Ijoma Mangold hat kürzlich dargelegt, daß der soziale Status in unserer Gesellschaft nicht mehr verlässlich definiert ist.
Ohne ein Soziologe zu sein, finde ich, daß das ein höchst paradoxes Phänomen ist. Wissen wir doch aus zahllosen Untersuchungen, daß „arm“ und „reich“ in Deutschland seit zehn Jahren unaufhörlich auseinander driften.
Allenthalben wird außerdem eine neue „Unterschicht“ diagnostiziert, die mal grob und pauschal als „Hartz-IV’ler“ und mal weniger zartfühlend als Prekariat bezeichnet wird.
Mir ist Gabort Steingarts bösartige und dennoch erschreckend einleuchtende Charakterisierung aus seinem Buch „Weltkrieg um Wohlstand“ noch sehr präsent:
Nun habe ich schon so politisch inkorrekt und abfällig über die Mügelner gesprochen, daß ich um der Pauschalisierung treu zu bleiben tatsächlich noch mal frage, WIESO sich eigentlich Menschen, die (möglicherweise) unverschuldet in Armut und Arbeitslosigkeit gelangt sind, phlegmatisch und tumb mit BILD-ZEITUNG und SAT1 zufrieden geben?
Im Gegensatz zum Ende des 19. Jahrhundert gibt es doch schließlich für jedermann erreichbare Möglichkeiten etwas mehr Wissen und Kultur zu erlangen – Internet, Volkshochschule, öffentliche Büchereien, etc.
Daß es keinerlei Drang in höhere soziale Schichten gibt, zeigt sich also in dem Bildungsdesinteresse, aber auch in dem Aussterben von bestimmten Sprachbildern.
Jegliche Metaphorik, die an hierarchische Zustände angelehnt ist, stirbt aus:
“Ja, was glauben Sie denn wer sie sind?“
„Sie wissen wohl nicht wen sie vor sich haben“
etc.
Zu meinem größten Bedauern ist es so, daß ob der allgemein in den Köpfen sitzenden demographischen Katastrophe Mütter komplett der Etikette entschwebt sind: Der Umstand eine Kind geboren zu haben, wird als Persilschein für jede Unverschämtheit aufgefasst.
Leider sterben daher auch folgend Sätze:
„Das darf man gar nicht erst einreißen lassen“
„“Wenn das mein Sohn wäre, wüsste ich aber ...“
„Das ist Ruhestörung“
„Das gehört sich nicht“
etc.
Alles Aussprüche, die man sich gegenüber fremden Kindern nicht mehr erlauben kann.
Kindererziehung scheint generell tabuisiert und so muß man es einfach still leidend ertragen, wenn in einem 12 qm-Wartezimmer eines Arztes Mutter und Kind in Düsenjäger-artiger Phonstärke rumbrüllen, daß der Putz von den Wänden bröckelt und schon die ersten maladen Omen und Open akustisch gemartert zusammenbrechen.
Man hat es auch stoisch zu erdulden, wenn einem in Supermarkt die kleinen Brüllmaschinen ihre Minieinkaufswagen triumphal Kreissäge-artig kreischend in die Unterschenkel rammen.
„Teppichratten“ raunte mir kürzlich eine nahezu verzweifelte Käseverkäuferin zu, der schon die Ohren bluteten. Aber es bleibt beim Flüstern: Ein gestrenges „Könnten Sie ihr Balg mal zur Raison bringen?“ traut sich leider keiner mehr laut zu sagen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen