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Sonntag, 17. Januar 2010

Die Christen des Tages - Teil XIII und XIV

Nein, nett ist das wirklich nicht was der liebe Gott den Haitianern angetan hat.
Als News-Junkie hat man schon allerlei Naturkatastrophen „miterlebt“, aber das Erdbeben in Haiti dürfte eine der fiesesten Ereignisse der letzten Dekaden sein.

Folgt man der Ansicht des evangelikalen US-Fernsehpredigers Pat Robertson sind die Menschen auf Haiti allerdings selbst schuld.

Der Milliardär, Buchautor, Verschwörungstheoretiker, Präsident des American Center for Law and Justice, republikanischer Präsidentschaftskandidat von 1988, Gründer der Christian Broadcasting Network, Träger der von der Zionist Organization of America verliehenen Friends of the State of Israel- Auszeichnung, Gründer der fundamentalistischen Christian Coalition of America und Präsident der Regent University Robertson weiß nämlich, daß „Haiti“ im 18. Jahrhundert einen Pakt mit dem Teufel schloss, um die französische Kolonialmacht loszuwerden.

Dafür strafe Gott jetzt.

"(...)etwas passierte vor langer Zeit in Haiti und die Bevölkerung mag vielleicht nicht gerne darüber reden. Sie befanden sich damals unter der Herrschaft der Franzosen, Napoleon, dem Dritten oder so. Und sie kamen zusammen und schwörten zum Teufel, sie schlossen einen Pakt. Sie sagten: 'Wir werden dir dienen, wenn du uns von den Franzosen befreist.' Eine wahre Geschichte - und so gab der Teufel zur Antwort 'OK, der Handel gilt!'. Und sie warfen die Franzosen aus dem Land. Wie Sie wissen, revoltierten die Haitianer und befreiten sich. Seither trifft die vezweifelten Armen ein Fluch nach dem anderen. Die Insel Hispaniola ist eine Insel, aber sie ist in der Mitte geteilt. Auf einer Seite befindet sich Haiti, auf der anderen Seite die Dominikanische Republik. Die Dominikanische Republik gedeiht, ist gesund und wohlhabend, voll von Touristen. Haiti bleibt in verzweifelter Armut.

Klar, daß Robertson von mir einen „Christ des Tages“-Titel bekommt.

Aber ich möchte den Blick von diesen offensichtlich vollkommen gehirnamputierten Hassfanatikern aus der US-Evangelikalen-Szene abwenden.

Auch die durchschnittlich irren Christen fangen natürlich das altbekannte „WARUM???“-Gejaule an.

Ihr Verstand ist also ganz offenbar zu unterentwickelt, um einfache seismologische, plattentektonische und geologische Zusammenhänge, die man im Erdkundeunterricht der fünften Klasse lernt, zu verstehen.

Die seit Jahrhunderten jeden Tag myriadenfach gestellte Theozidee-Frage kommt mal wieder auf.

Die große Theodizee-Frage [ˌteodiˈt͜seː] (frz. théodicée, v. altgriech. θεός theós „Gott“ und δίκη díke „Gerechtigkeit“) wird immer wieder gestellt - seit Jahrtausenden, seit Epicur.

Sextus Empiricus, der Arzt und Philosoph des 2. Jahrhunderts, formulierte das Dilemma folgendermaßen:

Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?

Ich persönlich halte mich da an die Antwort des Ausschwitzüberlebenden Yehuda Bauers- die ich logisch einfach bestechend finde.
„In letzter Zeit war die Leistungsbilanz Gottes, was die Juden anbelangt nicht gerade überwältigend." Er könne nicht zugleich allmächtig und gerecht sein - denn wäre er es, hätte er Ausschwitz nicht zugelassen. Doch offensichtlich konnte er es nicht verhindern.
Und was ist wenn es einen Gott gibt, der Ausschwitz verhindern wollte, aber nicht konnte?

Auch dazu hat Bauer eine einfache Antwort: „Ein armer Kerl, der Unterstützung braucht, der sich seine Stärke von uns holen muß - einen solchen Gott brauche ich nicht!“


Interessanter als die große Theodizee-Frage an sich finde ich die Tatsache, daß professionelle Priester, Ordensleute und klerikaler Hochadel nach 2000 Jahren Kopfzerbrechen immer noch keine Alibi-Antwort gefunden haben.

Daß die Frage immer wieder gestellt wird, ist schließlich nicht gerade überraschend.

Aber 65 Jahre nach Auschwitz kann keiner der Hunderttausenden Priester weltweit eine befriedigende Antwort auf das immer wiederkehrende
Warum lässt Gott so etwas zu?
geben.

Die naheliegenden Antworten, wie zum Beispiel „ich weiß es nicht!“, „Gott ist eben auch ein Sadist“ oder „offenbar gibt es Gott doch nicht.“ wollen keinem Kirchenfürsten über die Lippen kommen.

Aber statt zu schweigen, versuchen sie es gerne mit wolkigen Allgemeinplätzchen und Volksverdummung.

So ein Beispiel gab der Christ des Tages Nr XIV, der Hamburger Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke am 16. Januar 2010 angesichts der Haiti-Katastrophe im Hamburger Abendblatt ab.

Springer räumt einem Bischof doch immer gerne Platz ein.


Jaschke wörtlich:

"Gott - warum? Warum lässt du das zu?"
Bei aller Ratlosigkeit muss er doch auf ein anderes Bild hinweisen. Es zeigt den Menschen am Kreuz, erschöpft, am Ende.
Sein Ruf: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" ist der Schrei der Menschen, seit es Menschen gibt.
Der Schrei geht nicht ins Leere. Gott selber, unendlich und unbegreiflich, geht am Ende mit ihnen. ..
Gott lässt die Prozesse dieser Welt ihren Lauf nehmen, mit allen Katastrophen. Aber er mischt sich ein, nicht von außen, sondern von innen. So glaube ich, dass die Opfer von Haiti jetzt Gott schauen. Mit den Lebenden will ich kämpfen: um einen neuen Anfang, um Gerechtigkeit, um ein gesundes Haiti.

Das nenne ich DREIST!

Die Opfer sind nun also gewissermaßen missioniert?

Hat Gott also eine "GLÜCKLICHE SCHULD" auf sich geladen, wie es Papst JP-II euphemistisch formulierte angesichts Abermillionen indigenen amerikanischen Opfer der christlichen Conquistadores???

Sie „schauen Gott“ - muß ja unglaublich tröstlich sein für die Millionen, die auf grausamste Weise Angehörige verloren haben und dort hungernd und durstend im bestialischen Verwesungsgestank umher robben.

Dabei mischt sich Gott also „von innen“ ein?

Wie soll man das verstehen?

Hält er beim Plündern und Morden die Hand derjenigen, die sich mit Macheten ihr Recht nehmen?

Oh Bischof Jaschke - hätten Sie mal lieber geschwiegen!

2 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Dazu hab ich dann eine 'Lifeberichterstattung'
Selbst als fast paranoid Soziophob kann man mal Pech haben.

Be'un'guenstigt durch ein langes Wochenende(Montag M.L. King)waren wir mit dem Kleinen unterwegs und wurden unter anderem in 2 unglueckliche Haiti-Konversationen verstrickt.
Ich moechte wirklich nicht auf Naeheres eingehen, ausser auf die einschlaegige 'Voelkerkunde der Amerikaner, diesbezueglich dem new'orleanischen Haiti-Wissen=Voodoo/Zombies.
Leider drueckte meine typisch'lautstark amerikanische Frau das Niveau der Diskussion mit unentwegtem 'You're so fucked up' und ich versuchte mit gelegentlichen Einwuerfen wie 'dumbass Morons' die Situation zu entspannen.
Sozialisieren kann auch aufregend sein und Spass machen.

Diesbezueglich hab ich auch noch a special Treat: http://www.duckhome.de/tb/archives/7621-US-Christen-helfen-Haiti-mit-solarbetriebenen-Bibeln.html#extended

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Hi Jake!

Deine Frau gefällt mir!
Sie spricht die Wahrheit aus.

Gerade wollte ich schreiben: „…aber vielleicht ist sie nicht die geborene Diplomatin…“

Der Satz blieb mir aber fast in den Fingern stecken.
Wenn der oberste Diplomat von 82 Millionen Deutschen ausgerechnet „es ist Deutschland hier - das, was ich sage, zählt!“-Westerwaver ist, können die Ansprüche an einen durchschnittlichen Diplomaten offenbar nicht mehr hoch sein!

Ja, das mit den Audiobibeln ist auch ein schönes Ding.
Hat ja inzwischen viel Aufmerksamkeit erzeugt.

DIE AMIS Hahahahahahahahahahahahahahahahahaahhahahahahahahahahaahhahahaahahahahhaahahahahahahahahah

LG
Tammox