TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Sonntag, 26. Juli 2009

In eigener Sache.

Nach Wahlen oder Umfrageergebnissen spricht alle Welt immer von „DEM WÄHLER“.
Der Wähler habe sich für rot/grün oder schwarz/gelb oder eine große Koalition entschieden.
Der Wähler kann mal klug und mal weniger klug entscheiden.
Derzeit sieht es beispielsweise so aus, als ob „der Wähler“ sich klar für eine Regierung Merkel/Westerwelle entscheidet.
Käme es so, werden die beiden am Wahlabend in der Berliner Runde garantiert davon sprechen einen „klaren Wählerauftrag“ bekommen zu haben; möglicherweise stimmt der Chef der Partei der Besserverdienenden auch wieder ein „Freude, schöner Götterfunken“ an, wie nach der Europawahl.
Ein klitzekleines Problem ist nur, daß es „den Wähler“ nicht gibt!
Dieser Sprachgebrauch ist hochgradig verblödet.
DIE Wähler sind kein homogener Block, der sich gewissermaßen zu einer klaren Meinungsäußerung durchgerungen hat.
Nein, unter „der Wähler“ fallen auch Millionen Menschen, die eine Regierung Westerwelle/Merkel überhaupt nicht wollen.
Und selbst denjenigen, die für CDU und FDP gestimmt haben, kann man nicht pauschal unterstellen für eben diese Koalition mit dem Personal zu sein.

Es gibt auch CDU-Wähler, die schwarz/grün oder schwarz/rot bevorzugen.

Es gibt auch FDP-Wähler, die eine Ampel oder rot/gelb bevorzugen.

Es gibt auch CDU-Wähler, die Merkel nicht ausstehen können und lieber einen Merz im Chefsessel hätten und erst recht gibt es FDP-Wähler, die nur zähneknirschend Westerwelle ertragen können und ihn keinesfalls als Außenminister haben möchten.

Es gibt keinen einheitlichen Wähler und keinen einheitlichen Wählerwillen.

Daran krankte es zuletzt 2005, als die VERöffentlichte Meinung euphorisiert von einer ach so breiten Mehrheit für die Große Koalition sprach.
Aber das ist nun einmal Unsinn - die SPD-Wähler dürften in aller Regel eben gerade NICHT Merkel als Kanzlerin gewollt haben und auch die CDU war bekanntlich gegenüber dem Ergebnis von 2002 GESCHRUMPFT.
Das ist durchaus bemerkenswert, weil Rot/Grün gewissermaßen selbst mit den vorzeitigen Neuwahlen eingestanden hatte am Ende zu sein und weil Stoiber auch schon in vielen Teilen Deutschlands nicht mehrheitsfähig war.
Trotz dieser extrem günstigen Konstellation (von der Merkel-unterstützenden Presse mal ganz abgesehen), schaffte es Angie noch einmal weniger Zustimmung für die CDU zu bekommen als bei der vorherigen Wahl.
Zieht man also die „Trotz-Merkel“-CDU-Wähler ab, ist es weitaus ehrlicher zu sagen, daß bei der Bundestagswahl von 2005 rund 2/3 bis ¾ der Wähler gerade NICHT Frau Merkel als Kanzlerin wollten.
In der Politiksprache heißt das dann aber:
DER WÄHLER hat einen klaren Auftrag für die Große Koalition unter einer Bundeskanzlerin Merkel erteilt.
Das Kunstwort „Wählerwille“ bzw „der Wähler“ ist extrem dehnbar - a posteriori läßt sich so ziemlich alles hinein stopfen.
Auch Personalien, an die vermutlich gar kein einziger Wähler gedacht hatte.

Beispiel Bayernwahl 2008:
Fast alle Wähler dürften damit gerechnet haben der nächste MP hieße Beckstein.
Einige hatten womöglich die sehr vage Hoffnung, daß der SPD-Kandidat in einer bunten Koalition gewinnen könnte.
Nach den 43,4% für Beckstein und den 18,6 % für Maget wurde dann Seehofer MP, der gar nicht zur Wahl gestanden hatte.
Die CSU/FDP-Koalition unter dem Ingolstädter Meisterpopulisten dürfte so gut wie überhaupt niemand bewußt „gewollt“ haben.

Von Wählerwillen zu sprechen ist in dem Fall besonders absurd.

Eine Eigentümlichkeit der Mehrheit der Wähler besteht darin, daß sie sich das nachträgliche Unterstellen ihres Willens durchaus gefallen lassen und im Falle Merkel, Seehofer oder Koch Jahre später mehrheitlich doch hinter der Führungsfigur stehen, die sie ursprünglich gar nicht, oder nur in einer kleiner Minderheit gewollt hatten.

Ich schreibe dies, weil ich gestern dafür kritisiert wurde, wiederholt den despektierlichen Begriff „Urnenpöbel“ benutzt zu haben.

Das sei beleidigend und träfe pauschal auch diejenigen, die intelligent und ganz in meinem (subjektiven) Sinne wählten.
Das gelte auch für die das Beschimpfungen wie „die Hohlköpfe von der CDU-Fraktion“ - schließlich könne man nicht jeden einzelnen prinzipiell als „Hohlkopf“ bezeichnen.

Dazu eine Klarstellung:

Sachlich stimmen diese Vorwürfe!
„Urnenpöbel“ gibt es genauso wenig wie „den Wähler“.
(DER Russe oder DER Franzose sind ebenso absurde Konstrukte. Der Kollektivsingular ist sachlich generell unberechtigt.)
Das ist ein logisch nicht zutreffender Begriff, den ich aber dennoch verwende, weil er sich erstens der allgemeinen Denkweise anschließt, nachdem man die GESAMTHEIT ALLER WÄHLER unberechtigt auf eine pauschale Äußerung reduziert - DEM Wähler eben.

Zweitens ist der Begriff „Urnenpöbel“ natürlich satirisch gemeint, da es sich um ein Zitat des Kabarettisten Georg Schramm handelt.
Offenbar kam diese Wortschöpfung allgemein so gut an, daß sie im schon als „runnig gag“ verwendet wird - so zum Beispiel von Hans-Detlev v. Kirchbach Online-Flyer Nr. 174 vom 26.11.2008 zur bevorstehenden Wahl in Wiesbaden:

„Hessischer Urnenpöbel muß Kreuzchenmalen üben“.


Die Idee des Textes, daß nämlich in Wahrheit mächtige Interessenverbände die Politik bestimmen und die Wählerschaft kaum gefragt ist, respektive aus Desinteresse stoisch das ankreuzt, das ihnen empfohlen wird, hat Schramm im Januar 2004 unnachahmlich beschrieben, ich zitiere das erneut:

"Interessensverbände machen die Politik. Die ziehen die Fäden, an denen politische Hampelmänner hängen, die uns auf der Bühne der Berliner Puppenkiste Demokratie vorspielen dürfen. Diese Politfiguren dürfen dann in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren. Und wenn bei der intellektuellen Notdurft noch was nachtröpfelt, dann können sie sich bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unter das Volk mischen."

Wenn ich mich extrem über WahlERGEBNISSE oder UmfrageERGEBNISSE ärgere und denke, daß viele Wähler unzureichend nachgedacht haben, drücke ich das gerne mit der Vokabel „Urnenpöbel“ aus - wohlwissend, daß das Wort unzutreffend pauschalisiert.

Hierbei handelt es sich um Zynismus aus Notwehr - der Griff in die Satirekiste, um nicht die einzig andere Alternative - sofortigen Suizid - wählen zu müssen.

2 Kommentare:

Harald hat gesagt…

Nicht DER Wähler, nein DER NICHTWÄHLER der ist eigentlich Wahlentscheidend. Mit dem sollte man sich befassen...

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Recht hast Du!

Hier ging es nur um eine begrifflichkeit, die ich mal klären wollte.

Ist natürlich unwichtig im Vergelich zu den vielen Leuten, die gar nicht wählen.
Aber die habe ich auch in anderen Postings schon erwähnt, bspw. in

http://tammox.blogspot.com/2009/06/analyse.html

LG
T