TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Freitag, 4. Februar 2011

Ekelpakete

Daß wir möglicherweise in Nordafrika gerade eine Jahrhundertumwälzung wie 1989/1990 in Osteuropa erleben, halte ich nicht für besonders übertrieben.
Die Welt könnte sich vollkommen verändern, wenn die für den Westen so praktischen Autokratenfamilien weggefegt werden und auf einmal jemand an den Ölhähnen sitzt, der nicht auf Zuruf des Weißen Hauses pariert.
Obwohl seit Dekaden die Nahost-Experten darüber orakeln wie sehr es dort unter der Oberfläche brodelt, haben die Geheimdienste mal wieder vollkommen versagt.
Das stolze Frankreich, mit seinem legendär guten Draht nach Nordafrika, hat noch bis eben auf den Ben Ali-Klan in Tunesien gesetzt und steht nun blamiert da.
Erinnerungen an den Gorbatschow-Putsch und 9/11 werden wach - ein Heer von Spionen und milliardenschweren Geheimdiensten hatte nicht die geringsten Erkenntnisse über die aktuelle Stimmung in den brisantesten Gegenden der Welt.

Plötzlich scheint es aller Welt wie Schuppen aus den Haaren zu fallen, daß die diversen Diktatoren der Opec-Gegend echte Ekelpakete sind.

Sagenhafte 40 Milliarden Dollar hat der Mubarak-Clan sich in die eigenen Taschen gestopft, während das Volk das Brot nicht mehr bezahlen kann. Journalisten sprechen davon, das Privatvermögen der Mubaraks reiche aus, um Ägyptens gesamte Auslandsschulden zu tilgen.
Wo genau und wie die Mubaraks ihre gigantischen Geldberge horten, die sie ihrem Volk abgepresst haben, ist nicht bekannt. Als sicher gilt, daß einige Milliarden in London (Suzanne Mubarak und ihre Söhne haben britische Pässe!) und in der Schweiz geparkt werden.

Wie viel Geld Mubarak in der Schweiz bunkert, ist unbekannt. Die Statistik der Schweizerischen Nationalbank weist ägyptische Guthaben von insgesamt 3,6 Mrd. Franken aus. Medienberichten zufolge soll der Mubarak-Clan in den vergangenen 30 Jahren rund 40 Mrd. Dollar angehäuft haben. Dabei soll es sich nicht nur um Bargeld, sondern auch um Immobilien handeln. 10 Mrd. Dollar sollen auf den Präsidenten selbst entfallen. Sein Sohn Gamal soll sogar 17 Mrd. Dollar besitzen, sein zweiter Sohn Ala wird auf 8 Mrd. Dollar geschätzt. Ehefrau Susan soll über 3 Mrd. bis 5 Mrd. Dollar verfügen.
(FTD 03.02.2011)

An dieser Stelle ein Lob an die klassischen Medien. Ich bin recht angetan davon, wie ausführlich, gründlich und hintergründig uns Printpresse und TV informieren.
Dabei sticht die Süddeutsche Zeitung hervor, deren Auslandsredaktion gerade einen exzellenten Job macht.
Äußerst unangenehme Seiten der Arabischen und Maghrebinischen Potentaten werden mehr als offenbar. Sie sind regelrecht zum medialen Abschuß freigegeben.
Wie konnte das passieren, daß die übelsten Antidemokraten die engsten Verbündeten des Westens wurden, während die vergleichsweise liberale und demokratische Islamische Republik Iran in der Staatengemeinschaft ungefähr so beliebt ist wie eine Knoblauchknolle unter Vampiren?
Ginge es „uns“ (=der Westen) tatsächlich um Freiheit und Demokratie, müßten wir dem Irak und Iran sehr vel näher stehen, als Saudi Arabien und Ägypten.
Aber die Politik des Westens und insbesondere der USA ist von extremer Heuchelei geprägt.
Genauso haben wir es auch geschafft in der Islamischen Welt gehasst zu werden.

Gerade drei Monate ist es her, daß der größte Waffendeal aller Zeiten bekannt wurde.

Die US-Regierung hat den Kongress offiziell um die Genehmigung für das Waffengeschäft mit Saudi-Arabien gebeten. Geplant ist der Verkauf von Kampfflugzeugen und Hubschraubern, unter anderem von 84 neuen Kampfjets des Typs F-15 sowie die Modernisierung von 70 weiteren Kampfflugzeugen. Die Vereinbarung umfasst auch die Lieferung von Radaranlagen und lasergelenkter Munition. Wie das Außenministerium in Washington mitteilte, habe das Waffengeschäft ein "beträchtliches" Volumen und könne bis zu 60 Milliarden Dollar umfassen. Das Königreich auf der Arabischen Halbinsel soll über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren beliefert werden.
(ZEIT 21.10.2010)

Der in Saudi Arabien praktizierte Wahabismus ist sicherlich die grausamste und undemokratischste Form des politischen Islams - aber da der Saudische König und die rund 5000 königlichen Hoheiten steinreich sind, hat noch kein Westlicher Politiker verlangt in Riad mögen Schwulen- und Frauenrechte eingeführt werden.
Das passiert immer noch nicht.
Der Fokus liegt nun auf Ben Ali, Mubarak, Bouteflika.
Sie sind die neuen Paria des guten Weltgewissens.

Nur einer hat mal wieder nicht den Gong gehört.
Guido Westerwelle irrlichtert sinn- und zwecklos vor sich hin und hat keine Meinung zu Nordafrika.

Bislang belassen es die Europäer im Kern dabei, die Gewalt in Ägypten zu verurteilen und friedlichen Wandel zu fordern. Die europäische Position ist jedenfalls keine, hinter der sich Deutschland verstecken kann. Eine eigene Haltung aber erfordert zunächst eine ehrliche Analyse der bisherigen Politik. Überflüssig, weil unglaubwürdig, sind Westerwelles Beteuerungen, Menschenrechte hätten im Umgang mit Ägypten auch früher schon eine wichtige Rolle gespielt.
(SZ 04. Februar 2011)

Wieder einmal rächt es sich, daß wir einen desinteressierten Schaumschläger in einem der wichtigsten Regierungsämtern sitzen haben.
Aber wie sollten ausgerechnet die Ekelpakete des Maghreb von jemand klar tituliert werden, der selbst das größte Ekelpaket ist?
Ein klare Linie hat der Mann nicht, der vor vier Tagen mit Scharfmacher und Aufhetzer Avigdor Liebermann - gleich und gleich gesellt sich gern - zusammentraf.

Diktatoren wie Weißrusslands Lukaschenko werden mit Sanktionen bestraft, doch Ägyptens Präsident Mubarak kommt noch ungeschoren davon: Die EU handelt bei den Menschenrechten völlig unterschiedlich. Brüssel zaudert, weil nicht klar ist, wer den Machtkampf am Nil gewinnt. Wenn die EU will, kann sie hart reagieren: Wegen der Repressalien gegen Oppositionspolitiker in Weißrussland beschlossen die Außenminister auf einer Sitzung am späten Dienstag Sanktionen gegen das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko. Der Präsident und rund 150 weitere Repräsentanten des Landes dürfen damit nicht mehr in EU-Länder reisen.
(Christoph Schult, 01.02.2011)

Im Nahen Osten und Nordafrika versagen Deutschland genauso wie die EU.
Auch die Außenpolitik unter Merkel und Westerwelle ist ein schizophrenes Desaster.

Die Praxis sieht eher düster aus. Ein Staat wie Ägypten, in dem es keine freien Wahlen gibt und der Geheimdienst Oppositionelle brutal foltert, erhält 150 Millionen Euro pro Jahr aus Brüssel. Die EU-Kommission will Flüchtlinge nach Libyen abschieben, obwohl deren Sicherheit unter dem Diktator Muammar al-Gaddafi nicht garantiert ist. Vergangene Woche empfing Kommissionspräsident José Manuel Barroso den usbekischen Autokraten Islam Karimow.
(Christoph Schult, 01.02.2011)


Das unser Guido in Israel dilettiert, ist wenig verwunderlich - schließlich versagt der Außenminister in allen Feldern der praktischen Politik.

Er macht sich aber zusätzlich unmöglich, wenn er zusammen mit Ekelpaket Liebermann Grinsephototermine wahrnimmt.
Und noch eine Umdrehung mehr kommt hinzu, weil es Westerwelle war, der aufgeblasen und voller Selbstüberschätzung von der bedeutenden außenpolitischen Rolle Deutschlands sprach.
Man gehöre nun zu den ganz Großen in der Weltpolitik.

Vor einigen Monaten jedenfalls hat die Bundesrepublik noch viel Mühe darauf verwandt, zu diesem Kreis gezählt zu werden. Im Wahlkampf um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat verwies Deutschland auf seine wirtschaftliche Kraft, auf seine Bedeutung innerhalb der EU und auf seinen Gestaltungswillen in der globalisierten Welt. Die ungerührte Routine, in der die großen deutschen Fernsehkanäle angesichts des ägyptischen Dramas ihr Programm abspulen, lässt von alledem wenig erkennen. Sichtbar wird vielmehr eine Nation, die es sich in der eigenen Provinz gemütlich gemacht hat.
(SZ 04. Februar 2011)

Aber ich beschwere mich besser nicht über die Tatenlosigkeit unseres hoffnungslos überforderten Außenministers.
Täte er irgendwas, würde er vermutlich die Situation noch verschlimmbessern.

Wie sein Außenminister-Kollege Liebermann kann auch Westerwelle seinem Land nur einen Gefallen tun - und zwar zurücktreten.
Doch soweit ist es dann mit deren Patriotismus doch nicht her.

6 Kommentare:

Desparada-News hat gesagt…

"Wie konnte das passieren, daß die übelsten Antidemokraten die engsten Verbündeten des Westens wurden, während die vergleichsweise liberale und demokratische Islamische Republik Iran in der Staatengemeinschaft ungefähr so beliebt ist wie eine Knoblauchknolle unter Vampiren?"
Vielleicht gerade darum, weil alle die westlichen "Demokratien" Vampire sind...

Homer Simpson hat gesagt…

"Wie konnte das passieren, daß die übelsten Antidemokraten die engsten Verbündeten des Westens wurden, während die vergleichsweise liberale und demokratische Islamische Republik Iran in der Staatengemeinschaft ungefähr so beliebt ist wie eine Knoblauchknolle unter Vampiren?"

Das Stichwort ist hier glaube ich: "Stabile Verhältnisse". Gute Geschäfte macht man vor allem da, wo ein entsprechendes politisches System etabliert ist.

Gibt es Bodenschätze, genügt ein Diktator, den man am Gewinn beteiligt. Das bringt immer schnell, sehr viel Geld. Demokratien sind eher etwas für langfristige Anleger. Das politische Klima ist viel stabiler als in Diktaturen. Aber dafür, muss man sich mühsam an die Entscheidungsträger heranschmieren - also politische Landschaftspflege betreiben.

jakebaby hat gesagt…

Vampire ... was waer das schoen.

Ueberall Kreuzverbot und so.
Kein Tag ohne knoblauchraspelnde Massen mit Weihwasserspritzpistolen vor dem Bundestag.
Ich als Knofi-Fan brauechte sie nur anhauchen...
Sicherlich kein Papstbesuch im September ... und und ..

Gruss
Jake

wolfgang hat gesagt…

In fast allem gebe ich Dir Recht, Tammox,
aber Du kannst ja wohl nicht im Ernst behaupten, der Iran sei liberal! Frauen, die für Ehebruch gesteinigt werden, Schwule, die von Baukränen baumeln, eine Regierung, die Informationswuellen sperrt, weil sie vor dem Druck der Straße genauso Angst hat wie Mubarak...
Ahmahdineschad, der vor der Uno Schwachsinn verzapft und behauptet, die Menschrenrechte bräuchte eine islamische Auslegung - und damit seinen zwangsreligiösen Staat rechtfertigt... usw. usf.

Nein, so geht das nicht, daß Du eine menschenverachtende Theokratie lobst...tut mir leid - bei aller sonstigen Zustimmung!
Über Westerwelle brqaucht man noch nicht mel mehr den Kopf schütteln; und slebst Obama lädt lieber Politiker zum "Frühstücksgebet" ein, als Tacheles zu reden...
Alles demokratische Weicheier. Wir werden aber noch mit offenen Mündern staunen, wenn der Vatikan mit dem Iran Freundschaftsverträge schließt, den Benedikt und seine Kardinäle können dort wieder neu lernen, wie man Abweichler verfolgt, foltert und umbringt.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Jake, Homer, Desperada - natürlich wollte ich genau das gesagt haben: Wenn jemand reich ist und zudem den geostrategischen Konzepten in den Kram passt - wie Golf-Monarchien - dann ist es dem Westen nicht nur egal, daß dort keine Menschenrechte und Demokratien gelten, sondern EU und USA sind sogar froh darüber, daß mit der Knute demokratische Bewegungen niedergehalten werden - schließlich weiß man nie wer dann dran kommen würde. Deswegen wurden auch lange rechtsgerichtete Militärdiktaturen in Mittel- und Südamerika hofiert.
Daß dabei Tausende Oppositionelle „verschwanden“, wurde gerne akzeptiert - alles besser, als womöglich linke Regierungen, die nicht mehr das tun was Washington will.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Wolfgang -
Doch, das war mein voller Ernst.
Ich habe absolut nichts an Achmadinedschad zu loben. Verglichen mit Europa, ist Iran natürlich nicht demokratisch, oder liberal.
Aber ich finde, man sollte Iran und Irak eher an seinen Nachbarn messen. Und tatsächlich sind die iranischen politischen Strukturen erheblich liberaler - RELATIV zu z.B. Saudi Arabien.
Im Iran gibt es allgemeine Wahlen, der Staat ist keineswegs auf einen Herrscherclan zugeschnitten wie in vielen anderen Ländern der Region. Achmadinedschad kann auch sein Amt verlieren. Als 1997 Mohammad Chātamī Präsident wurde, galt das als große Überrachhung und hat den konservativen Theologen GAR NICHT gefallen. Daß Achmadinedschad 2005 Präsident wurde, war natürlich eine extrem konservative Wende - aber es gab diverse Mitbewerber und es kam sogar zu einer Stichwahl. Hätten sich der Westen nebenan im Irak nicht gerade so extrem unbeliebt gemacht, wäre auch so ein Hardliner nicht an die Macht gekommen.
Die Hälfte der iranischen Studenten sind weiblich, die Jugendlichen haben Internetzugang, in Teheran gibt es überall auf den Dächern Satellitenschüsseln, um internationales TV zu empfangen.

Im Irak war es vor den Golf-Kriegen noch demokratischer. Frauen konnten dort in Miniröcken rumlaufen, es gab einer vergleichsweise sehr gute soziale Sicherung, die Iraker waren gebildet und Saddam war derjenige, der Religionsfreiheit garantierte - sein eigener Außenminister und Vizepräsident Aziz war (ist noch - wir aber wohl jetzt hingerichtet) Christ.

Das sind alles Dinge, die beim besten Freund des Westens, in Riad UNDENKBAR wären! Da wird man gleich gehenkt, wenn man eine Bibel besitzt und natürlich st es VÖLLIG ausgeschlossen an der Macht des Königs zu rütteln.

Peter Scholl-Latour hat immer gesagt, man müsse den Iran nur in Ruhe lassen - seit 1979 hat sich das Regime kontinuierlich liberalisiert und die Jugendlichen werden schon dafür sorgen, daß es so weiter geht.
Daß das Regime nun links und rechts - (Irak und Afghanistan) von amerikanischen Truppen umstellt ist und als „böse“ betrachtet wird, daß dauernd ANTO- oder Israelische Luftangriffe drohen, hat m.E. ganz logischerweise dazu geführt, daß sich das Regimeverhärtet hat.
Im Dezember 2010 ist ein Freund von mir mit einem Jeep drei Wochen durch den Nordiran gefahren und konnte sich gar nicht mehr einkriegen, was das für eine schöne Reise war. (Er war vorher schon ein paarmal in Teheraner Luxushotels und hat sich diesmal extra die Zeit genommen abseits davon das „normale Leben“ da kennen zu lernen)
Von den Sanktionen sei NICHTS zu spüren und die Iraner wären extrem gastfreundlich und von ausgesuchter Höflichkeit gewesen. Sie sind dauernd privat eingeladen worden und konnten frei über die Situation in der Welt diskutieren. Ach ja, seine Tochter hatte er auch dabei. Sie war die ganze Zeit unverschleiert und ist nie despektierlich behandelt worden.

Ja, natürlich finde ich die Dinge, die Du über den Iran geschrieben hast entsetzlich, aber das Bild, das wird aus den Medien haben, ist bestimmt sehr einseitig.
LGT