TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Sonntag, 17. Juli 2011

Kanzlerin ohne Fluchtgebiet.

Wenn es politisch zu Hause nicht mehr so läuft, flüchten sich Regierungschefs gern in die Außenpolitik.
Ein paar Länder weiter (am besten ein, zwei Kontinente weiter) können sich abgewirtschaftete Staatenlenker noch vergleichsweise einfach bejubeln lassen.
Gorbatschow ist immer noch einer der beliebtesten Präsidenten in Deutschland, während er zuhause weggeputscht wurde und heute als Russlands persona non grata gilt.
Auch Obama wird von den Deutschen hartnäckig adoriert, während seine Zustimmungswerte in Amerika schon längst auf das Niveau der Endphase Bush gesunken sind.

Angela Merkel will auch mal wieder beliebt sein, nachdem sie zu Hause nicht nur von der Opposition, sondern auch im schwarzgelben Laden zunehmend als gescheitert angesehen wird.
Nun kommt auch noch die ungeliebte Steuersenkung, die im Volk ohnehin nicht beliebt ist, wie alle Merkelschen Vorhaben unter die Räder.
Die als Adrenalinspritze für die FDP gedachten sogenannten „Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen“ entpuppt sich mal wieder als das, was FDP und CDU immer tun:
Umschichtung von unten nach oben.

Nur eine knappe Hälfte der Deutschen, rund 40 Millionen Menschen, zahlen überhaupt Einkommen- oder Lohnsteuer.
Die ärmere Majorität profitiert also schon mal grundsätzlich gar nicht von der Rösler-Steuersenkung.
Aber auch von den 40 Millionen Zahlern, profitieren die Reichsten am meisten von den Steuersenkungungsplänen, wie Experten der Süddeutschen Zeitung so eben ausgerechnet haben.

Es klappt einfach nichts.
Und nun nörgelt auch ihr Papa, der Gott der CDU.
Helmut Kohl ist unzufrieden mit „seinem Mädchen“:

Helmut Kohl hat für Merkels Linie offenbar gar nichts übrig. Nach Informationen des SPIEGEL hat Kohl die Europapolitik der CDU-Chefin scharf kritisiert. Ein Weggefährte, der den Altkanzler in letzter Zeit besucht hat, berichtet, Kohl halte Merkels Europapolitik für "sehr gefährlich". Kohl habe gesagt: "Die macht mir mein Europa kaputt", zitiert ein Vertrauter den Altkanzler.
(Spon 17.07.11)

Und das ist die echte Tragik der Kanzlerin.
Auch im Ausland hat sich herum gesprochen, daß sie es einfach nicht kann.
Daß auf sie keinerlei Verlass ist, daß sie nicht in Gang kommt und daß sie ununterbrochen die Meinung ändert.
Selbst die wenigen glanzvollen Momente, wie die Verleihung der amerikanischen Freiheitsmedaille, sind zu offensichtlich nicht ihrer Person geschuldet, sondern ein recht plumper Hinweis darauf endlich wieder auf Kurs zu gehen.

Matthias Nass, eine der ZEIT-Edelfedern ging auf Reisen durch die Hauptstädte der Welt, um sich ein Bild darüber zu machen, was die anderen Global Player von der Kanzlerin halten.
Sein „Reisebericht“ spricht eine klare Sprache.

Deutschlands Verbündete sind entsetzt über Berlins Außenpolitik.
[…] Und die Fragen des sehr hochrangigen [US-] Diplomaten, der sich leider nicht namentlich zitieren lassen möchte, werden plötzlich sehr grundsätzlich. Wie sieht Deutschland seine Rolle in der Welt? Für welche Prinzipien ist es bereit zu kämpfen? Wie will es seine Interessen und das Völkerrecht miteinander verbinden?
[… ] Libyen hat den Glauben an die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der deutschen Außenpolitik tief erschüttert. Wer in diesen Sommertagen in den Hauptstädten des Westens über die Berliner Diplomatie spricht, der hört nicht viele freundliche Worte. Es geht dabei nicht um Libyen allein. Noch nervöser hat die Verbündeten das Euro-Krisenmanagement der Kanzlerin gemacht, ihr ewiges Zögern, das erratische Hin und Her, die Mischung von markigen Worten und mageren Taten. Und wenn der französische Staatspräsident vom abrupten Ausstieg aus der Atomenergie durch die Nachrichtenagenturen erfährt statt durch einen Anruf Angela Merkels, dann vertieft das nicht die Liebe zwischen Berlin und Paris.
[… ] Der innenpolitischen Agonie der Regierung Merkel korrespondiert ein rapider außenpolitischer Vertrauensverlust. Libyen, Staatsschuldenkrise und Atomausstieg: Ratlos stehen die Freunde vor der neuen deutschen Unberechenbarkeit.
[… ] Merkel habe auf die europäische Staatsschuldenkrise gestarrt »wie ein verängstigtes Kaninchen«, spottet [der Unternehmensberater und Autor] David Marsh.
[…] Die Kanzlerin, sagt er, habe einfach »keinen Sinn für die Märkte«.
[… ] Jetzt mache ihre Regierung den Eindruck »einer Gruppe, die sich in die Ecke gedrängt fühlt«. Es gehe nur noch darum, »sich an der Macht zu halten«. Sie ist wohl doch kein zweiter Helmut Kohl: Dieses Urteil über die deutsche Kanzlerin hat sich festgesetzt. Und schon gar nicht ist ihr Außenminister ein neuer Hans-Dietrich Genscher. Die Meinungen über Guido Westerwelle sind schlicht verheerend. Er gilt als Dilettant im Amt. Fast nostalgisch scheint man an die Zeiten eines Joschka Fischer zurückzudenken. Mit den Einsätzen der Bundeswehr in Bosnien und im Kosovo habe Rot-Grün einen Paradigmenwechsel in der deutschen Sicherheitspolitik vollzogen, heißt es anerkennend. Die Deutschen hätten sich damals auch an der intellektuellen Debatte beteiligt, sagt ein Mitarbeiter von Barack Obamas Nationalem Sicherheitsrat. Heute gebe es niemanden, der diesen Part spiele.
(Matthias Nass 15.07.2011)

Ich stehe ernsthaft vor einem Rätsel.
Wie kann es sein, daß eine Bundeskanzlerin, die nicht ganz neu im Amt ist, den engsten Verbündeten und Nachbarn Frankreich, nicht persönlich über die neue Atompolitik informiert??
Jeder weiß doch, daß Frankreich die Atom-Nation Nr.1 in Europa ist und schon deswegen Irritationen folgen müssen.
Ich halte es durchaus für vorstellbar, daß Merkel so phlegmatisch und tumb ist, daß es ihr einfach nicht einfällt vorher mal kurz Sarkozy anzurufen.
Von Westerwelle will ich gar nicht reden - der begreift schließlich gar nichts und ist im Außenamt so sinnvoll aufgehoben, wie ein Elefant im Porzellanladen.

Aber müßte es in den Berliner Ministerien nicht irgendeinen Berater oder Beamten geben, der dazwischen geht und mal sagt
„Ey, Angie, du kannst ja dein Volk weiter im Dunkeln tappen lassen, aber die Beziehungen zu Frankreich (insb. in der Euro-Krise) sind derartig wichtig, daß du mal eben bei Nicolas anrufen mußt, um mit ihm den Atomausstieg zu bequatschen.“
??

Offensichtlich ist die totale Verblödung der Regierung durch die FDP inzwischen voll auf das Kanzleramt übergesprungen.
Lautstark Solidarität mit den Nordafrikanischen und Arabischen Freiheitsbewegungen zu bekunden und gleichzeitig dem schlimmsten Unterdrücker-Regime überhaupt 200 Panzer zu liefern, ist eine Politik, die nicht gutgehen kann.
Das mußte Häme und heftigen Widerspruch hervorrufen.
Aber Merkel begreift es scheinbar nicht. Sie sieht es nicht und sieht schon gar nicht voraus.
Auch das Libyen-Abstimmungsdesaster, das ihr insbesondere die Außenpolitiker in den eigenen Reihen verübeln, mußte zu heftigen Verwerfungen führen.
Aber Merkel begreift es scheinbar nicht. Sie sieht es nicht und sieht schon gar nicht voraus.

Seit dem 17. März 2011 hat die deutsche Außenpolitik bei den engsten Freunden einen schlechten Klang. An diesem Tag enthielt sich Botschafter Peter Wittig im UN-Sicherheitsrat der Stimme, als die Resolution 1973 zur Abstimmung aufgerufen wurde. Seine Kollegen aus Washington, Paris und London votierten für ein militärisches Eingreifen in Libyen. Ziel der Intervention: das von Staatschef Gadhafi angekündigte Blutbad an den Bürgern der Stadt Bengasi zu verhindern. Wittig musste auf Weisung Berlins die Hand gemeinsam mit den Botschaftern Russlands und Chinas heben. Deutschland hatte – für einen kurzen, historischen Moment – die Seiten gewechselt. Es dauerte keine 24 Stunden, bis zumindest die Bundeskanzlerin begriff, dass sie einen Riesenfehler begangen hatte. Aber da war es zu spät.
(Matthias Nass 15.07.2011)

2002/03 profilierte sich die Oppositionsführerin gegen Schröders Anti-Irakkriegs-Kurs als Partnerin des amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Doch als dessen Kriegsbegründung sich als Lüge erwies und auch die irakische Demokratie nicht recht vorankam, konnte sich Merkel kaum mehr daran erinnern, je mit den Kriegsbefürwortern sympathisiert zu haben. […] Gerade nach der Libyen-Enthaltung wüsste man gerne, wo Merkel in der Frage humanitärer militärischer Interventionen heute steht. Auch das bleibt offen.
(Matthias Geis 14.07.2011)

Nicht offen bleibt die Frage, ob Merkels Atomausstieg ernst gemeint ist.
Natürlich entspricht der Ausstieg NICHT ihrer Überzeugung. Sie hat das Ruder aus rein machttaktischem Kalkül rumgerissen. Ein weiteres Festhalten an ihrer Laufzeitverlängerung hätte die Opposition zu stark gemacht.
In der praktischen Politik hat ihr Ausstiegswillen ungefähr so viel Bedeutung, wie ihre Solidarität mit der Arabischen Freiheitsbewegung, die demnächst womöglich von 200 deutschen Panzern plattgewalzt wird.

Eines der acht stillgelegten deutschen Atomkraftwerke soll nun vermutlich doch noch als sogenannte Kaltreserve bis März 2013 in betriebsfähigem Zustand gehalten werden. Diese Möglichkeit hat die Bundesregierung mit der am letzten Freitag verabschiedeten Novelle des Atomgesetzes ausdrücklich geschaffen.
(taz 13.07.2011)

Etwas weiter weg von Deutschland, gibt die Kanzlerin sogar Milliarden-Garantien, damit Uralt-Rumpelreaktoren, deren Bauteile schon Dekaden eingelagert waren, doch noch gebaut werden.
Mit einer deutschen Bürgschaft soll das Brasilianische Angra 3-AKW errichtet werden.

Mehr als 3000 Arbeiter haben mit dem Bau begonnen, nach ausgedehnter Pause. Ausgepackt werden Teile des ehemaligen Siemens-Konsortiums KWU, mittlerweile im Besitz von Frankreichs Unternehmen Areva, die mehr als ein Vierteljahrhundert eingemottet gewesen waren. Die Brasilianer hatten dieses dritte Projekt nach Finanzproblemen und dem Desaster von Tschernobyl bereits begraben.
[…] Mit Hermes-Bürgschaften in Höhe von 1,3 Milliarden Euro will Deutschland dazu beitragen - was nicht nur bei Umweltschützern Verwunderung auslöst: Die deutsche Regierung will aus der Atomkraft aussteigen, fördert sie im Ausland aber weiter?
Die Sicherheiten für Brasilien gehören zu einem möglichen Paket von 35 Milliarden Euro für ähnliche Pläne in weiteren Nationen, noch handelt es sich um Grundsatzzusagen. Im Haushaltsausschuss hieß es, das Geschäft habe 'hohe beschäftigungspolitische Bedeutung' und trage 'zur Sicherung des deutschen Knowhow in der Nukleartechnik' bei.
(Peter Burghardt, SZ, 11.07.2011)

Noch Fragen?

2 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Erst hatte ich
"Kanzlerin ohne Feuchtgebiet." gelesen.

Na das passt doch genausogut.
Physisch wie Politisch aehnelt dieses 'Thing einer fetten, dennoch ausgetrocknet, bleichuntoten Dattel.

Das untote Problem: Its still kicking.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Was für eine extrem ekelhafte Freudsche Fehl-Lesung!
An sowas will ich bei der Merkel gar nciht denken, sonst muß ich mich kastrieren lassen.

LGT