TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Sonntag, 6. September 2009

Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei?

Diese Fragestellung zwang sich für mich in den letzten Jahren oft beim Räsonieren über die amerikanische Presselandschaft auf.

Unnötig die causa das dreitausendste mal aufzuwärmen - aber wie konnte es angehen, daß die gesamte amerikanische Presse nach dem 11. September 2001 ohne eine einzige Nachfrage die hochgradig abstrusen Lügenmärchen aus dem Weißen Haus von der Verbindung zum Irak nachplapperte?

Sind die Amis so doof und wählten den überführten Verbrecher und Lügner GWB 2004 erneut ins Amt, weil sie sich nach den spärlichen und verdrehten Informationen ihrer Presse richteten, oder mußte die Presse ihr Niveau auf das Maß herab schrauben, das der Leser noch verstand?

Sind die Konsumenten dumm, weil sie von der Presse verdummt wurden?
Oder ist die Presse so dumm, weil der Konsument das verlangt?

Wieso sind die Deutschen den Bush’schen Propaganda-Thesen mehrheitlich NICHT auf den Leim gegangen, obwohl die Irak-Politik des Weißen Hauses im Jahre 2002 massiv von den CDU-Vertretern Merkel, Schäuble, Pflüger & Co unterstützt wurde?

Neben anderen Gründen (z.B. wesentlich geringere bellizistische Begeisterung der Deutschen), spielte sicher eine Rolle, daß immerhin einige TV- und Print-Medien besser und kritischer als in den USA berichteten.

Ist DER Deutsche, dessen mit Abstand liebstes Blatt doch die BILD ist, weniger verblödet als DER Amerikaner?

Wie immer bei der Verwendung des Kollektivsingulars, kann man die These vom generell verblödeten Ami nicht aufrecht erhalten.

Da genügt schon ein Blick auf die elektronischen Presse-Schwestern, die Unterhaltung herstellen.

Deutsche Produktionen der Sparte „Unterhaltung“ sind sagenhaft seicht und sinnlos.
Dumm, dümmer, deutsch lautet die Deklination der TV-Produktion.

Läßt man Deutsche per TED abstimmen welcher Sänger zum Grand Prix geschickt wird, ist eins a priori klar:
Mit sicherer Geschmacksverirrung greifen sie ins Klo und fischen die übelsten Stümper à la Corinna May oder Michelle aus dem Angebot - auf daß der letzte Platz garantiert ist.
Amerika und England bringen hingegen pausenlos Musiker hervor, die sogar singen können - in Deutschland wäre das undenkbar.

Thema Drehbücher: Im Lande eines Goethes ist die Fähigkeit zu schreiben von den TV-Gewaltigen nachhaltig ausgerottet worden.
Während hierzulande fast ausschließlich tumbeste Daily-Soaps nach grottigsten Trash-Drehbüchern billig billig von grotesken Schauspiel-Azubis debakulierend in Szene gesetzt werden, übertreffen sich angelsächsische Programmmacher mit einem intelligenten Highlight nach dem nächsten.

Inzwischen sind amerikanische Serien wie Northern Exposure, The Sopranos, oder Six Feet Under so komplex und auf so hohem Niveau, daß sie das deutsche Fernsehpublikum gar nicht mehr versteht.
Die Sender haben das Publikum in die totale Verdummung gesendet.

Ein paar Sätze aus der Wochenend-SZ zum (TV-)Thema „Mittelmaß und Wahn“:

Glamourös ist das deutsche Öffentlich-Rechtliche schon lange nicht mehr.
Innovative, spannende, komische Formate kommen heute aus den USA oder aus Großbritannien. Auch dort gibt es mittelmäßiges Fernsehen. Aber in der Spitze sind nicht nur die vielen Krims, sondern auch brillante Gesellschaftsserien wie das britische Shameless oder die amerikanischen Mad Men, um nur zwei Beispiele von zig Dutzenden zu nennen, dem bräsigen deutschen Fernsehen um Lichtjahre voraus. Die Folge ist, dass sich gerade eine ganze deutsche Generation von ihrem Fernsehen verabschiedet: Man schaut halt nicht mehr Tatort, sondern bestellt bei Amazon die angloamerikanischen Serien auf DVD.

Uwe Steimle alias Jens Hinrichs (Polizeiruf 110) hat den Glauben verloren:

Das Buch zur Folge "Die armen Kinder von Schwerin" brachte ihn schließlich aus der Fassung. "Das können wir, verantwortungsvolle Filmleute, dem Zuschauer so nicht anbieten", schrieb er von Hand an die Produzentin, eine Vertraute Heinzes. "Null Humor, keine guten Dialoge, ein Mord geschieht, ohne dass er mich berührt. Dieses Buch ist unzumutbar."

Es hat sich offenbar unbemerkt eine Rochade ereignet.

Während die Amerikaner wenigstens auf einigen Gebieten allerhöchste Qualität abliefern, hat sich Deutschlands Medienzunft freiwillig in die untersten Verließe der Anspruchslosigkeit verzogen.

Das betrifft insbesondere leider auch den politischen Journalismus, der achselzuckend Merkels Nichtwahlkampf devot hinnimmt.

Mit einem Überangebot von servilen Stichwortgebern à la Christiansen und Will kann sich die politische Klasse der Politik entziehen und stattdessen wie Westerwelle seine Rekordzustimmungswerte mit täglichen Yellowpress-Huldigungen und Homestorys in der BUNTEn erarbeiten.

„Die Presse“ jagt lieber der Speisefolge einer Kanzleramtsparty oder dem Dienstwagen einer Ministerin hinterher, als sich um 12-stellige Milliardenweichenstellungen des Kabinetts zu kümmern.
Karl Doemens berichtete über die letzte Haushaltsausschusssitzung:

Zwei Dutzend Kamerateams und unzählige Fotografen drängen sich vor dem Sitzungssaal im Paul-Löbe-Abgeordnetenhaus. "Als im vergangenen Jahr der Bankenrettungsschirm mit 480 Milliarden Euro verhandelt wurde, standen hier fünf Journalisten", erinnert sich ein Teilnehmer kopfschüttelnd. Doch dieses Mal geht es im Haushaltsausschuss nicht um eine abstrakte Zahl mit ganz vielen Nullen, sondern um konkrete Begebenheiten aus dem Grenzbereich zwischen Öffentlichem und Privaten:
Eine Gesundheitsministerin, die findet, die Urlaubsfahrt mit der Dienstkarosse "steht mir zu".
Ein Wirtschaftsminister, der ganze Gesetze bei einer externen Kanzlei schreiben lässt.
Und eine Regierungschefin, die angeblich den Deutsche-Bank-Chef eine noble Geburtstagsfeier im Kanzleramt feiern lässt.

Aber auch bei DER Presse funktioniert der Kollektivsingular nicht.

Es gibt (vereinzelte) wirklich empfehlenswerte Autoren.
Man muß sie nur lesen.

Heute kann ich nur dringend dazu raten den aktuellen Artikel „Noch Fragen?“ der großartigen SZ-Journalistin Evelyn Roll zu lesen, der das Verhältnis von Politik und Presse beschreibt.

Ein Highlight daraus:

Und wie ist es möglich, dass eine Reporterin eines großen Privatsenders bei der SPD anruft, und Herbert Wehner sprechen will?
Der Soziologe und Historiker Reinhard Müller hatte da gerade seine große biographische Abrechnung mit Herbert Wehner auf den Markt gebracht.
Also war Wehner ein paar Tage heftig im Gespräch.

Und diese Reporterin ruft nun im Willy-Brandt-Haus an und fragt: "Können Sie mich bitte mit Herbert Wehner verbinden? Ich möchte ein Interview mit ihm machen."

Der Referent konnte vor Lachen kaum sprechen und sagte: "Ach, tut mir sehr leid, Herr Wehner ist gerade in einem wichtigen Gespräch mit Franz Josef Strauß, da kann ich jetzt nicht stören.
"Daraufhin fragt sie: "Okay, dann darf ich also später noch einmal anrufen?"

Klaus Bölling, der diese Anekdote erzählt, hat folgende Erklärung dafür: "Die politische Bildung eines nicht so kleinen Teiles des Berliner Hauptstadt-Pressecorps ist, verglichen mit der politischen Bildung des Bonner Pressecorps, sehr höflich ausgedrückt, bedauernswert gering. Vor allem bei diesen privaten Sendern. Die haben wirklich null Ahnung."

Private Sender also auf dem Weg das Niveau der amerikanischen Sender von 2001/2002/2003 zu unterbieten.

Gute Zeiten für die Konsenskanzlerin.

4 Kommentare:

Oberclown hat gesagt…

Vielleicht wird Fernsehen in Deutschland mittlerweile auch von unbezahlten Praktikanten gemacht. Das ist billig, aber so sehen dann die Resultate auch aus.

Zumindest meine Hypothese, die erklären würde, warum man im Journalismus das kritische hinterfragen verlernt hat und in der Unterhaltung immer nur die selben Drehbücher verwendet und nur die Namen austauscht.


Ab und zu kommt mir da der Gedanke "gebt mir eine Kamera das kann ja sogar ich langsam besser".


Ich könnte mich schon wieder aufregen. Es ist einfach zum verrückt bleiben alles.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Oberclown!

Ja, es ist einfach zu merkwürdig, daß nicht viel mehr Leute Amok laufen.

Beim Fernsehen würde ja vermutlich BOYKOTT einiges nützen - so fanatisch, wie die Programmmacher auf die Quoten gucken.

Aber, wenn man mal nachsieht, stellt man fest, daß insbesondere dieser unsägliche Vorabenddreck tatsächlich sein Publikum hat.
Verliebt in Berliner rote Rosen zu guten Zeiten unter uns gucken ja MILLIONEN!
Und nicht nur das: Die verblödeten Teenis rasen auch noch los und kaufen sofort alle Fan-Magazine, ausgekoppelten CDs und sonstigen Merchendizingdreck.
Und die so gepushten Daily-soap-Darsteller lassen sich dann auch noch das dritte mal vermarkten, indem man sie quer durch alle sendereigenen Comedy-, Quiz und talk-Formate jagt.
Das sind dann nämlich alles „Promis“.
Promis, die im Dschungelcamp und beim Promi-Dinner auftauchen.
Eigenartig nur, daß ich die „Promis“ immer gar nicht kenn, die im TV-Programm als Gäste aufgeführt sind.
Aber die Art Promis - Kader Loth, Tatjana Gsell, Sarah Connor und Co würden es sicherlich auch nicht eigenartig finden bei der SPD nach einem Herbert-Wehner-Interview zu fragen……

Anonym hat gesagt…

Hm, ein interessanter Artikel!

Über die Qualität des US-Fernsehens hingegen sollte man auch AUSDRÜCKLICH sagen, dass bei einer derartigen Masse an Produktionen ZWANGSLÄUFIG auch gute Serien/Filme dabei sein müssen! Und HBO steht als einsames Beispiel über (fast) allen - Bezahlfernsehen, ausdrücklich für Erwachsene.

GANZ anders schaut es aber bzgl. der Qualität der Nachrichtensendungen aus! Nach einem Urlaub in den USA meint man, von einem anderen Planeten zurückzukehren, so völlig entfernt von der Realität scheint man dort gewesen zu sein.

Während bei uns die Massenmedien (nachweisbar) im Auftrag ihrer Auftraggeber und Eigentümer in vielen Bereichen Lügen und Propaganda verbreiten, ist es immer noch weitgehend möglich, sich ausgewogen zu informieren. (Vielleicht nicht auf der ARD und dem ZDF und sicherlich nicht vor 22 Uhr. Die Privaten braucht man dbzgl. gar nicht erst ansprechen.)

In den USA hingegen sind 99% der Nachrichtensender/-sendungen Nabelbeschau, mieseste Propaganda und aller-schamloseste Volksverdummung. Und man wird fast nirgends eine Ausnahme finden!

Sehnsüchtig erwartet man einmal am Tag die Nachrichten der BBC USA, obwohl auch dieser Sender immer ordentlich Dreck am Stecken hat, seit dem Irakkrieg.

Zwischen einer miesen Propagandaschleuder wie Fox News und der (gelegentlich, nicht immer) rühmlichen Ausnahme MSNBC steht in den USA keine absteigende Bandbreite an journalistischer Qualität sondern nur... noch mehr Sender wie Fox News. Auch CNN ist keine Ausnahme!

Kein Wunder also, dass solche "unabhängigen" Sender wie Al Jazeera oder Russia Today den USA ein Dorn im Auge sind. Selbst die sind nach diesen Masstäben schon "zu" unabhängig.

Schlimm genug? Italien setzt dem ganzen die Krone auf! Dort herrscht quasi der Endzustand dieser Entwicklung - Dummenfernsehen auf allen Kanälen, Medien unter einer Kontrolle, Eigentümer oberster Politiker.

Selbst in den USA wird man nur schwerlich einen höheren Grad an Korruption und Propaganda vorfinden. (Auch wenn der französische Berlusconi sich eifrig bemüht.)

Unbedingt mal die Dokumentation VIDEOCRACY anschauen!

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Nordstern.
Danke für den Kommentar.

Natürlich habe ich etwas überzeichnet.
Die Privaten TV-Sender in Deutschland sind natürlich viel schlechter als die Öffentlich Rechtlichen.
Bei Tagesthemen und Heute-Journal beklage ich auch tagtäglich den Qualitätsverfall. Insbesondere die TT, die mal ein echtes Highlight waren, sind zu einem Boulevard-mix verkommen, die ausführlich über Boris Beckers Ehen und Michael Jacksons Trauerfeier berichten.

Darüber darf man aber nicht vergessen, daß insbesondere das Auslandskorrespondentennetz wirklich vorbildlich ist. Ich höre immer, daß kein anderes Land der Welt das so macht (Stimmt das eigentlich?)
Daher verfügen ARD und ZDF oft über viel bessere und detaillierte Informationen als viele andere.
Verglichen damit sind die amerikanischen Nachrichtensender nur grotesker Bullshit. Sie analysieren zwar manchmal einige innenpolitische Themen einigermaßen gründlich und können auch sehr schnell über weltbewegende Themen wie Scheidungen in Königshäusern und Erdrutsche berichten - aber die außenpolitischen Dinge sind immer unter aller Sau.
Ich habe allerdings auch manchmal Mitleid, wenn man amerikanische Journalisten in Deutschland hört. Sie haben für einen Bericht aus Deutschland nur 30 Sekunden und müssen davon ausgehen, daß der Durchschnittszuschauer gar keine Hintergrundinformationen hat.
Die wissen ja NICHTS über den Rest der Welt. Da hat es dann wenig Zweck von Details wie „SPD“ oder „FDP“ anzufangen, wenn für die meisten unklar ist wo dieses Deutschland überhaupt ist und wer zum Teufel diese Merkel sein könnte.

Soweit ich weiß, kann man aber BBC durchaus kostengünstig über Kabel bekommen. Zufällig kenne ich jemanden in Ohio, der immer BBC-world guckt.
WER möchte, KÖNNTE sich auch besser informieren. Allein, das interessiert eben die meisten nicht. Die gucken lieber FOX.

So wie hier aber auch: Man KÖNNTE sich ja auch Zapp, Monitor und Panorama ansehen und sich auf arte, Phoenix und 3Sat Hintergrundinfos und Dokus angucken.
Aber die haben homöopathische Einschaltquoten im Vergleich zu „Ich bin ein Star - holt mich hier raus“ und „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“.
Die Tagesthemen gucken gerade mal etwas über eine Million Leute. (von 83 Millionen!)
BILD hat eine tägliche Reichweite von 15 Millionen und die auflagenstärkste seriöse Tageszeitung (die SZ) verkauft in der Woche 400.000 Exemplare.
FAZ: 320.000
FR: 150.000
Taz: 50.000

LG
Tammox