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Dienstag, 4. Mai 2010

Ausgezappt.

Die Kirchensteuer ist keine Steuer, sondern der Mitgliedsbeitrag eines Vereins, den der als Inkassounternehmen auftretende Staat einzieht.
Daß sich trotz der im Grundgesetz geforderten Trennung von Staat und Kirche der Begriff „Kirchensteuer“ eingebürgert hat, zeigt eine der großen Lebenslügen der Bundesrepublik auf.

Hier klammert man sich an das Hitler-Vatikan-Konkordat.
Meines Wissens ist dies überhaupt der einzige Fall eines internationalen Vertrages, den Hitler abschloss und der immer noch gültig ist.
Andere bilaterale Konkordate, die der Vatikan mit faschistischen Staaten aushandelte, wurden ebenfalls inzwischen gekündigt.
Nur Deutschland klammert sich noch an den Hitler-Vertrag.
Die Bundesrepublik Deutschland ist gefordert ein neues Konkordat auszuhandeln - von der RKK ist diesbezüglich keine Initiative zu erwarten, da sie bis auf den heutigen Tag enorm von diesem Regelwerk profitieren - insbesondere finanziell.

Wenn es ums Geld geht, vergisst der Vatikan sofort seine Überzeugungen.
Der Mammon steht über allem.
Nahezu einmalig in der Welt ist eine kuriose Folge dieser politischen Verquickung von Kirchen und staatlicher Verwaltung:

Die schärfte Sanktionswaffe des Vatikans, die Exkommunikation, wird zu einem Automatismus.
Ohne daß ein einziger Geistlicher Involviert wird, fällt man automatisch unter den schwersten Kirchenbann, indem man einen staatlichen Beamten erklärt die Mitgliedsbeiträge nicht mehr zu zahlen.

Exkommunikation oder Kirchenbann ist eine Kirchenstrafe, durch die ein Getaufter wegen schwerer äußerer Vergehen von Rechten und Privilegien (z.B. Wahlrecht, Gewinnung eines Ablasses) innerhalb der Kirche ausgeschlossen wird. Dem Exkommunizierten ist der Empfang der Sakramente (z.B. Beichte (!), Kommunion, CIC can. 915) und die Ausübung bestimmter kirchlicher Handlungen untersagt.
(Kathpedia)

Der aktuelle Papst höchstselbst hatte 2006 erklärt, daß man auf diese Weise eben NICHT aus der Kirche ausgeschlossen werden kann.

Anfang 2006 nämlich erklärte der Vatikan detailliert und auf Anordnung Benedikts XVI., wie der "formale Akt" auszusehen habe, damit ein Kirchenaustritt gültig ist.
Im Schreiben des "Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte" heißt es, der Wille zur Trennung aus Glaubensgründen müsse klar ersichtlich sein, er müsse schriftlich niedergelegt und von der "zuständigen Autorität" entgegengenommen und geprüft werden.
Der Staat ist hierfür inkompetent.
Ergo folgert der Kirchenjurist Gero P. Weishaupt, Mitarbeiter am besagten Päpstlichen Rat:
"Die Austrittserklärung vor einer staatlichen Behörde ist kein Kirchenaustritt im kirchenrechtlichen Sinn. Damit hat sie auch keine Rechtsfolgen in der Kirche."
Die einzige, allerdings rein weltliche Konsequenz sei die Steuerbefreiung.
(Alexander Kissler)

Auf dieses Paradoxon stüzt sich seit 2007 Kirchenrechtler Hartmut Zapp.
Er trat ausschließlich aus der Körperschaft öffentlichen Rechts aus, wollte aber ausdrücklich Mitglied der Glaubensgemeinschaft bleiben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg gab ihm Recht und bestätigte seinen Austritt.

Bei den deutschen Bischöfen schrillten die Alarmglocken - in panischer Angst, daß die Gläubigen massenhaft diesem Vorbild folgen könnten und zukünftig kein Geld mehr zahlen würden, klagten sie gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg und stellten sich damit auch eindeutig gegen den Papst.

Der Zufall wollte es so, daß Zapp ausgerechnet im Bistum des Vorsitzenden der Bischofskoferenz wohnt.
So war es Bischof Zollitsch, der pekuniär motiviert gegen Zapp und Kirchenrecht vor den weltlichen Baden-Württembergische Verwaltungsgerichtshof zog.
Das Bistum wandte sich vehement gegen den Zapp’schen „modifizierten Kirchenaustritt“ und beharrte darauf, daß es Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft NUR GEGEN GELD geben könne.

Dieser opportunistischen Rechtsauffassung der Bischofskonferenz widerspricht eine Studie René Löfflers* ausdrücklich:

„Mit der vorliegenden Erklärung setzt sich die DBK [= Deutsche Bischofskonferenz] über das kodikarische Recht nebst päpstlich autorisiertem Rundschreiben hinweg. […] Das Festhalten der DBK und der diözesanen Verwaltungen an der ‚bewährten Praxis’ bleibt rechtswidrig“ (358).

Daß sich die deutschen Bischöfe in diesem Fall so eklatant gegen Kirchenrecht und Seelenheil stellen liegt nur daran, daß es um riesige Summen geht.
Auf vier bis fünf Milliarden Euro müßten die katholische Kirchen in Deutschland verzichten, wenn die Mitglieder nicht mehr gezwungen wären Geld zu zahlen.

Zollitsch bekam heute Recht.
Die Entscheidung der ersten Instanz wurde gekippt:

Wer aus einer Kirche austritt, die nach staatlichem Recht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und deswegen u.a. zur Erhebung von Kirchensteuer berechtigt ist, kann seine Austrittserklärung nicht auf den staatlichen Rechtskreis beschränken. Das hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit einem heute verkündeten Urteil entschieden. Er hat damit der Berufung des Erzbistums Freiburg gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg stattgegeben, das die Bescheinigung über den Kirchenaustritt eines emeritierten Professors für katholisches Kirchenrecht als rechtmäßig angesehen hatte.
(VGH-BW)

Prof. Zapp hat nicht die Möglichkeit zur Revision und wird nun den innerkirchlichen Rechtsweg weiter gehen.

Der Baden-Württemberger Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gab einer Berufungsklage des Erzbistums Freiburg statt, eine Revision wurde nicht zugelassen. Ob man Mitglied einer Kirche sein kann, ohne Kirchensteuer zu zahlen, sei eine „innerkirchliche Angelegenheit“, die im Falle der Katholiken nach kanonischem Recht zu beurteilen sein. Der Fall Zapp soll jetzt nach Rom. Er wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die einträgliche, aber auch im Vatikan kritisch beäugte deutsche Harmonie von Staat und Kirche.
Jost Müller-Neuhof

Der Vatikan hat nun drei Möglichkeiten.

1) Ratzinger bleibt bei seiner unfehlbaren Meinung und stellt sich gegen seine Bischöfe in Deutschland.**

2) Ratzinger kehrt seine kirchenrechtliche Expertise von 2006 in ihr Gegenteil um, damit der deutschen RKK die Milliarden erhalten bleiben.

3) Ratzinger setzt auf die biologische Lösung und zögert das Verfahren so lange hinaus, bis Zapp den Löffel abgibt.

*Löffler, René: Ungestraft aus der Kirche austreten? / Der staatliche Kirchenaustritt in kanonistischer Sicht (= Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft, 38), Würzburg: Echter Verlag 2007, ISBN 978-3-429-02888-6, 429 Seiten, 42,- Euro.

** Anders als den deutschen Bischöfen missfällt neben Zapp auch Papst Benedikt die Koppelung der Sakramente ans Geld. Nur die kirchliche Autorität habe den Abfall vom Glauben zu bestätigen, dekretierte er. Prompt hielten die hiesigen Geistlichen dagegen, für das Schisma bleibe zunächst das Standesamt zuständig. Es ist auch diese bischöfliche Weigerung, die päpstliche Direktive anzuerkennen, die Zapp ärgert. Der Papst weiß, dass in Deutschland ein komfortables Ausnahmeregime herrscht, das seiner Dogmatik zuwiderläuft. Gefällig blickt er auf Italien, wo man Geld freiwillig zuwendet; eine Gabe, keine Abgabe. (Tagesspiegel)

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