervereinigtes, großes und mächtiges Deutschland international in die Schranken zu weisen wäre.
Würde die mit Abstand wichtigste Wirtschaftsmacht Europas nicht rücksichtslos seine Interessen durchdrücken und international Pflöcke einschlagen? Maggi Thatcher und Frongsoa (Aussprache à la Kohl) Mitterand waren nicht die einzigen, die die Aussicht auf einen teutonischen Elefanten im Weltporzellanladen zittern ließ.

Und nun das!

Die peidelige Merkel ist international ungefähr so respekteinflößend wie Stoff-Pandabärchen.

Auf der Reise wirkte sie bescheiden, manchmal sympathisch-ungeschickt. Als sie in Washington eine Ehrenformation abschreiten sollte, steppte sie ein wenig herum, bis sie den Gleichschritt fand und den Platz auf der richtigen Seite ihres militärischen Begleiters. Einmal vergaß sie beinahe, ihren Ehemann mitzunehmen zu den wartenden Obamas. Und herrlich kindlich sind immer wieder die Gesichter ihrer Freude und ihres Unmuts.
(SPIEGEL 24/2011)

Es ist ausgerechnet der frühere Israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, der inzwischen genau die gegenteiligen Befürchtungen von einst hegt:
Deutschland habe sich so sehr aus der Politik verabschiedet, daß die diplomatische Vakanz Berlins zum echten Problem werde.

Einst sorgten sich die Nachbarn, Deutschland würde zu stark. Heute ist es außenpolitisch zu schwach.
[…] Heute macht man sich Sorgen um eine zu zurückhaltende deutsche Außenpolitik, deren Resultat eine Nabelschau ist und eine selbstbezogene Politik.
[…] Washington erwartet von Deutschland mehr Solidarität, ja Kooperation, vor allem bei der Unterstützung der freiheitlichen Kräfte in der arabischen Welt und vor allem in Libyen. Die Amerikaner erwarten ein stärkeres Engagement Deutschlands in der Sanierung der Euro-Zone und in Sachen EU-Politik generell. Die Amerikaner, die nicht immer von der europäischen Vereinigung begeistert waren, verstehen heute, dass sie den neuen Mächten der Welt, den Schwellenländern und vor allem China, keine Standhaftigkeit ohne eine enge Kooperation mit einem starken Europa zeigen können.
Dazu ist wie immer die enge Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs notwendig, wofür heute freilich der Wille in Deutschland fehlt.
[…] Ausgerechnet die Stärke Deutschlands, auch die seiner Wirtschaft, ist von der Außenwelt abhängig. Es kann seine Interessen ohne eine intensive Zusammenarbeit mit den europäischen Verbündeten und mit Nordamerika nicht verteidigen.
(Avi Primor in der SZ vom 16.06.11)

La grande nation läßt inzwischen schon jede Diplomatie fahren und beschwert sich öffentlich über die Tatenlosigkeit der Merkel-Regierung:

Einen Tag vor dem Besuch des französischen Staatspräsidenten bei der Kanzlerin zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) sogenannte "offizielle französische Kreise in Berlin", die ein eher trübes Bild vom aktuellen Verhältnis zeichnen. Der Bericht dürfte kein Zufall sein - sondern eine Botschaft ans Kanzleramt. In der deutschen Hauptstadt, so die Klage, werde weniger als noch zu Bonner Zeiten in deutsch-französischen Kategorien gedacht. Was von französischer Seite aufgezählt wird, ist wenig schmeichelhaft für Angela Merkel: Es gebe einen Mangel an vertraulichen Gesprächen, früher - gemeint sind ihre Vorgänger im Amt - habe es auch mehr Vier-Augen-Treffen gegeben. Ausdrücklich wird festgestellt, dass das Treffen von Merkel mit Sarkozy am Freitagvormittag in Berlin das erste seit sieben Monaten ist, bei dem sich die beiden alleine begegnen würden.
[…] Die Zustandsbeschreibung gipfelt mit der Aufforderung der hochrangigen französischen Hauptstadt-Quelle: "Wir brauchen mehr Deutschland."
(Severin Weiland 16.06.11)

Der einzige Trost für Israel, Frankreich und die USA besteht darin, daß Merkel nicht nur die Außenpolitik ignoriert, sondern gleichermaßen die Regierungstätigkeit im Inneren komplett eingestellt hat.

Das macht sich nicht nur bei den bekannten Megathemen Steuerreform, Gesundheitssystem oder föderale Finanzstruktur bemerkbar, sondern auch kleinere, ganz konkret geforderte Dinge tut diese Regierung einfach nicht.
Beispiel „illegales Wahlrecht“.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 eine Regelung des Wahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt, die es möglich machte, dass eine Partei im Falle von weniger Stimmen einen Sitz mehr im Parlament erhält oder auch im Falle von mehr Stimmen einen Sitz weniger. Dieses negative Stimmgewicht verstoße gegen den Grundsatz der Gleichheit im Wahlrecht, weil es die Absicht des Wählers bei der Stimmabgabe in ihr Gegenteil verkehre, so das Gericht.
[…] Auch die Wahl 2009 wurde noch nach dem bisherigen Wahlrecht durchgeführt. Das Gericht hatte aber verlangt, bis zum 30.Juni 2011 eine Reform des Wahlrechts zu verabschieden.
(Nico Fried 16.06.11)

Drei Jahre hatte also die Merkel-Regierung Zeit sich des Themas anzunehmen.
Aber sie hat es einfach bei einer glatten Arbeitsverweigerung belassen.

Das Verfassungsgericht hat ein neues Bundestagswahlrecht gefordert - doch Schwarz-Gelb hat die Reform vertrödelt. Eine fristgerechte Einigung ist jetzt nicht mehr möglich, Deutschland steht bald ohne Abstimmungsmodus da. An der peinlichen Schlappe will keiner schuld sein.
[…] Denn tatsächlich hat Deutschland bald ein veritables Problem: Es steht bald ohne gültiges Bundestagswahlrecht da. In einer Zeit mit einer zerstrittenen Regierung.
[…] Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, sagt: "Das Verhalten von Union und FDP verhindert faktisch die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen." "Die Koalition ist auch beim Wahlrecht völlig zerstritten". Dass Schwarz-Gelb wenige Tage vor Fristablauf immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt habe, "ist eine beispiellose Respektlosigkeit gegenüber dem Bundesverfassungsgericht", so Oppermann. Von einem "drohenden Zusammenbruch der Demokratie", von einem "politischen Fukushima" schreibt , einem "gezielten Anschlag auf die Verfassung", einer "bewussten Missachtung des Bundesverfassungsgerichts", einer "Verhöhnung der Wähler", schreibt gar der Leitartikler der "Frankfurter Rundschau".
[…] CDU-Mann Wolfgang Bosbach, Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, will zwar von einer drohenden Staatskrise nicht sprechen, aber auch er findet es beschämend für den Bundestag und "insbesondere die Regierungsfraktionen", dass keine Lösung gefunden wurde.
[…] Bosbach sieht die Verantwortung dafür, dass Schwarz-Gelb noch keinen Entwurf zur Reform des Wahlrechts vorgelegt hat, allerdings bei der FDP.
[…] Auch davon, dass das Führungschaos bei der FDP die Verhandlungen gelähmt hat, ist in Unionskreisen die Rede.
(Anna Reimann 16.06.11)

Die Nummer Zwei im Staate, Bundestagspräsident Lammert spricht das aus, was ich schon seit dem ersten Tag der Merkel’schen Kanzlerschaft denke:

'Die Situation ist ärgerlich und zweifellos auch peinlich', sagte Lammert der Süddeutschen Zeitung.
[…] Niemand könne sich damit entschuldigen, man sei vom Handlungsbedarf überrascht worden, sagte der Bundestagspräsident mit Blick auf die von Karlsruhe eingeräumte dreijährige Frist für eine Korrektur, die Ende Juni abläuft. Lammert räumte ein, dass dem Ansehen des Bundestags Schaden entstehe, wenn der Eindruck erweckt werde, das Parlament halte sich nicht an die Vorgaben des Verfassungsgerichts.
(Nico Fried 16.06.11)

Ja, es stimmt, Merkels komplette Arbeitsverweigerung ist hochnotpeinlich.

Es gibt nur eine Sache, die noch schlimmer ist, wie wir aus dem kurzen „Herbst der Entscheidungen“ wissen:
Wenn sich nämlich Schwarzgelb ausnahmsweise doch mal zu Taten durchringt!

2 Kommentare:

Oberclown hat gesagt…

Wenn man ein übler Zyniker ist könnte man sagen, dass Schwarz-Gelb diesen illegalen Zustand beim Wahlrecht bewusst in Kauf nimmt. Das ist das Hintertürchen zur Kanzlerinnenschaft, damit kann man sich nämlich, falls in der Zukunft ein neues Wahlrecht beschlossen wird, aber noch nach dem alten Recht der nächste Bundestag gewählt, Einen Bundestag, der einen Kanzler wählt, der ohne CDU regiert, bei günstigerer Umfragenlage einfach mal wegklagen. Und für jemand dessen einziger Ehergeiz im Kanzleramt rumsitzen ist, wäre das sogar eine recht schlaue Strategie.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@
Oberclown: Absolut keine abwegige Idee. So ähnlich schreibt es heute auch Heribert Prantl im SZ-Leitartikel.
Darin unter anderem:

„……..Diese Koalition ist, wie jeder weiß, ein Bündnis nicht auf Gedeih, sondern auf Verderb. Es ist die wohl trübsinnigste Koalition, welche die Bundesrepublik je hatte, und die Früchte ihrer Politik sind meist ungenießbar. Einen Baum, der solche Früchte trägt, würde man umhauen.

Aber mit dieser Regierung geht das nicht. Selbst wenn Angela Merkel den Schröder machen und wie er vorzeitig Neuwahlen erzwingen wollte, wie dieser es 2005 getan hat - es ginge nicht: Es gibt nämlich vom 1. Juli an kein gültiges Wahlgesetz mehr, auf dessen Basis ein neuer Bundestag gewählt werden könnte. Und vor 2013 wird das neue Wahlrecht anscheinend nicht fertig. Das Parlament hat die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts missachtet, bis zum 30. Juni 2011 ein neues, verfassungskonformes Wahlgesetz zu schaffen. Wenn die Regierung Merkel platzt, fallen die Fetzen also ins rechtlich Bodenlose………..“



Siehe
http://www.sueddeutsche.de/politik/kein-gueltiges-wahlgesetz-in-deutschland-die-schande-des-parlaments-1.1109514

LGT