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Mittwoch, 14. April 2010

Außenpolitik und Menschenrechte

Im aktuellen SPIEGEL gibt es eine Dreiseitengeschichte über Guido, den Freizeitdiplomaten.

Der Tenor:
Die Deutschen mögen nicht wie kreischig er bei den Themen Sozialpolitik und Steuern auftritt. Darüber wird aber übersehen, daß seine Performance als Außenminister auch außerordentlich mies ist.
Er hat einfach keine Lust zu den komplizierten diplomatischen Fragen.
Akten lesen war noch nie sein Ding. Wenn Guido mit angeblichen „Fakten“ um sich wirft, wie bei der armen Kellnerin, die weniger als ein Hartzler verdiene, hat er sie der BILD-Zeitung entnommen und dementsprechend falsch ist die Chose auch.

Außenpolitik ist dummerweise noch erheblich komplizierter und erfordert enormes Hintergrundwissen.
Für einen wie Westerwelle, der sich noch nie mit solchen Fragen beschäftigt hat, ist dieses Amt also denkbar ungeeignet.
Als Großsprecher, der darüber hinaus auch noch stinkendfaul ist, kann man nur peinlich auffallen.

Dazu der Spiegel:

Das passte zu dem Westerwelle, den man als Oppositionsführer kannte, stets zu laut und oft an der Grenze zum Unseriösen. […] Er ist nicht nur der unbeliebteste Außenminister seit Jahrzehnten, er ist der unbeliebteste Spitzenpolitiker überhaupt. In einer Umfrage der vergangenen Woche landete er noch hinter Linken-Fraktionschef Gregor Gysi auf dem letzten Platz einer Beliebtheitsrangliste. Westerwelle erweckt bislang nicht den Eindruck, dass er sich seinem Amt voll und ganz verschrieben habe. Bisweilen scheint es, als verstehe er es mehr als Nebentätigkeit, als nette Ergänzung zum Parteivorsitz. Vielleicht sollte er endlich mal zeigen, dass er auch die Kunst der Diplomatie beherrscht, dass er auch still kann, nicht nur schrill.

Auch off-camera ist unser Guido einfach nur eine Fehlbesetzung.
Zum Beispiel während der Afrikareise im April 2010:

Westerwelle steht in einem Besprechungsraum des Ocean Road Hospital von Daressalam und soll ein paar Worte zur Begrüßung sagen. In dem deutschen Kolonialbau hat Robert Koch vor rund hundert Jahren an Malaria geforscht. Es war für lange Zeit das einzige Krebskrankenhaus in Ostafrika.
Westerwelle könnte jetzt einiges zur interessanten Geschichte des Hospitals sagen, aber er legt ein fast aufreizendes Desinteresse an den Tag. Er habe über das Krankenhaus gelesen, sagt er und murmelt etwas von Respekt und harter Arbeit. Westerwelle weiß offenbar wenig über das Haus. Es ist heiß und schwül. Er will schnell weg. […]
Westerwelle liebt seinen Status, er schätzt es, von Staatschefs und Ministern empfangen zu werden. Leider hat man selten den Eindruck, er interessiere sich für das, was seine Aufgabe ist. […]
"Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennenlernen", hat Westerwelle auf dem Höhepunkt des innenpolitischen Streits um Hartz IV gesagt. Ein paar schöne Jahre, das ist Westerwelles Idee von Außenpolitik. Im Auswärtigen Amt kam das nicht gut an.
Die Beamten haben registriert, dass Westerwelle sich selten länger für ein Thema interessiert. Er will nur Dinge wissen, die ihm über das nächste Gespräch, die nächste Pressekonferenz hinweghelfen: Wo sind Streitpunkte, was ist die deutsche Position, die offensichtlichen Fragen eben. Im Amt heißt es, dass er auf dem Flug nach Peking im Januar zum zuständigen Referenten gesagt habe: "Sie haben sieben Minuten Zeit, mir China zu erklären."

China ist für den Mövenpickparteichef ein unwichtiges Land mit nur 1,3 Milliarden Menschen, einer gerade mal 6000 Jahren alten Geschichte.
Es ist ja auch nur eine Atommacht, eine UN-Sicherheitsrat-Vetomacht und der Exportweltmeister.
Guido weiß aber nur, daß da irgendwas mit den Menschrechten zu sagen ist.
Nicht, weil das irgendeinen Chinesen interessierte, was der groteske deutsche Vizekanzler dazu zu sagen hat, sondern weil das zuhause als Gradmesser dafür dient, ob man Eier hat.

Und weil er Westerwelle ist, weiß er nicht welcher Tonfall angebracht ist.
Er kann nur schrill und immer eine Umdrehung zu viel.
So wie in Ankara, als er bereits deutlich gesagt hatte, daß er im Gegensatz zu Merkel für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ist. Jeder hatte verstanden.
Er kann sich aber nicht zügeln und schob dann zunächst ein „Was ich hier sage, zählt!“ nach und als alle schon peinlich berührt waren, kam dann noch sein „Ich bin schließlich nicht als Tourist in kurzen Hosen hier!“
Es gibt einen richtigen Weg der Diplomatie und es gibt das diametrale Gegenteil davon - Westerwelles Methode.
So also auch in Peking.

Eier will Guido unbedingt haben - also haut er dem chinesischen Amtskollegen bei der Abschlußpressekonferenz das Thema Menschenrechte und Tibet gleich um die Ohren.

Aber Westerwelle schafft es selten, die Dinge im rechten Moment gut sein zu lassen. Also sprach er noch einmal Menschenrechte und Minderheitenschutz an, und damit es auch der Letzte begriff, noch ein drittes Mal. Die Kritik an der chinesischen Menschenrechtspraxis wirkte plötzlich wie ein Ritual. Man kann eine Botschaft auch durch Wiederholung schwächen.
(Spiegel)

Soweit Westerwelle.

Mein inhaltliche Anmerkung dazu:

Ja, ich finde die chinesischen Methoden mit sogenannten Dissidenten umzugehen auch grauenvoll. Es widert mich an, daß dort vielerorts offenbar das Wohl und die Würde des Einzelnen nichts gelten.
Es ist eine herzlose Gesellschaft, die kein soziales Netz kennt und kapitalistischer agiert, als alles was sich Marx in seinen schlimmsten Träumen ausdenken konnte.

Ein Bekannter, der lange in China lebte, erzählte mir jede Menge „Anekdoten“ aus dem dortigen Alltag, die vehement unserem europäischen Sozialgefühl widersprechen.
So fuhr er beispielsweise einmal in einem der notorisch überfüllten Busse und hatte einen Sitzplatz ergattert.
Als eine schwer bepackte Greisin zustieg die so entkräftet war, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnte, stand er selbstverständlich auf, um ihr Platz zu machen.
Bevor er sich versah, war aber ein junger Kerl auf den freien Sitz gesprungen.
Alten Menschen Platz zu machen, ist dort unbekannt.
Wenn Greise zu langsam humpeln und im Weg stehen, kriegen sie einen Tritt in den Arsch und gut is.
Auch wenn ich nicht für die Allgemeingültigkeit dieser Geschichte bürgen kann; das gefällt mir nicht.

Es gefällt aber den Ökonomen.
Ganz zweifellos ist das ein (kurzfristiger) wirtschaftlicher Vorteil, wenn ein Land auf keine Sozialgesetzgebung, auf keine Rechte Einzelner Rücksicht nehmen muß.
Natürlich geht es schneller voran, wenn man keine Genehmigungsverfahren, Ausschreibungen, ökologische Ausweichflächen und Umweltschutz-Standards erfüllen muß.
Steht einem Bauvorhaben ein kleines Haus in Privatbesitz im Wege, wird der Besitzer eben weggejagt.
Und zwar ohne umständliche Fristen oder anschließend Entschädigungen.
Da steht morgens mit roter Farbe an Tür Bitte ausziehen, ihr Haus wird morgen abgerissen und dann heißt es „Koffer packen - und zwar schnell.“

Als Deutsche rümpfen wir da die Nasen.

Vielleicht schwarzer Humor Gottes, daß mit Guido Westerwelle ausgerechnet derjenige die Menschenrechtslage in China kritisiert, der von den 80 Millionen Deutschen am meisten Sympathien für die Chinesischen Methoden hat!
Die Chinesische Binnenwirtschaft mit komplett rechtlosen Billigarbeitern, keinen Sozialleistungen, Turbokapitalismus und Korruption ist schließlich der feuchte Traum eines echten FDP’ler der Generation Lindner, C. und Lindner, M.

Ich bin aber in dieser Frage eins mit Helmut Schmidt und sage: Das geht uns nichts an!

Wer sind wir eigentlich?
Deutschland mit seiner Geschichte.
Zwei Weltkriege angezettelt, jeder mit zig Millionen Todesopfern.
Nun haben wir gerade mal 60 Jahre Frieden und die Demokratie mußte uns erst gegen unseren Willen aufgezwungen werden.

Von genuin Europäischen Werten wie Imperialismus, Inquisition, Kolonialismus, Sklaverei, Conquista, faschistischen Diktatoren, Umweltzerstörung und Ausbeutung der Dritten Welt will ich mal gar nicht erst anfangen.

Und wir bilden uns ein einem Milliardenvolk mit Jahrtausende alter Geschichte sagen zu müssen, daß sie bitte schön auch die Demokratie, so wie wir sie jetzt gerade augenblicklich verstehen, einzuführen haben?

Die Vehemenz mit der europäische Politiker bei anderen Nationen auf die Einhaltung der Menschenrechte dringen, nimmt proportional zu deren ökonomischer Bedeutung ab.

Deswegen müssen auch riesige Länder wie Russland oder China nie tatsächlich Sanktionen fürchten.

Und wenn eine Nation zufälligerweise auf genügend Erdöl sitzt, wie zum Beispiel Saudi Arabien, kann es auch nach Herzenslust ehebrechende oder gar unverschleierte Frauen steinigen und Schwule köpfen.
Wir heucheln ohnehin nur.

Ich bin sehr für die westliche Ausprägung der Menschenrechte.
Unsere europäischen Politiker sollten auch darauf dringen, daß sie durchgesetzt werden - aber bitte zuerst einmal bei uns. IM WESTEN!

Dazu zwei Beispiele.

1.) Dazu gehörte, daß als erstes mal der Vatikan geächtet werden müßte wegen der grundsätzlichen Rechtlosigkeit von Frauen.
Den Papst oder Kurienkardinäle sollte man in EU-Ländern zu unerwünschten Personen erklären und wie einst Geert Wilders beim britischen Zoll an den Grenzen aufhalten.

2.) Todesstrafe.
139 Länder weltweit haben diese barbarische Unsitte der Staatsmacht abgeschafft.
Laut AI haben im Jahr 2009 aber 18 Länder Hinrichtungen durchgeführt.
Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, weist darauf hin, daß der Trend gegenläufig ist, zuletzt hatten sogar Burundi und Togo die Todesstrafe aus ihren Gesetzbüchern gestrichen.

"Die Todesstrafe wird zunehmend wie Sklaverei und Apartheid als Schande der Menschheit gesehen", betonte Patzelt. In Europa gab es 2009 erstmals seit Amnesty Aufzeichnungen macht keine Hinrichtungen. Nur Weißrussland (Belarus) vollstreckte jüngst wieder die Todesstrafe.

Gucken wir uns aber die Top-Ten-Liste der Hinrichtungen an:

1.China (714)
2. Iran (388)
3. Irak (120)
4. Saudi Arabien (69)
5. USA (52)
6. Jemen (30)
7. Sudan, Vietnam (9)
9.Syrien (8)
10. Japan (7)

Wer tummelt sich da so schön inmitten all der Diktaturen?
Unser Hauptverbündeter USA mit dem everybodys darling-Präsident Obama.
Und wer spricht mal mit dem?
Zum Beispiel Angela Merkel.
Die ist gerade in den USA.

Offizielle Rügen wegen der prekären und beschämenden Menschrechtssituation in US-Gefängnissen wird der US-Präsident nicht zu hören bekommen.

Frau Merkel hatte sich dafür aber ordentlich auf Schröder eingeschossen, weil der mit Putin befreundet war.
Als sie selbst Kanzlerin wurde, hat sich das Verhältnis zu Russland sofort abgekühlt - wegen der Menschrechtssituation!
Stattdessen robbte sie an den Menschenrechtsfreund George W. Bush heran.

Russland hat die Todesstrafe übrigens 1996 abgeschafft.

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