Eine Information einfach so als gesichert anzunehmen, weil sie bei Wikipedia steht, oder aber in einigen Zeitungsartikeln erwähnt wird, ist unseriös.
Ein redlicher Journalist würde jeweils ein direktes Gespräch suchen, nachfragen, oder zumindest die Betroffenen über die man schreibt, vorher anrufen.
Eine Quelle darf man nie als gesichert ansehen, bevor man nicht selbst ein Original eingesehen hat.
Praktisch ist so ein Vorgehen für „normale Journalisten“, die für eine Zeitung oder einen Sender arbeiten, schwierig und umständlich - für die rund 200.000 Blogger sogar nahezu unmöglich.
Einige Legenden werden so massiv beworben und so oft wiederholt, daß offenbar gar keiner mehr auf die Idee verfällt die Story zu hinterfragen.
Beispiele:
1.)
Baron zu Guttenbergs angebliche Wirtschaftskompetenz, die von nahezu allen deutschen Medien euphorisch gelobt wurde, als er im Februar 2009 vollkommen überraschend Glos nachfolgte.
Guttenberg käme selbst aus der Wirtschaft und habe außerordentlich erfolgreich ein mittelständisches Unternehmen geleitet.
Das CDU-PR-Organ BILD jubilierte:
Er war geschäftsführender Gesellschafter im Familienbetrieb (Trockenbau, Isoliertechnik, Dämmstoffe).
Die Springersche Schwesterzeitung Hamburger Abendblatt schrieb:
Dem Vorhalt, das wirtschaftspolitische Profil zu Guttenbergs sei ausbaufähig, begegnet Seehofer mit dem Hinweis auf dessen Praxiserfahrung. Tatsächlich war er geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Guttenberg GmbH, einem Fachgroßhandel für Trockenbau, Isoliertechnik und Dämmstoffe.
Der Freiherr selbst erklärte sich in den Tagesthemen vom 09. Februar 2009 für besonders erfahren:
Ein teilwirtschaftliches Fundament durfte ich mir in der Zeit vor der Politik bereits aneignen. Durch die Verantwortung, die ich im Familienunternehmen getragen habe.
ZDH-Präsident Kentzler:
Ihm ist aufgrund seiner bisherigen Leistungen in der Politik viel zuzutrauen.
Gleichlautendes von Karl-Theodor zu Guttenberg im „heute journal“ vom 09.02.2009:
...und habe vor dem Eintritt in die Politik in der freien Wirtschaft gearbeitet. War dort tätig, habe dort Verantwortung im eigenen Familienunternehmen getragen.
Wenn das alle sagen, wird das ja wohl stimmen.
Tatsächlich handelte es sich um eine gigantische journalistische Fehlleistung, deren Aufklärung nie recht ins Bewußtsein der Öffentlichkeit geriet, da lediglich ZAPP nachfragte und kaum einer das Ergebnis aufgriff:
Bei der angegebenen Firma - Von Guttenberg GmbH Uhlandstraße 15 · 85609 Aschheim · Tel. 089/909983-0 - ist man irritiert. Sie beschäftigt sich tatsächlich mit Trockenbau, WKSB-Isoliertechnik, Dämmstoffe für Dach, Fassade und industrielle Weiterverarbeitung. Allerdings hat ein Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg dort nie gearbeitet.
Wovon spricht also der telegene Freiherr, wenn er auf seine „Erfahrungen“ verweist?
Auch das hat ZAPP nach langer Mühe ermittelt und zitiert einen Auszug aus dem Handelsregister, nachdem es sich um eine zwar gleichnamige aber ganz andere Firma handelte:
„die Guttenberg GmbH“ mit Sitz in München. Sie hatte lediglich „3 Beschäftigte“. Deren Aufgabe (Zitat aus Handelsregister):... „die Verwaltung des eigenen Vermögens.“ Es ist das Vermögen der Familie von und zu Guttenberg. Seit fünf Jahren gibt es auch diese Firma nicht mehr.
2.)
Ein weiteres Beispiel sind die just zum fünfjährigen Pontifikatsjubiläum myriadenfach aufgewärmten Lobeshymnen darüber, daß Ratzinger „ein Theologe auf dem Heiligen Stuhl“ sei.
Donnerschlach! Was wir als Nächstes enthüllt? Daß der Papst womöglich auch noch Katholik ist?
Welcher Papst oder Kardinal der letzten hundert Jahre war denn NICHT Theologieprofessor?
Machen üblicherweise habilitierte Mathematiker oder Ägyptologen im Vatikan Karriere?
Letzte Woche bei „West.art am Sonntag“ (Ist die katholische Kirche noch zu retten?) sang Ansgar Wucherpfennig (Jesuit Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen) mal wieder dieses Lied.
Der Papst könne sich sogar auf Augenhöhe mit Küng und Habermas unterhalten.
Erstaunlich; ein Papst, der etwas von Kirche versteht!
Daß Ratzinger ein wissenschaftliches Großhirn sei, wird munter weiterverbreitet, ohne daß mal jemand genauer hinsieht.
Alan Posener hat das dann doch mal getan bei seinen Recherchen für das Buch „Benedikts Kreuzzug. Der Angriff des Vatikans auf die moderne Gesellschaft“ (Ullstein 2009, Preis: 18 Euro).
Das Ergebnis war erschreckend.
Ratzinger ist alles anderes als wissenschaftlich korrekt, er fälscht Zitate und presst sich bei seinem großen Thema „Vernunft und Glaube“ Immanuel Kant auch mal so hin, wie es ihm gerade passt.
Offenbar kommt aber kaum einer der bei Papst-Vorträgen andächtig Lauschenden überhaupt auf die Idee mal Zitate nachzuschlagen und auf Korrektheit zu überprüfen.
Die Beispiele Zapp und Posener sollen zeigen, daß man sich auch als Otto Normalblogger einige Informationen zugänglich machen kann, die scheinbar bei großen Teilen der etablierten Presse nicht ankommen.
Das einzige Rezept, das einen davor bewahrt allzu vielen Fehlinformationen aufzusitzen, ist und bleibt „viel lesen“ und dabei möglichst unterschiedliche Quellen verwenden.
Insbesondere ist es sehr wichtig sich stets darüber bewußt zu sein, woher die Informationen stammen.
Hiermit komme ich auf das große Thema „Medienjournalismus“ - also das absolute Stiefkind der Presse.
Medienjournalisten werfen kritische Blicke auf ihre eigene Branche.
Das einzige Fernsehmagazin, das sich ausdrücklich und regelmäßig damit die Finger schmutzig macht, ist die NDR-Sendung „Zapp“, die man in diesem Zusammenhang gar nicht genug loben kann.
Man sollte sie möglichst immer verfolgen - denn nur dort werden einer größeren Öffentlichkeit Informationen über die Profi-Informanten zugänglich gemacht.
Einen sehr aufschlußreichen Aufsatz zu dem Thema veröffentlichte der einstige SPD-Vordenker und heutige Herausgeber der „NachDenkSeiten“ Albrecht Müller am 30.04.2010.
Den Text möchte ich hiermit ausdrücklich als Lektüre empfehlen.
Obwohl ich einige Sätze für übertrieben halte, wie ich auch generell die Nachdenkseiten für etwas blind auf dem linken Auge halte, stimme ich mit dem Grundtenor weitgehend überein.
Sehr wichtig finde ich seine Warnung vor sich unabhängig und seriös gebenden Experten und Instituten, die in Wahrheit einer klaren politischen Strömung entstammen:
Von Medienjournalisten würden wir erwarten, dass sie ihre Kollegen in den Zeitungen und Redaktionen bei den Sendern bedrängen, wenn diese immer wieder Organisationen und Institute zitieren, die eigens für die Public Relations-Arbeit gegründet worden sind: namentlich zum Beispiel die INSM, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, BerlinPolis, das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA), das Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA) in den Händen der Deutschen Post AG und des Berliner Professors Klaus Zimmermann, das MEA, ein Mannheimer Institut unter Leitung von Professor Börsch-Supan, finanziert von der Versicherungswirtschaft und dem Land Baden-Württemberg, das Freiburger Institut von Raffelhüschen, das IW, das Institut der deutschen Wirtschaft, usw.
Es erscheint mir überhaupt als eins der Hauptübel des politischen Journalismus, daß intensiv verfolgte Absichten stets unter dem Deckmantel der Neutralität und Unabhängigkeit verkauft werden.
Wenn man sich die Titelseite von Springer-Blättern ansieht, prangt einem ein selbstbewußtes „unabhängig, überparteilich“ entgegen.
Auch auf der BILD. Ein guter Witz.
Aber man weiß auch was man von der BILD zu erwarten hat - Lügen im Allgemeinen und Propaganda gegen SPD, Linke und Grüne im Besonderen.
Viele andere Blätter sind aber genauso wenig „unabhängig, überparteilich“ - das muß man immer im Hinterkopf haben.
Ich lobe an dieser Stelle das kleine Boulevardblättchen „Hamburger Morgenpost“, das in Hamburg einsam im Billigsegment (60 Cent) gegen die Springerübermacht steht.
Der „MoPo“-Kommentar bezieht wenigstens Position, so daß man weiß wes Brot man da gerade isst.
Über die bei „hart aber fair“ schwer debakulierende Silvana Koch-Mehrin und ihr Verlangen nach einem generellen Burka-Verbot, schrieb Kommentator Dorschel am 3. Mai 2010
[…] Und wenn promt auch die deutsche FDP Burkas verbieten will, ist das beängstigend. Denn Burkas sind bei uns ungefähr genauso verbreitet wie Bananenröcke. Kann man verbieten, kann man auch lassen - am Leben im Land ändert das nichts. Schürt aber kräftig Unmut gegen alles Fremde - so wird die FDP zum populistischen Trittbrettfahrer einer Debatte unter Nachbarn. Nur ein paar Wochen ist die Hetze gegen Hartz-IV-Bezieher alt, da karrt die FDP wieder ein Feindbild heran. Das ist nicht liberal, das ist nicht seriös. Sondern stinkt zum Himmel."
Heute, am Tag vor der NRW-Wahl lautet die Überschrift des Mopo-Kommentars von Mathis Neuburger
Das nicht. Aber wo sie recht haben, haben sie recht.
Ich schließe mich der Bitte Herrn Neuburgers an die NRW’ler an.
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