TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 12. August 2008

Rudimentärkonzept zur Rettung des Gesundheitssystems.

Unser Gesundheitssystem verschlingt Unsummen - nach der USA und der Schweiz haben wir die weltweit höchsten Kosten pro Kopf.
Auf jeden Einwohner entfielen 2004 für die Gesundheitsvorsorge rund 2730 Euro, wie das statistische Bundesamt mitteilte. Die Pro-Kopf-Kosten der Frauen von 3.110 Euro lagen über denen der Männer (2.320 Euro). Wie teuer wir sind, woher all das Geld kommt und wohin es fließt, ist kaum zu ergründen.
Eine einigermaßen seriöse Quelle ist das Statistische Bundesamt:
Im Jahr 2004 wurden in Deutschland insgesamt 234,0 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben, das heißt 0,2% mehr als im Jahr 2003 (2002/2003: + 2,5%). Das waren 10,6% des Bruttoinlandsprodukts. Seit dem Jahr 1995 sind die Gesundheits­ausgaben bis 2004 um 47,5 Milliarden Euro angestiegen (+ 25,5%).
Was soll das Pfennigfuchsertum - ob es nun ein paar Milliärdchen mehr oder weniger sind - offensichtlich haut Deutschland für Gesundheit so viel raus, wie kaum ein anderes Land - aber dennoch sind die Ergebnisse alles andere als zufriedenstellend.
Wie laufend Umfragen und Studien zeigen, gibt es eine eklatante Ungleichheit zwischen Kassen - und Privatpatienten.
Wer reich ist, wird besser behandelt, bekommt schneller Termine, genießt Komfort.
Möglicherweise muß das so sein, möglicherweise kann man das auch einfach nicht ändern - das ist eine andere Diskussion.
Allerdings ist es ärgerlich, daß jeder Gesundheitspolitiker das Gegenteil behauptet und mit Abscheu und Empörung von sich weist, daß es eine Zweiklassenmedizin gäbe.
Eine Spitzenposition nimmt die Bundesrepublik bei der Versorgung mit Ärzten, Langzeit- und Akutbetten ein, während die deutsche Versorgungsdichte mit Zahnärzten, Krankenschwestern und Apothekern nur im europäischen Durchschnitt liegt.
Einige Fragen stellen sich:
Was ist also los; wie kann es sein, daß die Patienten alle unzufrieden sind, Krankenhausärzte in Scharen aus Deutschland flüchten, weil überall in Europa die Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Mediziner viel besser ist?
Wie kann es sein, daß hierzulande 40.000 Patienten pro Jahr durch Ärztepfusch sterben?
Wie kann es sein, daß die Kliniken so verrottet sind, daß sich 400.000 bis 600.000 Patienten PRO JAHR mit den superresistenten Krankenhauskeimen MRSA (Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus)anstecken?
Wie kann es sein, daß bei all Milliarden im Gesundheitssystem nicht genügend übrig ist, um die OPs und Krankenzimmer wenigstens so sauber zu halten, daß nicht mehr 15.000 Patienten pro Jahr (!!) an nosokomialen Infektionen STERBEN müssen?
Würde es sich etwa nicht „lohnen“ in jedem Krankenhaus Hygieniker einzustellen, die dafür sorgen, daß nicht TÄGLICH weit über 1000 deutsche Patienten mit diesen Superstaphylokokken infiziert werden?
Wie kann es eigentlich sein, daß in Pflegeheimen gerade mal eine ungelernte Pflegekraft für 40 Bettlägerige da ist, so daß Dekubitus und Austrocknung üblich sind?
Wie kann es sein, daß bei Millionen Arbeitslosen keine Pflegekräfte einstellbar sind?
Wie kann es sein, daß die Kliniken in den letzten zehn Jahren ein SIEBTEL des Personals entlassen haben, bei steigender Patientenzahl und bei weiter explodierenden Kosten?
Fragen dieser Art ließen sich stundenlang weiter aufschreiben.
Kommen wir nun zum Antwortteil, der natürlich keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Zunächst einmal möchte ich dabei der Maxime widersprechen, daß unbedingt gespart werden muß, daß also „das System“ unbedingt billiger werden sollte.
Man kann das Gesundheitssystem ja nicht nur als Kostenfaktor, sondern auch als Jobmaschine und ökonomischen Motor betrachten.
Hier sind enorme Fortschritte und Entwicklungen zu erwarten, die international vermarktet werden könnten. Wieso sollte Deutschland da nicht eine Chance sehen und beispielsweise in der Diagnostik forschen und entwickeln?
Wieso sollte man Gesundheit nicht als Dienstleistung vermarkten?
Lasst doch ruhig all die Reichen der Welt herkommen und ihre Geld in unser System pumpen, indem sie sich hier auf Spitzeniveau heilen, pflegen und behandeln lassen.
Von dem medizinischen Fortschritt und dem zusätzlichen Geld in der Kasse, könnten doch alle profitieren.
Ich bin also keinesfalls gegen einen großen finanziellen Aufwand. Nur: WO landet all das Geld und wie wird es verteilt? Da hapert es doch offensichtlich enorm.

Die Kardinalfehler des Systems sind:

1.) Bei der Vergütung liegt ein enormes Übergewicht auf der Technik. Je aufwendiger die Apparatediagnostik, desto lohnender. Auf der anderen Seite wird die Arbeitszeit extrem gering geschätzt. Das betrifft sowohl die Zeit, die sich ein Arzt mit dem Patienten beschäftigt, als auch generell die Zeit, die die Pflegekräfte aufwenden. Sie sind hoffnungslos unterbezahlt und überbelastet. Dabei ist die ausführliche Beschäftigung von Ärzten und Pflegern absolut wesentlich für den Heilungserfolg. Je höher der ärztliche Zeitaufwand, desto schlechter seine Bezahlung: Ärztliche Hausbesuche werden nach der Gebührenordnung mit 320 Punkten (einfacher Satz: 18,65 €) vergütet; nach dem für Kassenpatienten gültigen Bewertungsmaßstab mit 400 Punkten (bei derzeitigem Punktwert ca. 8 €). Man nenne mir einen Handwerker, der für 18 Euro ins Haus käme! Reich werden hingegen Radiologen und Chefärzte.

2.) Bürokratie. Bürokratie, Bürokratie. Das Geld landet in der Verwaltung. Statt daß wie anderswo in der Welt die Mediziner direkt mit den Krankenkassen abrechnen, haben wir den zwecklosen Bürokratiemultiplikator KV (Kassenärztliche Vereinigung) dazwischengeschaltet. Davon gibt es 17 Stück + Bundesverband + die entsprechende Anzahl KassenZAHNärztlichen Vereinigungen (KZV). Die Ärzte sind Zwangsmitglieder in diesen Verwaltungsmonstern. Mit einem Jahreseinkommen von 260 000 Euro ist der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, einer der Spitzenverdiener unter den Gesundheitsfunktionären. Zu seinem Gehalt kommt noch eine Altersversorgung nach Regeln des Beamtenrechts. Die übrigen 17 KV-Chefs verdienen zwischen 240 000 und 162 000 Euro jährlich. Das ist für jeden einzelnen mehr als beispielsweise die Gesundheitsministerin verdient (brutto in etwa 170.000 Euro jährlich)

Verblüffend ist nun, wie die Politik reagiert, obwohl doch alle Missstände myriadenfach diskutiert und angeprangert wurden.
Trotz Großer Koalition und breiten Mehrheiten in beiden Parlamentskammern, haben sich die Lobbyisten so massiv durchgesetzt wie eh und je - die Gesetzentwürfe stammen teilweise direkt von den Vertretern der Gesundheitslobby, die sogar in den Ministerien arbeiten und deren Papiere sogar mit denselben Rechtschreibfehlern und Schriftarten im Bundestag landen.
So diktierte die Tabakindustrie den Text für das Nichtrauchergesetz und ganz selbstverständlich empfingen Merkel und Zöller noch am Morgen der Abstimmung über die Gesundheitsreform die Cheflobbyisten der Privatkrankenkassen in ihren Büros.
Die großen Profiteure des Systems - Pharmakonzerne, Verbände, Organisationen, Apotheken, etc bleiben allessamt von Einsparungen verschont - dafür steigen die Sätze der Beitragszahler.
Daß die Merkel/Schmidt’sche Gesundheitsreform ein totaler Murx ist, den man am freundlichsten noch als Verschlimmbesserung bezeichnen kann, ist schon so oft geschrieben worden, daß ich das an dieser Stelle nicht weiter ausführe.
Ein Aspekt, der in der letzten PANORAMA-Sendung erörtert wurde, möchte ich aber kurz erwähnen:
Je kränker, desto besser – Die absurde Logik der neuen Gesundheitsreform.
CDU und SPD haben offenbar erkannt, daß wir derzeit ein bißchen wenig Bürokratie haben und ersannen daher eine neue zusätzliche Megainstitution, die den bürokratischen Aufwand vervielfältigt.
Die Rede ist vom Gesundheitsfonds, aus dem die Kassen nur dann Geld bekommen, wenn ihre Versicherten möglichst krank sind.
Hat eine Kasse also beispielsweise unterdurchschnittliche viele Versicherte mit Bandscheibenvorfällen, wird der Geldhahn zugedreht und die Kasse sollte tunlichst in ihren Billionen Daten suchen, ob nicht doch noch ein paar Versicherte zu finden sind, die schon mal Rückenschmerzen hatten und die man als behandlungsbedürftig deklarieren könnte.
Dieses neue System heißt im Fachjargon „Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich“, kurz Morbi-RSA.
Der eingeführte Morbi-RSA zwingt uns also alle zum Wohle der Kassen und der Ärzte möglichst krank zu sein und um Gottes Willen nicht geheilt zu werden - da wird sich doch was machen lassen, oder?
Uwe Seybold von der Audi BKK: „Als Mensch finde ich das System pervers. Denn die Anreize sind völlig falsch gelegt.
Christoph Straub, Vorstand Techniker Krankenkasse, erklärt: „Nur ein kranker Versicherter ist im neuen System ein guter Versicherter.
Gesundheitsvorsorge und die Heilung der Kranken wird zukünftig bestraft:
Die Kassen, die versuchen ihre Versicherten gesund zu erhalten, werden durch die Zuweisung der Verwaltungskosten (70% nach Morbidität und zu 30 % auf Basis der Anzahl der Versicherten) um die finanziellen Mittel gebracht die notwendig wären , um diese Präventionsarbeit zu leisten.
SCHILDA HOCH DREI.
Na gut, es ist auch schildbürgermäßig das Gesundheitssystem in einem Blogposting aufzudröseln - aber trotzdem:
Jetzt kommt der konstruktive Teil dieses Postings - wie rettet man das deutsche Volk vor der Implosion des Gesundheitssystems?

1.) Alle KV-Vorstände und KZV-Vorstände werden entlassen und öffentlich gesteinigt

2.) Alle KVen werden niedergebrannt und vergessen.

3.) Merkel, Zöller, etc, die auf den Payrolls der Privatkassen stehen, werden verbannt.

4.) Lobbyismus wird generell verboten, Bundestagsabgeordnete, die für die Pharmaindustrie arbeiten, müssen für den Rest ihres Lebens ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin der dumme August“ tragen.

5.) Die Ausarbeitung von Gesetzen in der Gesundheitspolitik wird nicht mehr der Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, sondern das Ministerium wird selbst tätig.

6.) Das Chefarztsystem, nach dem nur der Boss zu Porsche und Rolex kommt, weil er allein die Rechnungen für die Privatpatienten schreibt - egal ob er auch behandelt, oder nicht, wird ausgehebelt.

7.) Pflegekräfte werden besser bezahlt und vermehrt eingestellt.

8.) Bisher nicht obligatorische Fachrichtungen wie Algesiologie, Palliativmedizin und Hygiene werden für das Medizinstudium obligatorisch.

9.) Die letzte Gesundheitsreform wird gestrichen, Filialverbot für Apotheken und Reimportverbot von Medikamenten wird aufgehoben - und wenn die FDP noch so verbissen an ihren plansozialistischen Modell festhält.

10.) Die Bezahlung der Ärzte wird danach ausgerichtet, wie hoch ihr Zeitaufwand ist.

4 Kommentare:

Po8 hat gesagt…

Ich bin der Meinung, man sollte noch radikaler umdenken. Das Ziel einer "Behandlung" ist die Wiederherstllung der Gesundheit. Daran gilt es das Salär auszurichten und nicht wer wie oft wie lange geröntgt wurde. Das bestehende System belohnt lange und intensive Behandlungen und bestraft patientenorientierte Mediziner.

Natürlich gibt es hier noch eine Menge Feinheiten zu klären (wer bestimmt, wann man gesund ist; wie geht man mit chronisch Kranken um etc.). Aber ich denke über derartige "Werksverträge" würde man mit marktwirtschaftlichen Mitteln dem ausufernden Technik-Pomp entgegenwirken können.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Das bestehende System belohnt lange und intensive Behandlungen und bestraft patientenorientierte Mediziner.


Stimmt! Und das wird mit dem „Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich“ noch stärker.
Ethische Fragen hatte ich in dem Posting absichtlich außen vor gelassen.
Wie weit will man es noch treiben mit der Ersatzteil und Hightech-Medizin?
Ist es sinnvoll einem 95-Jährigen mit Alzheimer und Krebs noch neue Lungenflügel zu transplantieren?
In so einem Fall wohl nicht - aber wo liegt die Grenze?
Sollte das jeweils Philipp Mißfelder von der JU entscheiden?
Wer kriegt noch eine neue Hüfte und für wen lohnt es sich nicht mehr?
Ab wann schaltet man ab, ab wann wird es zu teuer?
Das Alter (wie Mißfelder vorschlug) kann schon mal kein Maßstab sein. Der eine 70-Jährige mag schon präfinal und senil sein, der nächste hat womöglich aber noch 25 aktive Jahre vor sich.
Um solche Fragen drückt sich „die Politik“ ja ohnehin und lagert die Verantwortlichkeiten an die Ethik-Kommission aus.
Da sind dann die werten Herren Bischöfe wieder am Drücker.
KOTZ

Po8 hat gesagt…

Eine Ethikkommission in der ein Bischof sitzt, führt das Ganze ad absurdum ;-)

Klar, wenn es um die Gesundheit (in Bezug zu den Kosten) geht, kommt man um Diskussionen die Ethik betreffend nicht herum. Nur bewegen sich imho sämtliche gesundheitspolitischen Diskussionen auf konzentrischen Kreisbahnen um das Prinzip Kapitalismus ohne auch nur einmal die Frage zu stellen, ob eine marktwirtschaftliche Herangehensweise die richtige ist.

Z.B. könnte man auch darüber nachdenken, dass Pharmafirmen ihre "Patente" dem Staat gegen eine Aufwandserstattung abtreten müssen und er diese allen anderen Pharmaunternehmen zugänglich macht um insgesamt die Medikation zu verbilligen. (nur so aus dem Ärmel geschüttelt)

Die denkbaren Möglichkeiten sind vielfältig, nur leider werden sie noch nicht mal angedacht... und das schlimmste: wir bezahlen auch noch die Leute fürs Nichtdenken.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Um ausnahmsweise mal eine Lanze für „die Politiker“ zu brechen:

Im Gegensatz zu vielen anderen Politikfeldern, scheint es mit bei der Gesundheitspolitik so zu sein, daß den Damen und Herren Parlamentariern selbst dämmert, daß das alles großer Mumpitz ist, was sie da veranstalten.

Das ist kein Gewinnerthema - weil jeder mitredet und jeder Depp schon mal beim Arzt war und seine eigenen Ansprüche formuliert.

2002 stritt ich mich schon in ein paar Foren, als mir notorische Westerwelle-Anhänger ihr Leid klagten, daß „schon wieder diese Sozial-Ulla“ Gesundheitsministerin wurde.
Meine Gegenfrage - wer das denn sonst machen WOLLE, wurde nie beantwortet.

Das ist ein Posten, in dem man NUR Ärger bekommen kann und ich bin sicher, daß auch bei den Koalitionsverhandlungen 2005 die CDU sehr froh war, daß der Kelch an ihr vorbei ging.

Da wurden unangenehme Erinnerungen an Gerda Hasselfeldt wach, die 1992 nach nur einem Jahr als Gesundheitsministerin zurück treten mußte, weil sie der Materie einfach nicht gewachsen war und das alles nicht begriff.
LOL

Auch Andrea Fischers Abgang 2001 wegen BSE war irgendwie unrühmlich - immerhin konnte sie ja nun wirklich nichts dafür was in Jahrzehnten industrieller Viehzucht verbockt worden war. Die meisten BSE-Fälle gab es zudem ausgerechnet in Bayern.

Schließlich ist es ja auch ganz offensichtlich, daß sich das Merkel das Thema dringend vom Hals schaffen wollte und auf Deibel komm raus den Sack zumachen wollte - bloß keine Diskussionen mehr und bitte BLOSS NICHT irgendwelchen mächtigen Lobbys auf die Zehen treten.