TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Dienstag, 29. März 2011

Saulus/Paulus

Matthias Filbinger, 54, lebt in Vaihingen bei Stuttgart und kommt aus dem konservativsten Elternhaus, das man sich vorstellen kann.
Er ist der einzige Sohn von Hans Filbinger, des früheren ultrakonservativen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und noch früheren Nazi-Marinerichters, der noch nach Kriegsende desertierende Matrosen töten ließ.
Der selbständige Unternehmensberater Matthias Filbinger engagierte sich als junger Mann für Atomkraft, saß bis vor kurzem für die CDU im Kreisrat seiner Stadt und sogar seine beiden Söhne sind schon in der CDU aktiv. Der eine, 24 Jahre, studiert in Freiburg Jura, der andere, 21, studiert Sport in Köln.
Matthias F. aber begann im Jahr 2010 das große Grübeln; und das kam so:

Der Hauptbahnhof von Stuttgart soll unter die Erde verbannt werden, das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass der Fernbusbahnhof der Untertunnelung im Weg steht. So studierten die Politiker der Landeshauptstadt Landkarten und Stadtpläne, 16 mögliche Standorte rückten in die engere Auswahl, bis das zwölf Kilometer entfernte Vaihingen den Zuschlag bekam, wo Stuttgart ausfranst und der Wald beginnt. 150 Reisebusse jeden Tag sollten sich fortan durch die Vorortidylle wälzen und geschätzte 6000 Autos, die die Reisenden zu den Bussen bringen.
(SZ, 28.03.2011)

Matthias Filbinger von der CDU- Vaihingen meldete Bedenken an, die aber von der Landes-Partei derart rigoros abgebürstet wurden, daß er sich vor ein Tribunal gestellt wähnte.
Die Partei verlangte ultimativ Gehorsam; Diskussionen unerwünscht.
Das Ende vom Lied war Filbingers Austritt aus der CDU und sein Eintritt bei den Grünen, für die er jetzt Kommunalpolitik in Vaihingen macht.
Am Wahlsonntag befand sich Matthias Filbinger auf der zentralen Wahlparty der Grünen im Stuttgarter Kunstverein und bejubelte die erzielten 24%.


In Bayern absolvierte Alexander Kolb ein Bilderbuchleben eines Konservativen:

Geboren am 08. September 1975 in Wertingen
- aufgewachsen im Ortsteil Langenreichen
- Besuch des Kindergartens und der Grundschule in Meitingen
- Schüler am Gymnasium Wertingen; Abitur 1996
- Studium der Wirtschaftspädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München
- Studienrat an den Beruflichen Schulen in Neusäß
- Kreisvorsitzender der Jungen Union im Augsburger Land
- Stellv. Bezirksvorsitzender der Jungen Union Schwaben
- Mitglied der CSU-Kreisvorstandschaft.

Aber auch Kolb begann 2010 das große Grübeln.
Kann das richtig sein, gegen den Willen der Bevölkerung das Mammut-Projekt Stuttgart 21 durchzuziehen und wider aller Vernunft die Atomlaufzeiten zu verlängern?
Und wenn ein Konservativer erst das Denken beginnt, kommt es so, wie es kommen muß:

Diesen März trat der Vorsitzende der Jungen Union im mächtigen Bezirksverband Schwaben aus der CSU aus. "Ich dachte mir: Jetzt setze ich schon mal ein Zeichen", sagt Kolb. Vor einer Woche wurde er Mitglied bei den Grünen. Dass in Bayern ein Politiker mit einem Spitzenamt in der Staatspartei CSU zur Opposition wechselt, ist ein Ereignis. Die beiden Grünen-Landesvorsitzenden verschickten nach Kolbs Wechsel gleich eine euphorische Pressemitteilung: "Sein Schritt ist ein Beleg dafür, dass grüne Positionen auch in der Mitte der Gesellschaft immer mehr Zuspruch finden", so die Landeschefs.
[…] Kolb konnte sich auch mit den CSU-Positionen zur Bildungspolitik und zur Integration nicht mehr anfreunden. Letzter Auslöser für den CSU-Austritt war die Atomkatastrophe in Japan.
[….] Der ehemalige Bezirkschef möchte bei den Grünen vorerst im Kreistag und als einfaches Mitglied arbeiten. Am Sonntag war Alexander Kolb zum ersten Mal bei einer Wahlparty der Grünen und feierte den Sieg bei der Wahl in Baden-Württemberg.
(taz 29.03.11)


Horst Strub, geboren am 09. April 1975 in Freiburg, Mitgliedsnummer 79879 der NPD, war drei Jahre, von 2000 - 2002, in der Neonazi-Partei.
Er war ein Jung-Nazi wie man ihn sich vorstellt, Anfang 20, Bomberjacke, knallenge Jeans, Springerstiefel.

Mir persönlich ist es unerklärlich, wie man auf die Idee kommen kann sich der NPD anzuschließen.

Ohne eine große Portion Dummheit und Gemeinheit geht das sicherlich nicht.

Die psychologische Erklärung für die Hinwendung zu den Neonazis liegt wohl in Männlichkeitsritualen und der Diffamierung von Minderheiten.
Attraktiv wirkt das auf eine bestimmte Gruppe junger Männern, die voller Minderwertigkeitskomplexe und Ängste vor dem anderen Geschlecht sind.
Möglicherweise kombiniert mit einer latenten Homosexualität und einem starken Neidgefühl.
Wer sich seiner eigenen Männlichkeit nicht sicher ist, kann das unter Neonazis überkompensieren, bei denen man sich übertrieben männlich gibt und maskuline Körpermerkmale geradezu grotesk überbetont, indem:

Breite Schultern imitiert werden (Bomberjacke),
weibliche Merkmale negiert werden (Glatze),
das eigene Gemächt zur Schau gestellt wird (hautenge Hosen),
eigene Homophilie durch extrem homophobes Getue überkompensiert wird und
schließlich die ganze Freizeit unter Männern verbracht wird.

Strub gab sich irgendwann einen Ruck und verstand, daß er etwas verdrängte, daß er sich nur eine künstliche Männlichkeit schaffte.

2007 ließ er sich den Penis abschneiden und lebt seitdem als Frau unter dem Namen Monika-Vanessa.
Auch politisch wandelte sich der Ex-Horst komplett und wurde in der LINKEn aktiv.
Arbeitsschwerpunkt Monika Strubs ist die Antidiskriminierungspolitik, für die sie sich als Parteivorstand in Freiburg und als Landtagskandidatin im Wahlkreis 49 Emmendingen einsetzt:

Das Thema Ausgrenzung und Gerechtigkeit spielte für mich schon immer, gerade aus eigener Erfahrung heraus, eine große Rolle und wird es auch in Zukunft tun. Aus diesem Grund arbeite ich in der Landesarbeitsgemeinschaft Queer (LAG Queer ) der Linkspartei mit, sowie als ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Haus Eliah Wärmestube in Emmendingen.
(strub.dielinke-in-den-landtag.de)

Ihre neue Partei kennt seine rechte Vergangenheit.

Der Landessprecher der Linken, Hanno Harnisch, bestätigte der Badischen Zeitung, dass Strub eine braune Vergangenheit bei der NPD habe. "Wir haben das immer gewusst", sagt Harnisch.
[….] "Wenn jemand radikal mit seiner Vergangenheit bricht und von der NPD weggeht, dann sollten wir alle uns darüber freuen", erklärte Harnisch. Zumal Strub sich nie verstellt oder versteckt habe. "Es gibt leider viel zu wenige Aussteiger aus der rechten Szene."
(Badische Zeitung)

So übel ich generell die Mitglieder der NPD finde, desto mehr erkenne ich an, wenn sich jemand komplett von der Ideologie befreit und aktiv den Rechtsextremismus bekämpft.
Da bisher die Aussteiger-Programme aus der rechten Szene nicht sehr erfolgreich und zudem seit dem Amtsantritt von Schwarz/Gelb in Berlin chronisch unterfinanziert sind, finde ich den Strub-Weg sehr vielversprechend.

Es wäre also anzuregen die NPD-Mitglieder alle einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen; möglicherweise werden einige zu wertvollen Mitgliedern dieser Gesellschaft
- nachdem man ihnen Penis und Hoden abgeschnitten hat!

6 Kommentare:

Homer Simpson hat gesagt…

Auweh! Konservative werden Grün und ein Nazi wird zur Schnippelschnitte. Dann ist wirklich alles möglich.

Habe ich nicht heute irgendwo gehört, dass die FDP fordert, dass die Altmeiler nun für immer vom Netz sollen? Notfalls auch gegen den erbitterten Widerstand der Grünen?

Und hat die CDU laut Merkel nicht auch vor, nun doch so rasch wie möglich aus der Atomkraft auszusteigen?

Du hattest also Recht, TAMMOX. Nur der Wähler allein, kann mit seiner Stimme einen Wandel herbeiführen. Es müssen halt nur sehr viele sein, die ihre Meinung mit ihrer Stimme ausdrücken. Und ich dachte schon, es sei zu spät und sogar unmöglich. Da muss erst halb Japan überspült und verseucht werden... Schon verrückt, dass nur so den Menschen in Deutschland ihren längst beschlossenen Atomausstieg, doch noch wahr werden lässt.

Die Parteien werden zukünftig alles tun, um den Wahlkampf noch weiter von echten Inhalten fern zu halten. Wenn der Wähler dann zur Urne stapft, kann er gar nicht für oder gegen etwas stimmen.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Hi Homer!

Diese Posting meinte ich natürlich in erster Linie augenzwinkernd. Verallgemeinbar ist das natürlich nicht.
Aber dennoch ist es ja doch erstaunlich, daß in so einem konservativen Land wie BW so viele GRÜN wählen.
Gestern sah ich ein paar Reportagen darüber. Da zeigte man auch Bauern, die gemeinhin als die treusten CDU’ler überhaupt gelten, die plötzlich grün gewählt hatten.


Schon lustig!

Und wie sich die FDP zerlegt, verfolge ich natürlich auch mit großem Interesse. Die jungen Schnösel Bahr, Rösler, Lindner und Co haben sich ja bisher immer feige zurück gehalten, weil sie so tierische Angst davor hatten, daß eine Programmdiskussion der Partei in Umfragen schadet- (Ein echter Unterschied zur SPD - deren Mitglieder machen gerne Diskussionen, die den Umfragen schaden!)

Aber nun ist die FDP ja ohnehin am Boden - worauf sollen die jetzt noch Rücksicht nehmen?

Allerdings halte ich die jungschen FDP’ler für sehr eierlos - ich kann mir nicht vorstellen, daß die sich trauen Guido gegen seinen Willen abzuschießen.

LGT

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Nachtrag:

Lies mal:

http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/fdp-wende-in-der-atompolitik-nichts-wie-raus-1.1079061


http://www.sueddeutsche.de/politik/baustopp-bei-stuttgart-kein-kuss-fuer-kretschmann-1.1079062


LGT

Homer Simpson hat gesagt…

Ja, ich weiß. Das ist alles leichte Kost. Ich bin ja auch schon in launische Ironie verfallen. Was soll man auch zu den ganzen Wandeln sagen? Morgen weiß ich selbst nicht mehr, ob ich gegen AKW war oder Gelbseuchenwähler bin...

Die FDP ist die Käuflichkeit in Person. Aber eines haben die erkannt. Man muss Gewinner sein. Und es hat wenig Sinn, stur auf der Verliererseite stehen zu bleiben. Wenn dann die geliebten Altmeiler abgeschaltet bleiben, kann man das als eigenen Erfolg feiern! So einfach tickt Gelb ;).

Und die Bahn macht gleich mal das, was unter wütendem Protest vor vielen Monaten unmöglich war. Baustopp am Stuttgarter Bahnhof. Wer hätte das gedacht! Morgen ist sicher auch die FDP dafür gewesen.

Oberclown hat gesagt…

Das ist schon interessant, wie konservativ die Grünen mittlerweile geworden sind. Früher waren die mal eine relativ linke Partei, aber mittlerweile sind nicht nur Parteiwechsel zwischen CDU und Grünen möglich, ohne dass es als großer inhaltlicher Schwenk gesehen wird, sondern scheinbar werden die Grünen auch beim Wähler als die konservative Alternative zur CDU betrachtet. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo der Gedanke absurd gewesen wäre, ähnlich absurd, wie der einer Schwarz grünen Koalition. Ich glaube ich werde langsam alt, oder sie Zeiten immer seltsamer, oder beides.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Homer: Ja, wenn die Liberalen anfangen um ihre politische Existenz zu fürchten, indem sie aus den Parlamenten rausfliegen, werden sie erstaunlich flexibel.
Zur Not würden sie auch verlangen Planwirtschaft und Stasi wieder einzuführen, wenn ihnen das die weitere Regierungsbeteiligung garantieren würde.

@Oberclown: ich fühle mich irgendwie so alt. Ich erinnere mich auch noch an Zeiten, als man nur für die Absicht grün zu wählen ausgelacht wurde. Als es noch als kurzer Unfall der Geschichte galt, daß mal ein paar Grüne im Parlament auftauchten. Und auch ein Holger Börner in Hessen traute sich zunächst gar nicht eine rotgrüne Koalition zu machen, sondern regierte lieber als Minderheit. Und als dann tatsächlich Joschka erster grüner Landesminister wurde, sahen Springer und Co den Untergang Deutschlands gekommen. Daß die SPD mit solchen „Extremisten“ gemeinsame Sache macht, hat die Hepatisgelben und Braunschwarzen mindestens genauso aufgeregt, als wenn jetzt die SPD mit den Linken fusionieren würde. Und jetzt kleben Saargrüne an FDP und CDU in einer Regierung, weil sie das lieber machen als Rot/Grün. Und die schwarzen Wähler laufen gleich in Scharen zu den Ökos über.
Wenn sich das immer so weiter entwickelt, haben wir in 20 Jahren vermutlich auch die erste CDU-Linke-Landesregierung.


LGT