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Dienstag, 11. März 2008

Wird schwer in Zukunft!

Das beste Erfolgsrezept in der bundesdeutschen Medienwelt ist offenbar immer noch ein Tabu zu brechen – am liebsten irgendwas mit besonders schmuddeligen Sex.
Prä-sexisch schaffte es noch der Schriftsteller Rainald Goetz 1983 durch einen Aufsehen erregenden Auftritt beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt: Vor laufenden Fernsehkameras ritzte er sich während einer Lesung mit einer Rasierklinge die Stirn auf, ließ das Blut über seine Hände und sein Manuskript laufen und beendete die Lesung schließlich blutüberströmt.
Beim gleichen Wettbewerb in Klagenfurt im Jahr 1991 gab es wieder einen einprägsamen Skandal – ich gebe zu, daß sich sowas ins Hirn brennt.
So erinnere ich mich noch wörtlich an einige Sätze, die der Hobby-Juror, damalige Spiegel-Kulturchef, hauptberufliche Widerling und professionelle schmutzige alte Mann Hellmuth Karasek zum Siegertext, „Babyficker“ von Urs Allemann absonderte:

Muß man einen solchen Text wie den von Urs Allemann, darf man einen Text mit dem Titel "Babyficker" preiskrönen? Ich war in Klagenfurt einer der Juroren, der von Anfang an für Allemanns Text gestimmt hat. Ich gestehe, ich hätte dem Text sogar den ersten Preis, den Bachmann-Preis, gewünscht.

Bedauerlicherweise gehörte ich damals zu den armen geschundenen Kreaturen, die den Wettbewerb auf 3Sat im TV verfolgten und Urs Allemanns (Puh – ganz schön deutsch der Name für einen Schweizer!) Auftritt mit erlebten.
Es handelte sich um eine endlose Aufreihung von adjektivfreien Kurzsätzen, die hauptsächlich aussagten, daß Allemann mit Babys kopuliere. Die Zeit fasste es neutral wie folgt zusammen:

Um ein Bett stehen wie eine Versuchsanordnung vier Waschkörbe voll Babys, alle zur freien Verfügung. Sie wachsen nicht, sie schreien nicht, sie lassen alles mit sich anstellen, was man sich vorstellen, was man formulieren kann. Also kann der Sprechende sie schließlich auch, drei Seiten lang, wachsen lassen, bis er in ihrem Fleisch erstickt. Oder sie ahern lassen, ohne zu wachsen, bis sie nach zweieinhalb Seiten zerfallen zu Staub. Oder es wachsen ihm, so stellt er sich vor, so formuliert er, aus allen Gliedern, Körperteilen Babys, so daß er sie wäre und sie wären er: „Bin aus Babys. Sind aus mir. Sollten wir zu uns sagen." So verwandelt sich launisch und ruck, zuck das Sadoparadies zum Masoidyll oder zum Ichkollektiv. Alles ist möglich, sprachlich. Drinnen und draußen, Subjekt und Objekt, Wörtlichkeit und Wirklichkeit verwischen sich. Alles eins. alles wüst und null und nichtig. Das hört sich, so übertrieben logisch und entschieden zusammengerafft, womöglich interessanter, folgerichtiger und auch komischer an, als es sich liest. Etwas Verbissenes und Beflissenes in der Durchführung hemmt und verkrampft die Radikalität und die Spielmöglichkeiten dieses Textes. Auch, weil Allemann, scheinbar konsequent, seinem Probe-Ich eine allzu zügig stilisierte Rumpfsprache anerfunden hat. Deren Sätze, oft subjekt- und prädikatlos, dürfen selten über vier, fünf Worte hinaus: „Mit geschlossenen Augen. Durchs übers Aug geklappte Lid seh ich hinaus. Den ganzen lichtlosen Tag lang. Kleines Mißverständnis vielleicht. Nicht blind. Nicht schwarz. Schwarzer Dämmer. Grauer lichtloser Dämmer. Kleines Mißverständnis vielleicht. Grauer lichtlos lichter Dämmer. Taglang. Nachtlang. Während des Schlafs. Versteh ich nicht. Während des Fickens. Des Fickens der Babys."

Hellmuth Karasek also war begeistert – er rechtfertigte sein Urteil in weiteren Aufsätzen des Spiegels; überhaupt noch ein Tabu gefunden zu haben, war in den Augen von Dirty Hellmuth schon preiswürdig:

Allemanns Text ist als Provokation gedacht, konsequent gedacht und ebenso geschrieben. Literatur muß die Grenze, an die sie mit ihren Phantasien und Erfahrungen stößt, immer wieder suchen, sie darf nicht da stehenbleiben, wo sie schon zu Hause ist. In einer Zeit, die so gut wie kein Tabu mehr kennt, in einer Zeit, in der unter dem tolerierenden Applaus des Hamburger Publikums in Turrinis "Tod und Teufel" am Schauspielhaus gezeigt wird, wie ein Mann dem andern vor Voyeuren einer Peep-Show einen "bläst" und dann das Ejakulat von sich spuckt, in dieser Zeit sucht Allemann das letzte Tabu.

Halleluhja!
Das war allerdings 1991 und offenbar war das Spiegel-Publikum noch nicht ganz so Tabu-resistent, wie der Kulturjuror; es hagelte Leserbriefe, die Karasek vermutlich weniger begeistert haben als beispielsweise seine Schilderung über Hellmut Bergers völligen Verlust der Peristaltik in einer hellbeigen Hose beim Galadiner. (Auch darüber schrieb Karasek mit sichtlichen Entzücken):

Die Kloake von Allemann beleidigt Ihr Magazin. Wie konnte solch eine schwachsinnige Darstellung von einem Geistesgestörten Ihr Haus verlassen?

In meinem ganzen Leben habe ich nichts Ekelhafteres, Widerlicheres gelesen als diesen Text von Urs Allemann. Dieser Mensch muß krank sein.

Der Hamburger BERND VOGEL brachte es mit den gegebenen Waffen auf den Punkt:

Ich ficke Karaseks. Ich ficke Allemanns. Es wimmelt von Karaseks und Allemanns. Alle da. Seit jeher. Für immer. Karaseks. Allemanns. Wie ich. Fisch mir einen. Fick ihn. Mal erwisch ich ein Karasek, mal ein Allemännchen. O es kommt nicht drauf an. Die Karaseks schlafen. Die Allemanns auch. Auch tagsüber. Wenn ich sie ficke. Obszönitäten. Rohe Tabuverletzungen. Verbrechen der Phantasie. Ich ficke Karaseks zum "Spaß". Ich ficke Allemännchen zum "Spaß". Poloch. Fontanelle. Schleimig speichelnder Mund. Wo dring ich ein. Literaturmarkt. Literaturbetrieb. Publikum egal. Publikum scheißegal. Überflüssige Wortgebilde für Wettbewerb. Blöde Juroren treff ich immer. Fick sie. Sie prämieren''s. Blöd wie sie sind. Kritiker sprechen''s heilig. "Bekennerhafte, durch keine Scheu gebremste ,Ich'' des Satzes, Tatbestand des abscheulichsten sexuellen Mißbrauchs, die Wehrlosigkeit der Opfer - all das macht diesen Kurz-Satz zum gewiß unverschämtesten Auftakt, den sich ein literarischer Text, gleichsam als grell mißtönende Fanfare, wählen kann. Ein Ich, das sich zu einem solchen Satz bekennt, muß ein Monstrum sein." O diese Karaseks. Fick sie, und sie sprechen dein Ejakulat heilig. Menschenverachtung. Geil. Gewalt. Geil. Publikum. Egal. Kohle. Geil. Ich könnt kotzen. Sie stinken, die Karaseks. Sie stinken, die Allemännchen. Ja, durch den Gestank könnt ich genötigt werden zu kotzen. O es würde gar nichts nützen, das Fenster aufzureißen. Wie oft reiß ich das Fenster auf. Ohne jeden Erfolg. Die Frischluft weigert sich in meine Mansarde hineinzuströmen. Die Altluft weigert sich aus meiner Mansarde herauszuströmen. Altkammerfürze aus vollstem Sommerloch gestrunzt. Schweinegeld verdient. Thema egal. Hauptsache ficken.

Nach diesem Tabu-Reset konnte mich erst mal nicht so viel zum Thema Sex richtig aufregen, wo bei ich gestehe, daß ich schon außerordentlich mit den Augen rollte, als im Januar 2001 die hohlbirnige und atom-tittige Angetraute des Depps von Mallorca (Jürgen Drews), schwangererweise coram publico und vor RTL-Kameras blank zog und aus ihren Drüsen mit Muttermilch durchs Studio ejakulierte.
(JA – das gibt es auch auf Youtube – aber ich stelle den Link nicht hier rein!)
Die armen Spanier.
Müßte Deutschland nicht eigentlich eine Art kulturelle Entschädigung an die spanische Regierung zahlen, dafür, daß wir unseren totalen menschlichen Abschaum, das vakuumköpfige Kroppzeug auf der iberischen Insel zwischenlagern?????

Die Gerade des Grauens – Goetz-Allemann-Drews – ließ sich aber tatsächlich noch extrapolieren, die neue Koordinate der Unterschreitung aller Ekelgrenzen setzte Grimmepreisträgerin Charlotte Roche mit ihrem Buch „Feuchtgebiete“.
Kuturnews beschreibt den Inhalt kurz und knackig:

Nach einer missglückten Arschrasur liegt die 18-jährige Helen mit einer Analfissur im Krankenhaus. Sie nutzt die Tage auf der Station, um einen Plan zu schmieden, der ihre geschiedenen Eltern wieder zusammenbringen soll. Vor allem aber experimentiert sie mit allen Körperöffnungen, lebt ihre ganz eigenen Vorstellungen von Sexualität und Hygiene und irritiert damit den Krankenpfleger Robin. Hämorrhoiden, Analverkehr, Toilettenexperimente, ausgefallenere Masturbationsvarianten: Atemlos und mit schmuckloser, sehr direkter Sprache hetzt Roche von Tabu zu Tabu. Manchmal müssen Neologismen her, wenn dem Duden bei Roches Detailverliebtheit die Worte ausgehen. Für verkrustete Spermareste unterm Fingernagel etwa führt sie das Wort Sexandenkenkaubonbon ein.

Ist das nicht prima?
Der Leser erfährt Weisheiten wie zum Beispiel:
„Ich benutze mein Smegma wie andere ihre Parfümflakons. Mit dem Finger kurz in die Muschi getunkt und etwas Schleim hinters Ohrläppchen getupft und verrieben. Wirkt schon beim Begrüßungsküsschen Wunder.“

Nun ja, es soll ja ale möglichen bizarren sexuellen Pädophilien geben und es würde mich kaum wundern, wenn die grottig-morbiden Sex-Shops in den billigen Bahnhofsgegenden solche Texte unter dem Ladentisch hätten.
Die große Frage ist aber doch immer wieder, wie es möglich ist, daß die schmutzigen alten Männer in den seriösen Kultur-Redaktionen noch so eine Macht haben, daß sie „Feuchtgebiete“ breitesten Raum bieten und in epischer Ausuferung sabbernd und detailversessen das Buch besprechen.
Der Spiegel druckte gleich ein DREISEITIGES Interview mit Frau Roche, in dem man weiter erhellt wurde:
Roche: Eine Grundidee war: Hass auf Parfums, Hass auf Deos. Als Menschen sind wir ursprünglich darauf angelegt, im Geruch des anderen den potentiellen Sexualpartner zu suchen und zu erkennen. Indem wir uns künstlich parfümieren, nehmen wir uns eine Quelle der Lust. Ich möchte das Geschlechtsteil des Mannes durch seine Hose hindurch riechen. …….Ich bin für mehr Sex - mehr Schweinereien, keine Tabus. Ich glaube, dass es vom echten Sex, dem Sex, der riecht und schmeckt und schmutzige Geräusche macht, nie genug geben kann.

Und ES KLAPPT immer noch so schön.

Mein letztes Zitat zu dem Thema:

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