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Montag, 5. September 2011

Von Arschknirpsen und Verschissenen.

Erich Honecker sagte gern den bekannten Satz:
Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.

Ein einprägsamer Satz.
Gut, inhaltlich betrachtet hat er sich nicht als 100% richtig erwiesen, aber das mit dem „Lauf“ stimmt schon.
In der Politik gibt es diese „Läufe“, die sehr schwer aufzuhalten sind.

1990 hatte Helmut Kohl so einen Lauf.
Es war zwar so ziemlich alles verkehrt, was er behauptete - wir zahlen die Einheit „aus der Portokasse“, wir müssen keine Steuern erhöhen, Rückgabe vor Entschädigung, „blühende Landschaften in zwei Jahren“, Treuhand, 1:1-Umtausch, etc - aber im Vereinigungstrubel war Kohl der allgemeine Held, gegen den andere Stimmen, die zwar weiser und richtiger urteilten, keine Chance hatten.

Karl-Theodor zu Guttenberg hatte auch von 2008-2011 einen Lauf.
Obwohl er nicht politisch aktiv war, keine Meinungen vertrat und diverse Fehlleistungen produzierte, war er unfassbar beliebt. Ihm konnte keiner was.
Man stelle sich nur vor ein Scharping oder Westerwelle wäre mit Eheweib/Mann in Designerkleidchen und JB Kerner nach Afghanistan geflogen, hätte dort eine Kulisse aus Haubitzen und Hubschraubern aufbauen lassen und dort eine Sat1-PR-Show auf Steuerzahlerkosten veranstaltet.
Jeder wäre über sie hergefallen. Guttenberg hingegen wurde nur immer beliebter; es „lief“ nun einmal für ihn.

Läufe müssen aber nicht nur nach oben zeigen; sie können auch konsequent nach unten führen.

So etwas erleben derzeit Guido Westerwelle und die ganze FDP.
Sie ist erledigt.
Sie hat generell verschissen.



Wolfgang Kubicki, Fraktionschef in Schleswig-Holstein, sagte in der „Leipziger Volkszeitung“: Die Meinung der Bürger sei eben, die FDP habe „generell verschissen“. Er sieht keine Perspektiven für die Liberalen. Die FDP habe „kein Westerwelle-Problem, sondern ein Marken-Problem“, so Kubicki. Wer 14 Tage vor einer Landtagswahl eine Diskussion beginne „ohne Sinn und Verstand und damit dokumentiert, dass es vielen in der Partei nur um sich selbst geht und nicht um die gesellschaftliche Mitte, der muss sich dann nicht wundern über eine solche Blamage, bei der die FDP schwächer ist als Linke und Rechtsradikale“. Auf die Frage, für welche Position denn der neue FDP-Chef Philipp Rösler stehe, sagte Kubicki: „Auf diese Frage kann ich keine vernünftige Antwort geben.“
(HHAbla05.09.2011)


Parteichef Rösler denkt gar nicht daran die Frage zu stellen, wie es eigentlich gekommen ist, daß seine Partei von 15% Ende 2009 im Rekordtempo auf unter 5% rutschen konnte.
Diskussionen und Inhalte unerwünscht.

Es lief schon bislang nicht gut für ihn, besonders im Amt des Parteichefs. Aber nun stellt sich die Frage, ob er die FDP führen kann. Zunächst hat er es versäumt, Außenminister Guido Westerwelle aus dem Amt zu drängen, nachdem der den Erfolg der Rebellen und der Nato-Partner in Libyen peinlicherweise auch für die Sanktionspolitik der Bundesregierung reklamiert hatte. Das war am Montag der vorvergangenen Woche. Am Freitag darauf hat sich Rösler bei den Nato-Partnern bedankt, womit der Außenminister bloßgestellt war. Schließlich folgte der Satz zur außenpolitischen Linie, der Westerwelle nicht mehr einen Funken Ehre ließ. "Der Bundesaußenminister ist dieser Linie auch ebenso klar gefolgt", hat Rösler noch ergänzt. Der Außenminister steht nun da wie ein Trottel. Das Außenministerium ist gleichsam zur Unterabteilung des Wirtschaftsministeriums degradiert, und die Richtlinienkompetenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht sich durch Röslers Linienhuberei herausgefordert. Das ist die Bilanz von Röslers Versuch, Führung zu zeigen, nachdem er es versäumt hat, Führung zu zeigen - mit einem Rauswurf Westerwelles, der sich international unmöglich gemacht hatte.
(SPIEGEL 36/2011, s.29)

Auf einem anderen Niveau erlebt auch Renate Künast so einen Lauf.
Von der Spitzenposition in und Beinahe-Bürgermeisterin sackte sie auf Platz 3 durch.
Der Wahlkampf, den sie führt läuft einfach nicht. Politische Inhalte kombiniert mit unterkühlter Persönlichkeit sind nun einmal nicht gefragt in Berlin.

Vermutlich wären Künasts Energie und Ideen hilfreich für das schläfrige Berlin, in dem die Ambitionslosigkeit zur Haltung und das Achselzucken zur typischen Bewegung geworden sind.
[…] Vielleicht aber ist gerade Berlin, dieses Eden des Ausschlafens, nicht der richtige Ort für eine Rastlose wie sie.
(SPIEGEL 36/2011, s.34)

Das politische Umfeld „läuft“ nun einmal gegen Künast seit ihrer Partei schon vor Monaten der Antagonismus mit den Schwarzgelben abhanden gekommen war.

Im Juni, als das Rennen noch offen war, saß Künast teetrinkend im Café Einstein und regte sich mal wieder auf. Sie hatte gerade einen Artikel auf SPIEGEL ONLINE gelesen, in dem Angela Merkels Pläne für den Atomausstieg erläutert wurden. Künast sah die Rolle der Grünen nicht richtig gewürdigt. "Als wären wir kleine Arschknirpse, die mit der Sache nichts zu tun haben", sagte sie, und während sie sprach, hüpfte ihre Hand wie ein Känguru über den Tisch. "Dabei ist das unser Ausstieg." In Künast wohnt die ständige Unruhe, zu kurz zu kommen, die Angst, nicht ausreichend gewürdigt oder schlimmer: nicht wahrgenommen zu werden. Die ständige Angst vor der Arschknirpsigkeit. In guten Momenten wirkt sie dadurch wie eine starke Frau, in den schlechten erinnert sie an Guido Westerwelle. Ihr ständiger Kampf, nicht zu kurz zu kommen, zwingt sie allzu oft in die Ecke der Beleidigten. Und dort sieht niemand vorteilhaft aus.
(SPIEGEL 36/2011, s.33)

So wie die FDP generell „verschissen“ hat, so ist Künast auch mehrfach in den Arsch „geknirpst“.

Zur Unzeit kommen nun auch noch Wikileaks-Dokumente ans Licht, in denen Frau Künast über SchwarzGrün fabuliert.
Die US-Botschaftsdepeschen, in denen ausgerechnet Westerwelles Büroleiter brühwarm Interna aus den Koalitionsverhandlungen zwischen Merkel, Seehofer und Westerwelle an die Amis ausplauderte, aus denen man erfuhr, daß der deutsche Außenminister auch international für ein witzfigürliches Leichtgewicht gehalten wird, treffen nun die Grüne Spitzenkandidatin.

Nun hat Wikileaks ein Schreiben des US-amerikanischen Generalkonsulats in Frankfurt veröffentlicht. Es stammt vom 14. Oktober 2009 und wurde mit der Berliner Botschaft abgestimmt - denn berichtet wird auch von einem Gespräch zwischen Renate Künast und dem US-Botschafter in Berlin am 2. Oktober 2009. Die Grünen sollten sich Künasts Meinung nach nicht darauf beschränken, Teil eines linken Blocks zu sein, heißt es. Vielmehr erkenne Künast, dass die Partei auf ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene hinarbeite.
(Tagesspiegel 05.09.2011)

So ist das bei einem echten Lauf nach unten - es kommt alles zusammen und zwar zur Unzeit.

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