Nur weil ich ab und an mal den ein oder anderen Priester oder Politiker bezüglich dessen Qualifikation abchecke?
Nein, oder?
Hohe Zeit damit zu beginnen LOB auszusprechen.
Es gibt durchaus coole Politiker, die ich gerne in der Verantwortung sehe. In der Kategorie muß beispielsweise genannt werden:
Peter Struck (* 24. Januar 1943 in Göttingen), Jurist, Ex-Minister und Noch-Fraktionsvorsitzender.
Neben Schorsch Leber und Helmut Schmidt, ist Struck erst der dritte Mensch auf dem Schleudersitz des Verteidigungsministers, der nicht durch peinliche Dummbeuteleien auffiel und sogar „in der Truppe“ ernsthaft vermißt wird.
Allerdings sind die Soldaten natürlich mit ihrem jetzigen Chef besonders geschlagen - Jung hat schließlich als einzige Qualifikation vorzuweisen, daß er tief in Roland Kochs Hintern wohnt und als hessisches U-Boot an Merkels Kabinettstisch proporzt.
Fachliche Eignung, außenpolitische Kompetenz oder gar verteidigungspolitische Weitsicht sucht man bei Kochs Agenten vergeblich.
Struck hingegen erwarb sich ungeheuer schnell Respekt - obwohl Verteidigung zunächst nicht sein Fachgebiet war.
Im Gegensatz zu seinem Nachfolger ist der Niedersache allerdings ein Schnelllerner und helles Köpfchen, der sich zudem durchzusetzen weiß, nicht verbiegen läßt und ein echter Kümmerer ist.
Ein Verlust für Deutschland, daß Peter Struck aus dem Bundestag ausscheiden wird.
Zum Abschied druckte die ZEIT am 23. Juli 2009 ein längeres Interview mit ihm ab, in dem er ganz typischerweise kein Blatt vor den Mund nahm.
Dabei fielen klare und schnörkellose Sätze, die ich nur unterschreiben kann:
Frage: Welche Politiker-Sätze können Sie inzwischen nicht mehr hören?
Peter Struck: Da gibt es viele. Sätze von Westerwelle zum Beispiel, eigentlich seine ganzen Reden. Horror. Mehr Freiheit für die Wirtschaft, und der Staat soll sich zurückhalten. So ’n Zeug. Kann ich echt nicht mehr hören. Bei der Union finde ich einen Satz besonders schrecklich: Sozial ist, was Arbeit schafft.
Struck: Aber ganz klar: Nach wie vor haben wir kein gutes Verhältnis. Ich weiß, sie kann mich nicht besonders leiden, und sie weiß, ich kann sie nicht besonders leiden.
ZEIT: Was stört Sie an der Bundeskanzlerin?
Struck: Ich weiß nicht, wofür sie steht. Man kann sich nicht auf sie verlassen.
ZEIT: Angela Merkel oder Helmut Kohl?
Struck: Kohl. Er war verlässlich, auch in seiner Gegnerschaft, und nicht so wischiwaschi.
ZEIT: Maybrit Illner oder Anne Will?
Struck: Beide nicht. Wenn schon, dann lieber Illner. Aber ich mag diese Sendungen nicht, ich gehe da seit zwei, drei Jahren nicht mehr hin. Die tun so, als bringen sie den Bürgern Politik näher, aber in Wahrheit verderben sie unser Geschäft und machen es uns schwerer, weil alles so plakativ und oberflächlich ist. Sie tun so, als sei Politik ganz einfach. Ist sie aber nicht.
ZEIT: Wenn Sie auf die immer noch andauernde Wirtschaftskrise blicken…
Struck: …dann ist da vor allem Zorn auf eine Clique von selbstherrlichen Managern und Bankern. Ich habe zu vielen von denen kein Vertrauen mehr, Respekt vor ihnen schon gar nicht. Ich war neulich bei einer großen Wirtschaftsveranstaltung, da hockten Leute, die verdienen fünf, sechs Millionen Euro im Jahr. In all den Jahren haben sie eine große Schnauze gehabt und uns Politiker und den Staat verachtet. Und jetzt winseln sie und wollen vom Staat gerettet werden. Ich kann es nicht anders sagen: Meine Achtung diesen Leuten gegenüber ist wirklich ins Bodenlose gefallen.
ZEIT: Was war in der Politik Ihr größter Irrtum?
Struck: Schauen Sie, ich habe im Bundestag mit Steuerpolitik angefangen, saß im Finanzausschuss. Meine Sprüche im Wahlkreis waren damals: Die Steuern müssen einfacher und gerechter werden. Heute, dreißig Jahre später, muss ich feststellen: Es geht nicht, eine radikale Steuerreform ist kaum erreichbar.
ZEIT: Warum ist das so?
Struck: Die Lobbys, die dagegen kämpfen, sind zu stark, zu mächtig. Und es gibt immer eine Partei, die diese Lobbyarbeit unterstützt. Für ein gerechteres Steuersystem braucht man einen massiven Subventionsabbau, und das ist nicht durchzusetzen, weil zu viele von diesen Subventionen profitieren. Ich weiß doch, wie es ist, wenn man vor Bergarbeitern steht und sagt: Leute, eure Subventionen müssen abgebaut werden. Das ist verdammt schwer. Ehrlichkeitshalber füge ich hinzu: Selbst eine absolute Mehrheit wäre kein Garant dafür, gegen die Lobbyisten das perfekte Steuersystem zu schaffen.
Ich gebe zu; ich bin beeindruckt - da hat man in zehn Minuten Lektüre erheblich mehr klare Aussagen, als in ZEHN JAHREN intensivsten Studiums Angela Merkels.
Da wird der Unterschied zwischen einem Politiker und einer Politamöbe, wie der Kanzlerin, die sich niemals festlegt, alles strittigen Fragen gekonnt ausweicht und sich mit ihrer „ich bin nett zu allen“-Strategie die Sympathien sichert, mehr als deutlich.
Indes; Struck geht und Merkel bleibt.
Dem Urnenpöbel sei Dank.
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