Sonntag, 7. Februar 2010
Atomarer Iran - muß das so kommen?
Heute kommt ein komplexeres Thema auf den Posting-Tisch, mit dem ich schon einige Tage schwanger gehe, das ich aber versuche soweit wie irgend möglich zu kürzen.
Die Münchner Sicherheitskonferenz wird seit gestern ein bißchen durch den Iranischen Außenminister Manutschehr Mottaki aufgemischt.
Die zuständigen deutschen Minister reagieren wie pupertierende Schuljungs mit ADHS und lassen die gewünschte Hysterie folgen.
Westerwelle:
"Ich habe Vertretern der deutschen Wirtschaft und Industrie bereits mitgeteilt, dass wir die Ausweitung von Sanktionen nicht ausschließen können", sagte Westerwelle der "Welt am Sonntag" und führte weiter aus: "Ich bekam dann die Frage gestellt, ob ich wisse, was das koste. Ja, das weiß ich. Aber eine atomare Bewaffnung des Irans käme die deutsche Wirtschaft und die ganze Welt deutlich teurer zu stehen."
Guttenberg:
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte angesichts der Ankündigung Ahmadinedschads: Dies zeige, dass die ausgestreckte Hand des Westens vom Iran "nicht nur nicht ergriffen, sondern weggeschlagen wird". Nun sei der UN-Sicherheitsrat gefragt, darauf zu reagieren, sagte Guttenberg am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Er appellierte an Russland und China, sich notwendigen Maßnahmen im UN-Gremium nicht zu verweigern. Dem Iran müsse "deutlich gemacht werde, dass die Geduld nun wirklich am Ende ist."
So bedauerlich es ist, daß wir in Deutschland unter den Auswirkungen der maroden schwarz-gelben Regierung zu leiden haben:
International betrachtet ist es noch wesentlich katastrophaler, daß wir von solchen Dilettanten vertreten werden, die eine ohnehin schon verfahrene Situation weiter in den Abgrund treiben.
Dazu ist festzuhalten:
Nach wie vor fixiert sich „der Westen“ manisch auf die Frage der atomaren Entwicklung im Iran und nach wie vor besteht er auf einer gescheiterten Strategie des Drucks, die aber offenbar das Regime eher stabilisiert und daher kontraproduktiv ist.
Ich empfehle einen weisen Rat Churchills:
„However beautiful the strategy, you should occasionally look at the results.“
Ein Grund für die westeuropäisch/amerikanische Hysterie im Umgang mit Teheran ist die Bedrohung, die Israel fühlt.
Hierzu möchte ich zwei Positionen skizzieren.
1)
Der Iran darf unter keinen Umständen jemals über eine Atombombe verfügen, da er mit einem Schlag das kleine Israel erledigen könnte. Das Holocaust-Trauma der Juden habe sich durch die rüden Attacken Ahmadinedschads in den letzten Jahren noch verstärkt.
Das Entsetzen darüber die Shoa gewissermaßen einmal „zugelassen“ zu haben, sei derart gigantisch, daß man unter allen Umständen und gegen alle Widerstände die Bedrohung Israels aus dem Weg räumen werde.
Es sei daher so gut wie sicher, daß das Israelische Militär auch um den Preis eines Flächenbrandes in der gesamten Region die Iranischen Atomanlagen bombardieren werde, bevor es „zu spät“ sei.
Diese Position vertritt unter anderem Dr. Ronen Bergman, der politische Kommentator der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth und Autor von "The Secret War With Iran".
In einem SZ-Gastbeitrag führt er unter anderem dazu aus, daß zwar allgemein nicht mit einem Erstschlag Israels gerechnet wird, da Bibi Netanjahu weniger denn je mit Rückendeckung aus Washington rechnen könne, doch bei dieser Sichtweise sei das psychologische Moment nicht berücksichtigt.
Tatsächlich aber liegt die Sache anders: Obwohl Washingtons Reaktion immer einen wichtigen Platz in den strategischen Abwägungen der israelischen Entscheidungsträger hatte, wären sie diesmal bereit, die Sache allein durchzuziehen und sich den Zorn der Amerikaner zuzuziehen oder sie gar außen vor zu lassen, wenn das Überleben des Landes auf dem Spiel steht. Das war auch der Fall, als die israelische Luftwaffe 1981 den irakischen Atomreaktor außerhalb von Bagdad zerstörte, sehr zum Ärger von Präsident Ronald Reagan. […] viele ausländische Beobachter unterschätzen [zutiefst], welche Bedeutung in Israel der Erinnerung an den Holocaust als treibender Kraft der politischen Entscheidungsfindung zukommt. […]
Der Satz, den man in diesem Zusammenhang am häufigsten hört, ist: "Nie wieder!" Er folgt dem Gedanken, dass die Juden es sich selbst schuldig sind, nie wieder in eine Situation zu geraten, in der ihnen Vernichtung droht und sie der Bedrohung nicht frontal entgegentreten. In der Debatte in Israel über Irans Atomprogramm obsiegt immer wieder das Argument, dass es eine moralische Verpflichtung gebe, "etwas zu tun" - egal ob am Kabinettstisch in Jerusalem oder in einem Café in Tel Aviv. Für die meisten Israelis steht die lange Liste politischer, strategischer und militärischer Überlegungen, die gegen einen Angriff auf Iran sprechen, zurück hinter den Lehren, die es aus dem Holocaust zu ziehen gilt.
Die verbalen Iranischen Drohungen hätten eine gewaltigen Einfluß auf Jerusalem; das sehe man schon allein daran, daß der Israelische Ministerpräsident Ahmadinedschad mehrfach mit Hitler verglichen habe.
Es sei kaum vorstellbar „dass Premierminister Netanjahu darauf verzichtet, den Weg zu gehen, der praktisch die einzig verbleibende Handlungsoption ist - falls Iran die Nuklearfähigkeit erreicht.“
2.)
Lasst doch ruhig den Iran die Bombe besitzen - so what? Es hat sich gezeigt, daß Atombewaffnung nur zur Abschreckung taugt; nie als Angriffswaffe.
Das sei die „Kernrealität des Atomzeitalters - Wer eine irgendwie geartete Atombombe abfeuert, riskiert seine Existenz. Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter“ (Christoph Bertram)
Im Falle Irans gelte ob der überlegenen israelischen Luftabwehr vermutlich für Teheran sogar, daß man zuerst sterbe.
Sehr unverblümt sprach Chirac diese Tatsache am 1. Februar 2007 im NYT-Interview aus:
„Die Gefahr liegt nicht in der Bombe, die Iran haben wird, denn er kann sie gar nicht einsetzen. […] Gegen wen will er sie einsetzen? Gegen Israel? Sie würde nicht mal 200 Meter in die Atmosphäre gelangen, bevor Teheran ausradiert wäre“.
So eine Atombombe verschafft einem aber Schutz.
Es dürfte kein Zufall sein, daß das Land der Bush’schen Achse des Bösen, das tatsächlich eine Atombome hat, nämlich Nordkorea, nicht von den USA angegriffen wurde und diesbezüglich auch keine Pläne bestehen.
Erwischt hat es das Land, den Irak, der wahrheitsgemäß erklärte keine Atomwaffen zu haben.
(Im Übrigen kann auch die „vom Westen“ hervorgebrachte Menschenrechtssituation nicht als Begründung herhalten - denn weder im Iran, noch im Irak wird oder wurde die eigene Bevölkerung so brutal drangsaliert, wie im Reich des Kim Jong Il.)
Als Kronzeugen für diese Position ziehe ich Martin van Creveld , 54, Militärhistoriker an der Hebräischen Universität Jerusalem heran.
Er gibt wie andere Experten - Egon Bahr oder Peter Scholl-Latour zum Beispiel - zu, daß er an der Stelle der Iranischen Regierung auch zusehen würde so schnell wie möglich an die Bombe zu gelangen.
Im einem Beitrag für die ZEIT Nr 11 / 2010 schreibt er:
Seit 2001 hat sich Irans strategische Situation radikal verschlechtert. Wo auch immer die Mullahs hinschauen, nach Westen in Richtung Irak, nach Nordosten in Richtung Zentralasien, nach Osten in Richtung Afghanistan oder nach Süden in Richtung Golfregion – überall sind sie umzingelt von den Soldaten der einzig übrig gebliebenen Weltmacht Amerika.
Die führenden Politiker Irans sind nicht dumm. Während Saddam Hussein es vorzog, den Kampf David gegen Goliath aufzunehmen, und dabei einfach überwältigt werden konnte, ist ihnen eines klar: Sollte einer der zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten mit Iran aus irgendeinem Grund das tun, was George W. Bush 2003 mit dem Irak getan hat, hätten Irans konventionelle Streitkräfte keinerlei Chance.
Es besteht daher kein Zweifel daran, dass die Mullahs ihre Bombe weiterbauen werden, ohne Rücksicht darauf, was der Westen unter Präsident Obamas Führung sagen oder tun wird. Um ehrlich zu sein: Ich würde an ihrer Stelle das Gleiche machen.
Die Iranische Regierung täte das, was sie könne, um ihr Land zu schützen:
Zu Ahmadineschads Repertoire gehören Vortäuschung und Verheimlichung, Schwindelei und Irreführung, Schmeichelei und Drohung. Heute behauptet er, Iran würde niemals auf seine Rechte verzichten, morgen offeriert er Verhandlungen. Sein Ziel ist die Spaltung seiner Gegner. Er verfolgt dieses Ziel wie ein Seiltänzer, der zwischen überzogener Provokation und Beschwichtigung hin und her balanciert. Natürlich dient dieses Spiel lediglich einem Zweck: Zeit zu gewinnen, bis Iran über genügend Bombenmaterial verfügt.
Aber auch ein Iran MIT Atombombe sei keine größere Bedrohung als andere Atomwaffenstaaten:
Während der vergangenen 60 Jahre haben die USA jedes Mal aufgeschrien, wenn es so aussah, als wollte eine Nation Atomwaffen erwerben. Man wollte ja schließlich so weit wie möglich das Monopol erhalten. Jedes Mal wurden eine Menge von Begründungen hervorgebracht, weshalb der mutmaßliche Neuling im Klub der Nuklearmächte eine größere Gefahr als seine Vorgänger darstellte. Im Laufe der Jahre dürfte Washington diesbezüglich Hunderte von Warnungen ausgesprochen haben, Gott sei Dank ist bisher keine davon Wirklichkeit geworden. Im Gegenteil: Wo atomare Waffen eingeführt wurden, haben keine Kriege zwischen Großmächten mehr stattgefunden.
Den Iran anzugreifen käme kaum in Frage.
Ob ein solcher Angriff die Nuklearpläne Teherans zerschlagen würde, ist zu bezweifeln. Dass es den Nahen Osten in Brand setzen würde, möglicherweise mit katastrophalen Folgen für einen großen Teil der Welt, das ist hingegen so gut wie sicher.
Wer hat nun Recht?
Um diese Frage zu ergründen, las ich letzte Nacht noch einmal den hervorragenden Essay „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik“ von Christoph Bertram.
(Herausgegeben von Roger de Weck. 2008. Edition Körberstiftung. 10.00 Euro)
Dieser „unbequeme Standpunkt“ des früheren Direktors der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ und ZEIT-Autoren erschien vor fast genau zwei Jahren.
Drei wesentliche Spieler der Bertram’sche Betrachtung haben sich verändert.
Der republikanische Hardliner und informationsresistente GWB wurde durch den intelligenten Demokraten Obama abgelöst, der Japaner Yukiya Amano löste den langjährigen IAEO-Chef Mohammed el-Baradei ab und die Iranische Führung ist nachhaltig destabilisiert - wenn auch Ahmadinedschad noch im Amt ist.
Man kann aber getrost davon ausgehen, daß er nicht die volle Unterstützung seines Volkes hat.
Erschreckend ist, daß Bertrams Analyse nichts an Aktualität eingebüßt hat. Zwei weitere Jahre der anti-Iranischen Wirtschafstsanktionen und scharfer anti-Ahmadinedschad-Rhetorik waren kontraprodutiv wie zuvor.
Der Westen ist auf keinen seiner Vorschläge eingegangen, der Iran kommt der Bombe näher und aus Amerika, wo die stärkste Veränderung stattgefunden hatte, kommen keine Signale der Einsicht.
Im Gegenteil, die Außenministerin Clinton unterstreicht an diesem Münchner Sicherheitskonferenz-Wochenende noch einmal die Janusköpfigkeit der US-Position, indem sie via SZ mitteilt:
Menschen [haben] überall das Recht, ohne Furcht vor atomarer Zerstörung zu leben. [….] Und wir werden gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten unsere intensiven Versuche fortsetzen, um Iran davon abzuhalten, die Bombe zu erlangen.
Ergo: Anderes Recht für Teheran, als das was für Israel oder Pakistan gilt.
Wahre Sicherheit umfasst nicht nur friedliche Beziehungen zwischen Staaten, sondern auch Grundrechte und Chancen für ihre Bürger. Sichere Länder verteidigen die Menschenrechte, ermöglichen ihren Bürgern, ihre Führer frei zu wählen, ihre Meinung frei zu äußern und sich an der Zivilgesellschaft zu beteiligen. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass ihre Bürger in einer gesunden Umwelt leben, Bildung erhalten, einen Beruf ausüben, eine Familie gründen können, wenn sie es wünschen, frei reisen und das Beste aus ihrer von Gott gegebenen Begabung herausholen. Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte bilden einen sich selbst verstärkenden Kreislauf.
Stimmte das, dann müßten sich die USA zuerst beispielsweise gegen ihre Verbündeten in Saudi Arabien wenden.
Denn dort sieht es mit Bürgerrechten und Demokratie noch wesentlich schlechter aus.
Christoph Bertram weist auf eben diese Widersprüche hin.
Iran IST mit seinen 70 Millionen Einwohnern und den weltweit zweitgrößten Erdgasreserven ein wichtiger internationaler Player.
Wie bei China und Russland sollten wir das akzeptieren und sie nicht wegen ihres politischen Systems mit Sanktionen überziehen.
Nicht vergessen dürfe man:
Amerika ist wesentlicher Verursacher der Atomstrategie des Irans.
Auch van Greveld greift diesen Punkt auf und verweist auf die Anfänge:
Die Pläne, dafür Reaktoren zu bauen, stammen übrigens noch aus der Zeit des Schahs, und zwar aus den letzten Jahren seiner Amtszeit. Er war der Überzeugung, dass Öl unter der Erde eines Tages erheblich mehr wert sein würde als Dollar auf dem Bankkonto – mit Recht, wie sich später herausstellte. Zu jener Zeit waren der Schah und die USA enge Verbündete. Die Reaktoren sollten Milliarden in die Taschen von Industriellen aus Amerika und anderen westlichen Nationen spülen. Das ist ein Grund dafür, dass sich nur wenige Gegenstimmen erhoben.
Ein weiterer Grund war, dass man plante, einige Reaktoren in der Nähe des Kaspischen Meers aufzustellen, nur um die Sowjets zu provozieren.
Amerika verhielt sich hier wie Ernst Albrecht mit seiner Gorleben-Entscheidung:
Destruktiv - Hauptsache den „Feind“ ärgern.
Ayatollah Chomeini war es der 1979 das Atomprogramm als „unislamisch“ bewertete und stoppte.
Erst die durch Amerika geschürte Aggression durch den Irak, die in einem achtjährigen Krieg mit einer Million Iranischen Toten mündete, zwang den Iran gewissermaßen das Atomprogramm wieder aufzunehmen.
2001 ging der Iran weit auf die USA zu und unterstützte sie bei dem Angriff auf Afghanistan.
Die USA dankten es nicht und warfen Teheran 2002 in das „Achse des Bösen“-Boot mit Nordkorea und dem Irak.
Unter dem enormen militärischen Druck der USA ging die Iranische Führung Anfang 2003 noch einmal sehr weit auf „den Westen“ zu und bot über den Schweizer Botschafter direkte Verhandlungen, Lösung aller strittigen Punkte, vollständige Transparenz gegenüber der IAEO und sogar die Anerkennung Israels an.
Wäre Amerika damals auf die Offerte des liberaleren Präsidenten Chatami eingegangen, wären uns einige Probleme erspart geblieben.
Aber Washington gerierte sich mit maximaler Dummheit; das Angebot wurde barsch abgewiesen und die Schweiz wurde sogar dafür gerügt überhaupt das Angebot weitergeleitet zu haben!
Chatami war blamiert und in der Folge dessen gewannen die Ultrakonservativen erst die Iranische Parlamentswahl von 2004 und brachten 2005 Ahmadinedschad als Präsidenten durch.
Nun war das Fenster zu.
Bertram räumt mit weiteren Mythen auf.
Die atomare Atomwaffensperrvertrag-widrige Aufrüstung Israels habe gezeigt, daß das Entstehen einer neuen Atommacht in der Region eben NICHT zur allgemeinen Atomaufrüstung der Anliegerstaaten führe, wie das immer wieder behauptet werde.
Der Status Quo Irans werde durch eine Atombombe nicht wesentlich verändert.
EU und USA sind nach wie vor beratungsresistent und stellen dem Iran de facto unerfüllbare Bedingungen, wie den Verzicht auf einen eigenen nuklearen Brennstoffkreislauf, der ihnen laut Atomwaffensperrvertrag aber zweifellos zusteht.
Die Lösung des „Iran-Problems“ besteht laut Bertram nur in dem Aufbau einer strategischen Partnerschaft zwischen Iran und Westen.
Partner müsse man nicht lieben - so wie die USA sicherlich nicht das chinesische politische System lieben, oder so wie Westerwelle sicherlich nicht die Saudi-Arabische Menschenrechtspolitik liebt.
Aber man muß sie akzeptieren.
Das geht nicht, wenn man den regime-change voraussetzt.
Dabei wäre der Iran ein ungemein wertvoller Partner; nicht nur wegen seiner Bodenschätze und der strategischen Bedeutung - nein, das 70-Millionen-Volk bietet enorme Ressourcen.
Der Iran hat über 2 Millionen Studenten, davon 50% Frauen, fast die Hälfte der Iraner hat www-Zugang, es gibt an die 100.000 Internetblogger und über 8000 Nichtregierungsorganisationen.
Im gesamten Nahen Osten gibt es kein Land mit günstigeren Voraussetzungen als Partner des Westens - zumal sich 75 % der Bevölkerung(IRNA-Umfrage) bessere Beziehungen zur USA wünschen.
Die US-Politik hingegen, die immer noch Millionen im Kongress dafür locker macht, daß oppositionelle Gruppen im Iran gegen die Theokratie agitieren, fördert das Mistrauen der Regierung, die aufgrund des äußeren und inneren Druck langsam von einer parlamentarischen Theokratie zu einem autoritärem System ohne Wahlen übergehen könnte.
Wie man es trotz all der praktischen Schwierigkeiten erreichen könnte eine strategische friedliche Partnerschaft zum Iran einzugehen, legt Bertram frei von Blauäugigkeit dar.
Indes - wir, der Westen tun das Gegenteil.
Politplattköpfe wie Westerwelle und zu Guttenberg, die leider frei von jeglichem Hintergrundwissen sind, befördern die Misere noch.
(Vom Brandstifter Liebermann gar nicht erst zu reden)
Es ist ein Trauerspiel.
Statt mäßigend auf die Kontrahenten einzuwirken, wie wir es durch anerkannte Politiker des Schlages Fischer und Steinmeier konnten, haben wir nun weitere Brandstifter auf die internationale Bühne geschickt.
Die Münchner Sicherheitskonferenz wird seit gestern ein bißchen durch den Iranischen Außenminister Manutschehr Mottaki aufgemischt.
Die zuständigen deutschen Minister reagieren wie pupertierende Schuljungs mit ADHS und lassen die gewünschte Hysterie folgen.
Westerwelle:
"Ich habe Vertretern der deutschen Wirtschaft und Industrie bereits mitgeteilt, dass wir die Ausweitung von Sanktionen nicht ausschließen können", sagte Westerwelle der "Welt am Sonntag" und führte weiter aus: "Ich bekam dann die Frage gestellt, ob ich wisse, was das koste. Ja, das weiß ich. Aber eine atomare Bewaffnung des Irans käme die deutsche Wirtschaft und die ganze Welt deutlich teurer zu stehen."
Guttenberg:
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte angesichts der Ankündigung Ahmadinedschads: Dies zeige, dass die ausgestreckte Hand des Westens vom Iran "nicht nur nicht ergriffen, sondern weggeschlagen wird". Nun sei der UN-Sicherheitsrat gefragt, darauf zu reagieren, sagte Guttenberg am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Er appellierte an Russland und China, sich notwendigen Maßnahmen im UN-Gremium nicht zu verweigern. Dem Iran müsse "deutlich gemacht werde, dass die Geduld nun wirklich am Ende ist."
So bedauerlich es ist, daß wir in Deutschland unter den Auswirkungen der maroden schwarz-gelben Regierung zu leiden haben:
International betrachtet ist es noch wesentlich katastrophaler, daß wir von solchen Dilettanten vertreten werden, die eine ohnehin schon verfahrene Situation weiter in den Abgrund treiben.
Dazu ist festzuhalten:
Nach wie vor fixiert sich „der Westen“ manisch auf die Frage der atomaren Entwicklung im Iran und nach wie vor besteht er auf einer gescheiterten Strategie des Drucks, die aber offenbar das Regime eher stabilisiert und daher kontraproduktiv ist.
Ich empfehle einen weisen Rat Churchills:
„However beautiful the strategy, you should occasionally look at the results.“
Ein Grund für die westeuropäisch/amerikanische Hysterie im Umgang mit Teheran ist die Bedrohung, die Israel fühlt.
Hierzu möchte ich zwei Positionen skizzieren.
1)
Der Iran darf unter keinen Umständen jemals über eine Atombombe verfügen, da er mit einem Schlag das kleine Israel erledigen könnte. Das Holocaust-Trauma der Juden habe sich durch die rüden Attacken Ahmadinedschads in den letzten Jahren noch verstärkt.
Das Entsetzen darüber die Shoa gewissermaßen einmal „zugelassen“ zu haben, sei derart gigantisch, daß man unter allen Umständen und gegen alle Widerstände die Bedrohung Israels aus dem Weg räumen werde.
Es sei daher so gut wie sicher, daß das Israelische Militär auch um den Preis eines Flächenbrandes in der gesamten Region die Iranischen Atomanlagen bombardieren werde, bevor es „zu spät“ sei.
Diese Position vertritt unter anderem Dr. Ronen Bergman, der politische Kommentator der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth und Autor von "The Secret War With Iran".
In einem SZ-Gastbeitrag führt er unter anderem dazu aus, daß zwar allgemein nicht mit einem Erstschlag Israels gerechnet wird, da Bibi Netanjahu weniger denn je mit Rückendeckung aus Washington rechnen könne, doch bei dieser Sichtweise sei das psychologische Moment nicht berücksichtigt.
Tatsächlich aber liegt die Sache anders: Obwohl Washingtons Reaktion immer einen wichtigen Platz in den strategischen Abwägungen der israelischen Entscheidungsträger hatte, wären sie diesmal bereit, die Sache allein durchzuziehen und sich den Zorn der Amerikaner zuzuziehen oder sie gar außen vor zu lassen, wenn das Überleben des Landes auf dem Spiel steht. Das war auch der Fall, als die israelische Luftwaffe 1981 den irakischen Atomreaktor außerhalb von Bagdad zerstörte, sehr zum Ärger von Präsident Ronald Reagan. […] viele ausländische Beobachter unterschätzen [zutiefst], welche Bedeutung in Israel der Erinnerung an den Holocaust als treibender Kraft der politischen Entscheidungsfindung zukommt. […]
Der Satz, den man in diesem Zusammenhang am häufigsten hört, ist: "Nie wieder!" Er folgt dem Gedanken, dass die Juden es sich selbst schuldig sind, nie wieder in eine Situation zu geraten, in der ihnen Vernichtung droht und sie der Bedrohung nicht frontal entgegentreten. In der Debatte in Israel über Irans Atomprogramm obsiegt immer wieder das Argument, dass es eine moralische Verpflichtung gebe, "etwas zu tun" - egal ob am Kabinettstisch in Jerusalem oder in einem Café in Tel Aviv. Für die meisten Israelis steht die lange Liste politischer, strategischer und militärischer Überlegungen, die gegen einen Angriff auf Iran sprechen, zurück hinter den Lehren, die es aus dem Holocaust zu ziehen gilt.
Die verbalen Iranischen Drohungen hätten eine gewaltigen Einfluß auf Jerusalem; das sehe man schon allein daran, daß der Israelische Ministerpräsident Ahmadinedschad mehrfach mit Hitler verglichen habe.
Es sei kaum vorstellbar „dass Premierminister Netanjahu darauf verzichtet, den Weg zu gehen, der praktisch die einzig verbleibende Handlungsoption ist - falls Iran die Nuklearfähigkeit erreicht.“
2.)
Lasst doch ruhig den Iran die Bombe besitzen - so what? Es hat sich gezeigt, daß Atombewaffnung nur zur Abschreckung taugt; nie als Angriffswaffe.
Das sei die „Kernrealität des Atomzeitalters - Wer eine irgendwie geartete Atombombe abfeuert, riskiert seine Existenz. Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter“ (Christoph Bertram)
Im Falle Irans gelte ob der überlegenen israelischen Luftabwehr vermutlich für Teheran sogar, daß man zuerst sterbe.
Sehr unverblümt sprach Chirac diese Tatsache am 1. Februar 2007 im NYT-Interview aus:
„Die Gefahr liegt nicht in der Bombe, die Iran haben wird, denn er kann sie gar nicht einsetzen. […] Gegen wen will er sie einsetzen? Gegen Israel? Sie würde nicht mal 200 Meter in die Atmosphäre gelangen, bevor Teheran ausradiert wäre“.
So eine Atombombe verschafft einem aber Schutz.
Es dürfte kein Zufall sein, daß das Land der Bush’schen Achse des Bösen, das tatsächlich eine Atombome hat, nämlich Nordkorea, nicht von den USA angegriffen wurde und diesbezüglich auch keine Pläne bestehen.
Erwischt hat es das Land, den Irak, der wahrheitsgemäß erklärte keine Atomwaffen zu haben.
(Im Übrigen kann auch die „vom Westen“ hervorgebrachte Menschenrechtssituation nicht als Begründung herhalten - denn weder im Iran, noch im Irak wird oder wurde die eigene Bevölkerung so brutal drangsaliert, wie im Reich des Kim Jong Il.)
Als Kronzeugen für diese Position ziehe ich Martin van Creveld , 54, Militärhistoriker an der Hebräischen Universität Jerusalem heran.
Er gibt wie andere Experten - Egon Bahr oder Peter Scholl-Latour zum Beispiel - zu, daß er an der Stelle der Iranischen Regierung auch zusehen würde so schnell wie möglich an die Bombe zu gelangen.
Im einem Beitrag für die ZEIT Nr 11 / 2010 schreibt er:
Seit 2001 hat sich Irans strategische Situation radikal verschlechtert. Wo auch immer die Mullahs hinschauen, nach Westen in Richtung Irak, nach Nordosten in Richtung Zentralasien, nach Osten in Richtung Afghanistan oder nach Süden in Richtung Golfregion – überall sind sie umzingelt von den Soldaten der einzig übrig gebliebenen Weltmacht Amerika.
Die führenden Politiker Irans sind nicht dumm. Während Saddam Hussein es vorzog, den Kampf David gegen Goliath aufzunehmen, und dabei einfach überwältigt werden konnte, ist ihnen eines klar: Sollte einer der zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten mit Iran aus irgendeinem Grund das tun, was George W. Bush 2003 mit dem Irak getan hat, hätten Irans konventionelle Streitkräfte keinerlei Chance.
Es besteht daher kein Zweifel daran, dass die Mullahs ihre Bombe weiterbauen werden, ohne Rücksicht darauf, was der Westen unter Präsident Obamas Führung sagen oder tun wird. Um ehrlich zu sein: Ich würde an ihrer Stelle das Gleiche machen.
Die Iranische Regierung täte das, was sie könne, um ihr Land zu schützen:
Zu Ahmadineschads Repertoire gehören Vortäuschung und Verheimlichung, Schwindelei und Irreführung, Schmeichelei und Drohung. Heute behauptet er, Iran würde niemals auf seine Rechte verzichten, morgen offeriert er Verhandlungen. Sein Ziel ist die Spaltung seiner Gegner. Er verfolgt dieses Ziel wie ein Seiltänzer, der zwischen überzogener Provokation und Beschwichtigung hin und her balanciert. Natürlich dient dieses Spiel lediglich einem Zweck: Zeit zu gewinnen, bis Iran über genügend Bombenmaterial verfügt.
Aber auch ein Iran MIT Atombombe sei keine größere Bedrohung als andere Atomwaffenstaaten:
Während der vergangenen 60 Jahre haben die USA jedes Mal aufgeschrien, wenn es so aussah, als wollte eine Nation Atomwaffen erwerben. Man wollte ja schließlich so weit wie möglich das Monopol erhalten. Jedes Mal wurden eine Menge von Begründungen hervorgebracht, weshalb der mutmaßliche Neuling im Klub der Nuklearmächte eine größere Gefahr als seine Vorgänger darstellte. Im Laufe der Jahre dürfte Washington diesbezüglich Hunderte von Warnungen ausgesprochen haben, Gott sei Dank ist bisher keine davon Wirklichkeit geworden. Im Gegenteil: Wo atomare Waffen eingeführt wurden, haben keine Kriege zwischen Großmächten mehr stattgefunden.
Den Iran anzugreifen käme kaum in Frage.
Ob ein solcher Angriff die Nuklearpläne Teherans zerschlagen würde, ist zu bezweifeln. Dass es den Nahen Osten in Brand setzen würde, möglicherweise mit katastrophalen Folgen für einen großen Teil der Welt, das ist hingegen so gut wie sicher.
Wer hat nun Recht?
Um diese Frage zu ergründen, las ich letzte Nacht noch einmal den hervorragenden Essay „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik“ von Christoph Bertram.
(Herausgegeben von Roger de Weck. 2008. Edition Körberstiftung. 10.00 Euro)
Dieser „unbequeme Standpunkt“ des früheren Direktors der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ und ZEIT-Autoren erschien vor fast genau zwei Jahren.
Drei wesentliche Spieler der Bertram’sche Betrachtung haben sich verändert.
Der republikanische Hardliner und informationsresistente GWB wurde durch den intelligenten Demokraten Obama abgelöst, der Japaner Yukiya Amano löste den langjährigen IAEO-Chef Mohammed el-Baradei ab und die Iranische Führung ist nachhaltig destabilisiert - wenn auch Ahmadinedschad noch im Amt ist.
Man kann aber getrost davon ausgehen, daß er nicht die volle Unterstützung seines Volkes hat.
Erschreckend ist, daß Bertrams Analyse nichts an Aktualität eingebüßt hat. Zwei weitere Jahre der anti-Iranischen Wirtschafstsanktionen und scharfer anti-Ahmadinedschad-Rhetorik waren kontraprodutiv wie zuvor.
Der Westen ist auf keinen seiner Vorschläge eingegangen, der Iran kommt der Bombe näher und aus Amerika, wo die stärkste Veränderung stattgefunden hatte, kommen keine Signale der Einsicht.
Im Gegenteil, die Außenministerin Clinton unterstreicht an diesem Münchner Sicherheitskonferenz-Wochenende noch einmal die Janusköpfigkeit der US-Position, indem sie via SZ mitteilt:
Menschen [haben] überall das Recht, ohne Furcht vor atomarer Zerstörung zu leben. [….] Und wir werden gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten unsere intensiven Versuche fortsetzen, um Iran davon abzuhalten, die Bombe zu erlangen.
Ergo: Anderes Recht für Teheran, als das was für Israel oder Pakistan gilt.
Wahre Sicherheit umfasst nicht nur friedliche Beziehungen zwischen Staaten, sondern auch Grundrechte und Chancen für ihre Bürger. Sichere Länder verteidigen die Menschenrechte, ermöglichen ihren Bürgern, ihre Führer frei zu wählen, ihre Meinung frei zu äußern und sich an der Zivilgesellschaft zu beteiligen. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass ihre Bürger in einer gesunden Umwelt leben, Bildung erhalten, einen Beruf ausüben, eine Familie gründen können, wenn sie es wünschen, frei reisen und das Beste aus ihrer von Gott gegebenen Begabung herausholen. Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte bilden einen sich selbst verstärkenden Kreislauf.
Stimmte das, dann müßten sich die USA zuerst beispielsweise gegen ihre Verbündeten in Saudi Arabien wenden.
Denn dort sieht es mit Bürgerrechten und Demokratie noch wesentlich schlechter aus.
Christoph Bertram weist auf eben diese Widersprüche hin.
Iran IST mit seinen 70 Millionen Einwohnern und den weltweit zweitgrößten Erdgasreserven ein wichtiger internationaler Player.
Wie bei China und Russland sollten wir das akzeptieren und sie nicht wegen ihres politischen Systems mit Sanktionen überziehen.
Nicht vergessen dürfe man:
Amerika ist wesentlicher Verursacher der Atomstrategie des Irans.
Auch van Greveld greift diesen Punkt auf und verweist auf die Anfänge:
Die Pläne, dafür Reaktoren zu bauen, stammen übrigens noch aus der Zeit des Schahs, und zwar aus den letzten Jahren seiner Amtszeit. Er war der Überzeugung, dass Öl unter der Erde eines Tages erheblich mehr wert sein würde als Dollar auf dem Bankkonto – mit Recht, wie sich später herausstellte. Zu jener Zeit waren der Schah und die USA enge Verbündete. Die Reaktoren sollten Milliarden in die Taschen von Industriellen aus Amerika und anderen westlichen Nationen spülen. Das ist ein Grund dafür, dass sich nur wenige Gegenstimmen erhoben.
Ein weiterer Grund war, dass man plante, einige Reaktoren in der Nähe des Kaspischen Meers aufzustellen, nur um die Sowjets zu provozieren.
Amerika verhielt sich hier wie Ernst Albrecht mit seiner Gorleben-Entscheidung:
Destruktiv - Hauptsache den „Feind“ ärgern.
Ayatollah Chomeini war es der 1979 das Atomprogramm als „unislamisch“ bewertete und stoppte.
Erst die durch Amerika geschürte Aggression durch den Irak, die in einem achtjährigen Krieg mit einer Million Iranischen Toten mündete, zwang den Iran gewissermaßen das Atomprogramm wieder aufzunehmen.
2001 ging der Iran weit auf die USA zu und unterstützte sie bei dem Angriff auf Afghanistan.
Die USA dankten es nicht und warfen Teheran 2002 in das „Achse des Bösen“-Boot mit Nordkorea und dem Irak.
Unter dem enormen militärischen Druck der USA ging die Iranische Führung Anfang 2003 noch einmal sehr weit auf „den Westen“ zu und bot über den Schweizer Botschafter direkte Verhandlungen, Lösung aller strittigen Punkte, vollständige Transparenz gegenüber der IAEO und sogar die Anerkennung Israels an.
Wäre Amerika damals auf die Offerte des liberaleren Präsidenten Chatami eingegangen, wären uns einige Probleme erspart geblieben.
Aber Washington gerierte sich mit maximaler Dummheit; das Angebot wurde barsch abgewiesen und die Schweiz wurde sogar dafür gerügt überhaupt das Angebot weitergeleitet zu haben!
Chatami war blamiert und in der Folge dessen gewannen die Ultrakonservativen erst die Iranische Parlamentswahl von 2004 und brachten 2005 Ahmadinedschad als Präsidenten durch.
Nun war das Fenster zu.
Bertram räumt mit weiteren Mythen auf.
Die atomare Atomwaffensperrvertrag-widrige Aufrüstung Israels habe gezeigt, daß das Entstehen einer neuen Atommacht in der Region eben NICHT zur allgemeinen Atomaufrüstung der Anliegerstaaten führe, wie das immer wieder behauptet werde.
Der Status Quo Irans werde durch eine Atombombe nicht wesentlich verändert.
EU und USA sind nach wie vor beratungsresistent und stellen dem Iran de facto unerfüllbare Bedingungen, wie den Verzicht auf einen eigenen nuklearen Brennstoffkreislauf, der ihnen laut Atomwaffensperrvertrag aber zweifellos zusteht.
Die Lösung des „Iran-Problems“ besteht laut Bertram nur in dem Aufbau einer strategischen Partnerschaft zwischen Iran und Westen.
Partner müsse man nicht lieben - so wie die USA sicherlich nicht das chinesische politische System lieben, oder so wie Westerwelle sicherlich nicht die Saudi-Arabische Menschenrechtspolitik liebt.
Aber man muß sie akzeptieren.
Das geht nicht, wenn man den regime-change voraussetzt.
Dabei wäre der Iran ein ungemein wertvoller Partner; nicht nur wegen seiner Bodenschätze und der strategischen Bedeutung - nein, das 70-Millionen-Volk bietet enorme Ressourcen.
Der Iran hat über 2 Millionen Studenten, davon 50% Frauen, fast die Hälfte der Iraner hat www-Zugang, es gibt an die 100.000 Internetblogger und über 8000 Nichtregierungsorganisationen.
Im gesamten Nahen Osten gibt es kein Land mit günstigeren Voraussetzungen als Partner des Westens - zumal sich 75 % der Bevölkerung(IRNA-Umfrage) bessere Beziehungen zur USA wünschen.
Die US-Politik hingegen, die immer noch Millionen im Kongress dafür locker macht, daß oppositionelle Gruppen im Iran gegen die Theokratie agitieren, fördert das Mistrauen der Regierung, die aufgrund des äußeren und inneren Druck langsam von einer parlamentarischen Theokratie zu einem autoritärem System ohne Wahlen übergehen könnte.
Wie man es trotz all der praktischen Schwierigkeiten erreichen könnte eine strategische friedliche Partnerschaft zum Iran einzugehen, legt Bertram frei von Blauäugigkeit dar.
Indes - wir, der Westen tun das Gegenteil.
Politplattköpfe wie Westerwelle und zu Guttenberg, die leider frei von jeglichem Hintergrundwissen sind, befördern die Misere noch.
(Vom Brandstifter Liebermann gar nicht erst zu reden)
Es ist ein Trauerspiel.
Statt mäßigend auf die Kontrahenten einzuwirken, wie wir es durch anerkannte Politiker des Schlages Fischer und Steinmeier konnten, haben wir nun weitere Brandstifter auf die internationale Bühne geschickt.
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6 Kommentare:
Gute Analyse! Mir kommt die derzeitige weltpolitische Lage wie der Auftakt zum Ersten Weltkrieg vor.
Da haben wir zunächst einmal hirnlose und unglaublich arrogante imperiale Grossmächte, die den Rest der Welt als ihr Territorium beanspruchen und eine entsprechend chauvinistische und rassistische Politik machen.
Die eine oder andere dieser Grossmächte hat noch dazu Angst vor dem unmittelbar bevorstehenden Abstieg aufgrund ihrer maroden Strukturen und einem Mangel an jeglicher Einsicht in ihrer Führungsspitze und Machtelite.
Entsprechend erbarmungslos wird gegen jeden gekeilt, der als "Bedrohung" empfunden wird - auch die eigene Zivilbevölkerung, um der Oberschicht auch weiterhin den Status Quo zu garantieren.
Zum anderen gibt es eine ganze Schar von Grosskapitalisten, die im derzeitigen Imperialismus und der damit einhergehenden Kriegstreiberei fette Gewinne machen, den Hals nicht voll bekommen und keinerlei Interesse an den Konsequenzen ihres Tuns haben.
Deren Agenda besteht im Gegenteil eher aus einer Zementierung des vorherrschenden imperialen Feudalismus, der ihre Narrenfreiheit gegen jegliches Gemeinwohl garantiert - auch mit brutalster Gewalt gegen jeden und alles.
Auf der zivilen Ebene wiederum ist die Bevölkerung klar in arm und reich gespalten und im wesentlichen narkotisiert, d.h. sie nimmt nur minimalst am politischen Prozess teil.
Die Presse wiederum ist fest unter der Interessenkontrolle ihrer Inhaber und jegliche Kritik an den Umständen wird vom System (direkt oder indirekt) als "Terrorismus" diffamiert und verfolgt.
DAS war die Gemengelage vor 1914. Und DAS ist die politische Situation heute.
Eine Grossmacht im Abstieg, eine Grossmacht in der Schwebe, eine Grossmacht im Aufstieg und eine ganze Menge Grosskapitalisten, die den Hals nicht vollbekommen.
Interessante Zeiten, fürwahr!
Der Nordstern.
Danke Nordstern für die Anmerkungen.
Natürlich kann man noch weitere Dekaden zurück gehen und wird nicht viel Rühmliches finden, wenn man die Einmischung von CIA und USA in die persischen Angelegenheiten beurteilt.
Es ist eigentlich immer gleich: WAS die USA in imperialer Weise anpacken - Vietnam, Afghanistan (Aufrüstung der Al Kaida), Irak (Aufrüstung Saddams, um den Iran fertig zu machen…), Unterstützung sämtlicher rechtsradikalen Diktatoren Südamerikas gegen die Demokratiebewegung oder eben die Iranpolitik - es geht immer schief.
Irgendwann wendet sich das alles gegen sie. Entweder richtig kriegerisch, oder zumindest, wie in Südamerika, daß Washington jetzt eine geballte front von extrem US-kritischen linken Regierungen gegen sich hat.
Geschichte wiederholt sich eben doch.
Daß was Du ansprichst, ist im Grunde ja auch universalgültig: Überall dort, wo man die Profite abgeschöpft hat und die verarmten und rechtlosen Massen allein zurück ließ, entwickelte es sich irgendwann zum Pulverfass.
Insbesondere dann, wenn man in unfassbarer Arroganz meinte anderen, möglicherweise tausende Jahre alten, Kulturen vorschreiben zu müssen, daß nun UNSERE Werte zu gelten hätten (sonst gibt’s auf’s Maul!).
Ich bin nach wie vor verblüfft zu sehen, daß es so wenig Lernfähigkeit gibt.
Nun dachte ich irgendwie schon, daß die Bush’sche Politik - „wir reden nur mit unseren Freunde, die uns unterstützen - alle anderen sind FEINDE“ - ad acta gelegt wurde.
Das Gegenteil ist richtig - man MUSS gerade mit sogenannten „Feinden“ sprechen, um voran zu kommen.
Aber nein, im Jahr 2010, geht es unter so weiter und Super-Gutti haut raus, daß man nun aber mal wirklich Druck auf den Iran machen werde! SEHR erfolgsversprechend - da wird Ahmadinedschad ja vor Angst zittern und Dank der CSU sofort alle Atomanlagen verschrotten!
Unfassbar.
LGT
Auch meinen Dank und Uebereinstimmung dem Nordstern.
"gegen jegliches Gemeinwohl" duerfte es wohl Zuhause als auch Global auf den Punkt bringen.
Welch verheerende Ausmasse letztendlich die gewollt knieblutende Solidaritaet mit (nicht nur) Amerika brachte, ist in der Gesamtheit an negativen Entwicklungen kaum zu ueberbieten.
Bis auf Morgen.
Hierzu ein Pre-Deschawue zum Thema:
http://www.mein-parteibuch.com/blog/2010/02/08/wir-verlangen-den-sofortigen-bedingungslosen-und-totalen-rueckzug-der-auslaendischen-truppen-aus-afghanistan/#more-3842
Geschichte wiederholt sich nicht, Sie ist kontinuierlich.
Gruss
Jake
Danke für den Link.
Ist natürlich ganz lustig das heute zu lesen.
Das Problem ist aber, daß sich „der Westen“ inzwischen soweit in Afghanistan festgesetzt hat, daß viele Teile der Bevölkerung von ihnen abhängig sind.
Würde man JETZT rausgehen, käme es wohl wirklich zu einer Nacht der langen Messer. Da würden eine Menge Köpfe rollen.
Die tolle Situation ist also jetzt, daß man gar nichts mehr machen kann - weder raus noch rein.
Das Paradoxe ist ja, daß sich jetzt viele Leute - WOHL ZURECHT - wünschen, daß die Sowjet-Armee damals gar nicht aus Afghanistan rausgegangen wäre. Sie hatten nämlich schon angefangen umfangreich humanitäre Hilfe zu leisten und Nationbuilding zu betreiben.
Die NATO hätte mal die Rote Armee finanziell unterstützen sollen - da die nun schon mal da drin hockten.
Womöglich wäre das Land dann in den 90ern doch zu einem stabilen Land geworden, in dem man nicht willkürlich nach Scharia Frauen foltert und Musik verbietet.
(?)
Dazu dieses Video:
http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2010/0128/afghanistan.php5
LGT
Nett gedacht, ..Die AmiNato hat aber ca. 9Milliarden an Boom-Logistik in die Mujahedin gestopft.
Das zwanghaft anstrengende rein'raus Problem vom Geschlechtsverkehr bishin zum testosteros'aggressiv'wiederholten Laender-Ficken.
Im krassen Gegensatz zum bewussten Versagen jeglichst sinnbringender Infrastruktur, hoere ich zumeist von diesen unsinnigen, auch nicht vorankommenwollenden Anstrengungen Polizei und Armee aufzubauen, mit der beknackten Begruendung, dass man sich, nach unserem Abzug dadurch gegen sich selbst verteidigen kann.
Afghanistan braucht ganz sicherlich andere Ansaetze und Anregungen um schon fuer sich Selbst harmonischer zu funktionieren.
Alleine die 'unzaehligen Milliarden Kriegskosten der letzten 8Jahre in Sozialstruktur, Wirtschaft/Resourcen, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, 'Kulturaustausch' ... .... gesteckt, und die jungen Taliban wuerden heutzutage im Pick-Up Truck johlend an den Maedels vorbeifahren und ueber die Stinkefinger lachen.
Suesse Tagtraueme
Gruss
Jake
Da gibt es ja so schöne Zahlen, daß 95 % der Kosten des Afghanistan-Einsatzes für das Militär draufgehen und 5% für den Wiederaufbau.
Halliburton, Blackwater (Neuerdings ja „Xee“ und Co haben natürlich bei der Interessenbewertung Vorrang. Nicht zu vergessen all die schöne Munition, die täglich verbraten wird. Das schaufelt viele, viele Millionen in die Kassen der heimischen Rüstungsindustrie.
Bald gibt es auch einen neuen Superflugzeugträger mit dem Namen „George W. Bush“ - kostet nur acht Milliarden Dollar.
Der Irak-Einsatz kostet die USA auch noch mal eine Milliarde Dollar PRO WOCHE!
Wenn man geahnt hätte, daß Westerwelle für nur 50 Millionen Euronen ein Taliban-Aussteiger-Programm auflegen kann und nun alle bösen Islam-Fanatiker zu Muster-Demokraten à la EU umgewandelt werden, hätte man ja enorm Geld sparen können!
Andererseits:
Was hätten wir dann mit den ganzen überflüssigen Milliarden angestellt?
Es ist ja nicht so, daß es dafür in den USA oder der EU irgendwelche Verwendung gäbe - unsere Sozial- und Bildungssysteme sind doch alle optimal! Die Infrastruktur vorbildlich und Schulden haben wir auch keine!
LGT
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