Dienstag, 20. September 2011
Mal wieder ein Schwank aus meinem Leben.
Am 01.01.1995, noch unter Helmut Kohl wurde in Deutschland die Zwangs-Pflegeversicherung eingeführt.
Neben gesetzlicher Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung muß man in irgendeiner Form auch so eine Sozialversicherung abgeschlossen haben.
Irgendwie lustig, daß das halbe Amerika schon bei der Vorstellung jeder müsse eine Krankenversicherung bekommen STALIN schreit. Das sei purer Kommunismus.
Von Zwängen bin ich oft auch nicht über alle Maßen begeistert.
Die Zwangsmitgliedschaften in Innungen, der Meisterzwang oder meine Zwangsmitgliedschaft in der Hamburger Handelskammer finde ich eine absolute Zumutung!
Was für eine groteske Verbeugung vor den Lobbys zum Schaden der Verbraucher!
Ich mag mich auch nicht gerne zwangsversichern lassen, wenn es dabei um Pflege geht - aber ich sehe ein, daß es womöglich nicht ohne Zwang geht.
Ohne Zwang würden einfach zu viele durch die Maschen fallen.
Mit der Pflegeversicherung habe ich in den letzten gut zehn Jahren eine Menge Erfahrungen sammeln können (bzw „müssen“).
Zweifellos sind die vielen ambulanten Pflegedienste für viele Menschen nicht nur ein Segen sondern eine absolute Notwendigkeit.
Vor hundert Jahren war so ein Dienst noch viel entbehrlicher.
Die Armut zwang die Menschen ohnehin in Familienverbänden und Gruppen zusammen zu leben und die rückständige Medizin sorgte dafür, daß die Menschen lange bevor sie chronische schwere Krankheiten bekamen starben.
Man war tot, bevor man richtig krank wurde.
Eine praktische Sache eigentlich. Die medizintechnische Entwicklung sorgt nun aber dafür, daß wir alt genug werden, um einsetzende Demenz, Krebserkrankungen und Herzkreislaufprobleme aller Art ausführlich miterleben.
Die Pflegedienste, die ich bisher erleben konnte/durfte zeichneten sich bis auf eine Ausnahme durch engagierte gute Leute aus, über die ich kein böses Wort verlieren möchte.
Es ist aber allen Diensten gemeinsam, daß sie unter entsetzlicher Personalnot und unter enormen Zeitdruck leiden.
Die Fluktuation ist hoch - obwohl auch der Bedarf an Pflegekräften gigantisch ist.
Massiv werben die ARGEn für den Pflegeberuf und dennoch müssen wir Myriaden Osteuropäerinnen für den Zweck engagieren, oder unsere Dementen gleich nach Thailand auslagern, wo sie sich von ihren kargen Renten private Pfleger leisten können.
Warum wollen so wenige Menschen, oder genauer gesagt „so wenige Deutsche“ Altenpfleger werden?
Das dürfte leicht zu beantworten sein: Miserable Arbeitszeiten, Sonn- und Feiertagsdienst, Dauerstress, schwere körperliche Arbeit und das alles zu monatlich brutto 1000 Euro.
Nicht eben attraktive Bedingungen.
Wie kommt man nun zu einem Pflegedienst, wenn man so krank ist, daß man zu Hause nicht mehr ohne Hilfe leben kann?
Das ist relativ easy - man meldet sich bei seiner Krankenkasse und beantragt eine Visitation durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen).
Üblicherweise dauert es dann drei Wochen bis so ein Gutachter sich zu einem ca einstündigen Besuch ankündigt.
Man tut gut daran sich vorzubereiten, indem man Rezepte des behandelnden Arztes und sonstige Unterlagen zusammenträgt.
Oft bietet es sich auch an schon mal einen Pflegedienst auszusuchen, der schon die Situation kennenlernt und dann bei der Erstellung des Gutachtens anwesend ist.
Nach einer weiteren Woche bekommt man schließlich das Ergebnis, welches entweder gar keine Pflegestufe, oder aber die berühmten Stufen 0,1,2 oder 3 ausweist, die alle mit einem bestimmten Geldbetrag oder dem doppelten Sachwert (=Arbeitszeit Pflegedienst) verbunden sind.
Natürlich gibt es dabei weitere bürokratische Komplikationen - wir sind schließlich in Deutschland - Ärzte können beispielsweise unabhängig von Pflegestufen mehrfach am Tag Medikamentenzuteilungen anordnen, es kann Zusatzbedarf ermittelt werden etc. pp.
Wie der MDK entscheidet ist nach meiner Erfahrung relativ willkürlich.
Ein Beispiel, das ich letzten Monat miterlebte:
Patientin, 90 Jahre, DAK-versichert, lebt allein. 2010 Darmkrebs-OP, Februar 2011 Herzversagen, Mitralklappenabriss, OP verschließt Herzkammer notdürftig mit zwei Mitra-Clips.
August 2011: Schwerer Stammhirninfarkt gefolgt von einem stummen Herzinfarkt drei Tage später.
Nachdem in Leber, Lunge und Darm erneut Krebsmetastasen gefunden wurden, Abbruch der Therapie. Onkologische Behandlung zwecklos, da ob des sehr schwachen Herzens die verbleibende Lebenserwartung so kurz ist, daß der Tod eintreten wird, bevor der Krebs letal wird. Patientin gilt also als „austherapiert“.
Da sie in einer der von Ole von Beust an den privaten Krankenhauskonzern ASKLEPIOS verscheuerten Klinik behandelt wurde, erfolgte nach verweigerter Einwilligung zu den (lukrativen) Krebsoperationen vom Krankenhaus keinerlei weitere Hilfe.
Keine Schmerztherapie, kein Hinweis auf einen Palliativmediziner, kein Sozialdienst.
Patientin ist nun bettlägerig, an ein Sauerstoffgerät angeschlossen und ist finanziell in Vorlage gegangen, um den Sozialdienst, der zu Hause die Pflege übernahm zu ermöglichen.
Eine zweite MDK-Visitation (nach Widerspruch) ergab folgendes Ergebnis - ich zitiere die DAK-Pflegekasse wörtlich:
„Das mundgerechte Zubereiten der Nahrung bezieht sich ausschließlich auf die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme, d.h. das Einschenken von Getränken sowie Zerkleinern bereits zubereiteter Nahrung, z.B. bei Kau- und Schluckbeschwerden. Das Kochen und Eindecken des Tisches gehört in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Für die hauswirtschaftliche Versorgung wurde das für die Pflegestufe I mögliche Höchstmaß von 45 Minuten angerechnet. Ein höherer Aufwand kann, unabhängig von den tatsächlich aufgewendeten Zeiten nicht anerkannt werden. Das Duschen wurde in der erneuten Begutachtung berücksichtigt.
Nach Berücksichtigung der Widerspruchsargumentation liegt der Hilfebedarf, trotz weiterer sechs Minuten für das tägliche Duschen, mit 29 Minuten noch unterhalb der Kriterien für die Einstufung in die Pflegestufe I.
[…] In den Bereichen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität haben Sie einen Hilfebedarf, der mit 29 Minuten im Tagesdurchschnitt festgesetzt wird. Erforderlich für die Feststellung der Pflegestufe ist, dass der Hilfebedarf in diesem Bereich höher als 45 Minuten im Tagesschnitt ist.“
Also mehr als 29 Minuten benötigt die Dame keine Pflege - das steht nun doppelt begutachtet fest.
Nun ist es absolut kein Geheimnis, daß die Pflegekassen chronisch unterfinanziert und die Pflegedienste unterbesetzt sind.
Auch in diesem Blog wurde immer wieder auf die dramatische Not hingewiesen.
Allerdings haben Kranke und Alte keine Lobby und werden daher auch nicht von einem FDP-Minister berücksichtigt.
Die Milliarden werden per Lobbymacht, die wortwörtliche Formulierungen in schwarzgelbe Gesundheitsgesetze durchdrückt, stattdessen der Pharmaindustrie zugeschoben.
Neben der berüchtigten Hotelsteuer gehörden die Pharmawohltaten Röslers (IQWIG-Zähmung und Installation von PKV-Lobbyisten direkt im Ministerium) zu den wenigen Dingen, die unsere Bundesregierung überhaupt getan hat.
Die Pflegeversicherung hingegen, die dringend reformiert und aufgestockt gehört, erleidet gerade das gleiche Schicksal wie das Bundeswahlgesetz - die Koalition lässt das Thema aus purer Unfähigkeit liegen und tut nichts.
Das Bundesverfassungsgericht hatte der Koalition höchstrichterlich aufgetragen ein neues Wahlgesetz zu erschaffen, weil das alte Wahlgesetz nach dem der derzeitige Bundestag zusammengesetzt ist, verfassungswidrig ist.
Die Schande des Parlaments.
Ab 1. Juli gibt es in Deutschland kein gültiges Wahlgesetz mehr. Das Parlament hat die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts missachtet, ein neues zu schaffen. Sollte also die Regierung Merkel platzen, fallen die Fetzen ins rechtlich Bodenlose, es würde eine Bundestagswahl stattfinden, der Legitimität und Legalität fehlen. Ein Albtraum..
(Heribert Prantl, 17.06.2011)
Bei Schwarzgelb denkt heute jeder an die katastrophale Euro- und Außenpolitik, aber man muß auch immer wieder darauf hinweisen, daß die CDU-FDP-CSU-Regierung auch in allen anderen Gebieten total versagt.
Um nicht ausfallend zu werden, zitiere ich (ganz ohne eigene Wertung) zur Pflegeversicherung heute nur ein paar Sätze der eigentlich sehr CDU-freundlichen SPRINGER-Zeitung „Hamburger Abendblatt:“
Auch in der Gesundheitspolitik läuft es in der schwarz-gelben Koalition derzeit nicht rund. Seit Monaten schaffen es CDU, CSU und FDP nicht, sich auf eine Reform der Pflegeversicherung zu verständigen. Was fehlt, ist eine Grundsatzentscheidung der Parteivorsitzenden, in welche Richtung die Reform gehen soll. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) weigert sich deshalb, wie geplant in dieser Woche erste Eckpunkte für die Reform vorzustellen.
Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) haben entweder keine Zeit oder keine Kraft, sich mit dem Thema zu befassen. Es ist auch kein Termin bekannt, an dem dies geschehen könnte.
Rösler selbst hatte das Jahr 2011 zum "Jahr der Pflege" ausgerufen, als er noch Gesundheitsminister war. Er hatte Eckpunkte für die Pflegereform noch vor der parlamentarischen Sommerpause versprochen. Sein Nachfolger Bahr wollte dieses Versprechen dann bis zum Ende des kalendarischen Sommers einlösen, also bis zu diesem Freitag. Nun aber machte er einen Rückzieher, weil CDU und CSU "ihre Grundsatzfragen nicht geklärt" hätten. Aus der Union hieß es postwendend, die ganze Koalition müsse eine Lösung für die Pflege finden. Sozialverbände sprachen von einem "Skandal", die Opposition von einem "Desaster".
(Philipp Neumann 20.09.2011)
Der Ruf der Pflegebedürftigen und Pflegenden, aller Verbände und Experten nach einer Pflegereform ist unüberhörbar. Die schwarz-gelbe Koalition aber stellt sich taub und verliert sich in Streitereien. Die Pflegebedürftigen und insbesondere die wachsende Zahl demenzkranker Menschen bleiben dabei auf der Strecke. Weder eine zukunftsfeste Finanzierung der Pflegeversicherung ist in Sicht noch die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die gerade für Menschen mit Demenz Leistungsverbesserungen bringen soll. Schwarz-Gelb schiebt alles auf die lange Bank.
Auch die von Ministerin Schröder geplante Familienpflegezeit ist eine einzige Baustelle. Die öffentliche Anhörung im Familienausschuss am 19. September war ein Fiasko für die Bundesregierung. Ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz mit etlichen Regelungslücken, so die einhellige Meinung selbst der Experten, die die Koalition geladen hatte.
(PRESSEMITTEILUNG der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen NR. 0824 vom 20. September 2011)
Neben gesetzlicher Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung muß man in irgendeiner Form auch so eine Sozialversicherung abgeschlossen haben.
Irgendwie lustig, daß das halbe Amerika schon bei der Vorstellung jeder müsse eine Krankenversicherung bekommen STALIN schreit. Das sei purer Kommunismus.
Von Zwängen bin ich oft auch nicht über alle Maßen begeistert.
Die Zwangsmitgliedschaften in Innungen, der Meisterzwang oder meine Zwangsmitgliedschaft in der Hamburger Handelskammer finde ich eine absolute Zumutung!
Was für eine groteske Verbeugung vor den Lobbys zum Schaden der Verbraucher!
Ich mag mich auch nicht gerne zwangsversichern lassen, wenn es dabei um Pflege geht - aber ich sehe ein, daß es womöglich nicht ohne Zwang geht.
Ohne Zwang würden einfach zu viele durch die Maschen fallen.
Mit der Pflegeversicherung habe ich in den letzten gut zehn Jahren eine Menge Erfahrungen sammeln können (bzw „müssen“).
Zweifellos sind die vielen ambulanten Pflegedienste für viele Menschen nicht nur ein Segen sondern eine absolute Notwendigkeit.
Vor hundert Jahren war so ein Dienst noch viel entbehrlicher.
Die Armut zwang die Menschen ohnehin in Familienverbänden und Gruppen zusammen zu leben und die rückständige Medizin sorgte dafür, daß die Menschen lange bevor sie chronische schwere Krankheiten bekamen starben.
Man war tot, bevor man richtig krank wurde.
Eine praktische Sache eigentlich. Die medizintechnische Entwicklung sorgt nun aber dafür, daß wir alt genug werden, um einsetzende Demenz, Krebserkrankungen und Herzkreislaufprobleme aller Art ausführlich miterleben.
Die Pflegedienste, die ich bisher erleben konnte/durfte zeichneten sich bis auf eine Ausnahme durch engagierte gute Leute aus, über die ich kein böses Wort verlieren möchte.
Es ist aber allen Diensten gemeinsam, daß sie unter entsetzlicher Personalnot und unter enormen Zeitdruck leiden.
Die Fluktuation ist hoch - obwohl auch der Bedarf an Pflegekräften gigantisch ist.
Massiv werben die ARGEn für den Pflegeberuf und dennoch müssen wir Myriaden Osteuropäerinnen für den Zweck engagieren, oder unsere Dementen gleich nach Thailand auslagern, wo sie sich von ihren kargen Renten private Pfleger leisten können.
Warum wollen so wenige Menschen, oder genauer gesagt „so wenige Deutsche“ Altenpfleger werden?
Das dürfte leicht zu beantworten sein: Miserable Arbeitszeiten, Sonn- und Feiertagsdienst, Dauerstress, schwere körperliche Arbeit und das alles zu monatlich brutto 1000 Euro.
Nicht eben attraktive Bedingungen.
Wie kommt man nun zu einem Pflegedienst, wenn man so krank ist, daß man zu Hause nicht mehr ohne Hilfe leben kann?
Das ist relativ easy - man meldet sich bei seiner Krankenkasse und beantragt eine Visitation durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen).
Üblicherweise dauert es dann drei Wochen bis so ein Gutachter sich zu einem ca einstündigen Besuch ankündigt.
Man tut gut daran sich vorzubereiten, indem man Rezepte des behandelnden Arztes und sonstige Unterlagen zusammenträgt.
Oft bietet es sich auch an schon mal einen Pflegedienst auszusuchen, der schon die Situation kennenlernt und dann bei der Erstellung des Gutachtens anwesend ist.
Nach einer weiteren Woche bekommt man schließlich das Ergebnis, welches entweder gar keine Pflegestufe, oder aber die berühmten Stufen 0,1,2 oder 3 ausweist, die alle mit einem bestimmten Geldbetrag oder dem doppelten Sachwert (=Arbeitszeit Pflegedienst) verbunden sind.
Natürlich gibt es dabei weitere bürokratische Komplikationen - wir sind schließlich in Deutschland - Ärzte können beispielsweise unabhängig von Pflegestufen mehrfach am Tag Medikamentenzuteilungen anordnen, es kann Zusatzbedarf ermittelt werden etc. pp.
Wie der MDK entscheidet ist nach meiner Erfahrung relativ willkürlich.
Ein Beispiel, das ich letzten Monat miterlebte:
Patientin, 90 Jahre, DAK-versichert, lebt allein. 2010 Darmkrebs-OP, Februar 2011 Herzversagen, Mitralklappenabriss, OP verschließt Herzkammer notdürftig mit zwei Mitra-Clips.
August 2011: Schwerer Stammhirninfarkt gefolgt von einem stummen Herzinfarkt drei Tage später.
Nachdem in Leber, Lunge und Darm erneut Krebsmetastasen gefunden wurden, Abbruch der Therapie. Onkologische Behandlung zwecklos, da ob des sehr schwachen Herzens die verbleibende Lebenserwartung so kurz ist, daß der Tod eintreten wird, bevor der Krebs letal wird. Patientin gilt also als „austherapiert“.
Da sie in einer der von Ole von Beust an den privaten Krankenhauskonzern ASKLEPIOS verscheuerten Klinik behandelt wurde, erfolgte nach verweigerter Einwilligung zu den (lukrativen) Krebsoperationen vom Krankenhaus keinerlei weitere Hilfe.
Keine Schmerztherapie, kein Hinweis auf einen Palliativmediziner, kein Sozialdienst.
Patientin ist nun bettlägerig, an ein Sauerstoffgerät angeschlossen und ist finanziell in Vorlage gegangen, um den Sozialdienst, der zu Hause die Pflege übernahm zu ermöglichen.
Eine zweite MDK-Visitation (nach Widerspruch) ergab folgendes Ergebnis - ich zitiere die DAK-Pflegekasse wörtlich:
„Das mundgerechte Zubereiten der Nahrung bezieht sich ausschließlich auf die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme, d.h. das Einschenken von Getränken sowie Zerkleinern bereits zubereiteter Nahrung, z.B. bei Kau- und Schluckbeschwerden. Das Kochen und Eindecken des Tisches gehört in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Für die hauswirtschaftliche Versorgung wurde das für die Pflegestufe I mögliche Höchstmaß von 45 Minuten angerechnet. Ein höherer Aufwand kann, unabhängig von den tatsächlich aufgewendeten Zeiten nicht anerkannt werden. Das Duschen wurde in der erneuten Begutachtung berücksichtigt.
Nach Berücksichtigung der Widerspruchsargumentation liegt der Hilfebedarf, trotz weiterer sechs Minuten für das tägliche Duschen, mit 29 Minuten noch unterhalb der Kriterien für die Einstufung in die Pflegestufe I.
[…] In den Bereichen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität haben Sie einen Hilfebedarf, der mit 29 Minuten im Tagesdurchschnitt festgesetzt wird. Erforderlich für die Feststellung der Pflegestufe ist, dass der Hilfebedarf in diesem Bereich höher als 45 Minuten im Tagesschnitt ist.“
Also mehr als 29 Minuten benötigt die Dame keine Pflege - das steht nun doppelt begutachtet fest.
Nun ist es absolut kein Geheimnis, daß die Pflegekassen chronisch unterfinanziert und die Pflegedienste unterbesetzt sind.
Auch in diesem Blog wurde immer wieder auf die dramatische Not hingewiesen.
Allerdings haben Kranke und Alte keine Lobby und werden daher auch nicht von einem FDP-Minister berücksichtigt.
Die Milliarden werden per Lobbymacht, die wortwörtliche Formulierungen in schwarzgelbe Gesundheitsgesetze durchdrückt, stattdessen der Pharmaindustrie zugeschoben.
Neben der berüchtigten Hotelsteuer gehörden die Pharmawohltaten Röslers (IQWIG-Zähmung und Installation von PKV-Lobbyisten direkt im Ministerium) zu den wenigen Dingen, die unsere Bundesregierung überhaupt getan hat.
Die Pflegeversicherung hingegen, die dringend reformiert und aufgestockt gehört, erleidet gerade das gleiche Schicksal wie das Bundeswahlgesetz - die Koalition lässt das Thema aus purer Unfähigkeit liegen und tut nichts.
Das Bundesverfassungsgericht hatte der Koalition höchstrichterlich aufgetragen ein neues Wahlgesetz zu erschaffen, weil das alte Wahlgesetz nach dem der derzeitige Bundestag zusammengesetzt ist, verfassungswidrig ist.
Die Schande des Parlaments.
Ab 1. Juli gibt es in Deutschland kein gültiges Wahlgesetz mehr. Das Parlament hat die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts missachtet, ein neues zu schaffen. Sollte also die Regierung Merkel platzen, fallen die Fetzen ins rechtlich Bodenlose, es würde eine Bundestagswahl stattfinden, der Legitimität und Legalität fehlen. Ein Albtraum..
(Heribert Prantl, 17.06.2011)
Bei Schwarzgelb denkt heute jeder an die katastrophale Euro- und Außenpolitik, aber man muß auch immer wieder darauf hinweisen, daß die CDU-FDP-CSU-Regierung auch in allen anderen Gebieten total versagt.
Um nicht ausfallend zu werden, zitiere ich (ganz ohne eigene Wertung) zur Pflegeversicherung heute nur ein paar Sätze der eigentlich sehr CDU-freundlichen SPRINGER-Zeitung „Hamburger Abendblatt:“
Auch in der Gesundheitspolitik läuft es in der schwarz-gelben Koalition derzeit nicht rund. Seit Monaten schaffen es CDU, CSU und FDP nicht, sich auf eine Reform der Pflegeversicherung zu verständigen. Was fehlt, ist eine Grundsatzentscheidung der Parteivorsitzenden, in welche Richtung die Reform gehen soll. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) weigert sich deshalb, wie geplant in dieser Woche erste Eckpunkte für die Reform vorzustellen.
Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) haben entweder keine Zeit oder keine Kraft, sich mit dem Thema zu befassen. Es ist auch kein Termin bekannt, an dem dies geschehen könnte.
Rösler selbst hatte das Jahr 2011 zum "Jahr der Pflege" ausgerufen, als er noch Gesundheitsminister war. Er hatte Eckpunkte für die Pflegereform noch vor der parlamentarischen Sommerpause versprochen. Sein Nachfolger Bahr wollte dieses Versprechen dann bis zum Ende des kalendarischen Sommers einlösen, also bis zu diesem Freitag. Nun aber machte er einen Rückzieher, weil CDU und CSU "ihre Grundsatzfragen nicht geklärt" hätten. Aus der Union hieß es postwendend, die ganze Koalition müsse eine Lösung für die Pflege finden. Sozialverbände sprachen von einem "Skandal", die Opposition von einem "Desaster".
(Philipp Neumann 20.09.2011)
Der Ruf der Pflegebedürftigen und Pflegenden, aller Verbände und Experten nach einer Pflegereform ist unüberhörbar. Die schwarz-gelbe Koalition aber stellt sich taub und verliert sich in Streitereien. Die Pflegebedürftigen und insbesondere die wachsende Zahl demenzkranker Menschen bleiben dabei auf der Strecke. Weder eine zukunftsfeste Finanzierung der Pflegeversicherung ist in Sicht noch die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die gerade für Menschen mit Demenz Leistungsverbesserungen bringen soll. Schwarz-Gelb schiebt alles auf die lange Bank.
Auch die von Ministerin Schröder geplante Familienpflegezeit ist eine einzige Baustelle. Die öffentliche Anhörung im Familienausschuss am 19. September war ein Fiasko für die Bundesregierung. Ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz mit etlichen Regelungslücken, so die einhellige Meinung selbst der Experten, die die Koalition geladen hatte.
(PRESSEMITTEILUNG der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen NR. 0824 vom 20. September 2011)
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