TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Mittwoch, 25. Februar 2009

Mit in den Sumpf gerutscht.

Der Bundestag schickt sich womöglich derzeit an den fünf Millionen Menschen, die sich in Deutschland Gedanken über ihr Ende gemacht haben und diesbezüglich schriftlich Vorkehrungen getroffen haben, in den Unterleib zu treten.

Eine Patientenverfügung soll nicht mehr das Papier wert sein, auf dem sie ausgedruckt ist, wenn es nach der Gruppe um Bosbach geht.
Unter dem euphemistischen Stichwort „Rechtssicherheit für Patientenverfügungen“ werden drei verschiedene Entwürfe diskutiert.
Eine Bande CDU-Parlamentarier um Bosbach will das Selbstbestimmungsrecht de facto abschaffen.
Eine zweite Gruppe neigt dem "Stünker-Entwurf" zu. Sie betonen das Recht des Bürgers auf Selbstbestimmung. Dem Patientenwillen soll entsprochen werden, wenn sich der Arzt und ein Beauftragter, darüber einig sind, dass nun "der Fall" eingetreten ist. Kein Arzt soll aber gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln.
Ein dritter Ansatz der Abgeordneten Zöller, CSU, und Faust, CDU, liegt irgendwo dazwischen.

Das Selbstbestimmungsrecht des Individuums wird nach den Vorstellungen der Parlamentarier um Bosbach bis zur Unkenntlichkeit ad absurdum geführt.
Geht es nach ihnen, wird man zukünftig in der Regel dazu verdammt sein auch gegen seinen Willen möglichst lang der Apparatemedizin ausgeliefert sein.

Wir müssen nach diesen CDU- und Kirchenvorstellungen alle damit rechnen irgendwann wehrlos, hilflos und tatenlos unter maximalen Qualen mit Magensonden, Tracheotomien, Infusionen, Beatmungsschläuchen, Kathetern unter Verlust jeglicher Würde dahin zu vegetieren.

Diese Herren maßen sich - mit voller Unterstützung der Kirchen - an, auf dem freien Willen der Bürger mit Füßen zu trampeln und dies ausgerechnet bei der persönlichsten Angelegenheit überhaupt.

Im Gegensatz zu den sonstigen angeblich moralischen Fragen, in die sich Kirchen ungefragt einmischen - Eheangelegenheiten, Schwangerschaften - ist bei der Frage des eigenen Sterbens nun beim besten Willen nicht konstruierbar, daß die Interessen eines Dritten tangiert wären.

Daß sich eine CDU-Gestalt wie Bosbach anschickt Millionen Menschen in so einer entscheidenden Angelegenheit, ich möchte sagen, der wesentlichsten Angelegenheit überhaupt, die Rechtssicherheit zu nehmen, ist an Perfidie nicht zu überbieten.

Es handelt sich übrigens nicht um ein randständiges Problem.
Nach meinen bisherigen Recherchen ist niemand unsterblich.
Wir alle werden irgendwann den Löffel abgeben und das passiert jetzt schon in 90% der Fälle im Krankenhaus oder Pflegeeinrichtungen.

Die steigende Lebenserwartung bewirkt dabei die paradoxe Konsequenz, daß wir zum Zeitpunkt des Todes immer kränker sein werden.
Mulitimorbidität wird den praktischen Schlaganfall als Todesursache mehr und mehr verdrängen.

Die Unterstützer des Bosbach-Entwurfs sind ganz offensichtlich Sadisten.
Der Fairness halber muß ich an dieser Steller erwähnen, daß diese Schande unter den Gesetzentwürfen nicht nur von den usual suspects, also den ganz rechten Unionisten wie Ralf Göbel, Volker Kauder, Joachim Hörster, Norbert Geis, Johannes Singhammer, Ernst Hinsken, Peter Rauen, Maria Böhmer, Dr. Jürgen Gehb, Erika Steinbach (pfui Teufel), Arnold Vaatz oder Cajus Caesar unterstützt wird.

Nein, wenn ich die Unterzeichnerliste ansehe, überkommt mich das kalte Grausen:
Nicht wirklich wundere ich mich über die Namen der christlichen Fundis Wolfgang Thierse und Katrin Göring-Eckardt (beide Bundestagsvizepräsidenten).

Aber was haben denn Renate Künast, Dr. Hermann Scheer, Volker Beck und Christine Scheel da zu suchen?
Ich bin entsetzt!


Die Kirchen spielen hierbei eine besonders unrühmliche Rolle.
Lange Zeit ignorierten sie die Sorgen und Nöte jener Bürger, die an ihrem Lebensende nicht zum wehrlosen Objekt sinnloser "Apparatemedizin" werden möchten.
Nun aber schmeißen sie sich ganz auf die Seite Bosbachs, obwohl Ihnen der Text noch zu lau erscheint:
Dieser Entwurf zeichnet sich dadurch aus, dass er den schonenden Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge in den Vordergrund stellt“, begründete Reimers die grundsätzliche Zustimmung des Rates zum Bosbach-Text. Die darin enthaltenen detaillierten Regelungen entsprächen der Komplexität und der Tragweite der zu treffenden Entscheidungen. Allerdings äußerte Reimers auch Vorbehalte. Zwar sei die von Bosbach beabsichtigte Einführung einer vorsorgenden Vollmacht, also der Einsatz eines Bevollmächtigten, zu begrüßen. Da der Entwurf aber keine über geltendes Recht hinausgehenden Kompetenzen für den Bevollmächtigten vorsehe, werde eine von der EKD für notwendig erachtete Stärkung der Rolle des Bevollmächtigten damit nicht erreicht.
(Votum des Bevollmächtigten Prälat Reimers des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union zur gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung)

Sie ordnen die menschliche Eigenverantwortlichkeit ihrem Allmachtswahn unter. Man darf eben nicht so sterben, wie man will, sondern hat sich nach den Normen des Christentums zu richten.
Dafür erfanden die Kleriker den extrem beschönigenden Ausdruck „Fürsorge“ und erklärten „Fürsorge“ und „Selbstbestimmungsrecht“ müßten gegeneinander abgewogen werden.

Im Klartext: Ein selbstbestimmtes Lebensende ohne grausame Schmerzen an einem Dutzend Kabeln in völliger Hilflosigkeit wird genau mit dem was man selbst keinesfalls wollte abgewogen.

Theologie-Professor Graf von der Uni München drückt es wesentlich sachlicher aus:

Hier wird Fürsorge argumentationslogisch der Selbstbestimmung gleichgeordnet und damit Autonomie ausgehöhlt. Fürsorge kann sinnvoll ja nur dem freien Individuum gewährt werden, ist also kein gleichwertiges normatives Prinzip, sondern funktional auf Ermöglichung und Stärkung von Selbstbestimmung bezogen.

Die Sprachregelung der christlichen Rabulisten lautet: Das Leben ist schließlich ein Geschenk.

Man muß allerdings einige Knoten in den Synapsen haben, um davon überzeugt zu werden.

Denn es wurde keiner gefragt, ob er leben oder sterben will, nein, zu beidem ist man gezwungen. Zum Anderen steht es einem bei üblichen Geschenken frei, ob man es annimmt, zurück weist, oder weiter gibt.
Nach EKD-Sicht hat man aber ein Geschenk offenbar anzunehmen und darf es keinesfalls bei Nichtgefallen wieder wegwerfen.

Daß ich mich überhaupt auf diese Argumentation einlassen muß, ist dabei natürlich der eigentliche Skandal: JEDER CHRIST kann sich schließlich bis zum bitteren nach den Kirchlichen Vorschriften richten und Monate oder Jahre auf Intensivstationen dahin vegetieren.

Ich aber bin kein Christ - also verschont mich mit diesen Ansprüchen!
Die EKD und die RKK können meinetwegen 24 Stunden pro Tag und 365 Tage pro Jahr Regeln niederschreiben, wie ein Mitglied ihrer Kirche zu sterben hat.

Das geht aber den Bundestag nichts an, der Reglungen für ALLE Menschen trifft.

Die Katholen bleiben sich treu - denn sie beziehen alle weltliche Ordnung ohnehin auf das geoffenbarte, allein "der Kirche" erschlossene Gottesgesetz.

Graf:
Im römisch-katholischen Binnendiskurs gilt Naturrecht nicht als eine Spezialmoral nur für Katholiken, sondern als allgemein vernünftiges Ethos, dessen einzig gültige Auslegung und fallbezogene Konkretion allerdings dem päpstlichen Lehramt vorbehalten ist.

Die EKD ist in dieser Angelegenheit noch verwerflicher, da sie eigentlich 500 Jahre weiter entwickelt sein müßten und das Primat des Papstes nicht mehr kennen.

Protestanten haben einen eigenen direkten Zugang zu Gott und bestehen üblicherweise nicht mehr darauf, daß die Kirchenmoral alle staatlichen Dinge zu bestimmen hätte.
Beim Thema Patientenverfügung fallen sie aber den Sorgen auch ihrer Mitglieder in den Rücken und unterwerfen sich devot der Auslegung ihrer katholischen Kollegen.


Zum Schluß wieder das besondere Schmankerl:

Zur Patientenverfügung betonen beide Kirchen, dass der in gesunden Lebenszeiten einst bekundete Wille vielleicht gar nicht dem aktuellen Willen des Kranken entspreche. Man könne eine so weitreichende Entscheidung nicht "im Vorhinein" treffen, liest man in amtlichen katholischen Texten. Dieselbe Institution deutet die Ehe als Sakrament und leitet daraus ihre Unauflöslichkeit ab.
(Graf)

Interessante Logik - kann man es sich bei einer katholischen Ehe also doch neuerdings jederzeit noch mal anders überlegen?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

An dieser Stelle möchte ich ein besonderes zum Thema passendes Beispiel für Clownlogik aus Rom berichten. Das wurde mir wirklich so von einem gläubigen Katholiken erzählt:

Katholik: "Jedes Leben ist ein Geschenk Gottes, deswegen ist es eine Sünde selbst darüber zu entscheiden."
Ich: "Das gilt auch für Broccoli warum dürfen wir also über den verfügen?"
Katholik: "Der Mensch ist Gottes ebenbild, deswegen ist ein Menschenleben etwas worüber man nicht verfügen darf."
Ich: "Warum ist der Mensch Gottes Ebenbild?"
Katholik: "Weil der Mensch einen Freien Willen hat."
Ich: "Um es also zusammen zu fassen: Weil der Mensch einen Freien Willen hat, ist er etwas besonderes und darf nicht selbt über sein Leben entscheiden, also soll man ihm wegen seines freien Willens seinen freien Willen aberkennen und ihn auf den theologischen Status von Broccoli reduzieren?"

Leider kam statt weiterer Clownlogik nurnoch eine Drohung schade eigentlich, weil solche Absurditäten lösen in jedem Clown Bewunderung aus.

Der Vatikan ist einfach seit Jahrhunderten einer der führendne Fachdienstleister fürs Absurde.

Anonym hat gesagt…

Nur keine Angst! Dummdeutschland wird im Herbst selbstverständlich diese ewiggestrigen Heuchler zur stärksten Partei wählen.

Und zusammen mit dem Verein der Wirtschaftskriminellen und Steuerhinterzieher erwarten uns dann so ca. 2-4 Legislaturperioden der Selbstbereicherung, des schamlosen Demokratieabbaus und der konservativen Realitätsverleugnung mit allen Mitteln.

Erinnert sich noch einer an die "geistig-moralische Wende"?

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Nordstern:

Erinnert sich noch einer an die "geistig-moralische Wende"?


Das war doch ausnahmsweise mal wahr, was Kohl damals versprach!

Nach dem eher asketischen Helmut Schmidt, der zum Beispiel ein Jahr vor Wahlen Beförderungen verbot, damit keinesfalls altgediente Genossen auf Kosten des Staates auf schöne Pöstchen gehievt würden, folgte dann unter Kohl eine 180°-Wende!

Schluß war mit den lästigen Bedenken, dem nächtlichen Akten lesen und der allgemeinen Verantwortlichkeit.

Da wurden Geldköfferchen gefüllt, Schwarzgeldkonten in Liechtenstein und der Schweiz eingerichtet, persönliche Freunde wie Leo Kirch zu Milliardären gemacht und dem Volke zwecks weiterer Verdummung das Privatfernsehen beschert, so daß wir statt des „unerträglichen Anspruchs des Rotfunks WDR“ nun auf Sat1 „Es jodelt in der Lederhose“ und „Wenn die prallen Möpse hüpfen“ genießen durften.

Also wenn DAS keine "geistig-moralische Wende" war….


LG
T

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Oberclown:

Der Vatikan ist einfach seit Jahrhunderten einer der führende Fachdienstleister fürs Absurde.

Naja, das schon - aber wenn man mal von der Hetze, Frauenfeindlichkeit, Diffamierung, dem Antisemitismus, der Homophobie, der Gesundheitsgefährdung (Keine Kondome für AIDS-Infizierte!) und dem Negieren der allgemeinen Menschenrechte absieht, ist es doch eine andererseits auch ganz nette Institution, die modisch Maßstäbe setzt.
Man beachte nur die roten Papst-Schühchen, die seit Judy Garland in „The wizzard of Oz“ hoffnungslos out waren! Mit seinen bunten Kleidern setzt Ratzi immerhin Zeichen!


LGT