TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Freitag, 9. April 2010

Somnambulia und Hypnolepsia

Frau Merkel und Frau Schavan, die zwei schläfrigen Schwestern, haben zu den sexuellen Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche gesagt was gesagt werden mußte:

Die katholische Kirche kläre vorbildlich auf.

Der Vorsitzende des Roland Koch-Fanclubs, Jörg-Uwe Hahn (im Nebenberuf stellvertretender Ministerpräsident von Hessen) hat unterdessen herausgefunden, wer WIRKLICH Schuld an den sexuellen Übergriffen auf Kinder ist: Rot-Grün!

Und ich dachte schon es hätte was mit der verklemmten katholischen Sexualmoral zu tun! Nein, SPD und Grüne haben die Priester dazu gezwungen sich an Kindern zu vergehen!

Der "Tagesspiegel" hatte Hahn am Donnerstag mit der Äußerung zitiert, Sozialdemokraten und Grüne hätten in den 80er und 90er Jahren in der Gesellschaft "ein Klima geschaffen, das erst den Boden für solche Vorkommnisse bereitet hat". (HR)

Nun müssen Hahn, Schavan und Co es nur noch schaffen ihre bahnbrechenden Einsichten dem Volk zu verkaufen.
Der demoskopische Deutsche hat verblüffenderweise eine andere Sicht der Dinge.

Er verpasst der RKK bei der Frage „Welche Institution genießt Ihr Ansehen?“ die rote Laterne:

Die katholische Kirche genießt in Deutschland noch weniger Vertrauen als Großbanken und Parteien. Und dem katholischen Oberhirten Robert Zollitsch wird weniger Wertorientierung zugetraut als Deutschbanker Josef Ackermann. (mm)

Ähnlich sieht es beim Personal aus:

Bei die Frage, welche Personen ihr Handeln besonders stark an jenen Werten ausrichteten, die den Befragten besonders wichtig sind (am häufigsten genannt: "Ehrlichkeit, "Gerechtigkeit", "Verlässlichkeit"), landete Robert Zollitsch, der Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, auf dem letzten Platz. (mm)

Offenbar ist die Arbeit von Schlafmützia Schavan selbst bei einem Thema, das sie als ZK der Katholiken-Mitglied tatsächlich interessiert schon katastrophal ineffektiv.

Wie viel schlimmer steht es da erst im Dinge, die ihr vollkommen egal sind und für die sie ihren Winterschaf niemals unterbräche?

Sprechen wir also mal von der Bildung in Deutschland.

OK; daß unser Schulsystem eins der Schlechtesten aller OECD-Staaten ist, wurde in Dutzenden Studien bewiesen.
Dementsprechend haben Deutsche Forscher international nichts mehr zu melden, wie unter anderem ein Blick auf die wegbrechenden Patentanmeldungszahlen aus Deutschland zeigt.

Dank der konservativen Schulpolitik in Deutschland, sind die Deutschen Schüler inzwischen aber sogar zu doof für Deutschland!
Selbst unsere miserablen Haupt- und Restschulen sind noch für rund 80.000 Schulabgänger zu schwierig.
So viele werden jedes Jahr ganz ohne Abschluß und damit praktisch ohne Chancen auf den Arbeitsmarkt geworfen.
Eine Zahl, die sich potenziert, denn je schlechter die soziale Stellung, desto früher und desto mehr vermehren sich die Betroffenen.
Den Teufelskreis zementiert darüber hinaus die Tatsache ein, daß sich nirgends auf der Welt Armut und Bildung so sehr vererbt wie in Deutschland.
Bildung hängt vom Portemonnaie der Eltern ab.

Ein Blick auf die Schüler, die immerhin einen Schulabschluß schaffen und sogar einen Ausbildungsplatz ergattern, ist nicht viel besser.

Mehr als die Hälfte von ihnen (54%) ist dennoch so miserabel gebildet, daß die Arbeitgeber ihnen erst einmal Nachhilfe erteilen müssen - lesen, schreiben, rechen, englisch.

Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) erteilen 54 Prozent aller Hamburger Firmen ihren Auszubildenden Nachhilfe auf eigene Kosten. Das entspricht dem bundesweiten Schnitt.
(Hamburger Abendblatt)

Ein großer Teil der Schulabgänger ist für das Berufsleben komplett unbrauchbar:

Diese Klage ist in deutschen Betrieben mittlerweile Konsens. Der DIHK-Umfrage zufolge bemängeln 74 Prozent die mangelnde Reife der Bewerber. "Schätzungsweise 50 000 Ausbildungsplätze sind 2009 bundesweit unbesetzt geblieben", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der Studie. In Hamburg würden sogar zwei Drittel der Befragten noch mehr Auszubildende einstellen - wenn es denn mehr geeignete Bewerber gäbe. (Abla)

Insbesondere das Handwerk kann seine Lehrstellen nicht besetzen.
Schreiner, Schlosser und Fliesenleger suchen händeringend nach Lehrlingen.
Zu Beginn des Ausbildungsjahres 2009 waren im Handwerk bundesweit über 10 000 Lehrstellen frei.

Schon 2008 war die Lage so düster, daß Handwerksbetriebe dringend verlangten die erheblich besser gebildeten und besser motivierten Lehrlinge aus Polen einstellen zu dürfen.
Die Bundesregierung lehnte eine dafür notwendige Lockerung der EU-Regeln kategorisch ab.

Der Leipziger Handwerkskammerpräsident Joachim Dirschka teilt diese Meinung ganz und gar nicht. Dem FOCUS sagte er: „Wir werden nie jeden deutschen Schulabgänger in einer Lehrstelle unterbringen können.“ Dirschka bekräftigte seine Forderung nach einer Lockerung der Arbeitskräfteregelung: „Man muss Europa auch leben.“
(Focus 2008)

Die gleiche Klage gibt es überall in Deutschland; seit Jahren - so meldete die Webseite „Ausbildungplus.de“ im Jahr 2008:

Vor allem im Osten Deutschlands gibt es nach Angaben der Industrie- und Handelskammern leere Stellen, alleine in Erfurt beispielsweise über 1.100. Diese Entwicklung hat allerdings auch im Westen schon eingesetzt und wird sich nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung bis 2011 deutlich beschleunigen, weil die Zahl der Absolventen von Haupt- und Realschulen in wenigen Jahren von jetzt 530.000 auf dann 450.000 absinken wird.

Es ist keinerlei Besserung in Aussicht.
Bildung in Deutschland ist chronisch unterfinanziert, 16 zuständige Landesregierungen fummeln unkoordiniert daran herum und die Bundesministerin ist schon im Jahr 2005 sanft entschlummert.

Daher lautet auch heute mal wieder eine Überschrift:

Unternehmen schlagen Alarm! Gute Lehrlinge verzweifelt gesucht (SZ)

2009 wurden gut 50.000 Stellen nicht besetzt.
Rund 20 % der Unternehmen mußten Ausbildungsplätze offen lassen.

Somnambulia und Hypnolepsia werden demnächst die Situation ebenfalls zur Kenntnis nehmen und betroffene Gesichter machen.
Untätigkeit garantiert. Wiedervorlage 2011, 2012, 2013,…

Die Bundesregierung zeigt sich in ihrem Entwurf des Berufsbildungsberichtes ebenfalls besorgt über die mangelnde Ausbildungsreife. Nach wie vor gebe es zu viele Schulabgänger ohne Abschluss. Zugleich werde jeder fünfte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst, heißt es in dem Bericht, der Ende April vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll.

Aber da sich sowieso nichts ändern wird, können wir jetzt wenigstens alle gemeinsam den miesen Zustand bejammern:

Unpünktlich, disziplinlos, dumm:
74 Prozent der Betriebe in Deutschland beklagen die mangelnde Ausbildungsreife ihrer Azubis. Schuld sind die Schulen - und das Elternhaus.
(SZ)

Sibylle Haas weiter:

Die Jugend kann nicht lesen, schreiben und rechnen. Viele Betriebe müssen mit Nachhilfe ausgleichen, was in den Schulen versäumt wird. Das ist beschämend. Es ist ein verheerendes Ergebnis, das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in seiner jüngsten Umfrage zutage gefördert hat: Es bewerben sich nicht nur zu wenige junge Leute um eine Lehrstelle, sondern viele sind für eine Ausbildung auch noch nicht reif. Die Jugend kann nicht rechnen, lesen und schreiben, so lautet das - freilich zugespitzte - Fazit.

Es ist Deutschland hier!


PS:

Die miese Schulbildung ist schon lange ein Problem - auch am anderen Ende der Ausbildungsskala.
Das kann der Autor dieser Zeilen aus Erfahrungen an einer deutschen Uni in den 80ern bestätigen. Studium der Chemie - nicht gerade das klassische Ausweichfach für diejenigen, die keine bessere Idee haben.
Der längste Studiengang mit der höchsten Promotionsquote (noch vor Medizin) sollte nicht gerade die schwächsten Abiturienten anziehen. Tatsächlich war es aber so, daß die Chemieprofessoren im Grundstudium drei Semester Mathe-Unterricht gaben, für die Scheinpflicht bestand.
Ein undankbare Aufgabe - welcher Forscher hat schon Lust den Kinderchen erst mal Differenzialrechnung beizubringen?
Mathematik ist natürlich nicht das A und O der Chemie - aber Grundlagen sind doch unerlässlich. Mathematische Grundlagen, die schon in den 70er und 80er Jahren beim Abitur soweit verloren gingen, daß sie nachgeholt werden mußten.

Mein persönlicher Eindruck war damals übrigens vor allem der, daß das Mathematik-Niveau der Chemiestudenten extrem unterschiedlich war. Für einige stellten die Mathescheine fast unüberwindliche Hürden da, für andere waren das tatsächlich nur simple Grundlagen, die sie in der Schule zu beherrschen gelernt hatten.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Tammox,

als ich Mitte der 70er als einer aus dem letzten Abiturjahrgang (also noch nicht das Robert-Lembke-Abi der Art "Welches Schweinderl hätten's denn gern") an die Uni Köln kam, um Physik zu studieren, waren schon 25% der Naturwissenschaftsstudenten lt. Test der Matheprofs (für die, die mit mir Diplom gemacht haben Pillepalle) auf einem Niveau, das einem naturwissenschaftlichen Studium nicht hinreichte. (Heute sind 25% auf einem hinreichenden Niveau. Und wer jetzt meint, die Lage habe sich gebessert, sollte sich lieber nicht in Naturwissenschaften versuchen. ;-))

Ich kann also Deine Einschätzung, dass bereits Mitte der 70er ein Qualitätsschwund bei der schulischen Ausbildung existierte, für NRW bestätigen.

Wenn ich mir nun aber anschaue, was meine Kinder (in Hessen) in der Schule bis zur FHR gelernt haben, wird mir allerdings schlecht. Dagegen kommen mir meine Zeiten als "Blütezeit der Bildung" vor. Das Niveau ist heute tatsächlich "unterirdisch"!

Gruß
Omnibus56

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Omnibus56

Danke für den Kommentar! Das ist für mich insbesondere deshalb interessant, da es bei uns Chemikern immer hieß, daß wenigstens die Physiker noch rechnen können.
;)
Die „Mathe-Übungen“ fanden auch am Institut für Experimentalphysik statt.
Dabei war es ein running-gag, daß beim Vorrechnen von irgendwelchen längeren Gleichungen hieß „der Faktor ist UNGEFÄHR gleich 1; also streichen wir den mal, wie sind ja Chemiker. Physiker würden das jetzt mitschleppen“. Oder wenn ein addierter Term so klein wurde, daß er gegen Null ging, galt dasselbe - mit einem lockeren „als Chemiker sparen wir uns das“, konnten wir immer schön vereinfachen.

Mein Glück damals war, daß ich rein zufällig einen wirklich guten Mathelehrer in der Schule hatte. Das habe später erst so richtig gemerkt, als ich als Mathe-Nachhilfelehrer gejobbt habe. Da erschien es mir oft konfus was die Schüler tun mußten und grub daraufhin meine alten Mathe-Hefte aus der Schule aus. Die waren voller kluger Merksätze und einprägsamer Beispielrechnungen, die unser Lehrer damals immer in einem so ordentlichen Tafelbild aufschrieb, daß ich das noch Jahre später benutzen konnte. Da hatten meine Nachhilfeschüler oft „Aha-Erlebnisse“ und sagten mir dann, daß sie nie gedacht hätten, daß es so einfach wäre. Es hatte sich nur nie jemand die Mühe gemacht, einfache Grundregeln zu erklären.

An guten Lehrern hapert es. Mir scheint, daß der Beruf inzwischen einfach zu wenig Renommee hat.
Die begabteren Studenten wollen heutzutage nicht mehr Lehrer werden. Verständlicherweise.

Grundsätzlich: Ich begegne dem Thema „mieses Bildungssystem“ immer mit viel Zynismus und Häme.
Das ist natürlich die pure Hilflosigkeit, weil ich das Problem für EXTREM GRAVIEREND halte. Das ist so überhaupt nicht witzig!
Es ist eine Katastrophe, die wir gerade sehenden Auges anrichten, die Deutschlands Zukunft zerstören könnte.

LG
T