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Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Samstag, 8. Oktober 2011

Serviceorientierung.

Wat nich oans givt!
Soeben erschien der erste weltweite «Mord-Bericht» (2011 Global Study on Homicide) des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) mit tollen Erkenntnissen über das Sozialverhalten des Homo Sapiens.

Im Jahr 2010 sind weltweit 468.000 Menschen umgebracht worden.
Afrika (36 Prozent der Morde in Afrika) und Amerika (31 Prozent) sind absolute Spitze. Asien kann mithalten (27 Prozent), aber Europa und Australien mit ihren relativ hohen sozialen Standards sind weit abgeschlagen.
Fünf Prozent der Morde finden in Europa statt und ein Prozent wird in Ozeanien verübt.
Die Zahlen für Afrika und Amerika sind umso höher, wenn man den Anteil an der Weltbevölkerung berücksichtigt. 60 % aller Menschen leben in Asien; die Mordrate von 27% ist also weit unterdurchschnittlich, während Amerikas Rate von 31% angesichts eines Gesamtbevölkerungsanteils von 14% gewaltig ist.

Das Morden ist also sehr unterschiedlich ausgeprägt:

Some 80 countries (approximately 40 per cent of the total) show low homicide rates of less than 3 homicides per 100,000 population per year, a third of which show rates of under 1 homicide per 100,000. In contrast, 35 countries (approximately 17 per cent of the total) show high homicide rates of more than 20 homicides per 100,000 population, some going beyond 50 and others as high as 80 per 100,000 population.
(2011 Global Study on Homicide, p.22)

Betrachtet man Europa genauer, ist Deutschland eins der Schlusslichter.

Deutschland weist mit 0,8 Morden pro 100 000 Einwohner (insgesamt 690 Fälle) dagegen eine geringe Rate auf. In Frankreich liegt sie bei 1,4, in England bei 1,2. Russland ist mit einer Rate von 11,2 Europas Spitzenreiter.
(Abla 07.10.2011)

690 ist natürlich etwas lau - verglichen mit den 15.241 Morden allein in den USA.

So wie die Mordraten selbst sind auch die Methoden unterschiedlich. Amerika als Kontinent des Waffenwahns erledigt einen Großteil der Morde durch Schusswaffen, während Pistolen in Asien als feige und unmännlich gelten. Sie werden viel weniger zum Killen benutzt und so sinkt auch die Gesamtmordrate in Japan und Co.
In Ostasien werden gerade mal 5% der Morde mit Schusswaffen begangen.

Data based on criminal justice and public health sources provide different breakdowns of homicide mechanism committed in different regions. Using public health sources, it can be estimated that 74 per cent of homicides are committed by firearm in the Americas (based on 30 countries), as compared to 21 per cent in Europe (based on 32 countries). In contrast, sharp objects such as knives account for a greater proportion of violent deaths in European countries (36 per cent) than the Americas (16 per cent), while the use of any weapon accounts for 90 per cent of homicides in the Americas but for only 57 per cent of homicides in Europe.
(2011 Global Study on Homicide, p.41)

Ganz anders als es die GOPer-Fanatiker behaupten, sind Pistolen gefährlich.
Welch Überraschung.


Over the whole age range, a male in the Americas is around six times more likely to be killed by a firearm than a knife. In contrast, in 17 countries in Asia, firearm and sharp object homicides are much more equally distributed in the 15 to 34 age group: while a slightly higher proportion of violent deaths are caused by firearm in each group, a male in the countries examined in Asia is almost as likely to be killed by a knife as a firearm.

(2011 Global Study on Homicide, p.42)

Wie so oft dominieren Männer ganz stark das Geschehen.
Sie stellen mit vier von fünf Mordopfern (82%) die große Mehrheit und werden auch zu 69% von anderen Männern umgebracht.
Während die Gleichberechtigung in Europa schon fortgeschrittener ist - hier sind immerhin schon 27% der Getöteten Frauen - weist Amerika gerade mal einen Frauenanteil von zehn Prozent auf.
Männer sind nach wie vor mobiler und werden dementsprechend überall verteilt umgebracht.
Ganz anders die Frauen, die laut UNODC-Statistik eher ganz familiär erledigt werden.
Sie werden weit überwiegend in ihren eigenen vier Wänden umgebracht und können sich auch bei den Tätern auf die Familie verlassen; in weit über 50% der Fälle ist ihr Killer ein Verwandter.
80% der innerfamiliären Mordopfer sind Frauen. Home sweet home.

Deutschlands Mordrate ist so niedrig, weil Gang- und Drogendelikte selten sind.
Das hat aber zur Folge, daß der Prozentsatz der weiblichen Mordopfer, die eben eher von ihren Partnern umgebracht werden, weltweit der höchste ist. Nur die Schweiz kann da mithalten.

Countries with higher homicide rates are often affected by high levels of “street crime” related to drug trafficking, organized crime, street fights or other forms of violent crime. This is an environment traditionally dominated by young males who both commit the great bulk of the violence and make up the greatest share of its victims. At the other end of the spectrum there are countries with a very low homicide rate where the presence of gangs and organized crime groups only accounts for a small share of all homicides. The relative share (but not the absolute rate) of homicides related to domestic disputes and intimate partner/ family-related violence is therefore higher in those countries and the profile of the victim changes accordingly as women become more predominant among all homicide victims.
(2011 Global Study on Homicide, p.60)

Als Lebensmüder kann man sich also in Deutschland wenig Hoffnung machen aus seinem Elend erlöst zu werden.
Der Servicegedanke ist hier bekanntlich wenig ausgeprägt.
Also muß man alles selbst machen.

Die Zahl der Selbstmorde in Deutschland ist im vergangenen Jahr erstmals seit 2005 wieder gestiegen. Mehr als 10.000 Deutsche nahmen sich selbst das Leben. Die Zahl stieg von 2009 um 405 Fälle auf 10.021 Selbstmorde in 2010, so das Therapie-Zentrum für Suizidgefährdete am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. Damit seien in Deutschland deutlich mehr Menschen durch Suizid gestorben als durch Verkehrsunfälle (3648), Mord und Totschlag (2218), illegale Drogen (1237) und Aids (etwa 550) zusammen. Bei den Suizidmethoden dominierte den Angaben des UKE zufolge das Erhängen mit 4550 Fällen deutlich. Es folgen Medikamente (1442 Fälle), Stürze aus großer Höhe (850), Schusswaffen (772) und das „Sich-überfahren-Lassen“ (766). Die Zahl der Fälle von Selbsttötung durch giftige Gase stieg von 184 im Jahr 2007 auf 340 (2010).
[…] „Die über 10.000 Toten des Jahres 2010 bedeuten zugleich, dass weit über 100.000 Menschen einen Suizidversuch unternommen haben“, sagte Georg Fiedler vom Hamburger Therapie-Zentrum. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehe davon aus, dass im Durchschnitt mindestens sechs nahe Menschen von einem Suizid betroffen sind. Das bedeute für Deutschland, dass mehr als 60.000 Menschen im vergangenen Jahr einen nahe stehenden Menschen verloren haben. Die Zahlen bedeuteten zugleich, dass sich in Deutschland alle 53 Minuten ein Mensch das Leben nehme, so Fiedler. Alle fünf Minuten finde ein Suizidversuch statt. Alle neun Minuten wird ein Mensch in Deutschland ein „Hinterbliebener“.
(Abla 07.10.2011)

Prinzipiell finde ich es absolut gerechtfertigt sich umzubringen und niemand sollte das Recht haben über die Stichhaltigkeit der Gründe zu urteilen, wie es sich die selbstverliebte, TV-affine Margot Käßmann anmaßt.

Wenn jemand Selbstmord begeht, weil er einen schlechten Haarschnitt hat, oder traurig wegen der Erhöhung der Benzinpreise ist, so mag das der Majorität der Menschen als lächerliche Begründung erscheinen.
Aber ich behaupte, daß so eine Entscheidung so individuell ist, daß man gar nicht urteilen darf.
Wo sollte das sonst enden?
Könnten etwa kirchlich besetzte „Ethikkommissionen“ von außen feststellen, wann die Leiden eines Kranken so groß sind, daß er sich selbst erlösen darf, oder ob er noch einen Monat durchhalten soll, bis die Schmerzen ein gesetzlich definiertes Maß erreicht haben?

Dennoch gibt es unter den über 100.000 Deutschen, die jährlich einen Suizidversuch unternehmen, sicherlich auch welche, die aufgrund von Depressionen, die behandelbar wären, unglücklich sind.

Depressionen sind mit rund 15% Mortalität eine tödlichere Krankheit als manche Krebsart.

Depressiven kann man auch helfen.

Allerdings steht das politisch nicht auf der Agenda und daher gibt es in Deutschland eine drastische Unterversorgung mit Psychotherapieplätzen.

Ein psychisch kranker Mensch wartet durchschnittlich 12,5 Wochen auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. Diese Zeit kann je nachdem, wo er wohnt, noch deutlich länger sein: In Ostdeutschland sind es 16,1Wochen, im Ruhrgebiet sogar 17 Wochen. […] Während sich in Großstädten normalerweise knapp 40 Psychotherapeuten je 100000 Einwohner niederlassen dürfen, sind es zwischen Duisburg und Dortmund nur gut zehn, also etwa ein Viertel.
[…] Die Zahl der Psychotherapeuten reicht in ganz Deutschland nicht aus, weil die Häufigkeit psychischer Erkrankungen noch immer erheblich unterschätzt wird. […] Nur zehn Prozent der psychisch kranken Menschen in Deutschland erhalten - und das nach konservativen Schätzungen - eine im weitesten Sinne adäquat zu nennende Therapie. Für die Betroffenen stehen im deutschen Gesundheitssystem bei weitem nicht die notwendigen Therapieplätze und finanziellen Mittel zur Verfügung, die für ihre ausreichende Behandlung erforderlich sind. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die ambulante Psychotherapie betragen im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro. Die Kosten für Psychopharmaka liegen mit 2,5 Milliarden Euro fast doppelt so hoch. Selbst die Kosten für Krankengeld, das die Krankenkassen arbeitsunfähigen Arbeitnehmern aufgrund psychischer Erkrankungen zahlen, sind höher als jene für die Therapie und betragen zwei Milliarden Euro.
Dabei lohnt jeder Euro, der in die Psychotherapie investiert wird. […] Die derzeitige Versorgung hat also viele Lücken, die allesamt dazu führen, dass die Patienten länger und schwerer erkranken als notwendig - und damit natürlich auch erheblich mehr Geld kosten.
Wir brauchen deshalb zukünftig mehr psychotherapeutische Behandlungsplätze in Deutschland. Die Bundesregierung plant jedoch eine Verringerung. Durch das Versorgungsstrukturgesetz droht sich die Versorgung psychisch Kranker weiter zu verschlechtern. Schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes könnte es 2000 psychotherapeutische Praxen weniger geben. […] Die amtliche Bedarfsplanung ist eine doppelte Täuschung, sie hat weder mit Bedarf noch mit Planung etwas zu tun.
(Rainer Richter, Professor für Medizinische Psychologie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Süddeutsche Zeitung 06. Oktober 2011)

Ja, dann auch noch mal vielen Dank an Ex-Gesundheitsminister Rösler und seinen Nachfolger Bahr.

Die 10.000er-Selbstmordmarke knacken wir zukünftig wohl noch leichter.

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