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Freitag, 9. Mai 2008

Merkel erklärt

Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern?
Diese Maxime hat sich Merkel wiederholt zueigen gemacht.
Jeder, der sich hierzulande schon mal an vergangene Versprechen der Bundesmerkel erinnert hat – keine Steuererhöhungen, mehr Mehrwertsteuer sei „pures Gift“, Flat-tax, Senkung der Lohnnebenkosten auf unter 40%, Gesundheitsreform mit Senkung der Kassenbeiträge, die CDU würde niemals die Homoehe akzeptieren, deutsche Leitkultur, etc, etc – weiß, daß das müßig ist – Merkel hält sie nie an ihr eigenes Wort.
Manchmal kann sie auch gar nichts dafür, wie zum Beispiel bei der Ökosteuer, die sie einst als Umweltministerin im Kabinett Kohl so vehement forderte, daß sie sogar in Tränen ausbrach, als der Alte ihr das abschlug und die sie dann genauso verbissen ablehnte, als Rot-Grün eben diese Ökosteuereinführte.
Wenn man also wie der Uckermarker Hosenanzug das eine und auch gleich noch das Gegenteil davon versprochen hat, kann man es natürlich später nicht mehr allen recht machen – das versteht sich doch!
Wir erleben dieses Dilemma derzeit auch bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik: Beim berühmt berüchtigten Leipziger Parteitag war Merkel die knallharte neoliberale Reformerin und schon zwei Jahre später stimmte sie mit ihrem Vize Rüttgers für ALG-Verlängerung – also schlicht das diametrale Gegenteil.
Die Deutschen kennen das und lieben die busige Angie dennoch – sie „tut eben nichts“ und der teutonische Phlegmat liebt bei Taten nur deren Ankündigungen – wehe es wird tatsächlich mal was umgekrempelt – dann wird gleich abgewählt.

Der Dalai Lama hat vermutlich andere Sorgen als sich intensiv mit der deutschen Innenpolitik auseinander zu setzen und konnte daher noch nicht die Merkelsche Methodik studieren.
So erlag er nun scheinbar dem Irrtum Merkels Versprechen ernst zu nehmen.
Armer Lama – DAS geht natürlich nicht!
Daher kläre ich Sie, Heiligkeit noch einmal auf:
Als Sie im September 2007 von der deutschen Bundeskanzlerin empfangen wurden, war das auch schon nicht unbedingt förderlich für Tibet – Kenner der Problematik wie Antje Vollmer oder Helmut Schmidt rieten dementsprechend auch davon ab Peking derart zu reizen, weil das kontraproduktiv sei.
Schwierige Sache – aber machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, daß die Bundeskanzlerin am Schicksal Tibets interessiert sei.
Es war halt ein günstiger Zeitpunkt – gerade gab es keine akuten Probleme mit Tibet, es standen keine ganz großen Termine in China an und Sie, Eure Heiligkeit sind extrem beliebt in Deutschland – so beurteilten 80 % der Deutschen den Empfang bei Frau Merkel als positiv – viel von Ihrem heiligen Glanz fiel auf sie ab.
Erfreut über den schönen PR-Coup ließ die Oberdeutsche dann mehrfach mitteilen, daß sie auch weiterhin den Dalai Lama emnpfangen werde.
Und genau hier liegt das Problem, geehrte Heiligkeit – denn Sie haben den imaginären Zusatz – „wenn es mir gerade in den Kram passt und was für meine Umfragewerte nützt“ – nicht einkalkuliert. Nun sind Sie, Heiligkeit wieder in Berlin.
Im Mai 2008 sieht die Situation in Tibet extrem verschärft aus, Aufstand, Massaker, Massenverhaftungen und China ist richtig angepisst, weil das die schöne Olympia-Reibach-Aktion verhagelt. V
erstehen Sie bitte, daß es in dieser Situation – anders als vor acht Monaten wirklich Rückgrat erfordert Sie offiziell von Seiten der Bundesregierung zu empfangen – es wäre ein starkes statement.
Da sind sie aber bei der Merkelgruppe völlig fehl am Platze und daher erleben Sie nun auch einen Besuch in der deutschen Hauptstadt, ohne dass auch nur ein einziges Mitglied der Bundesregierung auch nur fünf Minuten für Sie Zeit hätte.
Nun passt es halt gerade nicht und da läßt eine Regierungs-Angie Sie natürlich fallen wie eine heiße Kartoffel. (Entschuldigen Sie die Metaphorik – Kartoffeln stehen ja eigentlich für andere gewisse Staatschefs im weniger fernen Osten – aber ich mag Kartoffeln).
Eine Begründung für die Absage sei nicht gegeben worden, beschwert sich Tseten Chhoekyapa, Ihr Vertreter in Mitteleuropa. Wegen der dramatischen Lage in Tibet und der Gewalt gegen die Aufständischen sei dem Dalai Lama das Treffen wichtig gewesen.
Heiligkeit, ich hoffe Sie verstehen die Probleme nun ein bißchen besser – wir haben leider derzeit keine Regierung mit Rückgrat, Ehre, Anstand oder wie auch immer zu bieten.

Aber sie sprechen ja am 19.Mai vor dem Brandenburger Tor – wenn der Wind günstig steht und Frau Merkel ihre Fenster aufmacht, kann sie Sie wenigstens hören.

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