TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Mittwoch, 14. Oktober 2009

Die Soziale Frage.

Die Sozis gelten als die ewig gestrigen der etablierten Parteien, weil sie nach wie vor für „soziale Gerechtigkeit“ stehen.
Die Masse der Wähler will damit nichts zu tun haben und hebt lieber die Ultraneoliberalen von der FDP, die den Turbokapitalismus predigen, in die Regierung.

Andererseits dominieren soziale Themen wie die von Sarrazin jüngst wieder eröffnete Anti-Araber- und Türken-Diskussion das öffentliche Interesse.

Der nun zu einem Drittel entmachtete Bundesbanker hatte seine Berlin-Analyse im Gespräch mit Frank Berberich (Lettre International) nur ein klein wenig mit xenophobischer Glasur versehen.
Tatsächlich stellt Sarrazin aber eine intelligente soziale Hintergrundanalyse an.
Der Interviewer ist an einer Stelle sogar verwundert über den verbindlichen Ton und entgegnet:
„Sie sprechen so sanftmütig und wohlwollend, wie Sie nie zuvor gesprochen haben!“

In unserer hysterischen Oberflächlichkeit, in der ja doch niemand das ganze Interview liest, die Zusammenhänge nicht bekannt sind, sondern stattdessen nur der eine Schocksatz von den Medien mit den ganz großen Buchstaben und den ganz kleinen Hirnen verbreitet wird, kam es nun soweit, daß Sarrazin den Verantwortungsbereich „Bargeld“ verliert.

[ Lächerlicher geht es auch nicht, lieber Bundesbankvorstand - entweder man darf bei Euch PRIVAT frei seine Meinung äußern, ohne gemaßregelt zu werden, oder Ihr habt die Eier in der Hose ihn zu feuern. Nur mal so nebenbei bemerkt.]

Meiner Ansicht nach ist die soziale Frage aber wichtiger und entscheidender denn je, da inzwischen auch die Themen Bildung, Gesundheit, Pflege, Rente, etc hauptsächlich zu sozialen Fragen geworden sind.

Gesundheit und Bildung hängt in keinem europäischen Land so sehr von dem Portemonnaie ab, wie in Deutschland.

Die sozialen Schichten verfestigen sich immer mehr, die Meritokratie ist tot.

Man erreicht berufliche Positionen kaum noch durch Begabung.
Man wird was, wenn man was hat.

Die tollen Jobs bekommen diejenigen, die von reichen Eltern schon frühzeitig auf Eliteprivatschulen und Privatunis geschickt wurden.
Man bleibt gesund, wenn man reich genug ist, Privatversicherungen abzuschließen.
Man lebt würdevoll auch im hohen Alter, wenn man ein dickes Bankkonto hat und nicht in staatlichen Verwahranstalten endgelagert wird.

Die Grenzen zwischen den sozialen Schichten sind heute semipermeable Membranen:
Man kann durchaus aus der Mitte nach unten durchrutschen - man kommt aber nicht mehr wie einst Gerhardt Schröder aus den kleinsten Verhältnissen (Vater Hilfsarbeiter, Mutter Putzfrau - früh Halbwaise) in die höchsten Ämter.

Das Großbürgertum ist nun am Zug - in der nächsten Bundesregierung werden mehr Adelige denn je sitzen: Ursula von der Leyen, Baron von und zu Guttenberg, Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich, Karl Ernst Thomas de Maizière.

Die prekäre Unterschicht ist fein säuberlich wegsegregiert, kommt den Mächtigen nicht in die Quere.
Die Erfüllungsgehilfen der Großlobbyisten (vulgo = Bundesregierung) haben es dabei besonders leicht, da sie nicht wie in anderen Ländern Wahlen fälschen müssen oder hohe Mauern zu errichten hätten, um den Plebs fernzuhalten.

Der Deutsche Pöbel ist praktischerweise freiwillig devot, gibt sich mit ein paar Hartz-Krumen zufrieden, entsagt der Bildung, klemmt sich vor die RTL-II-Dauerberieselung und geht erst gar nicht zur Wahl.

Wie eine Analyse des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes feststellt, ist der Zusammenhang zwischen Armut und Politikverdrossenheit größer als bisher angenommen.
Im aktuellen SPIEGEL steht, daß „die Zahl der Nichtwähler bei der Bundestagswahl Ende September "ohne Ausnahme" in jenen Regionen, Kommunen und Stadtteilen überdurchschnittlich hoch [sei], wo besonders viele Menschen von Arbeitslosengeld oder niedrigen Löhnen leben müssen, berichtete Rudolf Martens, Leiter der Forschungsstelle. Es sei "ganz offensichtlich, dass sich gerade Langzeitarbeitslose in Deutschland keine Verbesserung ihrer sozialen Lage mehr erhoffen". So war in Sachsen-Anhalt, wo 22 Prozent der Menschen als arm gelten, die Zahl der Nichtwähler mit 41 Prozent am höchsten.

Was für ein Glück für Westerwelle, der schon mal seinen neoliberalen Laffer-Fanatikern gratuliert.

Die Armen in Deutschland werden also nicht nur in die Passivität gedrängt; nein sie wandern auch freiwillig ins geistige Exil am Bodensatz der Gesellschaft.

Als Grusicals lassen sie sich begeistert in Reality-shows als Megaplebs vorführen und genießen ihre 15 Minuten als Ruhm als Peinlichkeit des Tages.
Die sozial Schwachen verkommen mehr und mehr zum Objekt des Amusements für Soziologen und Mediziner.

Tatsächlich ist es beeindruckend zu sehen, welch Krankheitsbilder hier entstehen.

Chronisch Adipöse, Messis, Sexsüchtige, shopping-TV-Einkaufsüchtige und nicht zu vergessen meine neueste Entdeckung:

„Animal Hoarder“.

Ja, doch, das ist das aktuelle Unterschichten-Problem.
Davon berichte schon vor zwei Monaten Marten Rolff in der SZ:
"Animal Hoarder" leben mit Hunderten Katzen, Vögeln oder Hunden unter einem Dach.
Sie scharen immer mehr Viehzeugs auf kleinstem Raum um sich - bis entweder sie, oder die Tiere in ihrem eigenen Dreck eingehen.
Es sei denn eine Behörde greift ein und befreit den Animal-Hoarder aus seinem Elend.
In dem Fall muß die vollkommen vergammelte und zugeschissene Wohnung vermutlich niedergebrannt werden und der Patient umgesiedelt werden.
Eine Heilung ist offenbar nicht möglich.
Von ihren Tieren getrennte Animal-Hoarder beginnen bei nächster Gelegenheit sofort wieder Viecher um sich zu sammeln.

Die psychisch ernsthaft Kranken sind der Realität offenbar komplett entrückt.
Davon zeugen Beispiele, bei denen in kleinsten Wohnungen 132 Katzen, in einem anderen Fall 93 Terrier, oder auch mal 300 Echsen zusammen gerafft werden.
Bei kleineren Tieren entsprechend mehr.
Auch so ein Beispiel nennt Rolff:

Die Amtstierärzte trauten ihren Augen nicht, als sie im vergangenen Dezember die Zweizimmer-Wohnung des Frührentners Gerhard A. in Berlin-Spandau betraten. Nachbarn hatten beim Hausverwalter moniert, dass Herr A. zu viele Vögel halte. Doch was das konkret bedeutete, hätten die Veterinäre wohl nie erwartet: Der Boden der stickigen 62-Quadratmeter-Wohnung war mit Kot und Federn bedeckt, an den Wänden blühte der Schimmel, und das Wohnzimmer glich einem Wald aus künstlichen Zweigen. Mehr als 1500 Wellensittiche flatterten in den Räumen umher, viele von ihnen waren mit Milben befallen. Zwei Tage dauerte es, die Vögel einzufangen, bei ihrer Unterbringung mussten Tierheime in Hamburg, Bremen und Mannheim aushelfen, Berlin hatte nur Platz für 800 Sittiche.

Schöne neue soziale Welt.

4 Kommentare:

Oberclown hat gesagt…

Als Teilnehmer am abgehängten Prekariat kann ich nur sagen ich verstehe das mit den Tieren, auch wenn ich versuche es die Tierhaltung in Grenzen zu halten.

Es ist eben eines der klassischen Reaktionsmuster auf unangenehme Lebensumstände, auf die man (vermeintlich) keine Einfluss hat. Der totale Rückzug von allem.

Eine andere Reaktion, die ich für angemessener halte ist Zorn. Das sehe übrigens nicht nur ich so. Hier http://www.youtube.com/watch?v=B4Q8eJJ81R4 empfehlen zum beispiel Leute Protest, was dem Zorn ja inhaltlich nicht allzu fern steht.

Bleibt mir nur zu sagen: die ganzen Verdrossenen da draußen sind schuld, dass ihr der Verelendung überlassen werdet und sich das Land mehr und mehr zur Aristokratie entwickelt.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Danke für das Video - aber die Mitternachtsspitzen sehe ich sowieso immer.
(Außer Loki und Smoki - das nervt mich), Priol war auch gut und besonders der zweite Auftritt von Schramm hatte es mir angetan.

In dem Rolff-Artikel über die Viecher-Horterei sind die psychologischen Hintergründe ja auch angedacht.

Vorstellen kann ich mir das schon - daß einen die Frustration darüber, aus dem Erwerbsleben ausgestoßen zu sein, dazu bringt sich seine eigene Parallelwelt zu bilden.
Wenn man darüber hinaus auch noch arm und allein ist, liegen Tiere gewissermaßen nahe.

Als ich mit 18 in meine erste eigene Wohnung zog und in einem großen Haus von lauter alleinstehende Omen und Open umzingelt war, wunderte ich mich zunächst, daß die es alle NICHT als Tierquälerei ansahen einen Hund zu haben - auch wenn ich manchmal sah, daß die immer auf die Balkons kackten, weil ihre Halter schon zu schwach waren regelmäßig mit den Vierbeinern raus zu gehen.
Als ich einige näher kennenlernte, verstand ich aber schnell, daß so eine kleine Fellkugel oft der ganze Halt in ihren einsamen Leben war. Volles Verständnis dafür.
(Auch wenn es möglichst nicht gerade ein sechs Monate alter Windhund sein sollte, den man sich anschafft, wenn man schon so arthritisch ist, daß man die Treppen nicht mehr gehen kann…)

Offenbar scheint das aber wie so vieles nun oft aus dem Ruder zu laufen.

Eine Hauskatze ist ja prima. Zwei gehen auch.
Aber zehn? Oder 50? Klar, wenn man schon in seien 1 1/2 Zimmern total eingesparkt ist und 130 Katzen knöcheltief in ihrer eigenen Kacke rumlaufen, ist es auch egal, ob man noch Nr 131 und No 132 anschafft.
Aber auf dem Weg dahin sind offenbar irgendwie die Maßstäbe abhanden gekommen und offenbar kümmert das auch niemanden.

LGT

jakebaby hat gesagt…

Dazu auch George Carlin
http://www.youtube.com/watch?v=d5Ujn2UxTcY

"die ganzen Verdrossenen da draußen sind schuld, dass ihr der Verelendung überlassen werdet und sich das Land mehr und mehr zur Aristokratie entwickelt."

Nach jahr1000langer globalerfolgreicher Massenhypnose bis zum heutigen Tag, erscheint mir das immer wieder zu einfach.
Besonders wenn ich sehe, was in so kurzer Zeit aus Deutschland wurde, kann ich nur ehrfuerchtig diejenigen verachten, die es kontrollieren und formen.

Das sind die Schuldigen und nur allzu offensichtlich funktioniert ihr Spiel immer und immer wieder.
Ueberall.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Sehr schönes Vio, Jake - wie immer bei GC.

Dazu auch die tollen Sprüche von Schramm aus der eben schon genannten Sendung.

http://www.youtube.com/watch?v=Fbdx9cYNurc

http://www.youtube.com/watch?v=ncgFLleFFTI

"....bei vier Millionen Analphabeten, sieben Millionen BILD-Lesern und dem schlechtesten Bildungssystem Europas wird das ja wohl zu schaffen sein......"

LG
T