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Samstag, 20. Februar 2010

Affären-Handling

Politische Größenordnungen entsprechen nicht den realen Größenordnungen.

Ein dem Steuerzahler verursachte Schaden von vier Milliarden Euro, wie ihn beispielsweise die größenwahnsinnige, unterbelichtete bayerische Landesregierung beim Landesbankdesaster angerichtet hat, stört den Wähler nur marginal.

In Umfragen ließ die CSU zwar ein paar Federn, aber immer noch ist sie mit weitem Abstand Bayerns stärkste Partei, deren Politiker für kompetent gehalten werden.

Milliarden, Millionen, Myriaden - damit ist der Urnenpöbel überfordert.
Ab spätestens acht Nullen erlahmt sein Interesse.

Ein dem Steuerzahler verursachte Schaden von viertausend Euro hingegen ist eine Größenordnung, die der Wähler in seine Vorstellungswelt integrieren kann.
So kam es, daß Ulla Schmidts Dienstwagen-Problem der SPD einen massiven politischen Schaden bescherte.
Neben „HartzIV“ wurde die „Dienstwagenaffäre“ am zweithäufigsten von ehemaligen SPD-Wählern als Begründung genannt, sich 2009 anders entschieden zu haben.

Die Dienstwagenfahrt nach Spanien kostete ein Millionstel der Bayern-LB-Katastrophe, aber sie kostete Ulla Schmidts Kopf, während die CSU immer noch den Bayerischen MP stellt.

Politischer Schaden hat die eigentümliche Angewohnheit sich besonders leicht multiplizieren zu lassen.
Die ganz großen finanziellen Desaster, wie die 100 Milliarden, die der HRE zugeschoben wurden, die 100 Milliarden, die Schäuble im Jahr 2010 von der nächsten Generation raubt oder eben die verschiedenen Landesbankapokalypsen kann ein geschickter Homo Politicus aussitzen, indem er locker-flockig präsidierend so tut, als ob er nicht dazu gehört.

Alarmstufe Rot gilt immer dann, wenn ein Politiker persönlich angegriffen wird, wenn es nach perönlicher Vorteilsnahme riecht und er sich persönlich rechtfertigt.
Hier können sich sehr schnell Karriere-tödliche Stolperfallen auftun.

Diese Sprengsätze möchte natürlich kein Politiker selbst legen, aber unglücklicherweise ist nach wie vor unklar, welche Sätze das Potential dazu haben gefährlich zu werden.

Ehrlichkeit ist beispielsweise überhaupt kein Maßstab.

So blieb jedem empörten Ex-SPD-Wähler Ulla Schmidts „Das steht mir zu!“ als i-Tüpfelchen des Dienstwagenskandälchens in Erinnerung.
Ulla Schmidt hatte zwar recht und sprach eine Wahrheit aus - aber zum ganz falschen Zeitpunkt.
Der Urnenpöbel empfand diese Binse als Bestätigung der Abgehobenheit.

Unehrlichkeit kann sich unter Umständen auszahlen.
So log Verteidigungsminister zu Guttenberg in der Kundus-Affäre nachweislich mehrfach über seinen Informationsstand.
Auch könnte man mutmaßen, daß es sich bei einem Vorkommen, das über hundert Todesopfer forderte um eine heiklere Geschichte als dem leidigen geklauten Dienstwagen handelte - aber weit gefehlt.

Denn Guttenberg lügt souverän.
Der Beau unter den Politikern weiß wie man ankommt - im Moment ist er zwecks Photo-Lovestory-PR mit großbusiger Gattin in Vancouver bei der Olympiade, um die dortigen deutschen Truppen zu begrinsen.

Er verkauft sich als Antipolitiker und zieht damit seinen adeligen Hals aus der Klischee-Schlinge.
Trotz Lügereien vorm Parlament ist Guttenberg nun der mit Abstand beliebteste Politiker - unter den Top Five übrigens auch ein anderer bekannter Parlamentsbelüger - Schäuble.

Ulla Schmidt aber bediente Klischee des Privilegien-affinen Politikers und strauchelte sofort.

Guttenberg profitierte von der „ab acht Nullstellen erlahmt das Interesse“-Regel.
In seinem Falle sind die Nullstellen Isaf, enduring freedom, Centcom, etc.
Das versteht kein Mensch und die Berichte, um die es geht, von denen Guttenberg einige angeblich nicht gelesen hat, gibt es auch gleich so viele.

Politisch tödlich endete hingegen heute die Salami-Performance von „Glatteis-Röder“.

Der Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Berndt Röder (CDU) stolperte, verglichen mit dem Tanklaster-Bombardement oder den Milliardenverlusten der Bayern-LB über eine Petitesse.
Geradezu lächerlich angesichts der echten Probleme Deutschlands.

Was war passiert?

Während Tout Allemange täglich am Rande des Knochenbruchs auf winterlichem Glatteis umher schlitterte, mochte Gernegroß Röder sich dem Risiko nicht aussetzen und ließ exklusiv seine eigene Wohnstraße pikobello räumen.

Der tödliche Fehler passierte dann, als er von der MoPo auf sein amtsanmaßendes Verhalten angesprochen wurde. Er log und wandte sich, stritt zunächst alles ab und gab dann immer nur das zu, was man ihm ohnehin nachweisen konnte.

Mathis Neuburger:
Berndt "Glatteis" Röder hat offenbar schon wieder gelogen!
Entgegen seinen Angaben soll er mehrfach und ausdrücklich die Räumung seiner vereisten Wohnstraße gefordert haben. Röders Parteifreunde sind stinksauer, über Nachfolger wird schon spekuliert.
Noch am Dienstag hatte Hamburgs oberster Parlamentarier behauptet, sich für alle vereisten Straßen eingesetzt zu haben - seine Frustbergstraße in Groß Borstel habe er nur als Beispiel erwähnt. Deshalb sei er auch "überrascht" gewesen, als diese geräumt war.
Die CDU-Fraktion hatte Röder deshalb im Amt belassen - auf Bewährung.
"Zwei Mal haben wir ihn unmissverständlich gefragt, ob jetzt alle Fakten auf dem Tisch liegen", so ein Teilnehmer der entscheidenden Vorstandssitzung. Röder bejahte. Aus zuverlässiger Quelle heißt es jetzt, Röder hat gelogen: "Er leidet wohl an selektiver Wahrnehmung. Das Nachschieben irgendwelcher Begründungen macht es nicht besser."
Demnach hat es mehr Gespräche Röders mit dem Bezirksamt Nord gegeben als zugegeben. Und vor allem soll er deutlich die Räumung speziell seiner Straße gefordert haben. Röders Behauptung, ihm sei es "nie um einen persönlichen Vorteil" gegangen, wäre damit widerlegt.

Anders als bei Afghanistan oder der abstrakten Zahl von 102 Milliarden Euro für die HRE, kann sich jeder Wähler sehr plastisch vorstellen, worum es bei Röder ging.
Jeder ist von den Wetterverhältnissen auf den Straßen betroffen, aber kaum einer hat die Möglichkeit die Stadtreinigung exklusiv seinen Hauseingang glitschfrei zu bekommen.

Was Röder tat, kann sich jeder nur zu gut vorstellen. Statt Tiger-Wood‘scher Reue dann noch einen Haufen Lügen und Ausreden zu verbreiten, ließ das Fass schnell überlaufen:

Der Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Berndt Röder (CDU), ist wegen einer Sonderbehandlung seiner Straße bei der städtischen Schnee- und Eisbeseitigung zurückgetreten.

Seine Lügen - zunächst hatte er behauptet gar nicht involviert zu sein, später log er, daß er seine eigene Straße gar nicht erwähnt hätte, waren nicht zu halten:

Medien hatten jedoch spekuliert, ob Röder wirklich die Wahrheit gesagt hat. Danach habe er doch nicht nur die allgemeine Situation kritisiert, sondern ausschließlich seine Straße gemeint. "Ich habe nachmittags einen Termin, ich will hier weg!", soll er bei einem Telefonat mit dem zuständigen Bezirksamt Nord gesagt haben. Sollte dies zutreffen, muss es sich um einen privaten Termin gehandelt haben, wie der Terminkalender des Präsidiums zeige.
Auch andere Erklärungen des Bürgerschaftspräsidenten seien nicht schlüssig gewesen.
So habe die Feuerwehr mitgeteilt, dass es zur fraglichen Zeit keinen Einsatz in Röders Straße gegeben habe. Röder hatte behauptet, ihm sei der Kragen geplatzt, als ein Rettungswagen wegen der widrigen Straßenverhältnisse wieder umdrehen musste.

Der Röder!
Mit einer besser aussehenden Ehefrau und einer weniger unsympathischen Rotzbremse im Gesicht hätte er hübsch zu ein paar Photo-Terminen nach Vancouver jetten und sich aus dem Hamburger Klein-klein raushalten können.

So sitzt man einen Affäre elegant aus.

Interessantes Detail am Rande:
Während sich schon ganz Hamburg - inklusive der CDU-freundlichen Springerpresse über den Bürgerschaftspräsidenten aufregte, hockte die GAL demonstrativ schweigend im Enddarm der CDU.
Kein böses grünes Wort über Röder.

Über so viel Angepasstheit wundert sich sogar schon das Hamburger Abendblatt in seinem heutigen Hauptkommentar:
Karl Günther Barth schreibt unter dem Titel "Eine Schande für Hamburg":

Die GAL, die früher wohl als Erste den Rücktritt gefordert hätte, hält sich zurück. Koalitionsräson, ist zu vermuten.

Da hat das HH Abla wohl recht.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Irgendein Politiker (vielleicht war es der Eppler) meinte mal, wenn sich die CDU einen Bestechungsskandal leistet, dann lässt man ihr das als "Kavaliersdelikt" durchgehen, bei der SPD hingegen muss man sich wie ein Heiliger verhalten.

Auch die Bevölkerung scheint bei uns den Rechten eher die Dummheiten durchgehen zu lassen. Epidemisch in Süddeutschland. ("Mei, die sind halt so", "an der Macht und für genug Geld wird jeder schwach", "das belegt doch eigentlich nur, wieviel besser sie mit dem Geld umgehen können")

Auf der anderen Seite ist die Presse bei uns zu 99% schwarz (siehe Westerwelles Eskapaden), d.h. kein typischer Redakteur wird Wert darauf legen, dass konservative Politiker zu sehr gescholten werden. Und von Rücktritt usw. darf schon gar nicht die Rede sein.

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Nordstern,
ja das klingt nach Eppler.

Ich hatte mich dem Thema auch schon mal angenommen

http://tammox.blogspot.com/2009/09/rechter-vorteil.html

die Konservativen haben hier einen echten Vorteil, da ihre Anhänger weit weniger idealistisch denken und eine völlig andere Erwartungshaltung haben.

Eklatant war das damals bei der Barschel-Affäre.
Unfassbar in welchen kriminellen Sumpf sich die gesamte Landes-CDU damals verstrickte. Bis heute wissen wir nicht so genau, was Barschel eigentlich andauernd heimlich in der DDR wollte, wo er in konspirativen Wohnungen offenbar eine Menge mit internationalen Waffenschiebern zu tun hatte.

Als Engholm aber später zugab, daß er über ein winziges Detail ein paar Tage früher informiert war, als er zunächst behauptet hatte, war das der MEGA-Skandal und er mußte zurücktreten.
Engholm war eben die Lichtgestalt mit der ganz reinen weißen Weste - da genügte ein mikroskopisch kleines schwarzes Pünktchen, um ihn aus dem Amt zu kegeln.
Heute nennt man Barschel und Engholm sogar in einem Atemzug.
Daß der eine krimineller Täter und der andere das Opfer war, ist inzwischen vergessen!

LG
T

Anonym hat gesagt…

Eher andersherum. Die Rechtswähler sind BESONDERS idealistisch und lassen sich auch nicht von der Realität beeinflussen. ;)

Wie gesagt, ich denke dass es vor allem an den Medien liegt.

Bei uns werden alle Untaten der Rechten relativiert und der SPD (bzw. jeder anderen "linken" Partei) gleich mal ein schwerer Verstoss gegen ihre Prinzipien vorgehalten.

Der Nordstern

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Das mit den Medien ist nun wirklich kein Wunder, da Zeitungen mit den ganz großen Buchstaben und den noch größeren Auflagen nun mal alles durch die Bank CDU-freundlich sind.
Es gibt keine linken Boulevard-Blätter mit nennenswerter Auflage.


LGT