Das habe seinen Grund in dem ausgeprägten „mir san mir“-Gefühl. Der Bayer ist so voller Selbstbewußtsein und stolz auf sein Bayerntum, daß ihn andere kulturelle Ausprägungen gar nicht verunsichern.
Laut dieser These handelt es sich bei der Bayerischen „Liberalität“ um eine Toleranz, die aus Arroganz (freundlicher formuliert: „Stärke“) resultiert.
Was kümmert es die deutsche Eiche, wenn sich eine Sau an ihr reibt?
Einen solchen Klischee-Bayern muß eine Dönerbude, ein japanischer Jodler oder der schwule SPD-Bürgermeister nicht beunruhigen, weil er sich nicht ernsthaft um „sein“ Bayern sorgt.
Im Umkehrschluß sind die jugendlichen Hautköpfe in Brandenburg und MeckPomm deshalb so aggressiv gegenüber „Ausländern“, weil sie selbst arme Würstchen ohne Selbstbewußtsein sind.
Sie haben nichts worauf sie stolz sein können und fühlen sich daher immer gleich angegriffen.
Ihren Mangel kompensieren sie mit Aggressivität.
Eine schöne Theorie, wie ich finde.
(Wenn ich auch annehme, daß sich Toleranz auch aus ganz anderen Quellen speisen kann.)
Viele Phänomene sind mit ihr kongruent.
Zum Beispiel die ausgeprägte Homophobie traditioneller Katholikenkreise - viele sind selbst heimlich schwul, bzw schleppen eine latente Homophilie mit sich rum, fühlen sich unterbewußt zu Männern hingezogen.
So ein Mensch fühlt sich tatsächlich durch offen Schwule „bedroht“, da er durch ihr Beispiel immer an ein Kernproblem der eigenen Persönlichkeit erinnert wird.
Die verdrängte eigene Homosexualität wird innerlich zum Thema.
Ein „normaler Mann“, der also entweder vollkommen auf Frauen fixiert ist, bzw gar nicht an Vorurteilen leidet, fühlt sich hingegen nicht von Schwulen bedroht, weil sie ihn nicht „innerlich“ bedrohen können. Da ist ja nichts Verdrängtes, das zum Vorscheinen kommen könnte.
Ähnlich scheint Kardinal Meisner gelagert zu sein.
Offensichtlich glaubt er die hochgradig fragwürdige Dreifaltigkeitstheorie, die er vertreten muß, selbst nicht so ganz.
Wäre er so sehr von Gottes Existenz, daß dieser die Menschen liebe und dessen Gnade überzeugt, wie er, Meisner, es vorgibt, müßte es ihn nicht so sehr tangieren, wenn andere Menschen etwas anderes glauben.
Als Kardinal stünde Meisner doch wohl auf der „richtigen Seite“ und sollte für das Jenseits gerüstet sein.
Stattdessen reagiert der Kölner Fundamentalist aber geradezu hysterisch auf Nicht-Katholiken.
Da verliert er sofort die Contenance und breitet Horrorszenarien aus, die dem Psychologen signalisieren, daß es sich dabei um Autosuggestion handelt.
Mit Aggressivität und demonstrativer verbaler Stärke, kompensiert Meisner seine eigene Skepsis.
Ein schönes Beispiel des Meisnerischen Furors war seine Weihnachtspredigt:
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat zu Weihnachten vor einer gottlosen Gesellschaft gewarnt. Wenn der Mensch sich selbst die Welt aneigne, rutsche diese ihm aus den Händen „hinein in den Zustand der Finsternis und Wirrnis am Schöpfungsmorgen“. „Wo man Gottes Geist aus dieser Welt herausbringt, wo man ihn gleichsam wieder ausbürgert, indem man die Kreuze aus den Gerichtssälen trägt oder indem man wie in England Weihnachten nicht mehr Weihnachten nennen darf, dort gerät die Welt wieder in den vorweihnachtlichen Unheilszustand“, so der Kardinal in seiner Predigt am Ersten Weihnachtstag im Kölner Dom. Meisner kritisierte zugleich geistige Verführer zum Atheismus. „Es gibt Ideologien unter uns, die den Menschen eine Binde um die Augen legen, so dass sie das Licht nicht mehr sehen können.“ Dann aber seien diese Menschen auf die Blindenführung der Ideologen angewiesen, so der Kardinal. Von dieser Augenbinde befreie Christus die Menschen in der Heiligen Nacht.
Meisner sprach sich zudem gegen eine zu starke Trennung von Gesellschaft und Glauben aus. Die Welt werde sonst dann wüst und wirr wie am Anfang. Dort, wo der Mensch Gott sein wolle, könne Gott nicht mehr Gott sein, sagte Meisner. „Dort wird er gleichsam enteignet.“
(Domradio, 25.12.2010)
Völlig verwirrt, der arme alte Mann.
Seine Zweifel müssen enorm an ihm nagen.
Ich komme nun zum Christ des Tages No XXXVI.
Es ist eine gewisse Brigitte Steinmetz aus Kronberg in Hessen.
Sie ist ein klassisches Beispiel für die beschriebene Verunsicherung. Sie ruht nicht in sich und kann offenbar an ihrem Glauben gar keinen Halt finden, so daß sie auf alle vermeidlichen Ungläubigen eindrischt.
Der SPIEGEL von letzter Woche; Nr. 51/2010, titelte mit dem Thema „Mythos Mekka - Die Schicksals-Stadt des Islam“ (Eine, wie ich finde, zur Abwechslung mal gelungene Geschichte. Recht informativ).
Ob Frau Steinmetz die SPIEGEL-Titelgeschichte gelesen hat, ist unbekannt.
Offensichtlich hat sie aber das Titelbild gesehen und verfiel sofort in einen Meisnerischen Furor, welchen sie in einem Leserbrief zu Papier brachte:
„Deutschland ist ein christliches Land, und als katholische Deutsche empfinde ich es als Zumutung, in der Weihnachtsausgabe eines großen deutschen Nachrichten-Magazins einen Bericht über eine heilige Stadt des Islam zu lesen! Was haben Sie sich dabei gedacht!?“
(Ich hätte auch einen anderen Leserbriefschreiber mit dem Titel „Christ des Tages Nr XXXVI“ bedenken können. Ein Claus Brandt aus Meckenheim in Nordrhein-Westfalen schreibt:
"Das Timing, ohne aktuellen Anlass einen Islam-Artikel in der Weihnachtswoche als Titel herauszubringen, zeugt von geradezu lächerlicher Ignoranz.")
Die armen Menschen!
Klammern sich an das Christentum und geraten dann sofort ins Schwimmen, nur weil irgendein Magazin im Norden Deutschlands einen Artikel zu einem anderen Thema schreibt.
Was für Kleingeister.
Ein Schlußbemerkung zu den angeblich toleranten Bayern, die sich ihre Gelassenheit durch ihre Urviech-artige „mir san mir“-Gesinnung nicht von irgendwelchen nicht ins Bild passenden „Fremden“ nehmen lassen.
So schön die Theorie ist - sie stimmt leider nicht.
Oliver Decker und Elmar Brähler von der Uni Leipzig, die für die Friedrich-Ebert-Stiftung die Ergebnisse einer Langzeitstudie veröffentlicht haben, zeigten vor zwei Jahren, daß anders als man gemeinhin annimmt Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus und Antisemitismus am stärksten in Süddeutschland ausgeprägt sind.
Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008
mit einem Vergleich von 2002 bis 2008 und der Bundesländer.
Das Gesamtergebnis ist schlicht und ergreifend schockierend - als Deutscher kann man sich nur schämen:
Der Anteil der Bevölkerung, der sich zumindest nicht klar gegen rechtsextreme Einstellungen positioniert, wird dadurch erschreckend groß.
Bei den Probanden mit rechtsextremer Einstellung stellte sich die wirtschaftliche Deprivationserfahrung als ein wichtiger Faktor heraus, der im Hintergrund einer rechtsextremen Einstellung auszumachen war.
Daneben zeigte sich aber auch die politische Deprivation als zentraler Einflussfaktor, also das Gefühl der Befragten, politisch einflusslos zu sein.
Die Unfähigkeit, mit krisenhaften Lebenssituationen umzugehen, war bei diesen Probanden ein psychischer Faktor, der das Erleben der Deprivation moderierte. Hiermit deutet sich bereits ein weiterer Befund an, dass nämlich ein emotional kaltes und gewaltvolles Erziehungsklima von Probanden mit rechtsextremer Einstellung häufig berichtet wurde und damit auch psychosoziale Einflussgrößen als Ursachen rechtsextremer Einstellung angenommen werden müssen.
Der Begriff Deprivation (von lateinisch de-„privare” = berauben) bezeichnet allgemein den Zustand der Entbehrung, eines Entzuges oder der Isolation von etwas Vertrautem, eines Verlustes, eines Mangels oder das Gefühl einer (sozialen) Benachteiligung.
An dieser Stelle seien ein paar Zahlen genannt:
Demnach gibt es in den drei Kategorien „Chauvinismus“, „Ausländerfeindlichkeit“ und „Antisemitismus“ ganz andere Spitzenreiter, als die erwarteten Länder Brandenburg und Meck-Pomm.
Beim „Chauvinismus“ liegt ganz klar Bayern auf dem Spitzenrang mit 30,4 %. Sachsen (9,8%) und Brandenburg (16%) sind klar abgehängt.
Bei der „Ausländerfeindlichkeit“ wurden zwei Spitzenreiter ermittelt; wieder ganz vorn Bayern und Sachsen-Anhalt mit je gut 39%. Tatsächlich ist die Ausländerfeindlichkeit aber auch in den Ostbundesländern nach wie vor extrem hoch: Brandenburg (34,6%), Mecklenburg-Vorpommern (32,2%), Thüringen (24,4%) und Sachsen (27,6%) haben allen Grund sich zu schämen. Hamburg liegt beispielsweise bei nur 13,6%.
Bayern hält ebenfalls ganz klar den Spitzenrang beim Thema „Antisemitismus“. Erschreckende 16.6 % der Bayern sind Antisemiten, gefolgt von Baden-Württemberg (13,3%). Andere Bundesländer haben erheblich niedrigere Werte: Hamburg (3,8%) und das Saarland (1,1%) sind zu nennen.
Tja, Herr Seehofer - ich bin gespannt, wie sie es bewerten, daß in Ihrem Freistaat nach einem halben Jahrhundert absoluter CSU-Herrschaft die Deprivation so extrem weit fortgeschritten ist.
Die Bayerische SZ ist erschrocken:
Denn ausgerechnet das Land Bayern liegt der Studie zufolge an der Spitze aller Länder, wenn es um Chauvinismus geht, also übersteigertes Nationalgefühl und die Überheblichkeit eines Staates gegenüber anderen. Da übertrifft Bayern den Forschern zufolge sogar noch Mecklenburg-Vorpommern, das sonst bei allen Kategorien vorne dabei ist. Beim Antisemitismus sind Bayern und Baden-Württemberg die Spitzenreiter.
6 Kommentare:
Selbstkritik - Fehlanzeige!
Man achte darauf, dass Kardinal Meisner seine eigene Kirche anklagt. SIE war es schließlich, die mit dem Herumtragen von Götzenbildern, der Hortung von Leichenteilen und der Vertuschung unchristlicher Sünden, selbst den Geist Gottes ausbürgerte.
Was du schreibst TAMMOX, ist also tatsächlich richtig. Das sind Worte eines verwirrter Kardinals, der vermutlich zuviel von der Droge Religion naschte. So viel, dass er die Realität nicht mehr erkennen kann. So wie alle Süchtigen, die einfach keinen Schritt zurücktreten können.
@Homer, man muß aber auch nachsichtig mit dem Kardinal sein.
Immerhin schnüffelt er nun schon über 70 Jahre permanent Weihrauch, in dem bekanntlich THC, Tetrahydrocannabinol, enthalten ist.
Nun ist Cannabis nicht die stärkste Droge. Aber nach sieben Dekaden und dann auch noch in Kombination mit dem Messwein! Uiuiui. Mischkonsum! (Polytoxikomanie; Polysubstance Use-Disorder)
„Durch Mischkonsum erhöht sich das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen.“
In einschlägigen Ratgebern findet man dazu:
„Cannabis und Alkohol:
Abnahme von motorischer und geistiger Leistungsfähigkeit sowie des Reaktionsvermögens. Warnsignale des Körpers werden nicht mehr richtig wahrgenommen und das Gefühl für das richtige Maß geht verloren, verursacht Übelkeit und Erbrechen. Der Kater am nächsten Tag ist dann noch intensiver und oft mit starken Kopfschmerzen verbunden.“
Nur irgendwie merkwürdig, daß „Übelkeit und Erbrechen“ nicht bei Meisner selbst, sondern bei seinen Zuhörern auftreten.
LGT
Lieber Tammox, ich denke, hätte der werte Herr Kardinal dem Mischkonsum vielleicht nur öfter gefrönt, wären die Rezeptoren vielleicht schon besetzt gewesen und die Droge Religion hätte keinen Platz mehr zum Andocken gefunden. ;-)
Als Bewohner Süddeutschlands kann ich Deine Beobachtungen aber leider nur bestätigen. Als nichtreligiöser und rational denkender Mensch hat man es hier bisweilen tatsächlich nicht immer leicht. Auch die von Dir beschriebenen Nebenwirkungen konnte ich bisweilen beobachten.
Fragt sich nur: Was tun?
Ratlose Grüße,
Lilith
Na und weiter fürchtet Meisner, dass man Atheisten als Blindenführer hernehmen müsse. Ich bin ehrlich - ich lasse mich leiber von einem Atheisten führen, solange der nicht schweigend wegsieht, wenn jemand ein Kind missbraucht oder misshandelt.
Die RKK hat nicht nur weggesehen - sie sorgte auch dafür, dass der Staat nicht hinsehen konnte. Sie vertuschte diese Taten und verursachte (einmal mehr!) selbst Leid.
Weiter fürchtet Meisner, dass wo der Mensch Gott sein wolle.... Die RKK ist Menschenwerk, die sich selbst als Alleinerben von Petrus einsetzte. Heute tut sie so, als sei sie in der Lage Menschen zu führen und versagt selbst bei eigener Führung. Fordert Meisner etwa, dass man sich vom verirrten Blinden führen lässt?
Die RKK, sollte sich des fauligen Geruchs unter der Kirchenpracht endlcih stellen und erkennen, dass sie schon dort fehlte, als sie Paulus Erbe an sich riss.
Bei dem ganzen Blut und all den Lügen, die die RKK belasten, würde es mich nicht wundern, wenn sie sich nun hinter dem Slogan: Der Mensch braucht uns versammelt und einmal mehr irrt.
Grüss Gott!
Nach 28 gelebten Jahren in München/Bayern, darf ich ergänzen, dass es sich bei der "bayerischen Toleranz", ebenso wie der "Liberalitas Bavariae", der "tiefen Gläubigkeit" usw. usw. wie mit dem "Wolpertinger" verhält - (w)irre Fantastereien.
Das mit der bayerischen "Hinterfotzigkeit" trifft schon eher die Wirklichkeit.
Pfi di God
@ Lilith - das erinnert mich an eine alte Postkarte, die bei mir an der Pinnwand hängt: „England hat BSE, Bayern hat CSU! - Aber England tut wenigstens was dagegen“
Da muß man ja zugeben, daß sich; zwar ein paar Dekaden zu spät, aber immerhin; doch was getan hat. Jedenfalls von den einstiegen 60%-Wahlergebnissen ist Seehofer ganz schön entfernt.
Und was mir bei einem Kurzurlaub am Bayerischen Ammersee auffiel: Da leben irrsinnig viele Zugezogene aus anderen Bundesländern. Man kann ja auch kaum bestreiten, daß Bayern an vielen Stellen landschaftlich ausgesprochen schön ist.
So schlimm kann es also auch sonst nicht sein, wenn Leute da extra hinziehen…
;)
@ Homer - diese Metaphorik Meisners ist überhaupt extrem grotesk. Wenn IRGENDJEMAND stets darum bemüht war die Menschen blind und doof zu erhalten, dann war das die RKK, die Jahrhundertelang gegen Wissenschaft und Aufklärung gekämpft hat.
Ein Luther ist noch rausgeflogen, weil er sich erdreistete die Bibel zu übersetzen - so daß jeder, auch das gemeine Volk, sie lesen konnte. Das passte der RKK gar nicht. Sie wollten die Menschen von jeder eigenen Erkenntnis fernhalten.
Die katholische Reaktion auf einen Menschen, der sich selbst die Augenbinde abnehmen wollte, war es übelicherweise ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen!
@Satirgay - aber immerhin scheinst Du ja auch nach so langer Zeit und trotz solcher Topp-Typen wie Gauweiler, Streibl und Erwin Huber noch nicht braingewashed zu sein!
Das können andere Sekten aber besser als die CSU!
LGT
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